Urtheile der Königlichen Inquisitions-Commission über die Grafen, Struensee und Brandt, mit der darauf erfolgten Königlichen Approbation. Aus dem Dänischen übersetzt.

Urtheile der Königlichen Inquisitions-Commission über die Struensee und Brandt,

mit der darauf erfolgten

Königlichen Approbation.

Aus dem Dänischen übersetzt.

Mit Königlichen aller-gnädigsten Privilegio.

Kopenhagen, 1772. Gedruckt und zu bekommen bei August Friederich Stein, wohnhaft in der Schiedenstrasse, in No. 171,

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Urtheil

in Sachen des General-Fiscals,

als befehligten Anklägers, an einem, wieder den Grafen

Johann Friederich Struensee,

am andern Theil.

usserdem, daß der Graf, Johann Friederich Struensee, schon

vorhin überführet, und von ihm selbst eingestanden ist, daß er ein grobes Verbrechen begangen habe, welches die Verletzung der Königlichen Hoheit, oder das Crimen læsæ Majestatis in einem hohen Grade mit sich führet, und nach dem Gesetze, insonderheit desselben 6ten Buchs 4ten Kapitels, 1 Art. eine harte Todesstrafe verdienet; ist es auch satsam beides bekannt und erwiesen, daß sein ganzes Verhalten und Betragen währender Zeit, da er an der Direction der Geschäfte Theil gehabt, eine Kette von lauter,

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theils verwegenen und unbesonnenen Unternehmungen, theils arglistigen Ränken gewesen, die alle darauf abgezielet, daß er sich allein alle Macht und Ansehen, mit Ausschliessung aller anderen, zuwenden möchte; wobei er kühnlich alle die Mittel, die er zu Erreichung dieser seiner Absicht dienlich zu seyn erachtet, zur Hand genommen, und sich zu Nutze gemacht, ohne im geringsten zu bedenken, ob solche erlaubt wären, oder nicht, und in wie fern sie mit der Verfassung und Form der Regierung, dem Genie der Nation, und den Einrichtungen und Gesetzen des Landes, sowol den bürgerlichen, als Grund-Gesetzen, übereinkämen, oder gerade dawieder stritten.

Sein grosses Augenmerk gieng theils dahin, Geheimer-Cabinetsminister, mit der ausserordentlichen und unerhörten Macht zu werden, die er im Monath Julius vorigen Jahrs erschlichen; theils alle Unterthanen von ihrem Könige, und den König von ihnen entfernet zu halten; theils bey Hofe, und über das Höchste selbst, eine solche ungezähmte Gewalt auszuüben, als man mit Erstaunen wahrgenommen hat.

Diese Absicht zu erreichen, hatte er auf Sr. Majestät Reise ausserhalb Landes daran gearbeitet, durch Bezeigung einer sorgfältigen Aufmerksamkeit für des Königs Gesundheit und Vergnügen, die Gnade Sr. Majestät zu erlangen. Als der König zurück gekommen war, hielt Struensee sich stille, und schien nichts weniger als gesonnen zu seyn, auf Aemter und Würden Anspruch zu machen, nach welchen doch sein Ehrgeitz und seine Herrschsucht lechzeten. Er lebte bey Hofe, belustigte sich, verlangte keine Verntehrung seiner Gage, und schien in der Ruhe und Wollust seine Zufriedenheit zu setzen. Allein zu eben der Zeit arbeitete er insgeheim mit vielem Eifer an der Grundlage, worauf er sein stolzes Glück aufzuführen gedachte. Die Sprache des Landes zu erlernen, dessen Verfassung und Einrichtungen gründlich zü erforschen, den Zustand und das wahre Interesse desselben zu kennen, und seine bürgerlichen und Grund-Gefetze zu wissen: waren Dinge, um die er sich gar nicht bekümmerte. Er hätte diesen Weg betreten sollen; allein in Ansehung alles dessen war und blieb er in der größten Unwissenheit. Er nahm sich dagegen vor, die Grundsätze auszuspüren, denen der König in Seiner Regierung zu folgen gedachte, damit er sich ihrer bedienen könte, seine schädlichen Anschläge zu verbergen:

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und weil, er noch alle Ursache hatte zu befürchten, daß entweder treue Diener seine Absichten entdecken, oder der König selbst derselben inne werden möchte; so suchte er, um die Wirkung des ersteren zu verhindern, bey Sr. Majestät alle diejenigen ohne Unterschied anzuschwärzen, welche die Gnade hatten, sich dein Monarchen zu nähern; und, um dem letzteren zuvor zu kommen, war er dahin angewandt, sich einen mächtigen Schutz zu verschaffen, und einen solchen beständigen und zuverläßigen Freund nahe um den König zu haben, daß es Seiner Majestät fast unmöglich würde, seine Wege und Absichten zu entdecken.

Er hatte nicht so bald seine Maschine im Jahr 1770 völlig im Stande, als er sie schon gleich in Bewegung setzete.

Unsere Könige haben seit der Souverainität immer einen Rath gehabt, welcher aus solchen Männern bestanden, die der Gesetze und Verfassungen des Landes kundig waren, das rechte Staatssystem und das wahre Interesse und Beste des Landes erforschet hatten, und die Regeln wußten, welche, demselben in Folge, auf die vorkommenden Fälle angewendet werden könten und müßten.

Ihr Amet brachte es mit sich, daß sie um den König waren, so oft Sachen von Wichtigkeit Sr. Majestät vorgestellet werden sollten, und daß sie dem König die nöthige Erläuterung über alles dasjenige gaben, was Er, zur Ertheilung Seiner Decision, zu wissen verlangte. Im übrigen hatten diese Männer, als Glieder des Geheimen-Conseils, keine Stimme, keine Ausfertigung, keinen Sekretär; denn es beruhete alles auf den Willen des Königs, und es wurde alles bey den gehörigen Departemens ausgefertiget.

Diesen so alten, so natürlichen Rath, wollte Struensee mit seinen Anhängern ganz aufgehoben und cassiret haben. Denn dieser Mann befürchtete, daß, so lange noch ein solcher Rath vorhanden wäre, derselbe, wenn er auch gleich aus seinen eigenen Freunden bestünde, mit der Zeit nie unterlassen würde, sich seinen schädlichen Anschlägen zu Wiedersetzen, und sie dein König zu entdecken, indem er diesen Männern die Gelegenheit doch nicht entziehen könte, mit dem Könige zu reden, und Ihm, was Sein eigener und des Landes Vor-

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theil erheischte, vorzustellen. Zu dem Ende hatte Struensee schon im voraus die damahligen Ministers durch allerhand Insinuationen verläumdet, und so gar solche Handlungen, die unläugbar dem Könige und dem Staate zum Besten gereichten, mit den schwärzesten Farben geschildert. Se. Majestät, die Ihr Volk zärtlich lieben, die von Ihren Bedienten Redlichkeit erwarten, und über Ihre souveraine Macht eifersüchtig find, verlohren dann das Zutrauen zu Ihrem Conseil, und hätten es mit anderen Männern besetzen, und ihm eine andere Gestalt geben wollen; allein Struensee setzte durch die unwahresten Vorwendungen und listigsten Kunstgriffe den Absichten des Königs solche Hindernisse entgegen, daß das Conseil nach und nach aushörte, und so gar zuletzt durch die Acte vom 27sten December 1770 förmlich abgeschaffet wurde.

