Gespräch in dem Reiche der Todten, zwischen den beyden ehemaligen Grafen, Johann Friedr. Struensee, und Enewold Brand, und zwischen dem ehemaligen Dänischen Reischshofmeister Corfits Ulefeld, […]

Der vormalige gemeßte Graf IOH FRIDR STRUENSE König Dänischer geheimer Rabinets minisferals gefangner im Citadell Fridrichs Haven den 17 Jan 1772

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Gespräch

in dem

Reiche der Todteil

zwischen

den beyden ehemaligen Grafen,

Johann Friede. Struenstk

UND

EnewoldBrand,

und zwischen dem

ehemaligen Dänischen Reichshofmeister

Lornifitz Ulefeld,

worinn die Erhebung und der Fall derselben, und

die Hinrichtung der ersten beyden umständlich beschrieben ist.

Aude aliquid brevibus gyaris , et carcere dignurn^

Si vis eske aliquid; f robitas laudatur et alger.

IVVENAL.

Koppenhagen, 1772.

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r M Pe alte Charon brachte auf seinem Nachen die beydeu unglücklichen Grafen, Struensee und Brand, in das Reich der Schatten, an einen wilden mit Schlangen und Ungeziefer angefüllten Ort, wo sie von den rasenden Furien, die ihre Säiandthaten bestrafen sollten, erwartet wurden. Dreß ist der Ort im Reiche der Todten, da allen bösen Ministern, und allen den Grossen angewiesen wird, die die Welt durch ihre bösen Thaten mit Schrecken und Abscheu erfüllet haben. Sie fanden hier einen Cromwell, einen Herzog von Aveird, einen Ravaillac, und hundert andere Bösewichter, die der spätesten Nachwelt ein Fluch seyn werden. Der Graf Struensee, der in einiger Entfernung den ehemaligen Reichshof» Meister von Dannemark, Coøniftj Ulefeld erblickte, wollte auf ihn zugehen, und sich in ei» Gespräch mit ihm einlassen. Ulefeld trat einige Schritte zurück, und wollte sich seiner Gesellschaft «mschlagen.- Fliehet mich nicht! riefSkrttensire, A 3 denn

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denn an dem Mahlzeichen, daß ihr an der Stirne traget, erkennet man, daß ihr auch nn un. glücklicher Staatsverbrecher seyd. — Wißt ihr denn, wer ich bin, versetzte Ulefeld? Ich bin der ehemalige Reichshofmeister von Dannemark, Cornifiz Ulefeld, und kann mit euch nicht wohl in Vergleichung gesetzt werden; ich starb doch eines natürlichen Todes, ihr seyd aber nebst eurem Gefährten der Bosheit, durch die Hände des Scharfrichters hingerichtet, und eure Körper durch die Henkersknechte zersticht worden. Es ist mir angenehm, mein lieber Ulefeld, sagte der Graf Struensee, euch hier anzutressen. Unsere Schicksale haben, ungeachtet eures Eiuwurfts, eine große Aehnlichkeit mit einander. Wir haben auf einem und eben demselben Schauplatze unsere Rolle gespielt, beyde haben wir die Gnade unserer Könige in einem vorzüglichen Grade genossen, wir haben beyde durch gefährliche Neuerungen die Reiche Dännemark und Norwegen dem Untergänge nahe gebracht, und ach! beyde sind wir der rächenden Gerechtigkeit der Vorsehung in die Hände gefallen. Denn ob ihr gleich, mein lieber Ulefeld, dem Schwerdte des Henkers entgangen seyd, so ist doch die Execution an eurem Bildnisse vollzogen worden, welches eurem Namen eben io zum Schimpfe, als wenn ihr sie selbst erlitten hattet. Ueberdieß seyd ihr im größten Elende, auf einem kleinem Schiske auf dem Rheinstrome gestorben. Indem trat der Graf Brand hinzu, und bewillkommte Ulefelden. Aber wie! t ief er, indem er sich zu Sktuenseen

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wendete, wie geht das zu, Hert Bruder, daß ich euch hier aarreske? Ich wundere mich über euer Daseyn, der Mensch ist ja weiter nichts, als eine Maschine!

Struensee.

Ach leider! der betrügliche Nebel, der meine Augen verhüllte, ist verschwunden. Ich erkenne, aber zu spät, daß unsere Existenz ewig dauret, und du, la Mettrie, deine elenden Spinnengewebe sind jetzt vor meinen Augen zerrissen! Aber lasset uns diese traurigen Bilder von uns entfer. nen, unser Schicksal ist entschieden, wir wissen das Looß, das uns zugefallen ist. Nun steht es nicht mehr in unserer Gewalt, etwas daran zu verändern. Mein lieber Ulefeld, wir werden vielleicht aus eurer Geschichte eine Art von Erleichterung schöpfen können, denn es ist ein Trost für Unglückliche, zu sehen, daß andere gleiches Schicksal mit ihnen haben.

Ulefeld.

Sehr gerne will ich sie erzählen, und ich werde mir hernach von euch beyden eine gleiche Gefälligkeit ausbitten. Durch Stolz und Treulosigkeit habe ich mir meinen Untergang zugezogen. Ich war der vornehmste Staatsminister, und der Liebling des Königs Éhriskans IV. Ich besaß alle Gaben, die einem Hofmann äußerlich zur Zierde dienen können: Geburt, eine wohlgebildete Leibesgestalt, großen Muth, einen fürtresklichen Verstand und Klugheit in politischen Sachen. Ich war Gouverneur von Koppenhagcn, Großschaßmeister, erster Minister und Reichs-

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Hofmeister. Allein nicht zufrieden mit diesen vor.' nehmsten Aemtern des Staats, suchte ich mich zum Herrn desselben zu machen. Da ich nun sähe, daß ich meine Absicht nicht erreichen würde, war ich darauf bedacht, den rechtmäßigen Besitzer desselben zu berauben, und die Krone einem andern Herrn zuzuschanzen, welches auch die vornehmste Beschuldigung bey meinem Proceske war. Der König Christian IV. überhäufte mich mit Gnadenbezeugungen. Er vermählte mir seine leibliche Tochter, Eleonora Christina, die er mit einer adlichen Dame, Namens Christina, nach Ableben der Königin seiner Gemahlin erzeugt hatte. Meine Gemahlin ist wegen ihres Verstandes, wegen ihrer großen Zuneigung zu mir, und wegen ihrer Gaben zur Dichtkunst gar sehr berühmt» Sie hat auch verschiedene Werke mit Bcyfall ans Licht gegeben. Ich hatte mir in verschiedenen Gesandschasten an auswärtige Höfe großen Ruhm erworben. Allein meine Ehr» Rach-und Geldbegierde zog mir auch vielen Haß zu. Ich war so verblendet, daß ich in eine hef. rige Wukh gerieth, wenn es nicht nach meinem Kopfe gieng. Ich kündigte meinem Könige vers schiebenemale den Dienst auf, wenn man meine Rathschläge nicht annehmen wollte.

Brand.

Es ist doch erstaunlich, daß sich die Fürsten, und die Beherrscher mächtiger Reiche öfters von einem einzigen Manne fo einnehmen lassen, daß sie glauben, sie und ihr Reich könnte ohne selbigem nicht bestehen.

Ulefeld.

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Ulefeld.

Mein Geldgeiz war so groß, daß ich die Dänischen Münzen zu meinem Vortheile schlagen ließ; ich schmälerte den Schiföbedienken den Sold, und bereicherte mich damit. So lange der alte König noch lebte, hielt ich mich immer in den Schranken. Nach seinem Tode aber zog ich alle Gewalt des Reichs an mich. Ich machte daher dem Prinzen Friedrich, damaligen Erzbischöfe von Bremen, die Wahl sehr sauer. Ich setzte alles in Verwirrung, weil ich mich dadurch selbst auf Len Thron schwingen wollte. Allein ich konnte die Wahl des Königs,, die im Wintermonate 1648. vor sich gieng, nicht verhindern. Ich that ihm daher allen Verdruß an, worinn mir meine Gemahlin treulich half, indem sie den Much und die Kühn, heit einer Mannsperson besaß. Man beschuldigte mich und meine Gemahlin, als wenn wir dem König durch Gift nach dem Leben getrachtet hätten. Eine von meinen Maitressen, die vorgab, diesen Anschlag mit eignen Ohren gehört zu haben, entdeckte ihn einem Obersten« und dieser hin ^erbrachte ihn dem König. Diese Maitresse kam kurz darauf nieder, und gab mich zu den Vater ihres Kindes an. Unter der Zeit ließ ich aus« sprengen, daß mir nach dem Leben gestellet würde, daher ich den König um Schuß bat, den er mir auch rheuer versprach. Meine Maitresse, die Dina, bestand unterdessen auf ihrer Aussage, indem sie vorgab, sie habe bey mir im Bette gelegen, als meine Gemahlin mir die Giftstasche gewiesen, und ihren Anschlag entdeckt hatte. Es wurde mir BB daher

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daher der Verhaft angekündigt, welches ich sehr hoch empfand. Ich wußte die Sache aber so zu karten, daß die Dina von den Händen des Scharfrichters sterben mußte, doch bestand sie den ihrer Hinrichtung auf ihrer ersten Außage. Etliche Tage nach dieser Exemtion begab ich mich heimlich mir meiner Gemahlin nach Holland, und von da nach Schweden zur Königin Christina, welche mich in Schutz nahm. Man sagte damals in der Welt, ich hätte ihr eine große Summe Geldes vorgestreckt, und davor die Stadt Barth in Pom. mern zum Unterpfands erhalten. Sie erhob mich in den Grafenstand. Unter dem Nachfolger dieser Fürstin, dem König Carl Gustav, befand ich mich bey der Schwedischen Armee, die im Holl, steinifchen feindlich gegen Dännemark agirte, und ich brachte den Schweden manchen Vortheil zu. wege. Daher mich Carl Gustav zu einem von dem Bevollmächtigten bey den Friedenstractaten ernannt, und als der Friede zu Rothschild zu Stande kam, wurde mir der Besitz aller meiner Güther dabey ausgedungen, ungeachtet ich mich noch bey der Schwedischen Armee aufhielt. Dieser Friede dauerte aber nicht über 6 Monate. Denn als der König in Schweden merkte , daß Dännemark mit neuen Anschlägen und Bündnissen schwanger gieng, fand sich die Schwedische Flotte plötzlich wieder bey Seeland ein, und eroberte diese Insel, ehe die Koppenhagner etwas davon wußten. Diese Stadt that aber tapfern Widerstand, daher die Schweden wieder abziehen mußten, und nach Eronenburg giengen,j doch hielten

sie

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sie Kopenhagen beynahe zwey Jahre lang bloqm'kt. Unterdessen hielt ich mich in Schonen auf, bis Kop« penhagen den Schweden einen Sturm abschlug, und vermittelst der Hülfe der Bundesgenossen ei« nen wichtigen Sieg auf der Insel Kühnen erhielt, auch diese Insel wieder eroberte. Nach Earl Gustavs Absterben wurde ich wieder dänisch ge« sinnt, und machte mit etlichen Rathsherren in Malmal Anschläge, wie das Land Schonen den Schweden entrissen, und den Danen wieder in die -hande gespielt werden könnte. Weil aber die« ser Anchlag bey Zeiten offenbar wurde, kostete es etlichen bin Kopf, und ich kam in Verhaft, worinnn ich mich an einen vom Schlage getroffen, und der Spracheberaubt wäre, stellte. Durch List meines Dieners hex etlichen unbändigen Heng¬

sten die Zäume abtfWffen, und sie loßgelaffen, da« mit meine Wächter du-ch diesen Lärmen abgehalten würden, auf mich Acd»mg zu geben, entwischte ich glücklich aus dem Genieß, und kam in

Priesterkleidung über die Ostsee einem Boote mit meiner Gemahlin, die mich übe^g begleitete, nach Koppenhagen. Ich war aber so »genehm nicht, als id mir eknbildete. Damit ich riöchr weiter Unruhen anstiften könnte, versicherte man sich so gar meiner Person und meiner Gemahlin, und man brachte mich unter einer Soldatenwache nach Bornholm, wo ich beynahe wieder entwischt wäre, allein der Commendant legte mich in ein böse- Gtfängniß unter die Erde. Hier mußte

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Ehegenossen bey mir. Endlich, da der König in Dännemark die Souverainität erhielte, bekam ich auf vieler vornehmen Personen Vorbitte die Freys heit nachdem ich dem König in einem Schreiben Abbitte g than, auch mich durch einen Eyd verbindlich gemacht hatte, alle feindselige Anschläge durch beständige Treue wieder auszulöschen; worauf mir zu Ehren in dem königlichen Garten ein öffentliches Gastmahl gehalten wurde. Jetzt hätte ich in dieser aufs neue erhaltenen Freyheit weine übrige Lebenszeit in Ruhe beschließen Mnen, weil mir aber die Veränderung der Rec»erungöform niemals gefallen, konnte ich dieses nicht länger mit anfehen, und that um Erl-nbniß Ansuchung, eine kurze Reise nach Amstrdam zu thun, wo ich mich mit meiner Gemein und Kindern etliche Monate aufhielt. Al- ich unterdessen hörte, daß der Commendant zu Bömholm, Fuchs, der mich in so hartem Gi^^gnisse gehalten, sich in Flandern befände, schickte ich meinen ältesten Sohn Chri^u" dahin, der ihm auf freyer Straße eien Dolch ins Herz stieß. Ich ent. schuld^ mich zwar beym Könige in Dänne«,ark durch Briefe, daß dieses ohne meinen Willen geschehen (ey, Es war aber kaum diese Mordrhat in Dännemark bekannt worden, so brach «ine große Verrätherey gegen den König aus, ich wurde beschuldigt, daß ich einen mächtigen Churfürsten des Römischen Reichs Anschläge gegeben hätte,, sich des Dänischen Reichs zu bemächtigen-Ich suchte diesem Fürsten glaublich zu machen, daß ihm der Adel selbst dazu behülstich seyn wür-

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de, allein er schlug es großmürhig aus, und entdeckte es selbst dem Könige. Es erqieng daher wider mich ein schweres Urtheil. Man setzte auf meine Person ein großes Geld, wer mich todt oder lebendig liefern würde. Es wurden in alle Europäische Länder Briefe ausgeschickt, mich in Verhaft zu nehmen. Meine Gemahlin wurde in England ausgekundschaftet, nach Dännemark gebracht, und daselbst zu einem ewigen Gefängnisse verurtheilt. Weil man mich selbst nun nicht ausforschen können, so wurde die Execution an meinem Bildnisse vollzogen. Mein Schild und Wappen, welches auf eine Tafel gewählt war, bespie der Scharfrichter, trat es mit Füßen, zerbrach es, und warf die Stücken zum Schlosse heraus in den Graben. Meinem Bilde wurde die rechte Hand und der Kopf abgehauen , welche beyde an dem obern Saal des Hofgerichts aufgehänget wurden, der Rumpf wurde geviertheilk, und die Stücken über dem Walle aufgehänget. Mein Haus wurde niedergerissen, und eine steinerne Schandsäule hingesetzt. Alle meine Güter wurden von der königlichen Kammer eingezogen. Ich glaubte unterdessen in der Schweiz mich am sichersten zu verbergen, und hielt mich mit drey Söhnen und einer Tochter unter verdeckten Namen lange Zeit zu Basel auf. Ich gab mich für einen Hofmeister etlicher niederländischer Edelleute aus, bis endlich zwischen einem meiner Söhne, und einem Zürcher Hauptmanne ein Streit entstand, wodurch ruchbar wurde, wer wir wären. Von der Zeit an wollte ich niemand mehr trauen, B 3 dingte

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dingte daher ein kleines Schisk, und fuhr daher ohne jemandes Begleitung von den Meinigen den Rhein hinunter. Ich war aber kaum erliche Meilen gefahren, so kam der Tod, und erlösete mich im Monat Februar 1664. von alle» meinen Mühseligkeiten. Mein Leichnam wurde von den Schiffern in das nächste Kloster getragen, wohin meine Söhne von Basel kamen, meine Kleinodien Zu sich nahmen, und den beygesetzten Körper, da. mir er von niemand ausgeforscht würde, unter einem Baume auf freyen Felde begruben. So elend und verlassen habe ich mein Leben geendigt, welches ich nicht nöthig gehabt hatte, wenn ich meinen Affekten ein Ziel hätte setzen können!

Brand.

O Dännemark, Dännemark, du bist schon so oft eine Klippe gewesen, woran die Anschläge unruhiger und böser Minister zerscheitert sind! Der ehemalige Canzler Greifenfeld dient gleichfalls zu einer traurigen Bestätigung dieser Wahrheit. Dieser Minister war von niedriger Geburt, und es erhoben ihn bloß seine Gaben zu den höchsten Würden, Er ist ein rechter Glücksball gewesen. Sein Vater war ein Weinhändler in Koppenhagen, welcher Schumacher hieß. Er machte sich durch sein glückliches Genie, und durch seine Geschicklichkeit in den Geschäften gar bald bekannt. Er ließ in allen den Aemtern, die er besaß, eine Fähigkeit blicken, die ihm den Ruhm des größten Genies seines Jahrhunderts, und des geschicktesten Ministers von Europa erwarb. Christian V. der nach dem Absterben seines Vaters den Dänischen

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schon Thron bestig, ließ ein noch größeres Zutrauen zu ihm verspühren, als sein Vater. Er überhäufte ihn mit Gnadenbezeugungen. Er veränderte seinen Namen in Greifenfeld, erhob ihn in den Adelstand, gab ihn den Titel eines Grafen, ertheilte ihm den Elephantenorden, und machte ihn im Jahr 1674. zum Großcanzler des Reichs. Er wäre glücklich gewesen, wenn er sich nicht der Gunst seines Herrn durch seinen Geiz und durch seinen Stolz unwürdig gemacht hätte.

