Gespräch im Gefängnis zwischen Brand und Struensee, worin letzterer einen merkwürdigen Traum erzählt. [Samme som 2.9.10, men anden udgave]

Gespräch im Gefängniß zwischen Brand und Struensee, worinn lezterer einen merkwürdigen Traum erzählt.

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VON Brand.

thuts, mein lieber Struensee, wie gefällt dir deine neue Wohnung?

Struensee. Ich weis nicht/ was man mit mir vornehmen wird; und warum man mich hier so en Canaille tractiret, da ich doch des ganzen Reichs Wohl zu befördern getrachtet habe.

Brand. Und du soltest es nicht wissen, was beynahe die ganze Welt weiß ? Das wundert mich. Eben wollte ich mich bey dir erkundigen, was denn eigentlich mein Verbrechen seyn soll, weil man noch wenig von mir spricht.

Struensee. Ich dächte, das könntest du' aus der Gefangenschaft meines Bruders, der gleiches Schicksal mit dir hat, leicht erreichen.

Brand. Also deswegen, weil ich dein Freund, und an deinen Angelegen Heiken Theil genommen habe. Nu» kann ich unser künftiges Schicksal auch leicht prophezeihen. Und du willst noch an deinen, Verbrechen zweifeln, oder es gar gering ansehen? Ließ nur, was wider dich in kurzer Zeit a'üenthalben ausgcstrcuet worden, und womit manchem Buchdrucker sein Glück gemacht, und ein Ansehnlich->s erworben hat.

Struensee

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Struensee. Wie ich höre, so glaubest du auch bas abgeschmackte Zeug, was wider mich, aus Eigennutz, er herum getragen wird. Vortrefliche Freund-Haft.

Brand. Es ist viel Wahres darunter; doch auch viel Erdichtetes. Doch, wenn du einige Augenblicke mich anhLrcn wolltest, so will ich dich an verschiedenes erinncm: vielleicht hast du cs vergessen, was in unsern geheimen Zusammenkünften abgehandelt'wurde. Es könte sich wohl etwas darunter finden, woraus wir urtheilm können, ob uns eine gerechte Handlung, oder eine ungerechte, in die Fesseln gebracht.

Struensee. Wenn doch die fatalen Papiere aus der Welt verbannet gewesen waren! so —Doch schweig vor jetzo, ich bitte dich, beunruhige mich nicht noch mehr! —- Daß der verdammte Kerl, mein Bedienter, den Pelz vergessen. Ich zittre am ganzen Leibe. Wenn sich doch eine treue Menschenseele finden möchte, die sich meiner mit Nachdruck annähme, und meine Sache vcr« theidigte !

Brand. Eine solche Unmöglichkeit beunruhiget dich t Wer sollte sich wohl dieses unterstehen, da die ganze Welt dich verdammt? Doch,ich erinnere mich,eine Vertheidigung von einem gewissen Orte gelesen zu haben, die gewiß so vorthcilhast für dich ist, daß du sie nicht besser verlangen kanst. Was nützt dir aber eine solche Vertheidigung, die in weiter Entfernung geschieht, wo man vielleicht von dem ganzen Verlauf der Sachen nicht besser unterrichtet ist ? Weg also mit de» Possen!— Geschwind, bringt mir meine Flöte ! ich will die Grillen verspielen. Mit Großmuth muß man sein Unglück ertragen, und nie klcinmüthig werden.

Strueusee. Benn du wüßtest, was mich unruhig macht, gewiß, du würdest mitleidig mit mir weinen.

* r Brand.

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Brand. Das wäre in der That zu klein für mich, und für dich zu schimpflich.

Struensee. Im Ernst, mein lieber Brand, ich will dir mein ganzes Herz entdecken, und dir den nächt¬

lichen Traum, der mich unruhig macht, umständlich er ... — -

.... .. Du must aber — - fyr Du must aber nicht darüber sp

Du must aber — - fyr Du must aber nicht darüber spotten.

Brand. Des Lachens kann ich mir doch kaum enthalte», daß du nun auf Tråumerenen verfällst. Erst glaubtest du nichts, und nun auf cinmahl alles. Welche Veränderung! Doch, ich bin begierig, deine» Traum zu hören.