Zu eben der Zeit wurde er selbst Maître des requêtes, und wie sein Plan darauf hinaus lief, allein berechtiget zu seyn, mit dem Könige von Geschäften zu sprechen, und alle übrige davon auszuschliessen: schienen die andere übrig bleibende Collegien ihm hierin noch einige Hindernisse in den Weg legen zu können. In dieser Hinsicht wurde dem Könige, welcher die Sachen, die von den Collegien seiner Decision Untergeben wurden, gründlich einzusehen wünschte, von ihm vorgestellet, es wäre hiezu nichts dienlicher, als daß die Collegien den Befehl erhielten, ihre schriftliche Vorstellungen in einem Portefeuille einzuschicken, oder zu überreichen, damit Se. Majestät die nöthige Zeit hätten, solche zu lesen und zu erwägen. Durch diesen scheinbaren und dem Ansehen nach so nützlichen Rath erreichte der Mann seinen Endzweck, die Collegien von dem Könige entfernet zu halten. Er bemächtiget sich bald der Portefeuilles, und bemeistert sich solchergestalt einzig und allein der Sachen, um sie nach eigenem Gutfinden dem Könige vorzustellen. Wollten dann die gehörigen Collegien, zur näheren Information des Königs, die erforderlichen Gründe vorgebracht haben: so mußten sie sich an Struensee wenden, und auf die Art wurde er, was beydes das ehemalige Conseil und die Collegia vorhin gewesen waren.

Unter dem Vorwande, die schleunigere Ausfertigung gewisser Sachen zu befördern, und zugleich das königliche Ansehen in seiner rechten Grösse zu

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zeigen, stellte er auch unterschiedliche Cabinets-Ordres aus, die ohne daß das gehörige Departement davon unterrichtet wurde, zur Ausführung gelangten; ein Vornehmen, das nothwendig die äusserste Verwirrung anrichten mußte, und das ein Mann wagte, welcher weder das Land, noch dessen Gesetze, noch dessen Zustand, noch dessen Sprache kannte. Aber um alles dieses bekümmerte er sich nicht; wenn er sich nur alle Gewalt und alles Ansehen zuwenden konte.

Diese Unwissenheit des Grafen Struensee in demjenigen, was ein jeder Minister in Dännemark wissen sollte, und seine gar geringe Sorgfalt, sich davon Kenntnisse zu erwerben, hat sowol für den Staat selbst, als für Privatpersonen unzählige Ungelegenheiten mit sich geführet.

Bey den Collegien, die vorher immer gewohnt waren, ihre Vorstellungen in dänischer Sprache einzusenden, mußte ein besonderer Bediente angestellet werden, um solche ins Deutsche zu übersetzen, damit sie der Graf Struensee in dieser Sprache lesen könte. Die dänische Kanzeley, als das einzige Collegium, welches beständig fortfuhr, die Vorstellungen in dänischer Sprache einzusenden, hatte allzu oft Gelegenheit wahrzunehmen, daß diese Vorstellungen überall nicht gelesen würden, weil lediglich ein Ertract davon, der befohlenermaßen aufs kürzeste gemacht, und auf dem sogenannten Rotulo angeführet werden mußte, ins Deutsche übersetzt, und von dem Grafen Struensee gelesen wurde, worauf dann die Resolution in deutscher Sprache erfolgte, und in der Kanzeley wieder in die dänische übersetzet wurde. Unter diesen Umständen konte es nicht fehlen, daß die Resolution oft zweydeutig, unverständlich, und der Sache desto weniger angemessen war, je seltener derjenige, der sie dem Könige vorstellete, von derselben einen richtigen Begrif hatte.

Privatpersonen, die bey dem Cabinet ein Gesuch übergeben wollten, und solche in dänischer Sprache aufgesetzet hatten, liefen umher, um jemand zu finden, der solche ins Deutsche übersehen könte; in der vielleicht nicht ungeqründeten Meynung, daß die Bittschrift, wenn sie bloß Dänisch abgefasset wäre, nicht gelesen würde; wohingegen diese teutsche, um einen geringen Preis erlangte Uebersetzungen oft so geriethen, daß man daraus nicht ersehen konte, worauf das Ansuchen eigentlich gerichtet war.

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Des Grafen Struensee Unkunde in Absicht auf die Einrichtung der Collegien; seine Unlust, sich damit bekannt zu machen, und seine Begierde, die ganze alte Verfassung des Staats umzuschmelzen, und die Zahl seiner Anhänger dadurch zu vergrössern, daß er allenthalben und in wichtigen Posten Leute setzte, die ihm ihr Glück zu verdanken hätten: das alles verleitete ihn, an ein Collegium nach dem andern die Hand zu legen, und, weil er selbst weder arbeiten konte noch wollte, zu diesen wichtigen Veränderungen andere Männer zu gebrauchen, von denen einige selbst hernach gestanden haben, daß sie von der Beschaffenheit der vorigen Einrichtung, und deren Vortheilen oder Mängeln ganz keine Kenntniß gehabt, oder zu erlangen gesucht, weil ihnen bloß vorgeschrieben war, einen Plan zu einer neuen Einrichtung, nach gewissen vorausgesetzten Datis, zu verfassen.

Nachdem der Graf Struensee auf solche Weise durch Abschaffung des Geheimen-Conseils, durch Schwächung und Umgiessung der meisten übrigen Collegien, und deren Ausschliessung von der mündlichen Vorstellung, alle Macht und Gewalt an sich gezogen hatte; währete es nicht lange, bis Sr. Majestät Unterthanen überhaupt die Wirkung von seinen despotischen Grundsätzen, und seiner Denkungsart beydes merkten und fühlten.

Die vorher gedachte väterliche und milde Regierung, derer man vorhin in Dännemark so lange gewohnt gewesen, und an welche man durch die Länge der Zeit ein Recht erworben zu haben schien, verursachte, daß ein jeder, dem der König eure Bedienung gab, mit Fug zu glauben vermeinte, er könte sich versichert halten, in derselben so lange zu bleiben, als er sich gebührend betrüge, und seine Amtspflichten beobachtete, und er stünde nicht in Gefahr, solche, wieder seinen Willen, zu verlieren, es wäre denn, daß er wegen Untreue, Vergehens, oder Versäumniß, durch einen richterlichen Spruch derselben verlustig erkläret worden.

Diese gemäßigten Grundsätze, welche die Gelindigkeit der Regierung vorzüglich bezeichneten, und viele herrliche Wirkungen hervor brachten, waren nicht nach dem Geschmack des Grafen Struensee, der sich niemahls, und am wenigsten alsdann einen Zwang anthun wollte, wenn es darauf ankam, Leute unglücklich zu machen, und dadurch anderen eilten Schrecken einzujagen.

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Ans dieser Ursache hörte man gemeiniglich und fast täglich, daß bald dieser, bald jener königliche Bediente durch eine Cabinets-Ordre seines Dienstes entsetzet war, ohne daß derselbe einmal erfuhr, worin er sich versehen hätte, und worin sein Verbrechen bestünde. Verschiedene verlohren ihre Bedienung, ohne daß ihnen darüber eine, königliche Resolution zu Gesichte gekommen wäre, und ohne etwas davon zu wissen, bis sie vernamen, daß die Bedienung, vermittelst einer Cabinets-Ordre, einem andern gegeben wäre. Dieses erstreckte sich auch auf ganze Collegien.

Der ganze Kopenhagener Magistrat, welcher aus 18 bis 20 oder mehreren Personen bestand, wurde ab- und ein neuer Magistrat dagegen eingesetzet, und zwar durch eine Cabinets-Ordre vom 3ten April 1771 an den Oberpräsidenten, welcher einige Tage vorher, ebenfals durch eine Cabinets-Ordre, zu diesem Amte, (nachdem der bisherige Oberpräsident seinen Abschied erhalten,) bestellet war, und sich damit genügen ließ, daß er durch ein blosses Schreiben den vorigen Magistratspersonen anzeigte, daß sie abgesetzet wären, und den neuen, daß sie sich nach dem Rahthause zu verfügen hätten; ohne daß die abgehenden einige Wissenschaft davon erhielten, worin sie sich versehen hätten, und warum sie abgesetzet wären.

Ausser dem Magistrate war noch in Kopenhagen ein anderes Collegium, oder öffentliche Versammlung, die sogenannten zwey und dreißig Männer. Es war nemlich durch die der Stadt Kopenhagen, in Ansehung der von der Bürgerschaft währender Belagerung, und bey Einführung der Souverainität bezeigten Treue und Tapferkeit, so feyerlich verliehenen Privilegien vom 24sten Junii 1664, der Bürgerschaft verstattet worden, daß sie zugleich mit dem Magistrat aus den besten und vornehmsten Bürgern 32 Personen erwählen möchte, welche, mit dem Magistrate, das Beste und den Nutzen der Stadt und Bürgerschaft, imgleichen die gemeinen Einkünfte und Ausgaben erwägen und besorgen konten. In welcher Hinsicht ihnen auch, nebst einigen Gliedern des Raths, der Zutritt zum Throne selbst verstattet war.

