Antwort von Struensee in seiner Gefangenschaft auf seines Vaters Brief. Ins Deutsche übersetzt.

Antwort von Struensee in seiner Gefangenschaft auf seines Vaters Brief. Ins Deutsche übersetzt.

Zu bekommen bey dem Buchbinder Gutacker, wohnhaft im Präsidenten-Gang, in Altona.

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Ebraeramz. V. 7.8.

Darum wie der heilige Geist spricht: Heute, so ihr hören werdet seine Stimme, so verstecket eure Herzen nicht, als geschah in der Verbitterung, am Tage der Versuchung in der Wüsten.

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Sch habe Dero letztes Schreiben an mich in meinem Gefangniß richtig erhalten, welches ich auf die nur erdenklichste Art und Weise, Liebe und Ehre, nicht allein aus dem. Grunde der natürlichen Liebe und Ehrfurcht, welche ich, als Sohn, gegen meinen Vater habe, sondern weil es angefüllet ist mit den allerreinsten und getreuesten Beweisen, daß Sie innerlich bekümmert und sorgsam für meine eckige Wohlfahrt seyn , indem meine zeitliche Glückseligkeit, Ihrer Wünsche Gegenstand, und keines Menschen Vermuthung mehr seyn kan. Sie haben recht Vater! wenn Sie behaupten und versichern, daß ich der allergottloseste Mensch auf Erden, ja die Gottlosigkeit selbsten wäre. In meiner Zugend fing ich schon an ein Religions-Spötter zu styn, und ich bekannte mich zu den stärksten Geistern der Religion. Ich fing zuerst an meinen Spott mit den Erlöser zu treiben, und rein Jude fönte abscheulicher von Jesus und Meßias reden , als ich. O! wollte doch die Welt durch mich und durch mehrere Exempel lernen, daß die rechte Quelle zur zeitlichen und ewigen Unglücksellgkeit sey daß man Gott und sein Wort nicht achte, und daß dieses der Schritt zu dem Anfänge des menschlichen Elendes {WS

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Da ich jederzeit die liebreichen Nutzungen des göttlichen Worts ausgewichen bin, welche doch zu unserer eigenen Glückseligkeit abzielen, so hielte ich mich nicht lange bey der sogenannten natürlichen Re.' ligion auf; und nun Lehrere mir ein Deist die Unsterblichkeit der Seele und die göttliche Vorsehung zu laugnen, und stellte mir Gott als ein Wesen für, der ohne Absichten handle, und der nicht die geringste Aufmerksamkeit auf meine böse Handelungen hatte, sondern daß ich wegen des allerhöchsten Wesens frey und sicher reden konnte:

„Gott bekümmert sich wenig darum, welches 2, Leben ich führe; sein Auge sicher mich nicht, e, fein Ohr höret mich nicht, ich kan leben wie ¿e ich will, und nach dem Tode ist keine Auser„ stehung. (4

Ich bekam mehrere, theils feinere theils gröbere gottlose Lehrmeister. Ein la Metrie bildete mir ein, daß wir Menschen keinen freyen Willen hätten, und wären eben so gezwungen zu böse Handlungen, als ein Uhrwerk in seinen Lauf; daß kein Gott wäre, und wenn etwa einer wäre, daß er weder strafen noch belohnen könnte, weil wir bloße Maschinen und gezwungen wären, unfern Lauf, wie die Sonne, zu nehmen. Epicur und Spinoza haben mir vergewisi sert daß kein Gott wäre» Ich wünschete selbst, daß kein Gott wäre, und deshalb trauere ich dessen Lehre unvermerkt. Da ich nun auf diese Weise alle Reli gion verkennete, welches der Grund zum Spott und Hohn gegen meine Eltern war; was ist es denn für Wunder, da ich meinen himmlischen Vater verachrer, wenn ich Sie verachtet habe; was ist es denn für Wunder, da ich meinen himmlischen König habe verlaugnen und abschwe-ven können, daß ich meinen Erden König, meinen Souverain, den Siebenden Christian aus einem gesegneten Stamme, wie derselbe mir bey meiner zu keiner Zeit und in keinem

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Reiche und Lande erhörten Verpatherey, Millionen ivOOmal wehr gutes bewiesen, als ich mir habe vor: stellen können, auch noch jetzo in meinem.Arreste, bey meinem harten Verbrechen, alle Milde, in,Am sehung meiner Bequemlichkeiten, zustehet, auch habe verkennen und abschwören können.