Struensee. Ich lag eines Abends in tiefen Gedanken, überdachte mein ganzes Leben, und schlief ohnvcrmerkt darüber ein. Es kam mir vor, als wenn ich im Begrisk einer Reise wäre; untcrwegcs fand ich eine sehr angenehme Gegend, wo verschiedene anmuthigeRafenhügcl sich befanden. Es überfiel mich eine so ¡grösse Müdigkeit, daß ich gezwungen wurde, auf einen der angenehmsten Hügel mich niedcrzusctzen, um ein wenig auszuruhen. Kaum hatte ich mich niedergelassen, so sähe ich aus einem nahe gelegenen Lust-Waldgen ein Frauenzimmer von majestätischem Ansehen, so wie Fortuuagr bildet zu w erden pflegt, auf mich zukommen. Sic ergrisk mich sanstdrückend bey der Hand, und sagte: Folge mir, ich will dich zu deiner Bestimmung führen. Ich gchorsamtc, und ging mit langsamen Schritten an ihrer linken Hand. Wir gclagten in kurzer Zeit an einen grossen Wald, darinnen Fruchtbaume von verschiedenen Gattungen und Alter anzutrcffcn waren. Hier, sprach sie, alle diese Baume sollen unter deiner Aufsicht stehen; laß keinen derselben eitrigen Schaden Zufügen wirst du nun diesen» Walde treulich vorstehen. und den dariniren befindlichen Bäumen nach Möglichkeit von allen Gebrechen abhelfe»; so wird man dir in kurzem dem Lust-Wald des Eigen-

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genchumsherrn anweisen, wozu ein Baum, daran du dein Vergnügen finde» wirst, Gelegenheit gebenwird. Sic wollte hier weiter reden, bedachte sich aber kurz, und verschwand vor meinen Augen. Ich fing mm im Traume an, in den Wald zu spatziren, um die Baume zu betrachten. Ich fand deren viele von einem vortrcflichen Ansehen und den herrlichsten Früchten, die ich, aus Neubeqicrdc getrieben, zuweilen vor der Zeit ad« brach und aus Muthwillen der tragbarsten Zweige beraubte. Nach vollbrachter Arbeit war ich gewohnt, unter einer ohnlängst entdeckten Birke, welche den schönsten Wuchs hatte, und noch ziemlich jung war, meiner Rahe etwas zu pflegen. Ich wandte alle meine Bemühung und Sorgfalt an dieser Birke. Ich band sie, wo cs nöthig that, und zuweilen labete ich mich an ihrem mostartigcn Safte. Weil mir nun diesem Daum über die Maaßen wohlgefiel; so schnitt ich zum ewigen Andenken meinen Namen mit deutlichen Buchstaben in dessen zarte Rinde. In Kurzem trägt sichs zu, daß in des Eigcnthumshcrrn Lust - Walde ein Baum, der zu dessen Zierde nicht wenig bcygetragcn, durch einen gewissen Zufall vedrorbcn war. Nach kurzem Bedenken sar man einig, aus meinem mir anvertrauten Walde den besten zu suchen. Zu meinem Verdruß erwählete inan darzu meine mir so liebe Birke. Ich mußte es wider meinen Willen geschehen lassen. Von ohngefähr kommt der Eigcnthninshert an den Ort, wo dieser neue Baum versetzt war; er betrachtete denselben mit solcher Aufmerksamkeit, daß seinen Augen nichts entwischen konnte, was der Bewunderung würdig schien. Er hatte kaum meinen so zierlich eingeschnittenen Namen crblikket, als er sogleich Befehl gab, mich hieher zu berufen. Hier erschien mir das vorige Frauenzimmer mit verdrüßlichen Gcbchrdcn, und sprach: Du hast meine Ermahnungen schlecht beobachtet. Doch will ich es no ch einmal versuchen, und meine Vermahnungen wiederholen. wirst du allein genau nackleben,und nichts wider deinepflichten unternehmen