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Diese Versammlung, welche als ein Kleinod in den Privilegien der Stadt betrachtet wurde, welche viel Gutes und Nützliches würkte, und so wenig dem Könige, als der Stadt das geringste kostete, wurde gleichfals durch dieselbe Cabinets-Ordre aufgehoben, welcher zu Folge der vorgedachte Oberpräsident bekannt machte, daß die zwey und dreißig Männer nicht mehr zusammen kommen sollten, und dabei den zu ihrer Versammlung bestimmten Sahl auf dem Rahthause verschliessen ließ.

Diese und viele andere Beyspiele von gleicher Beschaffenheit zeigten insgesamt, daß diesem, eben so unvorsichtigen als gewaltsamen Manne, der eben so sehr der Klugheit und Gelindigkeit, als der Ordnung und den guten Sitten feind war, nichts heilig wäre, und machten einen unglaublichen Eindruck auf die Nation, die sich vorstellete, daß sie auf einmal in eine andere und morgenländische Gegend versetzet wäre.

Etliche wehklagten und seufzeten; andere äusserten ihr Erstaunen, oder ihre Erbitterung, bald auf diese, bald auf jene Weise.

Alle waren doch darin einig, baß Se. Majestät gegen ihre Unterthanen noch eben so milde und väterlich, als vorhin, gesinnet wären, wenn nur ihr Seufzen und Klagen zum Thron hindurch dringen, und die wahre Beschaffenheit der Sache Sr. Majestät vorgestellet werden könte.

Allein dies schien, wegen der Maaßregeln, die Struensee, um es zu verhüten, genommen hatte, nicht möglich zu seyn. Er hatte bey dem König seinen vertrauten Freund, den Grafen Brandt placiret; und da er vielleicht, nach dem bekannten Sprichwort: NuIIa amicitia nisi inter bonos, aus die Dauer dieser Freundschaft nicht so ganz sichere Rechnung machte, so suchte er solche durch die Verbindung ihres beyderseitigen Interesse, und, wie gleich gezeigt werden soll, aus Kosten des Königs und Sr. Majestät Casse, zu befestigen.

Der Graf Brandt, der stets um den König war, bestärkte Se. Majestät in demjenigen, was Struensee anbrachte und vorwandte, und ver-

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hinderte es, daß niemand Mittel fand, Se. Majestät von der Wahrheit des Gegentheils zu überführen.

Es war kein Conseil mehr, und gewissermaßen kein Minister. Es wurde Niemanden verstattet, mit dem König allein zu reden, ausser solchen, auf welche Struensee seines Erachtens sich verlassen konte. Geschahe solches dennoch, so war es nur aus einen Augenblick, oder auf eine gar kurze Zeit, die niemanden erlaubte, sich in eine weitläuftige Erzählung oder Erörterung einzulassen.

Alle übrigen wurden von des Königs Person entfernt gehalten; und dieses erstreckte sich so gar auf Sr. Majestät eigene höchste Familie und nächste Angehörigen selbst, gegen welche der König vorhin beständig eine grosse Zärtlichkeit und Liebe blicken lassen. Aber von der Zeit an, da Struensee sich der Verwaltung des Hofes sowol, als des ganzen Staats angemasset hatte, kamen Sie nur selten zu dem König, und erhielten nie Gelegenheit, mit Sr. Majestät allein zu reden, da sie sonst nicht unterlassen haben würden, Sr. Majestät den Bedruck des Landes und die Bekümmerniß der Unterthanen vorzubringen; wovon diese hohe Personen in der Folge, so bald sich nur die Gelegenheit darbot, solche unumstößliche Beweise gegeben haben, die nicht genug gepriesen und verehret werden können.

Es konte nicht fehlen, daß der Graf Strnensee durch ein so despotisches, gewaltsames und unvernünftiges Verfahren sich überall verhaßt machen mußte.

Seine Emissarien und Anhänger, (deren er doch etliche hatte), wenn sie es nicht wagen durften, seine Unternehmungen grade zu zu rechtfertigen und zu beschönigen, suchten doch wenigstens seine vorgebliche grosse Uneigennützigkeit sehr zu erheben und weit auszubreiten, welche sie darin setzten, daß er mit dem ihm beygelegten mäßigen Gehalt zufrieden wäre, und weder für sich, noch für die Seinigen Geld oder Ehre verlangte.

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Wie weit solches damals Glauben fand, läßt man dahin gestellet seyn. Das ist gewiß, daß der Graf Struensee sehr wohl überlegte Maaßregeln genommen hatte, seinen Eigennutz, zu der Zeit und so lange solches währte, zu verbergen; allein hernach ist es allzu deutlich entdecket und dargethan worden, daß er ein überaus interessirter und eigennütziger Mann gewesen sey, von dem man, mit gutem Fug, sagen kan, daß er Sr. Majestät Casse geplündert habe.

Es war ihm eine ganz anständige und beträchtliche Gage beygelegt, womit er desto besser auskommen konnte, da er bey Hofe alles frey hatte, so gar bis auf die Gastmale, die er anstellte. Er mußte den schlechten Zustand, worin die königliche und die öffentliche Casse, schon von vorigen Zeiten her, sich befand, und hatte solchen genugsam ausgebreitet. Dem ungeachtet ließ er kaum zwey oder drey Monathe vorbey gehen, nachdem das Conseil abgeschaffet, und er Maître des requêtes geworden war, bevor er die gütige Gesinnung des Königs misbrauchte, und von Sr. Majestät ein Geschenk für sich selbst von 10000 Reichsthalertn, und für seinen Freund, den Grafen Brandt eine gleiche Summe verlangte und erhielt.

Man sollte denken, es würde ein so ansehnliches Geschenk für diese beyde Personen, von welchen der eine Maître des requêtes und der andere Directeur des spectacles war, und die beyderseits solche Aemter nur eine kurze Zeit bekleidet hatten, ihre Haabsucht auf einige Zeit gesättiget haben; man siehet aber, daß solche vielmehr gewachsen und zugenommen habe. Denn, nachdem sie diese Geschenke im Februar oder März erhalten, empfing der Graf Struensee aufs neue im May, folglich zwey bis drey Monathe darnach, aus der königlichen Casse 50 oder 60000 Reichsthaler, und eben so viel für den Grafen Brandt; und haben also diese beyde Personen, innerhalb drey bis vier Monathe, ausser ihrem ordentlichen Gehalt dem König entweder 140000 Reichsthaler, oder zum wenigsten 120000 Reichsthaler gekostet, (denn welche von diesen beiden Summen es eigentlich sey, kan man, wegen der Verwirrung, worin des Grafen Struensee Rechnungen sich befinden, gegenwärtig noch nicht mit Gewißheit sagen) zu geschweigen der Geschenke, die sie beydes vorher und hernach ihren guten Freunden, zugewandt, als dem Justitzrath Struensee 4000

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Reichsthaler, der Gräfin Holstein 3000 Reichsthaler, dem Kammerherrn Falkenschiold 3500 Reichsthaler oder darüber, und so fortan.

Daß dieser, des Grafen Struensee unverantwortlicher Eigennutz recht überlegt und vorsetzlich gewesen, solches zeiget die künstliche Maschine, die er bloß zu dein Ende zusammen gesetzet, damit er diese Gelder erhalten und einnehmen könte, ohne das Jemand davon Wissenschaft erlangte.

In dieser Rücksicht that er erstlich den Vorschlag zur Aushebung des sogenannten Tresors, (einer Summe Geldes, die bey Seite gelegt war, um sich derselben in vorkommenden schleunigen Zufällen bedienen zu können) und deffen, Einlieferung in die öffentliche Casse. Allein, weil diese Gelder auf dem Wege zur öffentlichen Casse das Cabinet zu passiren hatten, so schlug er wiederum dem Könige vor, davon 250000 Reichsthaler zu nehmen, und daraus eine so genannte Special-Cabinets-Casse zu formiren, die allein unter seiner Aussicht seyn sollte.