Der König, der ihn sehr liebte, sähe mit Bers druß den Hochmuth seines Ministers, und die Geringschätzigkeit, die er gegen Jedermann bezeigte. Er schrieb in der Absicht einen merkwürdigen Brief an ihn, der als das schönste Denkmal der Regierung dieses Fürstens angesehen werden kann. — Aber ich befürchte, ich möchte mich zu lange hierbey aufhalten. Ulefeld wird sehr begierig seyn, unsere Geschichte auch einmal zu hören.

Ulefeld.

Ich bin zwar sehr begierig, von eurem Glücks« und Unglückswechsel auch Nachricht zu erhalten, doch fahret nur in Greifenfelds Geschichte fort, denn sie ist sehr merkwürdig, und dieser Minister hak mit uns allen eine großeAehnlichkeit. Hauptsächlich möchte ich wenigstens einige Punkte aus dem Briefe wissen, den sein König an ihn geschrieben hat.

Brand.

Der König giebt ihm darinn die fürtreflichsten Regeln; er sagt, die Generalspersonen und Ossiciers müssen geachtet werden, und nur von ihm, dem König abhangen, jeder müßte selbst sein Amt BA ver-

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verwalten, er sollte sich nicht einer gar zu großen Gewalt anmassen, und ihm bey Sachen, die ausgeführt werden müssen, keine Hindernisse entgegen sehen — „Nehmet euch in Acht, fahrt er fort, „daß ihr in meiner Gegenwart nicht was verord„net, worein ich nicht gewilliget habe, und wenn „ich meine Meynung sage, so suchet mich nicht „auf andere Gedanken zu bringen. Ich kann eure „weitschweifige Beredsamkeit nicht leiden. Sa„get eure Meynung mit wenig Worten, dieß ist „meinem Charakter gemäß, denn ich liebe weder „Widersprüche, noch lange Erzählungen. Hütet „euch für Schmeichlern. Sehet darauf, daß sich „Niemand durch Geschenke gewinnen lasse. Ich „will auch, daß die Briefe, von was für einem „Orte sie auch Herkommen , nur sogleich eingehan„digt werden; denn es schickt sich nicht, daß ich „der lebte bin, der von meinen Angelegenheiten „unterrichtet wird. Empfehlet mir nicht immer „die Eririgen. Lasset mir Zeit, einen Entschluß zu „fassen. Ich habe immer gesagt, man sollte auf „gute Officiers bedacht seyn , aber ich sehe nicht, „daß inan darauf Acht hat. Man sucht mich von „dem Kriegswesen abzuhalten, aber dieß wird „nimmermehr geschehen, weil ich bey meiner Arz »inee, lind da, wo Sachen von Wichtigkeit Vorzeichen, selbst seyn will. Ihr wollt alles thun, und „alles wissen, so daß mir der bloße Name übrig „bleibt; dagegen streitet aber mein Ansehen und „meine Ehre. Ich befördere diejenigen, die ihr „mir empfehlet, aber ihr denkt nicht an die, die „mir werth sind. Dergleichen Betragen kann ich

„nicht

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nicht langer dulden. Ich habe euch dieses schrift: lich sagen wollen, weil ich mich kenne, und weiß, „daß ich es euch ohne Zorn nicht hatte mündlich „sagen können. Richtet euch darnach. — Sor„get um Gottes willen für meine Angelegenheiten, wie es sich gehört, ich werde auch für die „eurigen sorgen.,,

Grerfenfeld folgte eine Zeitlang dieser Vorschrift, aber er siel gar bald wieder auf feine vorigen Ranke. Der König mußte sich also entschließen, ihm seinen Proceß machen zu laßen. Im Jahre 1676. wurde er, weil man einige Briese von ihm ausgefangen, auf das Schloß zu Koppenhagen citirt. So bald er erschien, wurde ihm von dem General Arensdorf Verhaft angekündigt, worüber er so erschrack, daß er zitterte, und sagte: Wohlan, es ist seiner Majestät Wille, ich muß gehorsamen, wo soll ich aber hin? Der General antwortete, er werde es bald sehen. Er wurde darauf in die Bibliothek gebracht, wo er bis Abends um 5 Uhr saß. Von da führte ihn der General Arensdorf in einem mit Mannschaft besetzten Boote in das Castell. Wie er ans Wasser kam, sagte er: 0 Gott, wie komme ich dazu! Hierauf wurden auf königlichen Befehl seine Güter eingezogen , und allen und jeden, die um seine Briese und Gelder Wissenschaft, auch rechtmäßige Gelder bey ihm zu fordern hätten, anbefohken, sich zu melden. Der Elephanten - Orden nebst demDegen wurde ihm abgenommen, und alle seine Baarschaften, die sich auf etliche Tonnen Goldes erstreckten, wurden in das königliche Schloß gebracht. BD 5 Den

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Den 6. Junius wurde ihm von dem General-Adjutanten Gchak angedeutet, sich zum Tode zu bereiten; welches er unerschrocken annahm, und seine Hände gen Himmel zum Zeichen feiner Unschuld aufhob, daß er wider den König und das Land keine Verrätherey im Sinne gehabt, darauf er jetzo sterben wollte. Er band sich seine Haare selbst auf. Sein Wappen wurde indessen vom Henker zerbrochen, wozu er diese Worte sagte: Der König hat mirs gegeben, der König nimmt es wieder. Er siel alsdenn auf die Knie, und sagte zum Scharfrichter, daß er unerschrocken seyn wollte. Mau fragte ihn, ob er seine Augen verbinden lassen wollte, welches er mit Nein beantwortete. Als er min sein Gebet verrichtet, das Zeichen zum Hiebe gegeben, und den Hals dargestreckt hatte, rief der General-Adjutant Scha, wider aller Menschen Vermuthen, Gnade! Seine Lebensstrafe wurde in ein ewiges Gefangniß verwandelt, und er bezahlte eine 6jahrige Gunst mit einem Gefängnisse von 23 Jahren. Endlich erlaubte ihm der König, sich zu seiner Familie zu begeben, wo er gar bald starb.

Ulefeld.

Nun ist es einmal Zeit, Stuensee, daß ihr auch zur Erzählung eurer Geschichte schreitet. Hauptsächlich möchte ich gerne die Veränderungen wissen, die ihr in dem dänischen Reiche veranlasset habt. Da seit dem Jahre 1660. der König von Dännemark einer der unumschränktesten Monarchen ist, so kann er Veränderungen vornehmen, ohne jemand darum zu befragen.

Struer

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Struensee.

Am Is. September des Jahres 1770. empsteng der erste Minister, Graf von Bernsdorf ein königliches Handschreiben, in welchem ihm für seine Dienste gedankt, und ein Gehalt von 6000 Thalern angewiesen wurde. Dieß war der Vorläufer einer weit wichtigem Veränderung. Im December 1770. wurde vermöge einer öffentlich bekannt gemachten königlichen Acte das geheime Conseil, das in 4 Ministern bestand, aufgehoben. Die entlassenen Minister empfiengen feder ein königliches Handschreiben, worinn ihnen der Monarch für ihre Dienste aufs gnädigste dankte, sie verließen Koppenhagen, und' giengen insgesammt auf ihre Landgüter ab. Es heißt in der königlichen Acte unter andern: „Wir heben unser bisheriges geheimes Staats-Conseil auf, um der Form und „Verfassnng unserer Regierung ihre natürliche und „wesentliche Lauterkeit zu geben, und sie darinn zu „erhalten. Wie denn besagte Regierungsform in „allen Stücken so, wie sie unfern Vorfahren, glorreichen Gedächtnisses, von der Nation übertragen „ist, seyn und bleiben; auch nicht der geringste „Schein übrig gelassen werden soll, als ob wie „uns von dem Sinne und der Absicht, worinn das «Volk sich unfern Vorfahren übergeben hat , ent„fernen wollten.,,

An die Stelle des geheimen Staats-Conseils kam eine sogenannte geheime Conferenz, die aus 6 Ministern bestand. Den 7. Jenner 1771. hielt selbige auf dem königlichen Residenzschlosse in dem Zimmer des geheimen Staats-Conseil die erste

Sitzung,

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Sitzung, die auswärtigen Angelegenheiten aber blieben der Besorgung des Grafen von der Often allein überlassen. Es wurde den 4, September 1770. ein königlicher Befehl wegen Einschränkung der Charactere bekannt gemacht. Die Freyheit der Presse, daß nämlich ohne Censiir gedruckt werden sollte, und die Errichtung eines genuesischen Lotto, oder königlichen dänischen Zahlenlotterie, waren gleichfalls Folgen der neuen Einrichtung, so wie auch in dem Hebammenhaufe zu Koppenhagen zur Verhütung der Ermordung und Wegsetzung neugebohrner Kinder die Veranstaltung gemacht wurde, daß unglückliche Mütter ihre Kinder in einen besonders darzu eingerichreten Kasten legen konuten.

Bey der dänischen und deutschen Kanzeley gien: gen auch wichtige Veränderungen vor. Bey dem Hofstaate wurdest große Einschränkungen gemacht. Der Oberhosmarfchall, Graf von Moltke, der Ober-Cammerjunker von der Åiilje, und viele andere wurden ihrer Dienste entlassen, die Amtmänner in Norwegen wurden in Absicht dér Einkünfte aus gleichen Fuß gesetzt , der bisherige Magistrat zu Koppenhagen ward den 3. .April 1771. gänzlich aufgehoben, und ein neuer Rath bestellt, von welchem der Graf Ulrich von Holstein Ober-Prasident ward. Dieses Collegium sollte lediglich mit der Policey zu thun haben, alle Streitsachen wurden an das Hofgericht verwiesen, und den Bürgern zwey Repräsentanten im Rache zu haben, erlaubet. Ueberhaupt sollte der Rach für die Aufnahme der Handlung, für die Preise der Lebensmit-

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tel ohne Wucher, für dis Reinlichkeit der Straffen, und für die Erhaltung guter Ordnung sorgen.

Für hundert neugebohrne Kinder wurde zu Koppenhagen ein Erziehungshauö errichtet, worzu von jedem zur Pracht gehaltenen Pferde zwey Thaier, von jedem Miethkutfch-Pferde ein Thaier, und von jedem fremden Pferde zehn Thaier jährlich bezahlt werden mußten.

Das See-Etaats-Collegium bekam den aZsten Marz den Namen Admiralitats - und Commiffariats-Collegium, und 4 Deputirte. Das General-Postamt wurde in soweit aufgehoben, daß nun die 3 jüngsten Directeurs beybehalten wurden, denen zugleich aufgegeben ward, alle ihre Vorstellnngen unmittelbar an den König gelangen zu lasten.

Die free Tafel bey Hofe wurde für viele hohe und niedrige Hofbediente eingezogen, und der Obrist-Lieutenant Wegner wurde zum Hoftntentanden gemacht, und ihm befohlen, mehrere Sparsamkeit einzuführen.

Der Gouverneur von Koppenhagen, Graf von Ahlefeld, wurde feiner Dienste entlassen, und diese einträgliche Stelle nicht wieder besetzt. Die ansehnliche aus der Mästung im ganzen Lande, und der Hälfte der Strafgelder von Iagdverbrechen fließenden Einkünfte des Obristjägermeisters von Gramm wurden zur königl. Caske gezogen, jedoch derselbe durch ein stehendes Gehalt von 3222 Thalern einigermaßen entschädiget.

Wegen der an den König und die Collegien einzureichenden Bittschriften ward der Gebrauch des Stempelpapiers durchgehende befohlen, und

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eine gewisse Vorschrift gegeben, wie solche künftig eingerichtet werden sollten. Mm Soldaten wurde das Heyrathen mit der Bedingung verstattet, daß sie ihre Kinder der Findlingsanstalt überlassen, welche solche bey Landleuten austhun soll, denen sie bis ins 25. Jahr als Knechte und Mägde dienen, sodann aber frey seyn sollen. Da auch die häufigen Eppectantien, die der König ertheilt hatte, dem Dienste schädlich waren, so wurden sie durch königlichen Befehl eingeschränkt.

Die Dispensationen im Heyrathen zwischen Verwandten hatten bisher vieles eingebracht, aber auch viele Schwierigkeiten verursacht , der König hob also unter dem dritten April 1771. alle Dispensationen bey Heyrathen zwischen Bluts - und Schwägerschaftsverwandtem die in dem göttlichen Gesetze nicht ausdrücklich verbothen sind, völlig auf, und setzte fest, daß solche hinführo ohne Dispensation zugelassen werden sollten. Ein anderer königl. Befehl verordnen, daß in Schuldsachen die Justiz ohne Betracht des Standes oder des persönlichen Ansehens genau verwaltet, und nach Beschaffenheit der Sache mit Zwangsmitteln verfahren werden sollte. Koppenhagen wurde in zwölf gleich große Quartiere vertheilet, und jedem ein Quartiercommissarius vorgesetzt, auch wurde das Thor zu Passagegeld verpachtet, und alle Hauser der Stadt numerirt. Eine andere königl. Verordnung milderte die Todesstrafe wegen begangner Diebstähle, und setzte fest, daß die Verbrecher nach erlittener Leibesstrafe Lebenslang in dem Eisen arbeiten sollten.

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Die Garde zu Pferde, deren Unterhaltung jährlich ansehnliche Summen gekostet, wurde ganz und gar verabschiedet, die Officiers bekamen Wartegeld, und den Gemeinen ward freygestellt, den der Garde zu Fuß Dienste zu nehmen. Es wurde hingegen eine königliche leichte Garde von drey Schwadronen Dragoner unter dem Obristlieutenant von Numsen errichtet. Die Hoftrauer wurde zum höchsten, auf 4 Wochen in allen Fällen festgesetzt. Statt der königlichen Rentkammer wurde ein in drey Departements, nämlich die nordische, dänische und deutsche Cammer verkheiltes Finanzcollegium, das aus 4 Deputirten brstand, errichtet.

In Ansehung der unehelichen Kinder wurde unter dem izten Julius 1771. eine merkwürdige Verordnung des Innhalts bekannt gemacht, daß, da ledige Personen, die außer der Ehe Kinder zusammen erzeugt, durch die in den Gesetzen festgesetzten Bußen und Strafen oft gehindert worden, die ihnen als Asltern obliegenden Pflichten zu erfüllen , dergleichen Bußen sowohl, als andere auf solche Vergehungen gesetzte Strafen, besonders die, bey Wasser und Brod zu sitzen, aufgehoben ward. Zugleich wurde verornet, daß bey der Taufe unehelicher Kinder auf keine Weise ein Unterschied zwischen ehelichen und unehelichen gemacht werden, und daß ihnen ihre ausser der Ehe geschehene Geburt nie zum Vorwurfe gereichen sollte. In Ansehung des Ehebruchs wurde festgestellt, daß es lediglich dem unschuldigen und gekränkten Theile frey stehen sollte, deßhalb zu klagen, und so lange sich dieser nicht regte, sonst Niemand davon spree chm sollte. Den

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Den sten Jun, 1771. setzte der König emnenes Koppenhagenisches Hof - und Stadtgericht fest, welches vorzüglich die Abkürzung der Processe zur Absicht hatte. Von nun an sollte es, statt der drey Instanzen, bey dem von diesem Gerichte ausgesprochenen Urtheile sein unveränderliches Bewenden haben. Alle Einwohner von Koppenhagen, Herrschaften und Gesinde, Bürger und Königliche Bediente, mit und ohne Rang, geistliche oder weltliche, vom Civil - oder Militairstande, Proz fefjores Studenten und UniversitatSbediente wurden der Gerichtsbarkeit dieses neuen Gerichtes in allen bürgerlichen^und peinlichen Sachen unterworfen, und alle andere bisher in Kopenhagen gewesene Ober-und Untergerichte ausgehoben, doch mit der Erklärung, daß die besonders privilegirten Sachen davon ausgenommen seyn sollten. Da auch die zu weit ausgedehnte Postfreyheit den Königlichen Posteinkünsten ungemein nachtheilig gewesen, so wurde selbige durch einen Befehl vom i7-:Iunins 1771. sehr eingeschränkt, und nur die Briefe der Personen des Königlichen Hauses, die Berichte der Collegien in Amtssachen, die Atmensachen, die Zollpachtsachen, und die Militaire dienstsachen davon ausgenommen.

Dieses waren die Veränderungen, die bis zu der Zeit vorsielen, da ich als bisheriger Requetenmeistech und Conferenzrath auf Vorsprache einer hohen Person zum geheimen Cabinetsminister ernannk, und in den Grafenstand erhoben wurde. Die Erhebung zum geheimen Cabinetsminister erfolgte am IS Jul. 1771, und den dieser Gelegenheit

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heit erschien eine königliche Verordnung, die mirfast eine unumschränkte Gestalt in die Hande gab. Ich bekam nämlich Befehl, alle von dem Könige mündlich ertheilte Befehle schriftlich nach Dero Sinne abzufasten, und dem Monarchen solche nachhero entweder paraphrasirt zur Unterschrift vorzulegen, oder auch in seiner Majestät Namen unter dem geheimen Cabinetssiegel auszufertigen. Es wurde ferner darin befohlen, daß alle 'Ausfertigungen von Verordnungen, die auf Vorstellung eines Collegii an ein anderes zu ertheilen sind, nicht mehr in dem Collegio selbst, oder durch Communication geschehen, sondern von mir bewirket werden, ferner daß ich alle Wochen dem Könige einen Auszug der von ihm ausgefertigten CabinetS-Befehle zur Genehmigung vorlegen sollte, und daß diese sodann eben die Gültigkeit haben sollten, als ob sie von dem Monarchen selbst unterzeichnet wären.