Da ich also ohne alle Religion lebte, so war ich nur bemühet meine zwo Haupt Leidenschaften zu sättigen; als Ehrsucht und unnichtiges wollüstiges Leben, und ich war in den mehresten Stücken den Julius Casar gleich. Meine Ehrsucht war, wie die seinige, ohne Gränzen, daß kviner von uns einen höheren erkannte. Meine unzüchtige Wollust ging eben so weit, wie die seinige, so daß man um mich eben bas: jenige sagen fonte, was man zu Rom wegen Julius Casar sagte:

„Er diente allen Männern zur Frau,

„ Und war aller Frauen Mann. "

Ich bin, theils aus natürlichem Triebe, und (Heils wegen neben Absichten, im Essen und Trinken enthaltsam gewesen, gleich wie die Römer, und gleich wie Cicero um dieselben sagte, daß er der einzigste wäre, der Rom zum Gräuel umzuwenden gesucht, und so hat man wegen mir auch sagen könn: , daß ich der allerverabscheuungswürdigste LandeHoerrather gewesen. Casar liebte den Pracht, ich hatte dieselbe Neigung; er gestehet selber, daß er alle nur erdenkliche Ungerechtigkeiten beginge, um zu der größten Regierung zu gelangen, ich (hat ein gleiches. Casar lobte ausserordentliche große Natur-Gaben, und dis Wahrheit zu sagen, so glaubte ich von mir selber, daß ich auch mit dergleichen Natur-Gaben beglücket war , so, daß ich mich zu ein auserlesenes und nur zu polish Subject für den Staat und dem Wiche bilden wollte.

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war ein großer General, und wer wüßte, geworden wäre, im Fall ich meine Rolle zu spielen die Erlaubniß behalten hatte; viele große Generals wachsen auf einmal. Konnte der englische Verrather Cromvel von einem armseligen Pradicam ten und betrügerischen Wirthshausmann auf einmahl ein solcher großer General werden, wie die Welt gehabt hat; so hatte vielleicht ein dänischer Verrather seine Rolle dergestalt auch spielen können.

Julius laugnete, gleich wie ich, alle Strafe und Belohnung, und trieb, wie ich, nur Spott mit der Religion. Die Römer stifteten zu Zeiten doch etwas Gutes; dieses that ich auch, und wie sehr ich auch ein abscheuungswürdiger Taugenichts gewesen und für Lucifers Erstgebohrnen kann angesehen werden, so erbat ich mich doch zu Zeiten vom Satan Erlaube niß, eine gute That zu des Landes Besten auszuüben. Wenn man mir glauben will, so sind in den letzten Zeiten ein und andere Dinge auf mein Anrathen geschehen, die gelobet werden können: i) Ist der Ehrsucht der Domestiken Maas und Grenzen gesetzt, 2) befteyet kein Ordensstand, noch Rang, auch nicht den größten Manne von der Bezahlung einer rechtmäßigen Forderung. Den Cäsar glückte es, Rom zu stürzen; allein r^etn teuflischer Vorsatz wurde hinten trieben, ehe er zur Vollkommenheit kam, und dieses ist nun die Quelle meiner Freude.

Ein jeder, welcher dieser Reiche und Staatens Ehrlrebe, Tapferkeit, Much, edle Großmuth und brennende Liebe zu das Königl. Erbhaus nur in etwas kennet, kan es mit halben Augen sehen, daß ich meinen Vorsatz niemalen vollkommen hätte ins Werk richten können. Allein- daß ich dieses zu der Zeit nicht oe einsehen können, rührere daher; weil meine Ehrsucht mir verblendete, und der Satan meiner Seele sich

bemeisterte.

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bemeisterte. Sie wissen, hochzuehrender Vater! daß z SP

ein Mensch in einem solchen Zustande seiner Sinnen,

Witz und Verstand beraubet ist. Der Teufel und ich

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als diejenige, die ich verdienet habe. Allein ach! daß doch der erbarmungsvolle Jesus Mich von der ewigen Strafe und Höllen-Pein befreyen wolle! Den Monarchen, das ganze König!. Haus/ meinen Vater, ^ beyde Königreiche, ja alle Menschen auf Erden, bitte ich meine Sünden und Bosheit, welche so abscheulich seyn, daß solche von der Welt Anfang bis auf den heutigen Tag, ihres gleichen nicht gehabt haben, hiemit ab. Hochgeehrrer Vater! leben Sie wohl — ich kan nicht mehr schreiben, denn meine Thranen verbieten es.

Struenfee*

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