Dadurch bekam der Graf Struensee guten Anlaß, ansehnliche Geldsummen zu erhalten, und in Empfang zu nehmen, ohne daß davon sonst Jemand etwas erfahren konte.

Er hat auch mit dieser Casse so geschaltet, daß, da sie im April 1771 errichtet worden, und damals aus 250000 Reichsthalern bestanden, von solcher Summe bey Ausgang des nächstfolgenden Maymonaths nur 118000 Reichsthaler übrig waren, obgleich die Casse keine andere Ausgaben gehabt, als Dergleichen Geschenke.

Diese übrig gebliebene 118000 Reichsthaler würden wahrscheinlich nach und nach den nemlichen Weg, wie die andern Summen, genommen haben, wenn Struensee nur Zeit und Gelegenheit dazu gehabt hätte.

Des Grafen Struensee schändliche Haabsucht und Eigennützigkeit

iist hiedurch dergestalt vor Augen geleget, daß diejenigen, die ihn für uneigen-

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nützig ausgeschrien, Ursache finden zu gestehen, sie hätten ihn nur wenig gekant, und wären zugleich schlecht unterrichtet gewesen.

Aber dies ist nicht genug. Hier ist die allerstärkeste Vermuthung vorhanden, daß der Graf Struensee bey dieser Handlung eine unverschämte, niederträchtige und höchststrafbare Betrügerey begangen habe. Als die unter des Grafen Struensee Papieren gefundene, und von dem Könige approbirte Berechnung, über die Einnahme und Ausgabe der Special-Cabinets-Casse für die Monathe April und May 1771, weil man sie verdächtig fand, Sr. Majestät vorgezeiget wurde, erkläreten Höchstdieselben gleich, daß Sie Sich ganz wohl erinnerten, zu solcher Zeit 10000 Reichsthaler an die Königin, 6000 Reichsthaler an den Grafen Brandt, und 6000 Reichsthaler an den Grafen Struensee, und nichts mehr, geschenket zu haben. Wie diese Summen zusammen 22000 Reichsthaler ausmachen, so ist es bey dem Anblick des Documents sonnenklar, daß die Summe, welche untenan stehet, anfänglich 22000 Reichsthaler gewesen, daß aber aus der ersten Zwey eine Drey gemacht worden, (welche Aenderung so kenntlich ist, daß sie gleich in die Augen fällt) und eine 1 voran gesetzet worden, zu welcher Zahl sonst kein Platz gewesen, als daß sie vor der Linie, (welche gerade herunter gezogen ist, und den Context von den Summen trennet), stehen müssen, da doch solches der Weise ganz entgegen ist, die nicht nur in den andern Berechnungen, sondern auch in dieser Berechnung selbst, auf der vorhergehenden Seite, wo die Einnahme angeführet ist, beobachtet worden. Hiedurch ist also die obgemeldte Summe der 22000 Reichsthaler in 132000 Reichsthaler verändert, und diese Summe kömt heraus, weil die 6000 Reichsthaler für Brandt, und die 6000 Reichsthaler für Struensee durch Hinzufügung einer Nulle in 60000 Reichsthaler verwandelt, und 2000 Reichsthaler für den Kammerherrn Falkenschiold hinzu gekommen sind, welche letztere Summe aus dem Grunde hinzu gefüget zu seyn scheinet, damit man, bey Veränderung der 22000 Reichsthaler zu 130000 Reichsthaler, nicht nöthig hätte, die andere Zwey ebenfals meine Nulle zu verwandeln.

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Diese Vermuthungen, deren Stärke niemand recht einsehen kann. ohne wer das Document, von dem die Rede ist, zugleich vor Augen hat, und betrachtet, in welchem auch die Stellung der Zahlen oder Ziffern noch mehrere Beweise an die Hand giebt, werden noch durch andere hiebey vorkommende Umstände unterstützet, als: daß diese Berechnung für die April- und May-Monathe von dem Grafen Struensee eigenhändig, die übrigen Extracte und Berechnungen hingegen von dem Sekretär im Cabinette geschrieben sind; welches erstere vermuthlich deswegen geschehen, weil der Graf Struensee nicht wollte, daß Jemand um den von ihm begangenen Betrug wüßte: und daß der Graf Struensee nach der Zeit nicht eher, als bey Ausgang des Octobers, dem Könige einige Berechnung wegen dieser Casse übergeben hat, obgleich die Casse im Junio eine Ausgabe von 2000 Reichsthalern gehabt, so dem Justitzrath Struensee geschenket worden.

Diese Versäumniß oder Weglassung scheinet mit Fleiß geschehen zu seyn, damit der König mitlerweile, und da eine so lange Zeit dazwischen verlief, sich des rechten Behalts und Zustandes der Casse nicht ft genau erinnern möchte. Diesem trit noch die von Sr. Majestät selbst angeführte, sehr natürliche Vermuthung hinzu, naß es gar nicht wahrscheinlich sey, daß Sie den Grafen Struensee und Brandt, einem jeden entweder 50000 Reichsthaler oder 60000 Reichsthaler geschenket haben sollten, wenn Sie der Königin nur eine Verehrung von 10000 Reichsthalern bestimmeten.

Der Graf Struensee, (welcher zwar gestehen muß, in so weit eigennützig gehandelt zu haben, daß er diese Summen von dem Könige erbeten, gleichwol aber keinen Betrug an sich kommen lassen will, weil er darauf bestehet, daß der König damals, auf sein Begehren, ihm 50000 Reichsthaler, und dem Grafen Brandt ebenfals 50000 Reichsthaler geschenket, und daß, da die ihnen vorher geschenkte 10000 Reichsthaler nirgends zur Rechnung gebracht waren, solche hieselbst unter einer Summe angeführet wären), hat jedoch, als ihm das Document, oder die Berechnung in der Commission vorge-

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legt worden, zugeben müssen, daß alle Umstände zusammen träfen, einen solchen Verdacht gegen ihn zu erregen, den er auf keine Weise zu heben wüßte. Wobey er seine Unachtsamkeit und Versäumniß sehr bedauret hat.

Daß die Ehrsucht des Grafen Struensee nicht geringer, als seine

Haabsucht, und seine Mäßigung, in Ansehung der Ehrenstellen und Titeln, nicht grösser, als in Absicht auf Geld und Reichthum gewesen: solches fällt ebenfals leicht in die Augen.

Er hatte in zweyen Jahren solche Schritte gethan, als andere, die grössere Geschicklichkeit und Verdienste, als er, besitzen, kaum in dreyßig oder mehreren Jahren thun. Bey den Umständen, worin er sich befand, konte es nicht fehlen, daß er sowol bey Hofe als in der Stadt, in grossem Ansehen stund; aber alles das war ihm nicht hinreichend.

Er brachte es durch beständige Ueberredungen dahin, daß der König ihn den 14ten Julii 1771 zum Geheimen-Cabinets-Minister ernannte, welchen von ihm gemachten Entwurf er bis zum letzten Augenblick, so gar für seine allervertrauteste Freunde, zu verhelen gewußt. Und einige Tage hernach wurde er zugleich mit den; Kammerherrn Brandt in den Grafen-Stand erhoben.

Ungeachtet er, als Geheimer-Cabinetsminister, sich als die erste Privatperson im ganzen Reiche betrachtete; so war er doch mit dem blossen Titel und der vorhin gehabten Gewalt nicht zufrieden, sondern wollte solche Vorzüge damit verbunden wissen, die sich keinesweges für einen Unterthan schicken, sondern einen Theil der Sr. Königlichen Majestät allein gebührenden souverainen Macht befaßeten.