Die erste merkwürdige Veränderung, welche nach meiner Ernennung zum Cabinetöminister vorgieng, war die Aufhebung des Generalcommerz-Collegii. Sie geschähe durch eine Königliche Verordnung vom izten Jul. 1771. Die Verrichtungen dieses Collegii wurden dem Finanzcollegis und Kammer übertragen. Es wurden hieraus durch einen Cabinetsbefehl vom 19WN August 1771. viele Sachen den Kanzleyen abgenommen, und dem Finanzcollegio beygelegt. Bey dem gottorsischen Obergerichce wurden die Canzler und Vicecanzler cassirt, und nur sechs Rache bestellt. Zur Besorgung der Handlungöangelegenheiten wurde eine eigne Commerzdeputation niedergesetzt, so wie

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für die Bausachen eine Ober - Baudirection. Die Direction der oresundischen Zollkammer wurde der Kammer übertragen, und hingegen dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Grafen von der (Osten, der sie bisher gehabt, sein Gehalt von 4 bis goaoThaler vermehret.

Die Einfuhre für die in den deutschen ländern des Königs verfertigten Manufacturen, wurde gegen einen Zoll von achthalb Procent, durch einen Befehl des Commerz- Collegii in die norwegischen und dänischen Länder, verstattet.

Den Herrenhuthern wurde vermittelst eines Königlichen Befehls vom iz. December 1771. erlaubt, in dem Herzogthume Schleßwig sich niederzulassen, und zwar in dem Amte Hadersleben, ihnen auch die Freyheit gegeben, bloß unter der Aufsicht ihres eignen Bischofs zu stehen, und keinen Eid zu leisten, und alle vorher wider sie ergangene Verordnungen wurden aufgehoben. Wegen der Armen-Anstalten zu Koppenhagen wurde den 16. November 1771. eine allgemeine Verpsiegungsanstalt zur Unterhaltung der Stadt-Armen in gedachter Residenz errichtet; dieser Commission wurden alle darzu gehörigen Einkünfte angewiesen, ihnen auch die Aufsicht über alle fromme Stiftungen gegeben, und anbefohlen, die Einkünfte so anzuwenden, daß allen ohne Unterschied, besonders den Haus-Armen geholfen, und dem Müßiggänge und der Betteley gesteuert werden sollte.

Eine andere Cabinets-Ordre vom 4.November 1771. fehte fest, daß bey den Departements kein Collegium einem andern Collegio, oder auch

nur

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nur einer nicht unter ihm stehenden Person einen Befehl zur Nachlebung ertheilen, sondern deßhalb unmittelbar an das Cabinet berichten sollte, welches allein die nörhigen Befehle ertheilen werde. Durch diesen Befehl wurde meine Gewalt ungemein auögedehnet.

Endlich wurden bey dem Milikairstande solche Veränderungen vorgenommen, die desselben Misvergnügen vermehrten, und in den nachmaligen Vorfall vom 17. Jenner 1772. einen sehr großen Einfluß hatten, welches ich damals, aber zu spat, erkannte. Es wurde befohlen, daß kern Offeier eher Urlaub bekommen sollte, als bis er ein Jahr bey dem Zregimente Dienste gethan,Allen-Chefs bey dem Kriegsstaate zu Wasser und zu Lande wurde aufgegeben, daß jeder für die Tüchtigkeit der Personen , die er zur Beförderung Vorschläge, stehen, und wegen der Fehler, der unter ihm stehenden Rechenschaft /geben sollte. Die Officiers, die wegen schlechter Aufführung entlass,, wurden, sollten ihre Abschiede trur von dem RegimenkS-Chef unterschrieben, erhalten. Die Garde zu Fuß wurde abgedankt, und den Soldaten freygestellt, bey andern Regimentern Dienste zu nehmen, welches sie aber nicht thaten. Diese letztere zu Ersparung vieler Kosten gemachte Einrichtung gab zu einem Auflaufe der misvergnügten Soldaten Gelegenheit, dem nur mit Gewalt gesteuert werden konnte.

Es wurden auch einige neue Policey-Anstalten getroffen. Alle Einwohner von Koppenhage,, mußten die hervorragenden Dachrinnen abschaffen, die Feyer des dritten Weyhnachtö - Oster - und C r Pfingst-

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Pfingstfeyertags, des drey Königs-Maria Reimgungs- Johannis - Mariä Heimsuchungö - Michaelis-und Allerheiligen-Tags wurde abgeschaft, auch verordnet, daß alle diejenigen, die öffentliche Schulen besuchen, nicht anders als freywillig, und mit ausdrücklicher Einwilligung ihrer Eltern und Vormünder unter die Soldaten genommen werden sollten.

DB sind die Veränderungen, die theils vor, theils nach meiner Erhebung vorgenommen wurden; an welchen ich aber durchgehends großen Antheil gehabt habe.

Ulefeld.

Diese Veränderungen sind gar zu geschwinde auf einander gefolgt, und ihr habt sie mit wenig Behutsamkeit auögeführt, indem ihr die liebe des Militairstandeö, worauf in gewissen Vorfallenheiten fast alles ankommt, zu erwerben vernachlässiget, und euch die Misgunst der entfernten Minister zugezogen habt. Ihr konntet bey „vielen von euren neuen Einrichtungen die besten Absichten haben, aber viele darunter lassen sich mit der Religion, und mit den Pflichten eines ehrlichen Mannes nicht zusammen reimen. Eure Lieblingspassion, die Wollust hat vermuthlich bey einigen derselben ihre Rechnung gesunde». Doch die Folgen davon sind für euch sehr traurig ausgefallen.

Struensee.

Traurig genug! Der König hatte, seit dem er zur Regierung gekommen, die meisten Minister, die unter dem vorigen Könige den größten Antheil an

der

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der Staatsverwaltung gehabt, entfernet, ich änderte die ganze Verfassung des geheimen Conseils, und ließ nur die auswärtigen Angelegenheiten, denen ich nicht gewachsen war, in den Händen des Grafen von (Dfføn. Die ganze Gestalt war alfs bey dem Cabinet, und es war natürlich, daß die alten Minister, die von Hofe entfernt waren, mit dieser neuen Einrichtung, die ihnen Ansehen und Einkünfte nahm, nicht zufrieden seyn konnten. Der Militairstand war eben so unzufrieden über den Dienst und andere Dinge angehenden Verordnungen. Ich entließ die Regimenter, deren Erhaltung ansehnliche Summen, kostete, ich nahm den Garderegimentern den Rang, den sie hatten, und diese widerfeHten sich ihrer im December 1771 vollzogenen Abdankung mit Ausübung verschiedner Thätlichkeiten. Sie zogen aufs Schloß, wollten durchaus die Person ihres Königs bewachen, und mußten mit Gewalt in die Casernen zurück gebracht, und verwahret werden.

Die Abschaffung der Feyertage, die Verordnung wegen Erlaubniß der Heyrathen unter Verwandten, und das, was wegen des Ehebruchs festgesetzt wurde, vermehrten in einem lande, wo dis Geistlichkeit in großem Ansehen stehet, und wo das Volk an dergleichen Nachsicht noch nicht gewöhnt war, das Misvergnügen, und die häufig zum Vorschein gekommene Schmähschriften verkündigten solches nur zu deutlich. Man spürte, ob es gleich schien, als wenn die Reiche Dannemark und Norwegen vor mir erzitterten, bey dem ge meinen Volke und bey den Matrosen ausruhren-

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{che Bewegungen, und bey der Garde kamen sie, wie ich schon gedacht habe, gar zum öffentlichen Ausbruche. Alles verkündigte eine bevorstehende Veränderung. Die Wachen und Bedeckung des Königlichen Hauses wurden verstärket, ich gab der Artillerie Befehl, beständig zehn scharf geladene Stücke in Bereitschaft zu halten , und ließ Anstalten Vorkehren, als ob ein naher Aufruhr zu befürchten sey. Auf die geäußerte Befremdung des Königs bey diesen fürchterlichen Anstalten gab ich ihm zur Antwort: Alles dieses geschähe zur Beschützung des Königs kheurer Person; denn alle Untertanen wären gegen seine Majestät aufgebracht, daher fürchte man, daß eö seiner Majestät eben so ergehen würde, als dem unglücklichen Percer HI. in Rußland! Der König erschrack heftig, wie er dieses hörte, schlug seine Hände zusammen, und jagte: Mein Gott, was habe ich denn Böses gethan, daß mich meine lieben und getreuen Unterthanen so Haffen? Ich wandte hierauf verschiedenes von dem Volke ein, das selbigem an der königlichen Regierung misfiel, besonders die ausserordentliche Steuer, welche doch vorder Hand nicht abgeändert werden könnte.

Doch ehe ich zur Erzählung niernes schrecklichen Falles schreite, will ich euch von meiner Familie, und übrigen kebensumständen Nachricht ertheilen. Mein Vater war Adam ^truensee, der Gottesgelahrheit Doctor, Königlicher Dänischer Ober-Consistorialrath und General-Superintendent der Herzogkhümer Schleßwig und Hollstein. Er ist mag zu Neuruppin gebohren, und

folglich

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folglich er sowohl, als ich und meine andern zu Halle im Magdeburgischen gebohrnen Brüder, llnterthanen des Königs von Preußen. Er widmete sich zu Halle und Jena der Gotteögelahrheit, lind erwarb sich durch Fleiß und Uebung diejenige Geschicklichkeit, die er in der folgenden Zeit durch Schriften und im Predigtamte so vorzüglich an den Tag gelegt hat. Seine erste Stelle war das Hofdiaconat bey der regierenden Reichögrafin von Sayn und Witgenstein zu Berleburg. Von da kam er als Prediger zu der Gemeine des Neumarktö zu Halle. Er erhielt darauf verschiedene andere Stellen an dasigem -Orte, wo er so lange blieb , bis er im Jahre 1757. Königlicher Dänischer Consistorial-Rath, Probst des Altonaischen und Pinneburgischen Consistorii, und Haupt-. Pastor der Lutherischen Gemeine nach Altona berufen wach. Im Jahre 1760. wurde er wegen seiner vorzüglichen Verdienste zu den Aemtern, die er gegenwärtig besitzet, erhoben, und bekam nun>nehr seinen beständigen Aufenhalt zu Rendsburg« Er ist ein Mann von ansehnlicher Grösse und ernsthaften Ansehen, ein guter Kanzelredner, der mehr die Erbauung seiner Zuhörer, als den Ruhm eines glänzenden Vortrages zum Augenmerke hat, und ein eifriger Beförderer des Christenthums. Er hak sich auch durch viele erbauliche Schriften in der Welt bekannt gemacht. Mit seiner Ehegenossin , Maria Dorothea Earlin, einziger Tochter des Königl. Dänischen Justizraths und ersten Leibmedici, Doctor Johann Samuel Carl, die er 1732. noch zu Berleburg, wo sein Schwie-

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gervater damals als Leibmcdicus stand, heyrathete, hat er 8 Kinder, z Töchter und 5 Söhne, worunter ich das dritte bin, erzeugt. Darunter sind, ausser mir noch folgende merkwürdig: Curl August Struensee, mein älterer Bruder, war Königlich Dänischer. Iustizrath, und Deputirter des General-Finanz - Collegii bey der Deutschen Cammer, wozu er 1771. erhoben wurde. Er ist *735- zu Halle gebohren, widmete sich der Theologie, wurde hernach Professor der Weltweisheit und Mathematik auf der Ritter-Akademie zu Lieguitz, und heyrathete daselbst des König!. Preussischen Hofraths und Stifts-Verwalters der Ritter-Akademie, Carl ‘Ferdinand Müllers Tochter, die sich noch da aufhält: Im Jahre 1769. aber kam er auf meine Veranlassung nach Dannemark. Seine in Druck gegebenen Schriften zeigten feine Geschicklichkeit, wie er denn noch-1771. Anfangsgründe der Befestigungskunst mit allgemeinem Beyfalle herausgegeben hat. Mein Fall zog auch den seinigen nach sich. Samuel Adam Struen. see, der gleich nach mir folgt, ist 1739. zu Halle gebohren, hat zu Güningen und Halle, erstlich Theologie, hernach, die Rechte studirt, und bekam den Titel eines Königl. Dänischen Staatsraths. Er hat sich, als ein wegen seiner tiefsinnigen Ge müthsart zu keiner öffentlichen Bedienung fähiger Mann, beständig bey dem Vater zu Rendsburg aufgehalten. Gotthilf Christian von Struenfte, Königl. Dänischer Seconde - Lieutenant des Dänischen Leib-Regiments, ist mein jüngster Bruder, und 1752. zu Halle gebohren. Er hak

zu

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zu ©ofringen, studirk, und bekam 1771. auf meine Empfehlung die obgenannfe Charge. Bey der durch meinen Fall verursachen großen Veränderung wurde er zwar gefänglich eingezogen, erhielt aber bald seine Freyheif, mit dem Befehle, die Dänischen Staaten zu verlassen.

Was meine Person anbefrist, so wurde ich zu Halle 17Z7. den 5. August gebohren. Mein Vafer wendete auf meine Erziehung und Studien alles Mögliche, aber ich ließ mir nicht undeutlich merken, daß ich zu den Lieblings-Lastern der Zeiten, und zu einem wollüstigen Leben große Neigung hatte. Die freygeisterischen Schriften eines Voltaire und de laMettrie erstickten vollends den Saamen des Guten in mir. Ich widmete mich der Arzneygelahrheit. Nachdem ich zu Halle auf der Schule des Waysenhauses und auf der Friedrichs - Universität den Wissenschaften einige Jahre obgelegen, nahm ich die Würde eines Doctors der Arzneygelahrheit an, und gieng 1757. mit meinem Vater von Halle nach Altona, wo ich bald Physikus in der Herrschaft Pinneberg und der Grafschaft Ranzau ward, und mir durch Ausübung meiner Kunst reichlichen Unterhalt erwarb. Im Jahre 1768. wurde ich den 5. April zum Leibmedicus des Königs, und zugleich ernannt, denselben auf der Reise nach Deutschland, England und Frankreich zu begleiten. Hiedurch legte ich den Grund zu meinem Glücke. Der junge Monarch Christian VIL lernte mich genau kennen, ich war fast beständig um denselben, und erwarb mir dessen Gnade auf eine ganz vorzügliche Art» '

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Ich wurde König!. Lecteur. Ich stieg von einer Ehrenstufe zu der andern. A. 1769. den 12. May ernannte mich der Monarch zum Staatörathe, den 14. May 1770. zum Confcrensrathe, in December 1770. zum Maitre de Requetes, und auf Fürsprache der regierenden Königin wurde ich in den Dänischen Grafenstand erhoben, und zum Geheimen Cabinets - und Staatsminister gemacht. Ich war groß von Person, mehr langsam als feurig, und daher zur Ausführung großer Unternehmungen brauchbar. Wenn es nicht auf meinen Ehrgeiz, und auf meinen Hang zur Wollust ankam, so war ich freymükhig, uneigennützig, barmherzig, kurz, ich hatte den Schein eines guten moralischen Characters, ob ich gleich nach meinen Grundsätzen keinen haben konnte. Der Ehrgeiz war es, der mich zu gefährlichen Anschlägen, und zu Fehltritten gegen die SkaatSkunst verleitete, und der mich folglich stürzte. Von diesem Stolze aufgeschwollen, bewegte ich die eben angeführte hohe Fürsprecherin, mir durch eine Acte das Her: zogthum Plön von Sr. Königl. Maj. versichern zu lassen, welches aber nicht zum Vorscheine kam. Ich gerietst alsdenn auf den abscheulichen Anschlag, mir mit dieser Person das ganze Königreich zuzueignen, mich mit derselben zu vermählen, und neben derselben als Protector zu regieren, vorher aber den König nebst dem ganzen Königlichen Hause aus dem Wege zu räumen, und mir, im Falle sich jemand widersetzen würde, mit Feuer und Schwerdt den Weg zum Throne zu bahnen. Die Veranlassung zu diesem abscheulichen Anschläge war folgende. Der König bekam bald nach