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Der Graf Struensee hatte schon alle Gewalt und Ansehen an sich gezogen, und da alle diejenigen, die um den König waren, von Struensee abhingen, und Se. Majestät also nichts als Lobreden auf Struensee hörten: so war es natürlich, daß Sie eine Art von Zutrauen zu ihm faßten, und weil er beynahe der einzige war, der Se. Majestät sahe, und mit Ihnen von Geschäften sprach, so konte es wol nicht fehlen, daß Se. Majestät seine Anträge genehmigten. Er hatte also alles, was er sich wünschen konte; aber alles das war nicht hinlänglich, seinen Ungereimten Ehrgeitz zu sättigen. Die Collegien und andere wollten nicht immer seinen Befehlen nachleben und solche vollstrecken, ohne des Königs Hand zu sehen.

Dies stand Struensee nicht an, und man hatte Ursache zu glauben, daß solches mit seinen verborgenen Absichten nicht überein käme. Er wollte, daß seine Hand dieselbe Würkung haben sollte, als des Königs Hand, und daß diejenigen, die es anginge, der einen sowol, als der andern zu gehorchen verbunden seyn sollten.

Dieses erlangte er auch durch die von ihm entworfene königliche Ordre, welche den 15ten Julii 1771, in Anleitung seines neuen Geheimen-Cabinetsminister-Amts, an die Collegien erging, und von da weiter bekant gemacht wurde. Denn in dem ersten Artikel derselben werden die Ordres, die Struensee unterschreiben, und das Cabinets-Siegel davor sehen würde, auf alle Weise den von Sr. Majestät selbst unterschriebenen, und von Struensee paraphirten Ordres gleich gemacht: und der 4te Artickel setzet ausdrücklich fest, daß alle und jede den von Struensee ausgefertigten und unterschriebenen Cabinets-Ordres Folge leisten, und sie vollstrecken sollen. Zwar scheinet dieser Artikel eine Art von Einschränkung zu enthalten, wenn

es heisset: Dafern keine königliche Verordnung oder Resolution

dawieder seyn möchte; aber das darauf folgende zeiget, daß es vielmehr eine Ausdehnung war: denn an Stat, daß man erwartete, es würde

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darauf folgen: die Vollziehung sollte auf solchen Fall ausgesetzet werden, bis man eine königliche Resolution erhalten hätte, heißt es bloß: In

welchem Falle solches sofort dem Cabinet zu melden ist; daß

also, wenn Jemand in solchem Falle sich berechtiget fand, wieder Struensee, oder seine Ordre Vorstellung zu thun, derselbe sich an Struensee selbst wenden, und, wenn dieser dann befahl, daß seinem ersteren Befehl nachgelebet und er vollstrecket werden sollte, es dabey sein Bewenden haben mußte. So hat auch der Gras Struensee es verstanden, und darnach gehandelt. Hiedurch erschlich er sich einen Theil der Souverainität, und aus dem, was vorhin geschehen war, konte man einigermassen abnehmen, daß er im Sinne hatte, solche allein auszuüben.

Da Struensee behauptet, das Königs-Gefetz gelesen zu haben, und da ihm, als Minister, der Inhalt desselben genau bekannt seyn sollte; so mußte er wohl wissen, daß dessen 7ter Artikel will: Es sollen alle

Regierungs-Geschäfte, Briefe und Handlungen von dem Könige selbst unterzeichnet werden. Allein der Artickel des Königs-Gesetzes,

der hier vornemlich eine Anwendung findet, ist der 26ste, wo es dem Höchstseeligen Könige und ersten souverainen Monarchen, Friederich dem Dritten, geahnt zu haben scheinet, daß wol einmahl in Dännemark ein Struensee aufstehen könte; indem daselbst angeführet ist, wie schädlich es sey, wenn der Könige und Herren Milde und Güte so geinißbrauchet werde, daß ihnen ihre Macht und Ansehen fast unvermerkt beschnitten werde; und wie wünschenswerth es sey, daß Könige und Herren über ihre Macht und Ansehen, halten wollten; wornächst es den Königen in Dännemark empfohlen und eingepräget wird, mit einem eifersüchtigen Auge über die unverletzte Aufrechthaltung ihrer Souverainität und alleinigen Gewalt zu wachen. Und endlich wird mit den Worten geschlossen: Daß, im

Fall Jemand sich unterstehen würde, etwas auszuwürken oder

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an sich zu bringen, welches auf die eine oder andere Weise der absoluten Herrschaft und souverainen Macht des Königs zum Nachtheil und Schmälerung gereichen könte, solches alles, als nicht geschehen, betrachtet, und diejenigen, die dergleichen erworben oder erschlichen haben, als Beleidiger der Majestät, und als solche, welche die königliche monarchische Gewalt und Hoheit gröblich angetastet, gestrafet werden sollen.

Der Graf Struensee könte hier sein Urtheil lesen, wenn er sich nicht zugleich einer andern eben so groben Missethat und Verbrechens wieder des Königs Hoheit schuldig gemacht hätte, ausser daß er nicht allein darum gewußt, und dazu gerathen, sondern es, auch auf seinen Antrieb geschehen, daß sein vertrauter Freund, der Graf Brandt, sich an Sr. Majestät Person vergriffen hat.

Die Art und Weise, wie der Graf Struensee die ihm, als Geheimen-Cabinetsminister, anbetraute Macht und Gewalt ausgeübet, entschuldiget ihn nicht, sondern gereichet ihm im höchsten Grade zur Last, weil solche abermals zeiget, daß er der königlichen Unterthanen Wohlfart, Ehre, Leib und Guht, als gänzlich seiner Willkür überlassen, betrachtet habe.

Er hat, durch die von ihm und unter seiner Hand ausgestellte Cabinets-Ordres, ältere und ihm bekannt gemachte königliche Resolutionen an die Seite gesetzet.

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Er hat in den wichtigsten Sachen dergleichen Ordres, ohne Vorwissen des Königs, ausgefertiget; und den Extract der von ihm ausgestellten Cabinets-Ordres, den er dem 3ten Artikel der königlichen Resolution vom 15ten Julii zufolge, Sr. Majestät wöchentlich vorlegen sollen, hat er theils versäumet, theils so eingerichtet, daß daraus unmöglich abzunehmen war, worin die Ordre eigentlich bestanden, und was sie mit sich geführet.

Als ihm die Direction der Particulier-Casse anbetrauet worden, (denn er wollte die Aufsicht über alle Cassen haben), fandt er hiebey gut, dem Cassirer eine neue Instruction unter seiner Hand zu ertheilen. Und als der Cassirer ihm hierauf vorstellete, daß er mit einer königlichen Instrution versehen wäre, die nicht anders, als durch eine königliche Resolution aufgehoben werden könte, erhielt derselbe eine Antwort, die eine Art von Verweiß in sich faßte, und wodurch ihm aufs neue befohlen wurde, sich nach seiner, Struensees Ordre und Instruction zu verhalten.

Das schöne Corps der Garde zu Pferde, welches aus lauter gebornen Dänen und Norwegern bestand, (und eben deswegen dem Grafen Struensee nicht gefiel) und welches, da es nur zwey Esquadrons ausmachte, nicht sehr kostbar seyn konte, war schon im Frühjahr 1771, nach des Grafen Struensee Vorschlag und Willen, und der Gegenvorstellung des Generalitäts-Collegii ungeachtet, abgegangen.

Die Garde zu Fuß war noch übrig. Diese bestand aus fünf Compagnien, alles gesittete und zuverläßige Leute, denen die Wachen auf dem königlichen Schlosse, und vor den königlichen Gemächern ganz sicher anvertrauet werden konten. Allein sie hatten eine Eigenschaft, weswegen der

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Graf Struensee kein Zutrauen zu ihnen fassen konte: sie waren fast insgesamt geborne Dänen und Norweger.

Die Abschaffung dieses Corps hatte er längst bey sich beschlossen, und davon mit Verschiedenen gesprochen, unter welchen die mehresten ihm davon abgerahten hatten. Endlich grif er durch, und stellte, ohne Vorwissen des Königs, (wie Se. Majestät selbst Sich erkläret haben) unterm 21sten December 1771 an das Generalitäts- und Commissariats-Collegium eine Cabinets-Ordre aus, nach welcher die fünf Compagnien Fußgarde in fünf Compagnien Grenadiers verwandelt, und eine Compagnie davon einem jeden der fünf Regimenter, die in Kopenhagen zur Besatzung lagen, angehänget werden sollte, u. s. f.

Er ließ auch den Listen, 22sten und 23sten December verstreichen, ohne dem König etwas davon zu melden, (dessen Se. Majestät nach Ihrer Erklärung sich ganz wohl erinnern) obgleich er, Struensee, der Generalität den 23sten eine königliche Approbation über die vorgedachte Cabinets-Ordre vom, 21sten verschaffet hat, weil dieses Collegium durchaus eine königliche Resolution verlangte, und ohne solche die Cabinets-Ordre nicht vollziehen wollte; indem es die Sache als sehr wichtig betrachtete, und vielleicht die Folgen, die daraus entstehen würden, vorher sahe.

Als aber die Gardes am 24sten December darauf bestunden, daß ihre Capitulation ihnen gehalten werden müßte, und daß es derselben zuwieder laufen würde, wenn sie verpflichtet styn sollten, unter den anderen Regimentern Dienste zu thun: so sahe Struensee sich genöthiget, dem Könige die ganze Sache vorzustellen, wobey er zugleich den Rath gab, wieder die Leute Gewalt zu brauchen und sie zu zwingen. Jedoch wurde an demselben Tage die königliche Ordre vom 24sten December ausgefertiget,

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daß diejenigen von der Fußgarde, die nicht als Grenadiers dienen wollten, ihren Abschied erhalten könten. Die Folge von solcher Operation des Grafen Struensee war, also diese, daß der König aus seinen Kriegsdiensten etliche hundert tüchtige, treue und zuverläßige Leute, sämtlich geborne Landeskinder, verlohr. Uebrigens fällt das arglistige und unredliche Betragen des Grafen Struensee, bey diesem Vorfalle, gleich in die Augen, wenn man sein über die Cabinets-Ordres geführtes Protocoll mit dem Sr. Majestät darüber vorgelegten wöchentlichen Extracte zusammen hält.

Im Protocoll ist die bemeldte Ordre vom 21sten December richtig genug unter ihrem rechten Dato, und unter der No. 709 angeführet. Darauf folgen verschiedene andere, den 22sten, 23sten und 24sten December ausgefertigste Cabinets-Ordres bis No. 733; allein jene zuletzt erwähnte Cabinets-Ordre vom 24sten December ist daselbst nicht befindlich, sondern nur beym Schlusse des 24sten ein Platz offen gelassen, damit sie daselbst eingetragen werden könte; dagegen stehen im Extracte der Cabinets-Ordres vom 18ten bis zum 25sten December, welcher am 31sten December gemacht und dein Könige nachher vorgelegt ist, diese beyde Cabinets-Ordres vom 21sten und 24sten December am Schlusse gleich hinter einander unter No. 22 und 23, als ob sie zu einer Zeit, und unter demselben Dato, ausgefertiget Wären; alle Cabinets-Ordres aber, die in der Zwischenzeit am 22sten und 23sten December ausgefertiget waren, sind in diesem Extracte ausgelassen. Woraus man überhaupt abnehmen kan, wie vollständig und zuverläßig diese Extracte gewesen.

Dieses jetzberührte Protocoll zeiget auch, baß der Graf Struensee, ob er gleich schon damals, und lange vorher, alle Vorkehrung gemacht, daß Niemand Sr. Majestät mündlich oder schriftlich etwas nachtheiliges von ihm hinterbringen konte, gleichwol damals, als die Garde zu Fuß abgeschaffet worden, sich genöthiget gesehen habe, in dieser Absicht neue

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Maaßregeln zu ergreifen. Denn es sind unterm 23sten December zwo Cabinets-Ordres von ihm ausgefertiget, die eine an den Etatzrath Waitz, in Hamburg, daß die Paquette, die mit der Post an den König kämen, an das Cabinet zu adressiren wären; die andere an den Hof-Intendanten Wegner, daß alle an Se. Majestät einlaufende Briefe und Paquette, wie auch die von Kopenhagen kommende Briefe und Porte-feuilles, nicht in des Königs Vorgemach, sondern in das Cabinets-Contoir geliefert werden sollten. Von welchen beyden Cabinets-Ordres, ungeachtet solche Se. Majestät Selbst anzugehen schienen, die eine in dem ebengedachten, dem Könige vorgezeigten Extracte ganz ausgelassen, und die andere ganz unvollständig darin angeführet worden, wie dann auch Sr. Majestät hievon nichts bewußt gewesen ist.

Gleichwie der Graf Struensee sein Mistrauen gegen die Nation

allmählig mehr und mehr an den Tag legte: so nahm auch gegentheils der Haß der Nation immer mehr und mehr gegen ihn zu, und äusserte sich bald auf die eine bald auf die andere Art. So sahe man im Sommer 1771 verschiedene Schmähschriften herumlaufen, und ob zwar die Schreibart nebst dem Inhalt der mehresten genug zu erkennen gab, daß sie den gemeinen Mann zum Verfasser hätten, so gaben sie doch insgesamt die stärkste Ergebenheit für Sr. Majestät Person, und Bereitwilligkeit, Leib und Leben für Sie aufzuopfern, zu erkennen; wogegen die Erbitterung keinen andern Gegenstand hatte, als den Geheimen-Cabinetsminister und seine Anhänger.

Dieses nebst dem Umstande, daß etliche Matrosen und andere, denen ihres Ermessens zu nahe geschehen war, hinaus nach Hirschholm kamen, um ihre Klage und Anliegen. Cr. Majestät Selbst vorzubringen, jagte dem Grafen Struensee einen solchen Schrecken ein, daß er in

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Bereitschaft stand und im Begrif war, die Flucht zu nehmen und davon zu gehen.

Weil er aber, ohne Zweifel nach dem Rath einiger feiner Freunde, von diesem Vorsatze abgestanden war, so schien er sich hingegen gefaßt gemacht zu haben, auf alle mögliche Weise, und gegen alle und jede sich in seinenm Posten zu behaupten. Dieses gab Anlaß zu unterschiedlichen vorhin unbekannten Anstalten.

Wenn der König hier zur Stadt herein kam, wohin der Graf Struensee Ihn allemal begleitete, folgte ihnen eine ungewöhnliche Escorte; Wo sie sich hier in der Stadt aufhielten, auf dem Schlosse, oder im Comödienhause, wurden die Wachen verdoppelt, u. s. w.

Hiedurch wurde die Erbitterung der Nation, und insonderheit der kopenhagener Einwohner, wieder den Grafen Struensee in mehr als einer Hinsicht vergrössert. Sie hielten es für einen Beweiß, daß er den König zu überreden suchte, es fänden sich unter den Einwohnern Uebelgesinnete gegen Se. Majestät und das königliche Haus. Sie wurden auch dadurch in dein bereits gefaßten Argwohn bestärket, daß der Graf Struensee noch andere, weiter aussehende und ehrgeitzige, dabey aber höchstverwegene und strafbare Absichten hege.

Man muß auch einräumen, daß verschiedenes von dem, was sich in diesem Sommer, und vornemlich int Herbste, zutrug, sie darin bestärken, und eine starke Vermuthung dafür würken konte; wie er dann auch selbst gestanden hat, daß verschiedene seiner Unternehmungen darauf abgesehen

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gewesen, sich auf alle Weise in der Stellung, worin er sich befand, zu behaupten.

Die Garde zu Pferde war vorhergedachtermassen abgeschaffet worden. Weil nun der Graf Struensee, der immer in Furcht stand, doch einige Reuterey nahe bey dem königlichen Hofe haben wollte, so wurde ein Exercier-Troup formieret. Er erfuhr aber bald, daß derselbe vom

Officier bis zum Gemeinen fast aus lauter Landeskindern bestünde, und daß es gar keine Leute für ihn wären; woraus sein ganzes Zutrauen zu ihnen verschwand, sie auch im Herbst wieder aus einander gingen.