Antritt

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Antritt seiner Regierung Feinde vom ersten Range, allein ihre Anzahl war immer zu schwach, als daß sie was wichtiges hätten unternehmen können. Indessen trat der König seine Reise an, und ich erwarb mir auf selbiger seine vorzügliche Gnade. Allein ich trat doch zu den Feinden desselben, und schon im verwichenen Sommer wollten wir ihn zu einer förmlichen Renunciations- Acte zwingen, es widersehren sich aber die getreuen Freunde des Königs zu stark. Man suchte jetzt die Getreuen des Königs nach und nach zu entfernen, und ihre Stellen mit solchen zu besetzen, von deren Biegsamkeit man versichert war. Vor allen Dingen suchten wir des Grafen von Ranzau loß zu werden, daher wurde er zum Gouverneur in Norwegen ernannt; allein unter dem-Vorwände des Podagra, schob er immer seine Reise auf. Jedermann sähe hiervon die Ursache ein, nur der König wußte nichts von dem schrecklichen Geheimnisse, oder wollte es nicht glauben, so oft ihm die verwittwete Königin, und der Erb-Prinz Friedrich die Gefahr vorstellten. Ich wollte durch Hülfe meines Werkzeuges, des Grafen Brand, jetzt der Sache ein Ende machen. Verschiedne fürchterliche Anstalten, die, wie gesagt, auf meinen Befehl angeordnet wurden, setzten alle Einwohner Koppenhagens in Erstaunen. Ich ließ die größten Kanonen aus dem Zeughause auf die Wälle führen, sie scharf mit Kartätschen laden, und alle Abende nach geschlagenen Zapfenstreiche gegen die Stadt zurichten. Alle Wachen wurden verdoppelt. Die Soldaten erhielten ein jeder 36 scharf geladene Patronen, und das Pas

trouilliren

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kroulliren war ausserordentlich. Selbst auf dem Schlosse wurden die Wachen verdoppelt, und scharf geladne Kanonen hingepsianzt. Sogar ein jeder, ohne Ansehen der Person, der auf dem Schlosse etwas zu thun hatte, wurde durch r Mann Soldaten auf und vom Schlosse geführt. Ich und der Graf Brand setzten unterdessen unsere Anschläge immer weiter fort, und verhinderten unter allerlei) Vorwand jedem treugesinnten Patrioten den Zutritt zum Könige, und wußten einem jeden redlichen Unterthanen niederträchtige, wiewohl erdichtete Handlungen aufzubürden, damit der König keine Lust bekam, selbige zu sprechen. Wenn denn jemand vor dem König mußte, war derselbe auch gezwungen, seine Sache kurz zu fassen, und nach erhaltener Antwort sich sogleich zu entfernen. Zuletzt mußte ein jeder sein Anbringen schriftlich eingeben, und erhielt auch schriftliche Antwort. Alles mußte an mich abgegeben werden, und was mir gut deuchtete, sagte ich dem König, der König erhielt so gar alle Briefe entsiegelt. Ich und Graf Brand waren stets gegenwärtig. Ich war schon beym Könige, ehe er auögeschlafen, und gieng nicht eher von ihm, als bis er zur Ruhe war. Indeßj hielt sich der Graf Brand stets im Vorgemache auf, und wenn einer von uns Geschäfte Kälber den Rücken wenden mußte, so wurde in des Königs Namen der Wache und den Bedienten befohlen, daß bey höchster Ungnade des Königs sich keiner den Zimmer nähern sollte, weil seine Majestät unpaß wären, und sich zur Ruhe begeben hätten. Kaum hatten wir unsere Sachen verrichtet,

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und waren wieder bey dem Könige, so hatte er auch ausgeruhet. Wollte der König ausfahren oder reiten, und mir oder dem Grafen Brand war es nicht gelegen, so wußten wir dem Könige durch unsere listigen Handgriske unter allerlei) Vorwand schädliche Medicamente beyzubringen, darauf er sich nothwendig übel befinden mußte, und gerne zu Hause blieb, und das Bette hütete. Und dieses Mediciniren hat auch -wirklich des Königs Gesundheit gar sehr geschwachet. Fuhr oder ritte der König aus, so war ich und Brand jedesmal bey ihm, und eine starke Escorte hakte den König umringt, damit keiner hinzu kommen konnte.

Dergleichen und noch verschiedne andere Dinge trieben wir so lange, bis wir endlich nach zwo zu unserm Vorhaben fehlgeschlagnen Nachten die vom i6. zum 17. Januar dieses Jahres 1772. zu unserer schwarzen That erkohren, und wovon einige Herren schon zur Unterstützung derselben unterrichtet waren, bis auf den General-Major von Erchjkadk, und dem Obersten von Doller. Ersterer wurde den 14. Jenner des Mittags zur Königstafel geladen, und fand sich auch wirklich ein. Nach aufgehobner Tafel wurde er von nur in ein Zimmer gerufen, da ich ihm in Beyfeyn einer hohen Person den ganzen Plan vorlegte, ihm solchen verständigte, und ihn und sein Regiment zum Beystand aufforderte; wie auch, daß er dem Obersten Doller im Namen der hohen Person, und in meinem Namen eben denselben Befehl und Plan ertheilen sollte, damit er sich auch mit seinem Regimente zu bestimmter Zeit bereit halten könnte, um uns,

wenn

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wenn an den König die letzte Hand gelegt wäre, und alle Einwohner von und ausserhalb Koppenhagen der regierenden Königin Carolina Mathilda, und mir nicht sogleich huldigen, oder eine Empörung erregen wollten, mit gewafneker Hand beyzustehen, wozu die vorhin beregten Anstalten schon abzweckten, und worüber die andern Officiers nähere Verhaltungsbefehle erhalten würden. Da bey wurde ihm dem General-Major von Eichstädt anbefohlen, nicht eher vom Schlosse zu gehen, als bis er die Ordre dazu erhielte. ‘Dieser Officier mußte versprechen, diese Befehle ganz genau zu beobachten, und that es auch unter dem Scheine der größten Treue. Ich war darüber schon zum voraus vergnügt, und glaubte, mich schon aus des Königs Thron zu sehen.

Der Anfang der Winterlustbarkeiten zu Koppenhagen wurde mit einem Balle gemacht. Der König hatte nebst der Königin am 9. Jenner das Lust- Schloß Friedrichöberg verlassen, und das Schloß zu Koppenhagen bezogen. Den 16. Jenner 1772. wurde auf dem Hof - Schauplatze zum ersten male masquirter Ball gehalten, die Gesellschaft war ungemein zahlreich, der König tanzte einige Zeit, und spielte nachher mit dem General-Lieutenant von Gähler, dessen Gemahlin, und dem Justizrath ^truensre, meinem altern Bruder, Quadrille. Um Mitternacht verließ der König den Ball, und bald darauf trennte sich auch die übrige Gesellschaft. Wahrend des Balls erhielt der General - Major von Eichssädt Befehl, nach seinem Quartier zu fahren, um die nökhigen

Ordres

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Ordres zu ertheilen. Er war kaum in seinem Quartier angelaugt, und in sein Zimmer getreten, so schickte er alle seine Bediente von sich, wechselte in aller Stille seine Kleidung, schlich sich heimlich aus seinem Hause nach dem Grafen von Ranzau zu Aschberg, und erzählte ihm mit der größten Bestürzung den ganzen Anschlag. Dieser in der größten Gefahr standhafte Hert eilte sogleich mit dem General - Major von Eichstädt zu der verwittweten Königin Juliana Marie, und zu dem Erbprinzen Friedrich. Zugleich wurde auch zu dem Obersten Köller geschickt, dessen Regiment demselben Tag die Wache auf dem Schlosse hatte wie auch zu dem Geheimen Rath, Grafen von der (Osten. Man entdeckte diesen Personen das abscheuliche Vorhaben, worüber sie in die größte Bestürzung geriethen, und die Königin in Thranen ausbrach. Der Graf von Ranzau sprach ihnen aber Muth ein, forderte Papier, Dinte und Feder, und schrieb die benöthigten Ordres, die sich auf die bevorstehende Veränderung bezogen. So bald selbige fertig, ermahnte er sie, mit nach dein Könige zu gehen, der so eben vom Balle gekommen war, und sich schon im Bette befand. Als die verwittweke Königin, Juliana Maria, der Erbprinz Friedrich, der'Geh. Rath, Graf von Ranzau, der Geh. Rath, Graf von der (Osten, der General-Major von Eichstädt, und der Oberste Böller unangemeldet ins Königliche Zimmer traten, schlug der König den Vorhang von seinem Bette weg, und sagte: Mein Gott! Was wollen sie? Darauf antwortete die Königin Juliana ' Maria

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Maria'mit weinender Stimme: Ihre Majestät, mein Sohn, fürchten sich nicht, wir kommen nicht als Feinde, sondern als Freunde, sie, uns und das ganze Land zu erretten, und mit göttlicher Hülfe und Beystand die angedrohte Gefahr abzuwenden. Hierauf schwamm sie in Thränen. Der Erbprinz Friedrich, und der Graf von Ranzau faßten das Wort, und erzählten den ganzen Plan. Letzterer grif in die Tasche, zog die ausgefertigken Ordres hervor, und legte selbige dem Könige zur Unterschrift dar. Worauf der König ausrief, und sagte: Mein Gott! dieß wird ganze Ströme von Blut kosten. Der Graf von Ranzau erwiederte: Ihro Majestät seyn nur getrostes Muths, ich nehme unter dem Beystand des Höchsten alle Gefahr auf mich, und werde so viel als möglich aller Gefahr Vorbeugen. Woraufalle hohe Anwesende den König ermahnten, ohne Zeitverlust die Ordres zu unterschreiben, welche der Erbprinz Friedrich mit Unterzeichnete. Der Etatörath o we Guldberg, gewesener Hofmeister des Erbprinzen, hatte sie verfertigt. Alle, die benöthigten Ordres waren nun fertig, wurden auSgetheilt, und zur Bewirkung verfchiedne Officiers vom Eichstadtifchen und Köüerifchen Regimente befehligt. Es war nun noch eine Ordre nöthig, um eine hohe Person Ln Sicherheit zu bringen, welche man dem Könige überließ, selbst eigenhändig auszufertigen, die der Monarch mit der innigsten Bekrübniß von sich -stellte, und die Ausführung dem Grafen von Ranzau aufkrug. Wahrend der Zeit wurde der General-Major von Gude, bisheriger Commendant

von

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von Koppenhagen, abgesetzt, und an dessen Scell» der General - Major Eichstädt, Chef des in Koppenhagen garnisonirenden feelandischen Dragoner-Regiments ernannt, und ihm anbefohlen alle nöthige Anstalten zu tressen, welches selbiger denn auch unverzüglich an der Spitze eines Detaschements seiner Dragoner allen wachthabenden Officiers kund that, und zugleich alle Wachen auf dem Schlosse verstärken, wie auch alle Haupt Thüren und Zugänge, besonders vor des Königs Zimmer, mit Wachen versehen ließ. Er sorgte durch Patroüllen für die Sicherheit der Straßen, und verstärkte überhaupt die Schloßwache mit 40 Mann Artillerie.

Der Graf von Ranzau, der Graf von der Osten, und eine Wache giengen unangemeldet in das Zimmer der Königin, die bereits schon im Bette lag. Der Graf von Ranzau trat hinzu, sie schlug den Vorhang des Bettes zurück, und fragte: Wer ist da? Ha? Monsieur Ranzau, sind sie da? Wie ists? Lebt der .... noch? Wo ist Graf Struensee und Brand? Der Grafthak, als hörte er es nicht, sondern übergab im Namen des Königs folgendes Königliches Handschreiben, und kündigte ihr den Arrest an. Das Handschreiben lautet also:

„Madame, ich beklage das gerechte Schicksal, welches Sie erwartet; hiermit nehme ich „von Iynen auf ewig Abschied. UeorigenS „Madame, wünsche ich Ihnen eine aufrichtige

„und christliche Reue. „ D

Christian. König.

Als

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Als ihr der Graf den Arrest ankündigte, fuhr sie auf, und fagte: Mich zu arretiren? Das soll ihm den Kopf kosten. Wo ist von der Often? ? Der Graf antwortete, im Vorzimmer. Worauf sie antwortete, der Verräther. Sie fragte nochmals nach Graf Struensee und Brand, sie sitzen schon in sicherer Verwahrung auf der Citadelle , sagte der Graf, und wiederholte seinen ersten Antrag im Namen des Königs. Darauf wurde sie erboßt, sprang aus dem Bette, und lief im Zimmer auf und nieder, ob sie gleich barfuß war, indeß der Graf sich den Hut vor die AugeN hielt, und sie zum Ankleiden ermahnte, oder er wäre gezwungen, sie ankleiden zu lassen. Sie grisk ihm darauf ins Tuppee, da rüste er ein paar Damen herein, wovon die eine ihr einen Rock anlegte. Sie grisk selbst nach einer Saluppe, und eilte nach einer verborgenen Treppe, um zu entfliehen, und sich zum Könige zu begeben. Auch diese war schon mit Wache besetzt, sie mußte also wieder zurück, da sie denn ganz entkräftet aufs Canapee siel. Man verwahrte genau die Thüre, und der Graf sagte zu den Officiers, die ihn begleiteten, daß, wenn die Königinn nach den Zimmern des Königs gieng, dieses ihnen das Leben kosten würde. Der Graf ließ ihr indessen Zeit gewinnen, sich zu erholen, und vermahnte sie von Zeit zu Zeit mitzugehen. Sie bat sodann, daß man ihr die Prinzessin mitgeben möchte. Selbige wurde sogleich angekleidet. Darauf sagte der Gras: Nun Madame, gehen Sie, eilen Sie, geschwind, geschwind, faßte sie bey der Hand, mit seinem Hrite unterm Arm, in der andern Hand

hielt

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hielt er den entblößten Degen, und führte sie bis an den Wagen, wo sie noch zu ihm sagte, diess würde ihm seinen Kopf kosten, und setzte hinzu, sie hatte allezeit ihrer Pflicht nachgelebt, die Officiers wären ihr aber allezeit entgegen gewesen. Darauf rief der Graf aus, ich liebe Gott, und bin meinem König getreu, Adjeu Madame. Die Fräulein Moesting saß im Wagen neben ihr mit der kleinen Prinzessin, Louise Augusta, die sie noch stillte, und die den n. Jul. 1771. gebohren worden, nebst dem Major von dem seeländischen Dragoner-Regimente LarsterisHiold mit entblößtem Degen, der sie unter einer Eskorte von zo Dragonern nach Cronenburg, aus der Insel Seeland, begleitete. Ihr Oberhofmeister, der geheime Rath, Graf von Holstein, folgte den ryten nebst dem Hofstaate dahin nach. In den ersten Tagen hak sie außer ein paar Schaalen Choccolade nichts gegessen und nichts getrunken, bis sie in Thränen ausgebrochen, und einmal um das andere ausgerufen : Ach! du unglückseliges Kind! Ach ich unglückselige Mutter; und in solchem Zustande lebt sie in der untersten Etage des Schlosses, deren Fenster mit starken eisernen Stangen versehen sind.

Meine Arretirung gieng folgendergestalt vor sich. Der Oberste von Böller begab sich in Begleitung dreyer Hauptleute in meinen Pallast, und kündigte mir an, daß er mich im Namen des Königs in Verhaft nehme. Man kann leicht denken, daß dieß ein Donnerschlag für mich war. Ich suchte Zeit zu gewinnen, und fragte ihn, ob er wisse, wem er diesen Befehl ankündige ?' Ja, antwortete

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ber Oberste, ich kündige solchen Ihnen an, der Sie Graf und Cabinetöminister gewesen, aber jetzt mein Gefangener sind. Ich verlangte hierauf den königlichen Befehl schriftlich zu sehen, und ob ihn der König selbst unterschrieben hatte. Der Oberste versetzte, daß es wirklich andem wäre, allenfalls hafte er mit seinem leben dafür. »Ich wollte mich aber noch nicht geben. Da setzte mir der Oberste den Degen auf die Brust, und sagte, er habe Befehl, mich entweder todt oder lebendig zu bringen. Ich fiel aufs Canapee in Ohnmacht, sie brachten mich wieder zurechke, da bat ich denn, ich möchte noch gerne eine Schaale Choccolado trinken, welches mir abgeschlagen wurde. Ich bat uni mein Etui, auch dieses wurde mir abgeschlagen. Der Oberste ermahnte mich, zu eilen und fortzumachen, ehe es Tag würde, sonst wäre es unmöglich, mich für der Wuth des Pöbels zu beschützen. So bald ich aus meinem Zimmer kam, band man mir die Hande. Im Weggehen fluchte ich auf meinen Kammerdiener, daß er mir nicht einen Pelz mitgegeben. Ich wurde also in einer Miethkutsche unter einer. Bedeckung von Dragonern nach der Citadelle gebracht. Wie ich aus der Kutsche stieg, sorgte ich noch vor den Kutscher, und bat, man möchte ihn bezahlen, oder ein Trinkgeld geben. Der Oberste gab ihm einen Thaier, der Kutscher aber sagte, ich hatte es auch wohl umsonst gethan. Hierauf wurde ich zum Commendanten der Citadelle gebrachtem gemeldet zu werden. Wie ich bey ihm ankam, fluchte ich heftig, der Commendant aber gebot mir, stille zu seyn, So bald ich in das nur

bestimm-

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bestimmte Logre, welches eben das ist, das der bekannte Norcrsß so lange bewohnt hat, aber nicht Ln das Gebauer, gebracht worden, fragte ich, wo sind meine Bediente? Der wachthabende Officier antwortete, ich habe nicht gesehen, daß ihnen welche gefolgt sind. Mein Secretair? fragte ich weiter; der ist auch nicht hier, bekam ich zur Antwort. Mein Pelz! fuhr ich fort, es ist hier kalt, beym Teufel! ich will nicht frieren, ich will ein anderes Zimmer haben. Ich fand daselbst einen schlechten hölzernen Stuhl, und sagte, was soll dieser Stuhl, gebt mir meinen Sopha. Alles dieses beantwortete der wachthabende Officier hiermit: Mein Hert, hier ist nichts zu ihren Diensten, als mit Permission ein Kammergeschirr» Durch diese Antwort wurde ich in die äußerste Wuth gesetzt, so daß ich mich bey beyden Armen, faßte, und mit dem Kopf gegen die Wand und das Gezitter lief, in der Absicht, meine Hirnschaale zu zerschmettern, und fluchte erstaunlich , aber die Wache lies eilends herzu, lind verhinderte solches durch einige Ribbenstösst. Mein Betragen wurde sogleich gemeldetworauf ich mitten in der Stube mit Handen und Füßen an den Fußboden chtzend angeschlossen wurde, so daß ich mir nicht schaden konnte. Es ist merkwürdig, daß der Schließer auf der Citadelle eben der Sclave war, der mir ungefähr vor einem Jahre in Koppenhagen auf der Straße in Ketten begegnete, und mich um ein Allmosen, und zugleich bat, daß ich den König um seine Freyheit anflehen möchte. Ich gab ihm ein Allmosen, und sagte dabei?, du. trägst wohl nicht Dg um