Er ließ darauf das Seeländische Dragoner-Regiment nach dem Hofe und zur Stadt kommen. Und daß diese Leute, in Absicht auf ihn, nicht anders, oder besser, als jene, gesinnet gewesen, davon haben sie eine unstreitige Probe abgelegt.

Er bewürkte, daß zwey von denen hier zur Besatzung liegenden Regimentern im Frühjahr in andere Städte verlegt werden sollten. An Statt, daß in solchen Fällen das Loos die jüngsten Regimenter zu treffen pflegt, wollte er, (aus Gründen, die ihm bekannt, und eben nicht schwer zu errahten find) daß es die Regimenter des Königs, und Sr. Majestät Herrn Bruders, des Prinzen Friederichs, seyn sollten, und dieses dem Gutachten des Generalitäts-Collegii zuwieder, ohne es Sr. Königlichen Hoheit, als Chef des letzterwähnten Regiments, zu melden, und sich dazu Ihre Genehmigung zu erbitten.

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Er bewürkte, daß ein anderer Commandant zu Kopenhagen ernannt wurde, auf welchen er sich völlig verlassen zu können, glaubte.

Dasjenige aber, was vornehmlich den Argwohn vergrösserte, und die kopenhagener Einwohner am meisten aufbrachte, war der Umstand, den sie zuletzt erfuhren, daß auf die von Struensee durch den Commandanten getroffene Veranstaltung, auf dem Zeughaufe Canonen mit gehöriger Mannschaft und Cartetschen gesetzet waren, und dergestalt in Bereitschaft gehalten wurden, daß sie auf den ersten Wink gebraucht werden konten. Welche Anstalt ebenfals für Se. Majestät den König ganz geheim gehalten wurde.

Der König und das königliche Haus, so wie die ganze Nation, mußten auch zuletzt die Gedult verlieren, als sie, über das alles, sahen, wie vermessen und verwegen er in Ansehung der harten und unerhörten, Erziehung war, die er dem Kronprinzen zu geben wagte, und wodurch Se. Königliche Hoheit oft in die äusserste Gefahr gesetzet waren, Gesundheit und Leben zu verlieren.

Die Erbitterung war also aufs höchste gestiegen, und hatte die gefährlichsten Folgen haben können: als den weit aussehenden Absichten, und dem despotischen Betragen dieses eitelen, unbedachtsamen, gewaltthätigen und ehrgeitzigen Mannes ein glückliches Ende gemacht wurde.

Da es solchemnach klar ist, daß der Graf Struensee auf mehr

als eine Art, und in mehr als einer Hinsicht das Verbrechen der beleidigten Majestät in einem überaus hohen Grade beydes selbst begangen, und an der, anderen zu Schulden kommenden Begehung desselben Theil genommen habe;

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nicht zu gedenken, daß seine ganze Verwaltung eine Kette von Gewaltthätigkeiten; von Eigennütze; (den er sogar auf eine schändliche und strafbare Weise zu sätigen getrachtet) Verachtung der Religion, Moral und guten Sitten, (die er nicht nur mit Worten und Werken, sonden auch durch öffentliche Anstalten zeigen wollen) gewesen sey:

So wird, des dänischen Gesetzes 6ten Buchs 4ten Capitels 1tem Artikel zufolge

für Recht erkannt:

„Daß der Graf, Johann Friederich Struensee, sich selbst zur wohlverdienten Strafe, und anderen Gleichgesinneten zum Beyspiel und Abscheu, Ehre, Leib und Guht verbrochen haben; seiner gräflichen und aller anderen ihm verliehenen Würden entsetzet seyn, und sein gräfliches Wapen vom Scharfrichter zerbrochen; sodann Johann Friederich Struensees rechte Hand, und darauf sein Kopf ihm lebendig abgehauen; sein Körper geviertheilet und aufs Rad geleget, der Kopf mit der Hand aber ans einen Pfahl gesteckt werden solle.

In der Commission auf dem Schlosse Christiausburg den 25 April 1772.

J. K. Juel Wind. (L. S.)

G. A. Braem (L. S.) H. Stampe (L. S.) Luxdorph.

(L. S.)

A. G. Carsten (L. S.) Kofoed Ancher (L. S.) J . E. E. Schmidt. (L. S.)

F. C. Sevel. (L. S.)

O. Guldberg. (L. S.)

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Die darauf erfolgte königliche Approbation lautet also:

Wir haben das vorangeführte Urtheil, das die von Uns angeordnete Inquisitions-Commission auf Unserm Schlosse Christiansburg abgesprochen hat, und welches Johann Friederich Struensee, wegen seines, in mehr als einer Hinsicht, in einem überaus hohen Grade begangenen Verbrechens der beleidigten Majestät, zuerkennet, daß er Ehre, Leib und Guht verbrochen haben; seiner gräflichen und aller anderen ihm verliehenen Würden entsetzet seyn; und sein gräfliches Wapen vom Scharfrichter zerbrochen; sodann seine rechte Hand und darauf sein Kopf ihm lebendig abgehauen; sein Körper geviertheilet und aufs Rad geleget, der Kopf mit der Hand aber auf einen Pfahl gestecket werden solle: hiedurch solchergestalt in allem approbiret. Wornach die, so es angehet, sich allerunterthänigst zu richten haben. Gegeben auf Unserm Schlosse Christiansburg d. 27 Apr. 1772.

Christian.

O. Thott.

Luxdorph. A. Schumacher. Dons. Høyer.

Königliche Resolution, betreffend die Approbation des Urtheils über Johann

Friederich Struensee.

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Urtheil des Grafen Enewold Brandt.

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Urtheil in Sachen des General-Fiscals

als befehligten Anklägers, an einem,

wieder den Grafen,

Enewold Brandt

am andern Theil.

Es ist sowol durch das eigene Geständniß des Grafen Brandt, als auch durch die Erklärung des vormaligen Cabinetsministers, Johann Friederich Struensee, und verschiedene Umstände deutlich zu Tage gelegt, daß der Graf Enewold Brandt nicht nur Struensees guter Freund, sondern auch sein Vertrauter gewesen, dem derselbe seine größten Geheimnisse anbelrauct hat.

Es wäre also seine Pflicht gewesen, daß er, in Erwägung der Gnade und Vertraulichkeit, worin er bey Sr. Majestät dem Könige stand,

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sich auf alle erdenkliche Weise bemühet hätte, allen demjenigen abzuhelfen, was er, nach seiner eigenen Aussage im Verhör, an Struensees Lebens art, Gesinnungen und Unternehmungen gemißbilliget hat, und thöricht, verwegen und sowol für den König, als die Regierung und das ganze Land verderblich finden müssen.

Stat dessen hat er, als ein strafbarer Unterthan und unwürdig betrauter königliche Bediente, mit Struensee gemeinschaftliche Sache gemacht, nicht aufgehört sein Vertrauter zu seyn, und ihn zu unterstützen gesucht.

Er hat von Struensee sich gebrauchen lassen, alle Leute von dem Könige entfernet zu halten, damit Sr. Majestät nicht von demjenigen, was in Struensees Verhalten sehr tadelnswehrt war, und von dem Antheil, den er selbst daran nahm, etwas offenbaret werden möchte.

Er hat sowol insgeheim, als vor aller Augen, zur größten Betrübniß seiner Mitunterthanen, sich stolz, und nicht mit der gebührenden Ehrfurcht gegen seinen König betragen.

Er hat Sr. Majestät dem Könige nicht die unterthänige Ehrerbietung bezeiget, die Ihn ein Jeder seiner Unterthanen schuldig ist, und sonst gerne und bey allen Gelegenheiten in Worten und Handlungen aus wahrem Triebe des Herzens äussert; sondern er ist dem König vielmehr entgegen gewesen, damit er Struensees Gunst und Gewogenheit gewinnen und

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behalten, und sich dadurch ein übertriebenes Glück zuwege bringen, und seinen eigenen Vortheil befördern möchte.