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um deiner Tugend willen diese Kette. Jetzt, da er mir die Kette anlegte, sagte er gleichfalls: Ihro Excellenz, um ihrer Tugend willen lege ich Ihnen diese Kette nicht an. Es wurden zugleich die Fenster des Gefängnisses quer mit Latten benagelt , da sagte ich, man tractirt mich ja als eine Canaille. In diesem Zustande regte sich mein böses Gewissen, und ich dachte auf Mittel, mir das Leben zu nehmen. Ich stellte mich, als wenn ich heftiges Zahnweh hatte, und bat, man mochte doch in mein ehemaliges Cabinet Jemand hinschicken, sie würden allda vor dem Fenster in einem Papiere liegend ein Zahnpulver finden, solches möchten sie mir holen lassen, um die Schmerzen zu stillen. Es wurde hingefthickt, und man fand es. Der Etats-Rath und Leibmedicus von Berger mußte es sogleich untersuchen, und befand, daß es ein starkes Gift war. Ich bekam es also nicht. Jetzt legte ich mich aufs Hungern, und wollte weder Speise noch Trank genießen. Ein paar Tage ließen sie mir meinen Willen, darnach kam Befehl, ich sollte esse» und trinken, und im Falle ich nicht im Guten wollte, so sollten sie.mich so lange prügeln, bis ich Appetit bekäme. Es wurde mir weder Löffel, noch Messer und Gabel in die Hand gegeben, die wachthabenden Soldaten mußten mir das Essen zurechte schneiden, und mir es in den Mund bringen. In diesem Zustande saß ich einige Tage, da ich denn angelobte, mich besser aufzuführen, man möchte doch für mich um Gnade bitten. Es wurde meiner Bitte Gehör gegeben. Ich ward daraus an Händen und Füßen kreuzweiß geschlossen,

und

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und mir eine an der Wand befestigte drey Ellen lange Kette an das Bein gelegt, und ein Stück Bette gegeben, worauf ich liegen konnte. Ueberhaupt war ich im Gefängnisse, wo die ärgsten Mist sethater aufbewahret werden) es befanden sich Gitter vor dem Fenster, durch welche man mich-sehen konnte, und ich trug auch Kleidung wie ein Missethater, nämlich eine blaue frießne Jacke ohne Knöpfe. Alle andere Knöpfe, die noch in meiner übrigen Kleidung waren, wurden mir ausgeschnitten, weil ich ein paar davon ausgedrehet, und verschluckt hatte. Schuh - und Beinschnallen wurden mir abgenommen, ich bekam auch eine eiserne Haube, damit ich mir den Kopf nicht zerstossen konnte. Man hat nachgehends das Etui, warum ich so sehr gede then, untersucht, da denn der Leibmedieus von Berger drey kleine Kügelchen darinnen fand, die ihrer Beschaffenheit nach ein langsam wirkendes Gift waren, wovon ich auch schon an einer hohen Person Gebrauch gemacht hatte. Ein Officier blieb immer bey mir, und zu meinem täglichen Unterhalte ward ein halber Thaier ausgefetzt, der aber bald bis auf einen Thaier vermehrt wurde. Meine Schriften, so wie der andern in Verhaft genommenen Personen ihre, wurden von des Königs Vogt, dem Etatörath Orvet, versiegelt. Doch ehe ich weiter fortfahre, werdet ihr uns, Graf Brand, von eurer Person Nachricht geben.

Brand.

Ich heisse Envold oder Ewald Graf von Brand, und war Königlich-Dänischer geheimer Rath, Kammerhert, Beysiher des höchsten Ge-D 4 richte

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richts, Ober - Kleiderverwahrer und Ritter des Mathilden-Ordens. Ich war ein Sohn des verstorbenen königlichen Dänischen Conferenzrathö von Brand, und meine Schwester ist seit 1759. mit dem Kammerherrn, Christian Heinrich von Bcuiwitz, Amtmann zu Steinburg, vermahlt. Ich hatte mein Glück in Hof -Bedienungen gemacht. A. 1755. ward ich Hofjunker, hernach Kammerjunker, endlich 1769. Kammerhert, A. 1771. ertheilte mir die regierende Königin den Mathilden - Orden. Der König gab mir die Aufsicht über die Schauspiele, in welchen Posten ich mir des Monarchen vorzügliche Gnade erwarb, welches sich dadurch zu Tage legte, daß ich im Julius 1771. zugleich mit Strnenseen in den Dänischen Grafenstand erhoben, hernach zum Dber-Kleiderverwahrer und Geheimen Rath, mit Beylegung des Titels Excellenz, erkläret ward. Ich war ein vertrauter Freund von Struenjeen, der sich auch bey allen Gelegenheiten als meinen eifrigen Beförderer bewiesen hat. Als ein Mithelfer seiner Anschläge fand ich auch mit ihm meinen Untergang. In meiner Jugend schon prophezeyte mir mein damaliger Hofmeister, Lang. sAhmidc, wegen meines äußerst störrischen Kopfes, Verachtung aller Religion und Gottesfurcht, und bösen Gemüthsart einen schimpflichen und schmählichen Tod. In meinen altern Jahren war ich ein Weltmann, und ließ mich von den herrschenden Lastern hinreissen. Als der Officier mit der kam, mich zu arretiren, verschloß ich mich in meinem Zimmer. Der Officier sagte, ich

sollte

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sollte ausmachen, und mich als ein vernünftiger Mann betragen, denn es würde mir zu nichts helfen, widrigenfalls müßte er die Thür erbrechen. Da machte ich die Thüre endlich auf, und hatte in der Hand meinen Degen, um mich zu verkheidigen, worauf sie mich sogleich ansielen. Ich warf den Degen von mir, suchte mich von ihnen loß zu machen, und sagte: Meine Herren, sie gehen unrecht, ich bin ein Staatöminister, ich weiß

nicht, daß ich was verbrochen habe, worüber man mich arretiren kann. Der Officier zeig¬

te mir auf der Ordre meinen Vornamen, und sagte, er gienge gar recht, ich sollte nur mitgehen, das übrige würde sich schon finden, und dainit brachten sie mich nach der Citadelle, Sie fanden Key mir 20000 Thaler baares Geld, ich Zeigte aber gleich an, das es königliche Gelder wären, die mir als Oberaufseher der Schauspiele, zu Unterhaltung derselben anvertrauet worden. Nachdem ich auf der Citadelle in des Eommendanten des Generals von Aowen Behausung abgetreten war, complimentirte ich selbigen folgendergestalt: Mein Hert, Sie nehmen es nicht übel, daß ich Sie so früh incommodire. Der Commendant antwortete: Gar nicht, mein Hert, man hat sie schon längstens hier erwartet. Darauf gieng ich das Zimmer auf und nieder, sähe mich allenthalben um, sang eine italiänische Arie, und sagte alödenn: Hier sind bey meiner Seele hübsche Zim. wer im Castell. Der Commendant antwortete.

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gewiesen, welches' aber ziemlich dunkel war. Dieß machte mich aber doch nicht verzagt, sondern ich sagte, bey meiner Treue, der Commendant hat wahr geredet, Ich war immer lustig, und spielte die Flöte. Von meinen 24 Schillingen, die ich täglich erhielte, sparte ich sechse, welche, wie ich sagte, mein künftiger Henkersknecht zum Trink, geld haben sollte. Ich bediente mich auch öfters des Ausdrucks; Einem kleinen Geist kommt es zu, sich durch Kleinigkeiten demüthigen zu. lassen, aber ein großer hebt sein Haupt weit über sein Schicksal empor. Ich bekam gleichfalls eine z Ellen lange Kette , so daß ich auf dem Bette liegen konnte. Da für Bergern keine vorhanden war, so wurde sie in die Arbeit genommen. Wenige Tage vor der Revolution wurde ich von einem Freunde durch einen Brief gewarnet, tsiid mir das. Schicksal, welches mich tressen würde , wenn ich die verderblichen Anschläge befolgte, vorher gesagt, und vor Augen gestellet; allein ich ließ mich leider? zu meinem größten Unglücke nicht warnen.

Gcruenfee.

brach meiner Arretirung begab sich der Obrist Koller zu dem General-Lieutenant von Gähler, und kündigte ihm sowohl, als seiner Gemahlin, den Königlichen Befehl an, sie in Verhaft zu nehmen. Die Gemahlin sprang im bloßen Hemde aus dem Bette, und wollte > sich durch eine Hinterchüre retten, sie fand aber solche durch 2 Dragoner besetzt, und ward nebst ihrem Gemahl nach der Citadelle gebracht. Die Gemahlin ist nach, her, da man.sie unschuldig befunden, wieder auf

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freyen Fuß gestellt worden. Es wurden ferner arretirt der Kammerhert und Obrist von falken* skiold, der Concre-Admiral Hansen, der Staatsrach N)l!lebrand, der Leibmedicus und Professor Berger^ (der mit dem Letbmedicus und Etatsrath von Berger nicht verwechselt werden muß,) meine beyden Brüder, derJustitzrakh Struensee, und der Lieutenant Struensee, der Stallmeister Frenhert von Bülow, der Obrist Lieutenant Hast setberg, der Lieutenant vom Seestaare Aboe. Diese wurden durch verschiedene Officiers von dem sieländischen Dragoner-Regimente theils nach der Citadelle Friedrichshafen, theils nach andern Verwahrungsplatzen gebracht. ‘Einige , als der gewesene Commendame von Koppenhagen von Gude bekamen in ihren Hausern Wachen. Einige Anfangs nicht eingezogene Personen wurden nachher arretirt; als der Legationsrath und Post-Director Sturz wurde auf die Hauptwache gebracht, und ob er gleich seines Verhafts bald entlassen wurde, so bekam er doch den Abschied. Die drey Cabinets-Secretairs, wie auch meine beyden Läufer wurden auch eingezogen, die ersten, aber, da man sie unschuldig befand, ihres Arrests wieder entlasten. Der Oberste Falkenfkiold und der Obrist-Lieutenant von Hasselberg suchten nach Verlauf von etlichen Tagen von der Hauptwache zu desertiren, sie) wurden aber beyde nach dem Schiffsholm in bessere Verwahrung gebracht, Die Wartefrau der regierenden Königin wurde nachher auch in Verwahrung gebracht. Wie wenig unser Complot einander selbst getraut, hat

man

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man daraus sehen können, daß einige, als mm sie arretirt, in der Bestürzung geglaubt haben, es geschehe auf meinem Befehl. Alles dieses war Des Morgens zwischen z und 6 Uhr vorgegangen, so daß wir uns um s Uhr bereits aste in sicherer Verwahrung befanden.

AIS der Tag anbrach, erfüllte erst das Gerücht von einem so außerordentlichen und unerwarteten Vorfälle die ganze Stadt. Die Thore waren geschlossen, da sie seit vorigem Frühjahre nur ge« sperret gewesen. Durch das häufige Fahren und Reiten wurde alles Volk aufmerksam gemacht; dock getrauere sich keiner vor Tage aus dem Hause zu gehen. Endlich wimmelten die Straßen von Menschen, und ein wildes Schrecken hatte sich auf aller Gesichter verbreitet; in der ängstlichen Mey« nung, als wenn dem König etwas zugestoßen wäre, eilte alles nach dem Schloßplatze hin, der auch in kurzem ganz von Menschen angefüllet war» Darauf ließ sich der König, die Königin Julia» na Maria, und der Erbprinz Friedrich, auf Dem Balcon des Schlosses sehen, und es «'schallte ein Vivat nach dem andern. Das Frohlocken des Volks war unbeschreiblich. Gegen Mittagszeit fuhr der König in einem von sechs weißen Pferden gezognen Staats,wagen in Begleitung des Erbprinzen Friedrich durch die vornehmsten Gaffen seiner Residenz. Der Wagen mußte wegen Des sich hinzndringenden Volkes ganz sichte fahren. Ein beständiges Vivakrufen begleitete sel« bigen nach dem Schlosse zurück. Es war öffentliche Tafel und Cour bey Hose. Abends war die

ganze

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ganze Stadt erleuchtet, und es wurde ein französisches Schauspiel aufgeführt. Bey dem Eintrit des Königs in die Loge wurde er mit unaufhörlichen Händeklatschen und Vivatrufen empfangen. In den Provinzen war die Freude eben so allgemein. Der Pöbel, der, wenn er seinen Leidenschaften den Zügel schießen lasset, keine Gränzen kennt, fiel über die Häuser der in Ungnade gefall, neu Personen her, und verwüstete solche dergestalt, daß nur Mauern und Dächer stehen blieben. Diese Wuth betraf 60 Häuser, und unter andern den in der Osterstraße gelegnen prächtigen Pallast des verstorbnen Staatsministers, Grafen von Schult». Die Erben desselben hatten solchen an einen gewissen Gastwirth Gabel verkauft, und das Volk behauptete, daß ich das Geld darzu her. geschossen, um ein zu öffentlichen Ergöhlichkeiten bestimmtes Haus daraus zn machen. Keine Fenster blieben ganz, und was von kostbaren Sachen nicht fortgebracht werden konnte, wurde völlig vernichtet. Ihre Wuth gieng so weit, daß sie die schöne Büchersammlung des Grafen von Schult», nebst andern Sachen, die ihm gehörten, und noch nicht weggebracht waren, plünderten. Man mußte Dragoner-Patroullen auös dicken, um diesem Unsinne Einhalt zu thun. Diele erhielten Befehl, nur mit der Fläche des Seitengewehrs zuzuschlagen, es wurden aber dennoch bey dem überhand nehmenden Austauf ver chievne verwundet. Das Volk wollte auch den prächtigen Staatswagen, den ich vor kurzem hatte machen lassen, und der über 6000 Thaier gekostet hatte,

gerne

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gerne in seiner Gewalt haben, aber er war schon aufs Schloß in Sicherheit gebracht worden. Den andern Tag wollten die Matrosen auch das andere dem Gabel gehörige Haus plündern, daher die Patroullen abermals Schlage auötheilen mußten. Es ergieng auch ein scharfer König!. Befehl dawider, das Volk verlangte ihn schriftlich zu sehen, und als er ihnen gezeigt wurde, küßten sie denselben , und wurden sogleich ruhig. Es wurde also diese ganze Begebenheit durch kein Blutvergießen bezeichnet. Die Stadtthore blieben, so lange es dauerte, verschlossen; von Soldaten aber wurden außerordentlich nur 150 Dragoner von dem seelandischen Regimente dazu gebraucht. Die Wiedererrichtung der verabschiedeten Leibgarde erfolgte am r 7. Jenner. Der größte Theil der Soldaten und der Officiers war noch in der Stadt. Sie bekamen ihre Fahnen wieder , und der Eifer der Gemeinen war so groß, daß einige von ihnen in Röcken ohne Tressen, andere ohne Kamaschen auf die Wache zogen, um nur bald wieder des Vorzugs, ihren König zu bewachen, theilhaftig zu werden. Den rZten besetzte die Leibgarde zum erstenmale wieder das Schloß, nachdem die Grenadiers des Falfterschen Regiments, ohne abgelößt zu werden, 48 Stunden daselbst die Wache versehen hakten.

Es erfolgten noch viele andere Verändert!«, gen auf meinen Fall. An die entlaßnen Minister des geheimen Conseils, so wie an den zu Hamburg sich aufhaltendeu Grafen von Bernsdopf, und an den Grafen Thors, der auf seinem Gute

wohnte,

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wohnte, wurden Staffelten abgeschickt, um ihre vorigen Stelle» im Conseil wieder einzunehmen. Die Wittwe des Feldmarschalls von Numsen wurde zur Oberhofmeisterin des Kronprinzen er-, nennet. Alle Personen, die durch meine Hand im Namen des Königs oder der Königin seit Jahresfrist Geschenke empfangen, mußten solche aus. liefern, erhielten sie aber, nachdem man sie für rechtmäßig erkläret, wieder zurück. Es ergieng an sammtliche Collegien der Befehl, alle seit dem io. Sept. 1770. eingelaufenen Cabinets Ordres einzusenden und nähere Befehle zu erwarten. Der Magistrat zu Koppenhagen durfte keine Pässe mehr an Reisende ausfertigen, sondern sollte dieses der Dänischen Kanzley überlassen. Die Regi. menter des Königs und des Erbprinz Friedrichs, die auf meinen Befehl in die kleinen Städte in Seeland und Fühnen verlegt worden, bekamen Befehl wieder in Kopenhagen zur Besatzung einzuziehen. Die auf meine Veranstaltung aufgehobneVerordnuiigchaß des Abends nach 10 Uhr in denWirthshäuscrn bey Strafe des Gefängnisses und 2 Loch Silbers keine Trink- u. Spielgesellschasten geduldet werden sollten, wurde wieder in ihre vorige Gültigkeit gesetzt, auch alles Schießen mit Flinten und Schlüsselbüchsen und Racketenwerfen verbotene Das Finanz Collegium, so wie das Admiralitäts. und Commissariats.Collegium, bekamen ihre voa rigen Mitglieder wieder. Der Bischof von Seeland, D. Harboe, die theologische Facultät zu Koppenhagen, und die gesammte Geistlichkeit, wurde den 24sten Jenner nach Hofe berufen, um

ihre

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ihre Glückwünsche abzustatten. An eben diesem Tage hatte auch der Magistrat von Koppenhagen, der Stadthauptmann und die Bürgerhauptleute Audienz beym Könige, der dem Stadthauptmann Len Obersten-Rang ertheilte. Die Verordnungen, die Aufhebung aller-auf den uneheligen Beyschlaf bestimmt gewesenen Strafen,und die Zulassung der Ehe mit des verstorbenen Bruders Wittwe, und zwischen Personen, die mit einander,die Ehe gebrochen,betreffend,wurden gänzlich wieder aufgehoben; hoch sollte dasjenige, was zum Besten der ausser der Ehe erzeugten Kinder disponirer worden, und daß sie bey ihrem Eintritte in Zünfte kein besonderes Legitimations-Patent bedürften, sein Verbleiben haben. Wegen des Außaufs vom 17ken Jenner mußte der Policeymeister eine Verordnung a»sch!agen lasten, daß alle diejenigen, die etwas von denen bey diesem Austaufe entwendeten Gütern an sich gekauft, solches binnen 8Tagei,schriftl ch anzeigen sollten, um es dem Eigenthümer zuz «stellen, dey Vermeidung einer Geldstrafe. Der Kammerhert und Hofjägermeifter von Leßner enipsienq» so wie der Hauptmann des nordischen Leid-Regiments, Duval, am ørsten Jenner Abends um i1 Uhr Befehl, sich in Zeit von z Tagen aus Koppenhagen, und darauf aus allen Königlichen Landen zu entfernen. Der letzte war dazu gebraucht worden, französische Schauspieler in Dänische Dienste zu bringen, welches ihm eine genaue Bck mnrschaft Mit dem Graf Brand der« schäfte. Er rechtfertigte sich aber, und bekam, eine andere Stelle. Der Sraacsrath Reverdil

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erhielt 1000 Thaler Reisegeld, und den Rath in sein Vaterland zurück zu gehen, welchen er auch befolgte, und sich wieder in die Schweiz b? gab. Der Lieutenant Struensee, mein Bruder, wurde zwar nach einigen Tagen seines Verhalts entlassen, erhielt aber 200 Thaler Reisegeld und Befehl sich aus den Königlichen Staaken zu entfernen. Zur Verwehrung mehrerer Unordnung ergiengen zween Königliche Befehle. Kraft des ersten wurde allen Hausvätern und Handwerkern befohlen, bey dem den 28. und 29. Jenner einfallenden Geburtsfeste des Königs und des Krön-Prinzen, ihre Kinder, Gesinde und Lchrpurfche zu Hause zu behalten. Es sollten auch keine Illuminationen, noch andere öffemliche Freudensbezeu-Zungen gemacht werden, weil Se. Majestät ohne dieß von der Liebe ihrer Unterthanen überzeugt wären. Der zweyre Befehl ergieng aus dem Hofmarschallamte, daß auf dem König!. Schauplatz hinführo gar keine Kinder gebracht werden, und ein jeder sich so betragen solle, wie es die hohe Gegenwart der König!. Herrschaft erfordere. Es wurde ferner befohlen, daß die Stadtthore, die seit dem vergangenen Frühjahre des Machs nur gesperrt worden, ordentlich wieder geschlossen, und die Zugbrücken aufgezogen werden sollten. Den r6. Jenner ließ der König in allen Stadtkirchen zu Koppenhagen ein Dankfest halten. Auch die Portugiesische Synagoge hielt an diesem Tage eine ausserordentliche gottesdienstliche Versammlung.

Der König nahm hierauf ausserordentliche Bes

förderungen vor, um das Andenken dieses merk-E solve

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würdigen Tages aufzubehalten, und die dabey gebrauchten Personen zu belohnen. Der Graf von Ranzau Ascheberg wurde zum General en Chef von dem Fußvolke, der General-Major Hanß Heinrich von Eichstadt zum General der Reuterey und Ritter des Danebrog-Ordens, der Oberste des Falsterschen Regiments zu Fuß, Christian Ludwig von Roller, zum General-Lieutenant bey dem Fußvolke mit Beybehaltung seines Regiments, und zum Ritter des Danebrog« Ordens erklärt. Der General von Eichstadt wurde auch zum Deputirten in dem König!. Generalitäts. und Commissariats-Collegio, und der General-Lieutenantbon Roller zum König!. Ober-General-Adjudanten ernennet. Da er auch, weil er aus einem alten Pommerischen Geschlecht entsprossen, mit der Dänischen Naturalisation begnadigt zu werden verlangte, so ward ihm der alte Dänische Name Banner beygelegt, und er unter dem Namen von Roller Banner naturalisirt. Unter den Officiers, die zur Gefangennehmung gebraucht worden, wurden auch verschiedene Beförderungen vorgenommen, und unter andern der Major Care stenschiold zum Obrist-Lieutenant ernennet. Der Stadthauptmann zu Koppenhagen Treeld, wie auch alle diejenigen, die nach ihm diese Stelle bekleiden werden, erhielt den Obristen-Rang, und ihm wurde eine jährliche Zulage von 500 Thaler ertheilf f.. Ferner bestellte der König einen Cabinctsrath, der aus folgenden 7 Mitgliedern bestand: Der Erbprinz Friedrich,der geheime Rach Graf v.Thott, der Geheime Rath und General Graf von Ranzau

Asche-

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Äscheberg, der Geheime Rath von Schack, der Admiral von <Rømelinø, der General von Erchstädt, der Geheime Rach Graf von Osten. Der Kammerjunker von Dülow wurde zum Stallmeister, der Hof/unker und Rittmeister Christian Ludwig von Aalkreut zum Reise-Stallmeister, und der Kammerhert von Aray zum Jägermeister, alles bey dem Hofstaate des Königs, und der Staats-Rath George Pilsen zum Biblothekarius der König!. Hand-Bibliothek ernennet. Endlich wurde auch der Staats-Rath Guldberg, und der Kammerdiener Nicolaus 'Jessen, der schon zu Friedrichs V. Zeiten diese Stelle beklei. dek, beyde wegen ihrer am 17. Jenner bewiesenen Treue, ersterer mit 4000, und der andere mit 2000 Thalern beschenkt. Dem Dänischen Admis val in dem mittelländischen Meere wurden Befehle zugeschickt, so geschwind alls möglich mit seiner Escadre nac Elsingör zurück zu segeln. An dem Englischen Hofe wurde unterdessen über alles, was sich in Dannemark zutrug, ein tiefes Stillschweigen beobachtet. Es kamen seit der Revolution 3 Abgeordnete hinter einander mit Verhaltungsbefehlen an den Herrn Reith, Englischen Minister am Dänischen Hofe. Auch hielt der Dänische Gesandte zu London, Baron von Dieder», öftere und lange Conferenzen mit dem Könige, wovon aber nicht das geringste bekannt wurde Es “Hieß zwar einmal, daß man aufgehöret habe, die zwischen Koppenhagen und London gezogenenWechfei auszu zahlen, doch war solches falsch, und die Handlung zwischen beyden Nationen blieb auf eben

Ea dein

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dem Fusse, wie sie vor der Revolution war. Die Couriers zwischen den beyden Höfen von London und Koppenhagen giengen häufig ab und zu, aber man erfuhr nichts von ihren Depeschen. Es hieß auch, daß der Herzog von VXovtfyimbetlanb als ausserordentlicher Gesandter, - ingleichen der Hannoverische Geheime Rath, Baron von Gem mingen abgeschickt werden sollten. In Frankreich erregte die Revolution in Dannemark auch viel Larmen.

Es wurden in der Welt viele satyrische Verse nebst meinen Bildnissen ausgestreuet, worunter ein Distichon, das auf meinen Namen anspielte, am merkwürdigsten war. Es lautet also:

Sic regi mala multa STRVENSSE perdidit ipse.

Jam vinctus clauitris, qui modo Victor

erat.

Das ist:

So hat derjenige, der dem Könige viel Böses zubereitete, sich selbst endlich ins Verderben gestürzt, und der liegt nun in Fesseln, welcher vor Kurzen alles in allem war.

Die Commission, der die Untersuchung der ' mir und den andern Staatsgefangenen beygemeßnen Verbrechen anvertrauet wurde, bestand aus dem Geheimen Rath und Justitiarius des höchsten Gerichts, Freyherrn Jens IuelvonXVmd, den Conferenz - Rathen von Braem ^anudf von krampe, Wilhelm von Lüxdorf, und Carstens, und den Staats-Rathen Peter Bo-

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föcb Anker, der für einen der größten Rechtsgelehrten von Dännemark gehalten wird, Owe Guldberg, und Doctor Friedrich Christian Sevet. Zur Durchsetzung der Papiere, Briefe, Documente und der Gelder der Staatsgefangenen wurden ernennt, der General-Lieutenant von Dotter, die Conferenzrathe Andreas Schn» macher, Andreas von Suhm, und der obgedachte Staatsrath Guldberg. Es sind dieses die berühmtesten Rechtsgelehrten, und meistenthellö Mitglieder des höchsten Gerichts. Sie beschäftigten sich täglich einige Stunden, nämlich von 9 Uhr des Morgens bis Nachmittags um 4 Uhr mit Untersuchung der den Staatsgefangenen gehörigen, und in unfern Behausungen weggenommenen Papiere. Auf ihren Befehl mußten alle an die Gefangenen einlaufenden'Briefe an das geheime Cabinet abgegeben werden. Sie ließen unterm 27. Jenner 1772. eine Verordnung bekannt machen, daß alle diejenigen, die baares Geld, Papier oder andere Sachen, die den Staatsgefangenen gehörten, in Händen hätten, solche binnen 8 Tagen an die Commission abliefern sollten. Die Untersuchungen wurden sehr eifrig fortgesetzt, man fand sehr deutliche schriftliche Beweise von "unserm Complot, und es wurden eine Menge Personen, Kammerfrauen, Wartefrauen, selbst 2 Mohrenkinder, die sonst in den Gemächern des Schlosses herumzugehen pflegten, und wohl noch 20 andere Personen abgehört. Die beyden Prediger an der Garnison - Gemeine zu Heismgör bekamen Königlichen Befehl, abwech-E 3 selnd

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feind in deutscher oder dänischer Sprache vor der Königin in Cronenburg zu predigen. Nun kam die Reihe des Verhörs auch an uns. Ich für meine Person, der Graf Brand, und der Professor Berger wurden von der Inquisitions-Commission in des Commendanten Hause auf der iz tadelle abgehöret. Brand gestand alles, und versicherte, er wolle von der Wahrheit nichts verschweigen. Ich hingegen beruste mich bey dem ersten Verhör auf meine Unschuld, nachdem mich aber die JuquisitionS-Comnlission bedrohet, daß man mich schon durch gewisse Zwangsmittel zum Geständnisse zu bringen wissen würde, bequemke ich mich endlich auch dazu. Die Anzahl der Fragen , die an mich gethan wurden, belief sich auf 63Q. Wir wurden indessen noch immer auf die vorige Weife behandelt. Man gab uns keine Messer, sondern abgebrochene Gabeln, und der Officier, der bey jedem von uns die Wache hatte, schnitt die Speisen vor. Es durfte uns auch der Bart noch nicht abgesthoren werden. Der Graf Brand gerieth daher auf den Einfall, sich den Bart mit einer Lichtputze, von welcher die Spitze abgebrochen war, abzuschneiden, und die Nägel von den Händen rieb er an der Wand ab. Dem Professor Berger wurde erlaubt, Tabak zu rauchen, Mester und Gabel zu gebrauchen, auch sich den Bart abnehmen zu lassen. Es wurden nach dem ersten Verhör noch denselben Abend wieder verschiedene Personen arretirt. Die Commission seng auch nun an, meine Pferde und des Grafen Brand seine durch öffentliche Auction zu verkaufen.

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fen. Meine Verhöre wurden häufig fortgesetzt/ und ich wurde verschiedner Malversationen, die das Verbrechen der beleidigten Majestät in einem hohen Grade involviren, überwiesen, und mußte auch selbige eingestehen. Es wurde mir unter andern Schuld gegeben, daß ich ohne des Königs Wissen und Willen verfchiedne Cabinets-OrdreS ausgesertiget, wodurch eine Menge schädlicher, ja gar gefährlicher Anstalten verfüget worden. Unter meinen Papieren fand sich auch eine von mir eigenhändig geschriebene Rechnung, die höchst verdächtig war, und die größte Vermuthung gab, daß ich zu meinem und anderer Vortheile, allein in diesem Posten, über 100002 Thaler aus dev Königlichen Caske veruntreuet habe. Man fand auch, daß ich in einer eigenhändigen. Königlichen. Ordre, durch welche der König, als er mich vorigen Sommer in den Grafenstand erhob, mich aus thorifivet, aus einer der Königl. Cassen eine Summe Geldes als ein Geschenk zu erheben, die Ziffern verfälscht, und durch solche Verfälschung die Summe zehnfach gehoben. Es wurde in meiner Chatonlle eine beträchtliche Menge Actien gefunden, die ich von meinem Gehalte, das sich zuletzt auf 3022 Thaler belief, freylich nicht erübrigt haben konnte. Meine Verhöre daureten indessen fort, Md die Commission war jetzt mit meiner Offenherzigkeit ungemein zufrieden. Es wurden mir und dem Grasen Brand Geistliche zugeordnet. Doctor Munter kam zu mir, und der Probst zu Branden. Wir bekamen beyde Erlaubniß Bücher zu lesen. Brand war immer so ziemlich vergnügt, und E 4 brauchte

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brauchte keine Lichtputze mehr, denn wir durften uns jetzt rasirm lassen, doch mit der Vorsicht: Der Arrestante saß, so weit als die Kette reichte, von der Wand ab, so daß er die eine Hand nicht rühren konnte, und ein Unterofficier hielt indessen die andere. Ich ließ mich aber nicht barbieren, lind mochte mir auch sonst nichts mehr zu gute thun. Ich verzehrte täglich nur io Schillinge, indem ich mir mein Essen vom Marketender holen ließ, und sammlete folglich von meinem täglichen Reichsthaler ein klein Capital. Die andern verzehrten aber ihren Thaler. Der Justiz-Rath Struensee, mein Bruder, hatte sich bisher mit der Mathematik die Zeit vertrieben. Jetzt verließ er sie aber, wurde sehr ungedultig, und beruste sich bey allem, was er gethan, auf gehabte Ordren. Der Leibmedicus Berger wurde nun vorzüglich gehalten. Er bekam seine Bücher, ein besseres Zimmer, und ein besseres Bette. Denen Soldaten in der Citadelle, die beständig gelaufen kamen, uns Arrestanten zu sehen, wurde befohlen, ihre Neugierde zu mässigen. Ich sähe jetzt meine Thorheit ein, und wußte mich vor Unmuth manchmal kaum zu lassen. Wenn ich aus dem Verhöre kam, ließ ich mir niemals etwas merken, sondern warf mich gleich nieder, und biß mich in die Nägel, daß das Blut herunter träufelte. Der Graf Brand blieb aber noch immer gutes Muths. Er sagte, daß man ihn bis auf den letzten Augenblick so finden würde. Er war voll artiger Einfälle, einstmals sagte er: Wenn ich den schwarzen Mann sehe, so deucht mich immer, daß mir

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der Kopf wackelt. Gleichwohl war der Geistliche mit ihm zufrieden. Als er einstmals, dem die Wache habenden Officier verfthiedne Liebesgeschichte von Dänischen Damen erzählte, wurde eben der Probst Hee bey ihm gemeldet. Er brach ab, mit den Worten: Still! merken Sie, wo wir geblieben. Er fieng hierauf den erbaulichsten Discours mit dem Prediger an. Der Doctor Münter besuchte mich auch sehr oft, und unterredete sich mit mir noch immer von den Grundsätzen der Religion. Im Anfänge seiner Besuche schrieb er an meinen Vater, und erbot sich, mit Zulassung der Inquisitions- Commission mir einen Brief von selbigem einzuhändigen, im Fall er mir durch seine Ermahnungen eine Erleichterung meines Zustandes, und besonders meiner Gemüthsverfassung, geben könnte. Mein Vater antwortete hierauf dem Doctor Münter, schrieb aber'damals noch nicht an mich. Indessen zeigte mir Doct. Münter den an ihn gestellten Brief, und ich wurde dadurch so bewegt, daß mich die Thränen im Lesen unterbrachen, welches den Doctor Münter sehr rührte. Ich war jetzt sehr geruhig, reinlich, und hatte gemeiniglich weisse Nachtkleider angezogen.' Ich sprach wenig, und ruhete fast den ganzen Tag auf einer Ruhebank. ^ Ich las viel geistliche Bücher, die mir D. Münter zustellte, mit vieler Aufmerksamkeit. Jerusalems Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion, und Reimarus von der natürlichen Religion waren darunter die vornehmsten. Ich befand mich in einer dem Anscheine nach ruhigen Es Gemüchö-