Das Memoire, welches eine Art des Briefwechsels zwischen ihm und Struensee enthält, ist ein Beweiß von seinen ungereimten Ansprüchen, und daß er sein tadelnswehrtes Betragen gegen den König erkannte. Folglich hätte er darnach seine Aufführung ändern und verbessern, und lieber den Posten, der ihm zuwieder war, und wozu er sich nicht geschickt befand, verlassen sollen. Aber nein! er wollte nicht gern seinem Gönner und Beschützer Struensee zuwieder seyn, welcher ihn, seiner Absichten wegen, um und bey den König zu behalten wünschte; gleichwie auch der Graf Brandt von ihm und durch ihn sich sowol in Dienst- als in Geld-Angelegenheiten mehr Glück versprach.

Er hat in seinem Fache, als Directeur des Spectacles; Struensee geholfen, eine Trennung in der königlichen Familie dadurch zu stiften, daß er es auswürkte, daß dem Prinzen Friederich eine besondere Loge im Comödienhause angewiesen wurde, damit Se. Königliche Hoheit nicht mit Sr. Majestät dem Könige in einer Loge beysammen seyn, und dadurch Gelegenheit erhalten möchte, Brandts und seines vertrauten Freundes höchst tadelswürdiges Betragen dem Könige zu entdecken.

Er hat sich von Struensee aus der königlichen Casse, in einer kurzen Zeit, 60000 Reichsthaler geben und schenken lassen, ob er gleich wußte, oder wenigstens nicht hätte zweifeln sollen, daß er sich dieser Ver-

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ehrung so wenig durch seine Meriten im Dienste, als durch sein Betragen würdig gemacht hätte.

Er hat, bey der Danksagung, die er Sr. Majestät dem Könige für dieses grosse Geschenk abgestattet, die Summe nicht genannt, welche Struensee ihm verschaffet hatte, vermuthlich, weil er wußte, daß es damit nicht recht zusammenhängen konte, und Struensee es ihm verboten hatte, aus Beysorge, daß der König dadurch von demjenigen Licht erhalten möchte, was der bey Struensee gefundene approbirte Extract hernach Sr. Majestät und einem Jeden, der ihn siehet, vor Augen geleget hat.

Alles dieses Strafwürdige hat der Graf Brandt verübet, obgleich sein Gewissen ihm jeden Augenblick vorhalten mußte, daß er als ein ungetreuer Unterthan, und wieder die besondere Pflicht und Verbindlichkeit handelte, die wegen des gnädigen Zutrauens des Königs auf ihn lag, und ungeachtet die beyden Briefe eines Ungenannten, die in seinem Portefeuille gefunden worden, ihn so nachdrücklich und mit so augenscheinlicher Wahrheit seiner Pflichten erinnerten, und ihm dasjenige anriethen, was er zu thun hatte, dafern er seinen Kopf nicht in Gefahr setzen wollte.

Er wurde von nichts, als Uebermuhte, Ehrsucht und Geldbegierde geführet und geleitet.

So strafbar auch das angeführte ist, so komt es doch in keiner Vergleichung mit dem, von dem Grafen Enewold Brandt selbst im Verhör vor der Commission deutlich und ordentlich eingestandenen, und

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durch verschiedene Zeugen erwiesenen und bestätigten Verbrechen wieder und Vergreifung an Sr. Majestät des Königes eigenen hohen Person. Denn solches kan eben so angesehen werden, als ob er es wagen wollen, den König umzubringen, weil man den Ausgang eines solchen Anfalls nicht vorher wissen kan, und ein unglücklicher Schlag an einer empfindlichen Stelle oft den Tod verursachet hat.

Er war zornig aus den König geworden, und wollte von seinem Herrn Genugthuung haben, dessen wohlverdiente Warnung er mit Reue, über sein voriges Verhalten gegen ihn, hätte annehmen, und sich seinem Anblick entziehen sollen, um Ihn nicht öfter zu erzürnen.

Er hat dem entgegen mit seinem vertrauten Freunde Struensee abgeredet, wie und wann er den König angreifen sollte, und bey sich selbst überleget, welche Waffen er dazu brauchen wollte, sie auch in Bereitschaft gehabt, ob er sich gleich, bey näherem Nachdenken, derselben nicht bedienet hat.

Nachdem et von Struensee erinnert worden, daß der König allein, und es nun Zeit wäre; gehet er, mit Bedacht und Ueberlegung und in dem völligen Vorsatze sich zu rächen, zu Sr. Majestät hinein, weiset die zur Aufwartung da befindliche beyde Knaben aus dem Zimmer, und schiebt den Riegel vor der Thür, damit Niemand hereinkommen könte, sich seinem Vorhaben und Unternehmen zu Wiedersetzen oder ihn davon abzuhalten, und nöthiget durch seine Worte und Angrif Se. Majestät den König, Sich seiner zu erwehren.

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Er verletzte hiebey den König am Halse, und biß Ihn in den einen Finger; und zugleich vergrif er sich auch an seinen Wohlthäter und König mit solchen verwegenen Worten und Ausdrücken, daß ein Jeder sich entsehen muß, solche zu wiederholen.

Der Graf Brandt hat zwar zu seiner Entschuldigung dieses angeführet, daß Se. Majestät ihm diesen Vorfall verziehen hätten: Wenn dem aber auch so wäre, so kan solches doch nicht anders verstanden werden, als daß Se. Majestät eine Zeitlang diesem von einem Ihrer Unterthanen begangenen grossen Verbrechen nachsehen wollen. Ueberhaupt hat er, in dieser Hinsicht, gar nichts bewiesen; und wie weit sich solches erstrecket, sind Se. Majestät der König allein im Stande zu beurtheilen.

Diese höchst abscheuliche und verwegene Handlung des Grafen Brandt kan von einem Jeden nicht anders, als die gröbste Vergreifung an der Person des Königs, und das größste Verbrechen der beleidigten Majestät, das nur zu erdenken ist, betrachtet werden, welches die in des Gesetzes 6ten Buchs 4ten Capitels 1stem Artikel bestimte Strafe mit sich führet.

Wir halten uns befugt, den Grafen Brandt darnach zu verurtheilen, und

erkennen daher für Recht:

"Der Graf Enewold Brandt soll Ehre, Leib und Guht verbrochen haben, und seiner gräflichen und aller anderen ihm verliehenen Würden entsetzet seyn; sein gräfliches Waven

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vom Scharftichter auf dem Richtplatze zerbrochen; hiernächst Enewold Brandts rechte Hand und darauf der Kopf ihm lebendig abgehauen; der Körper geviertheilet und aufs Rad geleget, der Kopf mit der Hand aber auf einen Pfahl gesteckt werden.

In der Commission auf dem Schlosse Christiansburg den 25 April 1772.

J. K. Juel Wind.

(L. S.) G. A. Braem (L. S.)

H. Stampe (L. S.) Luxdorph.

(L. S.) A. G. Carstens (L. S.)

Kofod Ancher (L. S.) J. E. C. Schmidt.

(L. S.) F. C. Sevel (L. S.) O. Guldberg (L. S.)

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Die darauf erfolgte königliche Approbation lautet also:

Wir haben das vorangeführte Urtheil, das die von Uns angeordnete Inquisitions-Commission auf dem Schlosse Christiansburg abgesprochen hat, und welches Enewold Brandten, wegen seines höchstabscheulichen und verwegenen Unternehmens wieder, und Vergreifung an Unserer eigenen Person, Zuerkennet, dass er Ehre, Leib und Guht verbrochen haben; seiner gräflichen und aller anderen ihm verliehenen Würden entsetzet seyn; sein gräfliches Wapen vom Scharfrichter auf dem Richtplatze zerbrochen; hiernächst seine rechte Hand und darauf der Kopf ihm lebendig abgehauen; der Körper geviertheilet und aufs Rad geleget, der Kopf mit der Hand aber auf einen Pfahl gestecket werden solle: hiemit solchergestalt in allem approbiret. Wornach die, so es angehet, sich allerunterthänigst zu richten haben. Gegeben auf Unserm Schlosse Christiansburg den 27 Apr. 1772.

Christian.

O. Thott.

Luxdorph. A. Schumacher. Dons. Höyer

Königliche Resolution, betreffend die Approbation des Urtheils über

Enewold Brandt.

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