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Gemüthsverfaffung, und mein Gefangniß war mir erträglicher, als man es sich vorstellen konnte. Wenn ich gleich mit den Offiziers, die die Wache bey mir hatten, fast nichts sprach, so bot ich ihnen doch Bücher zum Lesen an, um ihnen die Zeit zu verkürzen, worunter Gellerts moralische Vorlesungen waren. Sonst war mein Bezeigen immer demüthig und ernsthaft. Ich rag fast den ganzen Tag in einem weißen Hemde auf meiner Auhebank, und deckte mich mit meinem Pelze. Bey dieser stillen Lebensart steng ich an, sehr mager zu werden, welches ich den Officiers durch Entblößung meiner Beine zu erkennen gab. Des Mittags ließ ich mir zwey Gerüchte Essen holen, die ich aber selten aufaß. Des Abends um 7 Uhr trank ich Thee, worinn ich einen Zwieback eintunkre, und dann genoß ich weiter nichts mehr. Um 9 Uhr des Abends legte ich mich zu Bette, schlief aber selten vor Mitternacht ein. Man sagte mir, daß ich mager würde, käme daher, weil ich so wenig speiste, ich antwortete aber, ich hätte hier keine Bewegung, folglich könnte ich die Speisen auch nicht recht verdauen. Ueberdieß sollte ich nur hier mein Leben aufhalten, und dazu wäre mir das wenige, was ich zu mir nähme, hinlänglich. Ich hatte mir bisher den Menschen als eine Maschine vorgestellt, die nur da wäre, um zu leben, und sich des Lebens so gut als möglich zu Nutze zu machen, Als ich dieses D. Münter» sagte, zog er seine Uhr aus der Tasche, und sprach : Hert Graf! Diese Uhr ist eine Maschine, die den lebendigen Geschäften am nächsten kommt,' weil sie

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sich/ wenn sie aufgezogen ist, durch den Trieb Feder von selbst bewegt. Kann aber diese schine, diese Uhr, ihres gleichen hervorbri«

Als ich mit Nein antwortete, sagte D. Münter: Sie sehen also hieraus, daß lebendige Geschöpfe keine Maschinen sind; und wie viel edler muß nun der Mensch seyn, der ein lebendiges und vernünftiges Geschöpf zugleich ist. Hierauf überzeugte mich D. Münter mit noch weit wichtigem Gründen von der irrigen Meynung, die ich bisher von dem Daseyn und der Bestimmung des Menschen gehabt hatte. Wenn D. Münter kam, so gieng allemal der wachthabende Officier hinaus, und ließ mich mit'ihm allein. In einem der letzten Verhöre, wurde ich mit dem Obersten Zalkcnskiold confronkirt. Ich erhielt einen Brief von meinem Vater, den ich Anfangs für Schmerzen und Rührung nicht zu Ende lesen können, nach einiger Fassung aber mit vieler Empfindung laß, welches ich sehr oft, besonders des Nachts that, wenn ich erwachte. Doch schien er mir mehr zur Rechtfertigung meines Vaters, als zu meiner Aufrichtung geschrieben zu seyn. Der Professor Berger, und mein Bruder der Iustitzrath Struensee wurden nun, wie es hieß, das letztemal verhört, und man sagte, daß sie nach diesem Verhöre nicht mehr so heiter und aufgeräumt, als zuvor gewesen. Der Graf Brand brachte jetzt den größten Theil seiner Zeit mit Lesung geistlicher Bücher zu, und war also nicht mehr so übertrieben lustig , wie in den ersten Wochen seiner Gefangenschaft. Es wurden uns nunmehr Advo,

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raten zugelassen, damit wir uns mit ihnen, von dem, was zu unserm Vortheil diente, besprechen, und unsere Defension führen könnten, wozu uns ober nicht mehr als 14 Tage Zeit gegeben wurde. Den zweyten April kam der fürchterliche Mann, der General-Reichssistal Oivet zu mir, und forderte mich heraus, in 8 Tagen vor der Inguisitions-Commission zu erscheinen, welcher Auftritt mich sehr rührte. Den roten darauf brauchten die Advocaten ihre Beredsamkeit gegen den anklagenden Fiscal. Das Endurtheil war also seht sehr nahe. Ob ich gleich nicht anders als den Tod erwartete, und beynahe wünschte, so hosten doch noch viele für mich. Sie glaubten, daß ich, so wie Graf Brand, mit der Todesangst auf dem Cbafot, und mit einem ewigen Gefangniß zu Munkholm wegkommen würde. Allein sie haben sich in ihrer Meynung betrogen. Ungeachtet der Nahe unsers entscheidenden Augenblicks, erhielten wir uns doch nochimmer in unserm Charakter. Ich war der Mann von Geschmack, der denkt, und Graf Brand war der Mann von Welt, der lacht. Ich beschäftigte mich, mein Glaubensbekanntniß aufzusetzen, und mein Bruder schrieb die ihm vergönnte Vertheidigungauf 6Bogen zusammen. Ulefeld.

Vermuthlich habt ihr euch wegen eurer schweren Verbrechen keine Hofnung zur Schenkung des lebens machen können. Ueberdieß wußtet ihr, daß ihr Personen zu Richtern hattet, die ohne dieß seit langer Zeit nicht Ursache hatten, mit euch zufrieden zu fe

Struensee.

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Strnensee.

Das von der Inquisitions - Commission über mich und Branden gefällte Todeöurtheil wurde den 25. April vor bemeldter Commission publicirt. Es wurde dasselbe nachher von dem Könige confirmirt, und lautete folgendergestalt: Daß wir beyde zu Folge des Dänischen Gesetzes, 6. Buch 4. Kap. i. Artikel Ehre, Leben und Gut verbrochen hätten, unserer Gräflichen und aller andern Würden verlustig seyn, unsere Gräflichen Wappen durch den Scharfrichter zerbrechen sehen, die rechte Hand, und hernach den Kopf durch das Beil verliehren, geviertheilt, die Stücken aufs Rad gelegt, Kopf und Hand aber aus Pfähle gefleckt werden sollten. Bey Publication des Urtheils wurden einige vom Volke herauf gerufen, um dasselbe anzuhören. Alle unsere Verbrechen wurden im Eingänge des Urtheils hergerechnet, und unter andern, daß ich beynahe sechs Tonnen Goldes aus der königl. Casse entwendet, eine ansehnliche Assignation verfälscht, viele Cabinets -Ordres ohne des Königs Wissen und Willen ausgefertigr, die königl. Garden abgeschaft, verschiedene verfängliche Anstalten bewerkstelliget, einen unerlaubten Umgang gepflogen, Briefe, die an den König geschrieben worden, zurückgehalten hätte, u. s. f. Ferner, daß Brand um alle meine Verbrechen, und um meinen unerlaubten Umgang gewußt, Hand an des Königs Person gelegt habe, u. sw. Brand bat noch im Gefängnisse den König um sein Leben, allein vergeblich. Ich las noch am Ende meines Arrestes bey einem Skümpfgen Licht den Jerusalem, und suchte

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aus selbigem Trost zu schöpfen, da ich doch vorher weder bey dem hellsten Sonnenschein, noch bey etlichen loo. Wachslichtern, die meine Zimmer erleuchteten, Gott nicht erkennen wollen, sondern den Menschen nur für eine Maschine angesehen.

Das Holz zu dem BVlutgerüste war bereits zugehauen, und den 27.April wurde selbiges äufdem Stadtselde aussen vor dem Osterthore unter den gewöhnlichen Ceremonien, und unter dem Schalle musikalischer Instrumente aufgerichtet, Es war dazu eine freye und geräumige Ebene ausgesucht worden, damit die unzähliche Menge Zuschauer alles ohne einige Hinderniß und recht genau sehen könnte. Es hatte dasselbe im Vierecke 8 Ellen, in der Höhe aber 9 Ellen , so daß alles, was darauf vorgenommen wurde, deutlich und auch in der Ferne wahrgenommen werden konnte. Es ruhete übrigens auf vier Pfeilern, welche mit Bretern bekleidet, und mit einer Treppe von 15 Stufen versehen worden. Oben über dieser Treppe war eine Fallthüre angebracht, durch welche man hinauf steigen mußte, und die alsdenn wieder niedergelassen werden konnte. Es wurde den ^sten erst bekannt gemacht, daß die Execution den 28sten geschehen sollte. Nachdem wir beyde nun an gedachten Morgen von den Predigern, die uns im Arrest zum Tode bereitet hatten, waren besucht worden, und das heil. Abendmahl empfangen halten, so kam der königliche Vogt EtatSrath Vrtved um 8 Uhr nach der Citadelle Friedrichshafen, um uns aus dem Arrest nach dem Richtplatz hinzuführen. Wir wurden jeder besonders, in einem Miethwagen mit den

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wachthabenden Officiers nach der Richtstätte gebracht. Eine Escorte von Dragonern mit entblößten Pallaschen , und von Infanterie mit aufgepfianzten Bajonetten umgab den Wagen. Mittlerweile hatten den Kreis, der schon früh um 6 Uhr um das Chafot war abgesteckt worden, 420 Mann von den in Koppenhagen in Garnison liegenden Regimentern bereits geschlossen, und ein Detachement Dragoner war aussen herumgestellt. Die Divisionen des Seevolks marschirten Compagnienweise mit ihrem Gewehre hinaus, doch ohne einen Kreis zu formiren. In der Stadt waren indessen dis Wachen gleichfalls beträchtlich vermehrt, und die Hauptwache mit 100 Mann verstärkt worden. Alles war übrigens in der Stadt stille, und auch bey dem Gerichtsplatze ist alles ohne die geringste Unordnung abgelaufen, ungeachtet sich die Menge der Zuschauer auf 30000 Personen belief. Alles wurde von dem Commendanten von Koppenhagen, General-Lieutenant von EiHskadt, der bereits um halb 8 Uhr auf dem Richtplatze war, in eigner Person . angeordnet. Nach 8 Uhr setzten sich die beyden Geistlichen, Doctor Münter: und Probst Hee, jeder in seinen Wagen, fuhren an die Gerichtöstatte, und stiegen bey dem Chafot aus. Die Scharfrichter von der Stadt und von dem See-Etat waren auch bereits beyde angekommen, und ordinirten alles oben auf dem Chafot. Der erste sollte die Exccution verrichten, wie auch geschähe, und der letzte sollte assistiren. Ehe die Prediger und Scharfrichter kamen, und so lange biö der Kreitz formirt wurde,

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konnte Jedermann, wer Lust dazu Hatte, auf das Blutgerüste steigen, und alles daselbst besehen. Um halb 9 Uhr wurden wir beyde, ich und Brand aus dem Castel abgeholet, und es kamen gegen 9 Uhr unter obangeführter Bedeckung drey Wagen bey dem Chavot an. In dem ersten saß der General: Fiscal Viver , und des Königs Vogt, der Etatsrath Ortved. Rücklings bey ihnendesselben Gevollmächtigter, der unsere beyden Schilder bey sich hatte, worauf unsere Wappen gemahlt waren, die zerbrochen werden sollten. In dem zweyten Wagen saß Graf Brand, der in einem Buche las, neben ihm ein Officier, und rücklings zween UnterofficierS. In dem dritten Wagen befand ich mich in gleicher Begleitung. Die Seitenfenster unserer beyden Wagen waren gänzlich niedergelassen, so daß wir von Jedermann gesehen wetden konnten. Wie die Wagen bey dem Chafot ankamen, stieg der General-Fiscal und des Königs Vogt, nebst dem Gevollmächtigten heraus, und begaben sich über die Treppe auf das Chafot. Nach ihnen kam der Graf Brand, der von dem Probst Hee hinauf begleitet wurde. So bald sie die Treppe hinauf gestiegen waren, traten sie auf die oben befindliche Erhöhung. Brand trug ein grün Kleid mit Golde, das eine Wildschur bedeckte, und hatte Stiefeln an. Der Prediger hielte eine Ermah.nungs- und Trostrede an den Grafen, die er mit einer ernsthaften und unerschrockenen, aber doch nicht . frechen Miene anhörte, und wahrend welcher er seinen Hut mit einer goldenen Tresse auf dem Kopfe

behielt..

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behielt. Hierauf wurde ihm von der Iustitz das Stück des Urtheils, worinnen seine Verbrechen her gerechnet worden, verlesen. Er zuckte bey Anhörung desselben einigemal die Schultern, und sähe gen Himmel mit einer Miene, die seine innerliche Reue zu erkennen gab. Wie der Schluß des Urtheils vorgelesen werden sollte, wurde commandirk, das Gewehr zu präsentiren, und alle auf dem Ehafot befindliche Personen nahmen ihre Hüte ab, welches der Graf gleichfalls that. Er setzte aber nachher seinen Hut, so wie die andern wieder auf, wandte sich an die Umstehenden, bat alle diejenigen, denen er etwas zu Leide gethan, um Vergebung, und wünschte, daß die Kraft des Blutes Christi dem Könige, dem königlichen Hause, und dem ganzen Lande zum Segen gereichen möchte. Diese letzten Worte faßte Probst He« auf, und wiederholte sie Laut gegen die Zuschauer.

Endlich segnete der Probst Hee ihn ein, und überantworte ihn dem Scharfrichter. Dieser nahm das Gräfliche Wappen, welches auf einer Tafel von Holz gemahlt war, und fragte den Graf Brand: Fk das euer Wappen? Alödenn zeigte er es allen Zuschauern umher, zerbrach es vor Brands Augen, und warf es zur Erden nieder mit den Worten: Das geschieht nicht ohne Ursache, sondern nach Verdienst. Hernach warf Brand seinen Belz ab, gab seinen Hut von sich, that seine Halsbinde ab, und zog sich gleichfalls Rock und Weste selbst aus, nachdem er vorher eilig in alle Taschen gegriffen hatte, welches er ohne Zweifel aus Gewohnheit

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that. Er fieng auch selbst an, den rechten Arm, wovon die Hand abgehauen werden sollte, zu entblösen, aber nun trat der Scharfrichter hinzu, half ihm den ganzen Arm, nebst dem Halse bloß machen. Er kniete selbst nieder, und legte seinen Kopf auf den einen, und die rechte Hand auf den andern Block. Probst Hee wich mittlerweile nicht von ihm, sondern redete ihm mit Aufmunterung und Trost immer zu. Die Exemtion war in einem Augenblicke geendigt , und als die Hand abgehauen war, rührte er sich nicht mehr. Er starb nicht als ein Heuchler, aber auch nicht mit Frechheit. ne deß gieng der Probst Hee und die Herren Vivet Und Ortved vom Chafot. Alsdenn trat der Schinderknecht hinzu, entkleidete den Körper, schnitt zuförderst die Schaam ab, und warf sie in ein zu dem Ende hinaufgebrachtes Gefäß. Hernach schnitt er den Leib auf, nahm das Eingeweide heraus, und warf es gleichfalls in die Bütte. Er theilte den Leib mit einem Beil in vier Stücke. Jedes Stück wurde besonders an einem Stricke in einen unten stehenden Wagen niedergelassen, und das Gefäß mit dem Eingeweide wurde gleichfalls dahin eingefeht. Zuletzt wurde der Kopf in die Höhe gehoben, den Zuschauern gezeigt, und zugleich mit der Hand hinunter in den Wagen geworfen. Nun wurde das Blut mit frischen Sande bedeckt, und so bald man damit fertig war, kam ich, vom Pastor Münter begleitet, aufs Chafot. Er war mir entgegen gegangen, und so bald er sich dem Wagen genähert, stiegen der Oberofficier und die zween Unter-

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terofficiers aus, und er setzte sich hinein. Man hatte aber den Wagen so gedrehet, daß ich die Hinrichtung Brands mit ansehen können. Ich sähe sehr ernsthaft und andächtig aus, und man konnte meis ne bittere Reue in meinem Angesichte lesen. Der 'Prediger redete sehr devot und stille mit mir, in großer Kürze. Ich trug ein blaues Kleid von geschnittnen Sammet mit meisten Knöpfen, und hatte eine Wildschur um. So bald ich aufs Chasok kam, nahm ich meinen Hut ab, ohne ihn wieder auszusetzen. Das Urtheil wurde mir eben so wie Branden vorgelesen. Der Prediger sprach nachher noch etwas zu meinem Troste und zu meiner Aufmunterung gegen die Schrecken des Todes, und ich bezeigte mich so ruhig, als man sichs nur vorstellen kann. Mein Gräfliches Wappen wurde mit eben derselben Ceremonie vor meinem Gesichte vom Scharfrichter zerbrochen, und zur Erde geworfen, wie vorher bey Branden geschehen war. Als D. Münter mich dem Scharfrichter überlieferte, warf ich meinen Hut, und meinen Pelz von mir, zog mir auch mein Kleid selbst aus. Ich wollte dem Scharfrichter ein weisses Schnupftuch geben, mir die Augen zu verbinden; da dieser aber sagte, es sey nicht nöthig, gab ich mich zufrieden. Der Scharftichwr half mir hierauf das Hemde auöziehen. Das übrige der Exemtion gieng völlig eben so zu, als wie bey Branden. Ich kniete ebenfalls selbst nieder, und nachdem ich vom Scharfrichter zu rechte gelegt, und die rechte Hand abgehauen worden, erhob ich mich ein wenig von, Fr Block

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Block in die Höhe, aber in demselben Augenblicke war der Kopf von meinem Körper getrennet. D. tNünter redete unterdessen unaufhörlich fort. Die abgeschnittene Schaam von meinem Körper, und das herausgenommene Eingeweide wurde in ein anderes Gefäß geworfen, und der gevierkheilte Körper in einen andern Wagen herunter gelassen. Hierauf wurden die beyden zerstümmelten Körper nach dem Galgenberge vor dem Westerthore gebracht, und daselbst auf 8 neu dazu errichtete Räder gelegt, die Köpfe aber auf zween Pfähle gesteckt, und die Hände daran genagelt. Die Gefäße mit den Eingeweiden wurden eingegraben. Das Chafot sollte, wie es hieß, noch 4. Wochen stehen bleiben. Dieß war das tragische Ende von uns, als zweener großen Staatsmänner, vor deren Zorn sonst ganz Dännemark zitterte. Es wurde nachher noch immer mit genauer Untersuchung und Endeckung unserer Anhänger eifrigst fortgefahren, und in das Gefangniß, worinnen wir beyde gesessen, nachdem wir aus selbigem vor die Gerichtsstätte geführt waren, wurden sogleich wieder zween andere von unfern Mitschuldigen gebracht, die in nicht geringem Verdachte sind, und sollten sie davon überführet werden können, so erwarte auch diese, und vielleicht noch mehrere von unfern bisher» heimlichen Anhängern ein gerechtes und strenges Urtheil.

Ulefeld.

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(Auf abscheuliche Thaten folgen strenge Urtheile, und dasjenige, das ihr beyde erlitten habt, Faun nicht schrecklicher und schmahliger seyn.

Gtruensre.

Vielleicht, wenn ein glücklicher Ausgang um fern Anschlag bekrönet hätte, würde man uns mit Cromwel», jenem beglückten Königsmörder, verglichen haben, da diessaber nicht seyn sollte, so erlitten' wir von den Händen des Scharfrichters die schimpfliche Belohnung unserer Thaten.

Ulefeld.

Ich möchte doch gerne einen genauen Begrif von den Gesinnungen haben, die die Dänen in Ansehung eurer hegten.

Struensee.

Dieß kann nicht besser geschehen, als wenn ich euch folgenden Auszug eines Schreibens von einem Danen mitteile. Es heißt darinn unter andern: -—»DerKönig von Dännemark liebt sein Volk, „und hat allezeit das Glück seiner Staaten zum „Augenmerke gehabt. Um das Vertrauen dieses „Fürsten zu erhalten, kam Struensee mit einigen «Vorschlägen, von welchen er wußte, daß sie dem „Könige angenehm waren. Durch eine besondere „Unterstützung stieg er immer höher. Als er sich «endlich vollkommen fest glaubte, erstreckte er seine „kühne Aussichten so weit, daß er an der obersten „Gewalt einen Antheil haben mollte. Er ließ sich

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„oder ansüben kann, ohne sichres Verbrechens der „beleidigten Mascstäe schuldig zu machen. Die „alte Landesverfassung wurde umgeworfen, und die „unmäßige Macht, welche er sich zuwandie, wurde „so gewaltsam und willkührlich. daß man sich von „Koppenbagen nach Constankinopel versetzt glaub« „ke.— Man wird in kurzem sehen, daß er ausser „einer Menge anderer Vergehungen die Königliche „Casse vervortheilt. Es bedarf keiner gerichtlichen „Untersuchung, um zu wissen, daß er und seine „Mitschuldigen alle dem Könige und dessen Hause „gebührende Ehrerbietung bey Seite gesetzt. Dreß „zu merken, brauchte man nur die Augen zu dfnen. „Eben so ausgemacht ist es, daß sie die Ruchlosig« „keit und das Verderben der Sitten aufmunterten, „daß sie die Religion lächerlich machten, und nicht „einmal die mindeste äußerliche Anständigkeit be„obachten, und daß ihre Staats-Unternehmungen „alle Stände in die ängstlichste Ungewißheit versetz« „ten, und alle Nahrungswege schwer machten. „Die Unanständigkeiten, welche man sähe, dienten „so gar den Fremden zum Aergerniß, und das, was „das Gerücht ausbreite, war abscheulich, und sehr „beleidigend für die Nation. Ich bitte Sie, mein „Hert, den Dänen das Recht wiederfahren zu lass zen, zu glauben, daß sie ihren König und sein Erb, „Halis inniglich lieben, daß sie ihr Vaterland werth „halten, und daß sie nicht geschickt sind, niedrige „Sckavcn eines despotischen Ministers, und seiner „verächtlichen Creacuren zu fem. — Ich habe „die Ehre, Sie zu versichern, daß der Eifer die-

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„ses Volks für den König und sein Haus in Zeit „von einigen Monaten so augenscheinlich wuchs, „daß kluge Leute eine Revolution so gewiß vorher „sahen, als eifrig sie dieselbe wünschten. Nur „befürchtete man, daß sie dem Staate einen ködk« „liehen Stoß bringen dürfte. Der Minister „und seine Parthey machten um diese Zeit gewisse „Einrichtungen, die eine abscheuliche Verrätherey „verkündigten. Der gefährlichste Augenblick war „vorhanden, und glauben Sie mir, mein Hert, „man muß zu der Zeit in Koppenhagen gewesen seyn, um sich einen rechten Begrisk davon zu „machen.,, —

Ulefeld.

So konnte cs denn freylich nicht anders seyn, die Dänen mußten euch mit Abscheu ansehen, und ihr werdet in ihren Augen ewig ein Greuel styn. Mein lieber Struensee, jetzt möchte ich gerne von dem Anfänge eurer Bekehrung unterrichtet seyn, der gewiß sehr merkwürdig seyn muß.

Struensee.

Hier kommt eben der Secretair aus der Oberwelt, der uns die Nachrichten von daher mitbringt. Er mag die erste geistliche Unterredung, die ich mit D. Muntern hielt, und die in Druck gekommen ist, vorlesen, wenn es euch gefällt.

Ulefeld.

Sehr gerne; er kann immer anfangen.

Secretair. (Er ließt folgendergestalt.)

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Doctor Munters erste geistliche Unterredung mit dem inhaftirten Staats-'Verbrecher, dem unglücklichen Grafen von Struensee.

Münter. Ihre Miene, Hert Graf, läßt mich vermuthen, daß mein Besuch Ihnen nicht so angenem ist, wie ich wünsche; Sie werden —

Graf. Mein« Miene, Hert Pastor, kann bey meiner Verfassung nicht sonderlich freundlich seyn. Inzwischen versichere ich Ihnen, daß Ihre Gegenwart mir nicht zuwider ist; und wenn sie es auch wäre, so würde ich Sie doch entschuldigen, weil ich vermukhe, daß Sie auf höhere Zu. nöthiaung hier sind.

Münter. Wie sehr wünschte ich, Hert Graf, Sie ließen sich meinen Besuch eben so wohl gefallen« wenn lediglich Amt und Pflicht die Ursache davon wäre.

Graf. Auch hier, Hert Pastor, könnte ich Ihren frommen Eifer wenigstens mit Billigkeit Nicht tadeln.

Munter. Ich hoske also auch, Sie werde» so billig seyn, Hert Graf, und glauben, daß ich nicht hieher gekommen bin, Sie zu beleidigen. In diesem Zutrauen unterstehe ich mich weiter zu sagen, wie ich fest glaube, daß ihre bisherige Hand, lungen, Hert Graf, nicht immer die Billigkeit zum Augenmerk gehabt.

Graf. Sie zeigen bey ihrem Vorwurf eine Verlegenheit, woraus erhellet, als wenn Sie in

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mir einen am Hofe durch Schmeichekey verderbten Menschen vermutheten. Ich will mich nicht frey davon sprechen, ick habe mich in dieser angenehmen Trunkenheit befunden; der Dunst ist aber setzt verflogen, und ich sehe mich nunmehr an,wie eine betrogne Schönheit. Dieß führet mich wieder zu dem vorerwähnten Fall von der Billigkeit. Deucht Ihnen nicht, Hert Pastor, daß die Bedeutungen dieses Worts, so wie aller andern sogenannten Tugenden, nach ihren Umstanden Ein» schränkung und Ausdehnung leiden?

Münter. Glauben Sie denn wohl, daß man die Gränzen der Billigkeit, und aller wirklichen Tugenden, durch die Vernunft geleitet, daß man, sage ich, die zu weit ausdehnen kann?

Graf. Ein jeder sucht seine Erhaltung, seinen Nutzen, sein Vergnügen und seine Ehre; dieß kann nicht wohl ohne auf Kosten anderer gesche, hen. Die Gottheit hat es so geordnet, und es kann ohne Zweifel nicht anders seyn, sonst würde es anders seyn.

Münter. Ich habe bisher Bedenken getragen , diesen erstaunenden, diesen tröstenden Namen zu nennen; Sie führen mich selbst dahin. Sie glauben also eine Gottheit, einen Urheber der Dinge, einen Gott?

, Graf. Freylich bin ich genöthiger, sie nur zu glauben, weil ich sie weder sehen, noch begreifen kann.

Munter. Sie glauben also auch, daß diest Gottheit, dieser Gott ein vernünftiges Wesen ist ?

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Graf. Ohne Zweifel. Vernünftig wegen der Ordnung, welche man in der Natur findet. Unterstehen Sie sich aber, Hert Pastor, mit de? eingeschränkten kleinen menschlichen Vernunft jene urheberische Vernunft auszumesien.

Münter. Nicht auszumesien, sondern nur zu muthmaßen und zu glauben. Sie gestehen selbst, daß die Ordnung von einer Vernunft des Stifters dieser Ordnung zeuget, so finden Sie auch, daß die Einsicht und der Begrisk von dieser Ordnung, wenigstens von einem Theile dieser Vernunft zeuget, obgleich eingeschränkt. Da nun diese eingeschränkte Vernunft gleichwohl das Vermögen hat, Ordnung und Unordnung wahrzunehmen, ja eigentlicher zu reden, da es ihr Wesen selbst, und das Gesetz ist, wornach sie ist, kann man sich denn noch wohl selbst verlaugnen, und diese Begriffe von einander trennen? — Ordnung, Gut, Tugend, und entgegen gesetzt, nicht gut, Laster. Hat also ein mit Vernunft —

Graf. Hert Pastor, Sie mischen die Begriffe in einander. Was ist ein Irrlicht gegen die Sonne? Was ist eine Spanne weit Helle in einem unendlichen Nebel? Wie wenn unsere ganze Vernunft bloß der Theil einer natürlichen Organisation wäre? Ich habe in diesen Tagen meines Arrests Muße genug gehabt, nachzudenken, und je mehr ich die Menschen und ihre Bestimmung ohne Vorurtheile betrachte, je mehr

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werde ich überzeugt, daß alles, was lebet, in der Natur nichts wie Futter eines für das andere ist.

Münter. Ich spüre, Hert Graf, Ihre Gemüthsunruhe macht sie für heute zu nachdcnkenden hohem Begriffen tingeschickt, ich will mich also bis zu einer günstigem Zeit empfehlen, und ihn en die Obhut und Gnade desjenigen Urhebers der Dinge, der Gottheit, die Sie selbst erkennen, wünschen. Nur diese Frage habe ich noch an Sie zu thun. Wenn Jemand sich in Ihr Haus eingeschlichen, Sie beraubt, ihnen etwas entwendet, woraus sie den Werth, Jhres Vergnügens gesetzt, und Ihnen überdieß noch ihr Gesinde abwendig und zum Verrather gemacht hatte, würden Sie diesen Mann nach ihrem Systeme tadeln können?

Graf. Warum wollen Sie schon gehen, Hert Pastor, bleiben Sie noch, ich bin nicht ausgebracht. Sie sagen selbst, ich spüre es auch, daß ich heute zu geistlichen Begriffen nicht aufgelegt bin. Die Maschine ist voll politischer Ideen, wenn die ausgeleeret sind, vielleicht giebt es als? denn Platz zu andern. Ich versichere Ihnen dabey, daß ich den Werth ihrer sowohl ursprünglichen, als politischen und bürgerlichen Tugenden ungekrankt lassen will. Ich frage Sie also, glauben Sie wohl, Hert Pastor, daß ein Mensch mit dem Vorsatze, bloß tim es zu styn, ein Böstwicht wird?

Münter.

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Munter. Nach ihren Principiis, ja. Gott und der Vernunft zur Ehre aber glaube ich freylich nein. Aber was für eine Verbindlichkeit giebt einem der Beruf dazu, ein Bösewicht zu werden?

Graf. Man wird es, ohne es zu wollen, man ist es schon, ohne daß man es weiß. Ich versichere Ihnen, Confucius und Solon haben keine unsträflichere Ambition haben können, als ich inder ersten Zeit, da ich die Möglichkeit sähe, daß meine Rathschlage auf die Verfassung dieses Staats geltend werden könnten. Vielleicht hatte ich nicht ihre Fähigkeit, vielleicht auch war ihre Zeit füglicher; hier, in diesem Winkel, zu spat, habe ich von dieser Materie folgende Gedanken gehabt. Der Zerstöhrer des grossen Roms wandte die Vorsicht an, den Witz als den Zerstöhrer des noch grossem freyen Roms auszurotten. Er hat sich über tausend Jahre hier und da in den Winkeln erhalten, bis Ludwig XIV. und seine Zeit ihn allgemein in Europa mit dem. Character - Geschmacke wieder haben geltend zu machen gewußt. Nach diesem Geschmacks wissen wir, daß Cartouche und Conds gleich grosse Leute sind, und daß es das Zeichen eines grossen Geistes ist, nichts von einer guten Haushaltung zu wissen, und was Ehrlichkeit, Einfalt, Rechtschaffenheit, Eigensinn bedeutet. In diesem Geschmacke geben wir Unterricht, mit diesem Geschmacks treten wir im ersten männlichen Feuer die Aemter an, wori nn wir dem Könige und dem Staate nutzbar werden sollen, ja wir ziehen diejenigen

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auf einmal zu wichtigen Posten nach dem Maaße hervor, wie ihre Eitelkeit und Unverschämtheit uns einen Begrisk von dem Gefühle ihrer eignen Größe giebt.

Münter. Ein Mann aber wie Sie, Hert Graf! der die Historie und gegenwärtige Menschen kennet, sollte sich von dem Geschmacke eines verwöhnten Zeitalters nicht hinreissen lassen.

Graf. Daß weiß ich aus Erfahrung, Here Pastor, darzu gehöret ein Eigensinn, der wohl einen Königgroßmachen und verewigen kann, ein Minister aber sindet seinen gewissen Fall dabey, und darzu mit Verachtung und Spott. Ich will nur ein Exempel anführen; nehmen Sie einen Staat, welcher nach den Bedürfnissen des Geschmackes anderthalb ausländische Producte nöthig hat, und dagegen nur an Ausländer von seinen eignen Producten die Proportion von Eins wieder creditiren kann, ist der Banquerot da nicht unvermeidlich? Was wäre wohl dabey zu thun, Hert Pastor, es ist nur eine kluge Antwort darauf, und die erwarte ich von Ihnen?

Münter. Dieß wäre dabey zu thun, daß man den Geschmack herunter zu setzen, und den einfachen Sitten wieder aufzuhelfen suchte, und dieß nicht etwan durch Verordnungen, sondern durch Beyspiele, und daß man die wahren Tugenden wieder hervorsuchte, und Beförderungen darauf setzte,

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wer in Kleidungs - und Nahrungsmitteln sich mit den innlandi schen Producten begnügen ließe.

Graf. Es ist Ihr Glück, Hert Pastor, daß Siediese schreckliche Neuerung nicht durch Verordnungen wollen geltend machen, sonst würde ich Ihnen, um Sie gleich davon abzuschrecken, nur das Corps Grenadier in langen Röcken entgegen stellen. Womit wollen Sie aber die Lorbeerbereiter, ohne welche der Minister die elendeste Creatur styn würde, bey Laune erhalten, vermuthlich würden Sie doch mit ihnen patriotisch Pönitenz thun müssen, würden Sie aber auch die Verachtung ausstehen können, die ihnen auf jeden Schritt folgen würde, bis sie endlich als ein Pedant davon schleichen müsten.

Münter. Ich würde gutwillig, wie der Apostel davon gehen, und den Staub von den Füssen schütteln.

Graf. Vielleicht es auch machen, wie jener Hund in der Fabel, dem das Fleisch anvertrauet war?

Munter. Sie halten nicht Ihr Wort, Hert Graf, welches Sie mir gegeben haben, indem Sie mich zum Bleiben nöthigten.

Graf. Ich glaube ja, ich habe versprochen, nicht über die Tugend zu spotten, und dieser Spott trist mich selbst, meine Ministerschaft, und den

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Geschmack unserer Zeit, der mich hieher gebracht hat ; glauben Sie wohl, Hert Pastor, wenn die Gottheit ein Miösallen an dem Geschmacks unserer Zeit hatte, und die Menschen durch unmittelbare Wege zerstören wollte, so würde sie sich, wie ehemals in Rom und Athen, der großen Geister dazu bedienen, und ich hatte alsdenn wenigstens den Trost, daß ich so viel als möglich, zu den Absichten Gottes das Meinige beygetragen hatte. Dieß bleibt einmal gewiß, Hert Pastor, der Staat in Europa, der am ersten in sich zerfallen wird, wird dadurch zugleich den Preis erhalten, daß er unter allen der aufgeklärteste gewesen. Ich sehe, Sie wollen fort, dieß wollte ich noch in der Eil anbringen. »

Münter. Ich habe Ihnen mit Verwunderung zugehört, ich werde darüber zu Hause meine Gedanken entwickeln, und sie Ihnen morgen, will es Gott, mittheilen; ehe ich aber gehe, habe ich noch die Frage zu thun, wie viel braucht denn ein grosser Geist wohl zu seinem täglichen Unterhalte?

Graf. Hert Pastor, Ihr Habit. —

Munter. Soll ich etwa bey den Traurigen lachen, und bey den Scherzenden weinen, im Ernst? Er ist immer wirksam, bald zum Bauens bald zum Niederreissen —- —- u. si 10,

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Graf. Kommen Sie morgen wieder?

Münter. Wills Gott! ja.

Ulefeld.

Dieses Gespräch ist merkwürdig, und dienet nicht wenig zur Erläuterung eines Characters. Ich gehe jetzt, und überlasse euch beyde einer nagenden Reue. Spiegelt euch,' ihr Günstlinge der Fürsten, ihr ungerechten Minister, ihr Ehrgeizigen an dem erschrecklichen Falle der beyden Grafen Struensee und Brand, und lasset euch ihre zerstückte Leichname, auf Rader gelegt, zu einem schreckenden Beyspiele dienen!