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so kannst du deine ganze Lebenszeit jb glücklich seyn, als ein Mensch zu werden möglich ist. Du wirst mir aller Freundlichkeit ausgenommen werden, und man wird deineGeschicklichkeitbewundern. Laß dich aber durchaus nicht dadurch den Hochmuth verblenden Siehe, hier sind Baume, woran viel gelegen ist,besonders dieLieblingsbäume des Eigenthumsherrn, welche ich deiner unermüdecen Sorgfalt bestens empfehle. Unter andern führte sie mich zu meiner liebsten Birke, und sprach: Dis ist der Baum, von dem ich dir vorher sagte, daß er dich hieher bringen würde. Dieser har verursacht, daß sich der Ligenrhumshcrt von deiner Geschicklichkeit so vieles verspricht, wirst du nun deiner Bestimmung zuwider handeln,» mehr unternehmen, als ich dir airweise; so wirst du dich der größten Gefahr aussetzeir. Sodann wird alles Unge mach undElend deiner erwarten, dein vorigesAndeirken schrecklich foltern, und niemand wird Mitleiden und Erbarmen mit dir haben, pfui, welche Schande!—Hier verließ sie mich mit einem höchst zornigen Gesichte. Voll von Traurigkeit und tiefem Nachdenken übernahm ich anfänglich das mir anvcrtrauctc Amt, und verrichtete alles, was mir befohlen war, so getreulich, daß der Hert sowohl, als andre, so diesen Lust - Wald zuweilen besuchten, mir ihre größte Zufriedenheit darüber zu erkennen gaben, und meine Geschicklichkeit mit vielen Lobeserhebungen hcrausstrichen. Dieses errcgete in mir einen solchen Stolz, daß ich darüber die treuen Warnungen sowohl, als meine Pflichten, ans den Augen setzte. Ich trieb meinen Muthwillen mit den mir anvertrautcn Bäumen, versetzte sic nach eigenen Gefallen, beschickt sie, wo cs nicht nöthig war, und machte sie zum Theil ganz unförmlich. Ich ging in meiner Thorhcit noch weiter, und vergrisk mich an des Eigcnthnmsherren einzigen liebsten Baumgen, verunstaltet dasselbe so heißlich, daß es niemand mehr achtete, sondern darüber spotteten. Alles dieses war

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noch nicht genug, der unersättliche Hochrnuth verleitete mich sogar, daß ich, um nicht mehr ein blosser Wärter der Bäume zu scyn, die ganze Form dieses so riete Jahre berühmten Lustwaldes zu verändern mir vornahm; ich rottete Baume aus, und setzt : wieder neue an andere Orte, wo sonst“ nichts gestanden. Damit nun die Form desto besser könnte verändert werden, so mußte ich vorher die größten Bäume, welche um diesen Waid herum stunden, und für den wüthc uden Sturmwinden beschützten, umhauen lassen, weiß ich glaubte, sic verursachten zu viel Schatten, verhinderten bas Wachsthum, und waren der freyen Aussi cht hinderlich. Damit dieses desto besser und geschwinder von statten gehen möchte, so nahm ich einige zu Gehülfc n an, die mir diese schwere Arbeit erleichtern sollten. Als dieses wichtige Werk beynahc vollendet, und nur noch wenige Bäume zu fällen waren, so geschähe cs, baß ein Baum, welcher schon zu tief eingchaucn war, plötzlich umstürzte, die zarte Rinde meines geliebten Birkenbaums so zcrschellerte, daß kein Mcrkmahl von meinem Namen mehr zu sehen war, und mich und meine Gehülfen bcynahe

zergnetschet hätte. Von diesem Schrecken betäubt,

erwachteich augenblicklich, und alle Glieder zittern mir noch. Sollte nun wohl ein solcher Traum nicht die größte Unruhe und Nachdenken verursachen?

Brand. Es ist so etwas, deucht mit, sehr nachdenkliches darinnen. Ich sehe daraus ein, daß du besser gethan hättest, du wärest mit deinen Neuerungen ad andern Verordnungen, die du vielleicht, doch ich weiß es nicht, aus guter Absicht zu des Reiches Besten unternommen, zu Hause geblieben. Beyspiele hatten dich klug machen können.

Struensee. Ich weiß sehr wohl, das kränkt mich eben, worinn ich gefehlet; und was ich nun thun würde, wenn ich srey wäre.

Brand.

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Brand. Es gehet dir, wie allen Menschen, die zu viel Eigenliebe besitzen, die erst dann ändern wollen, wo es nicht mehr zu ändern ist. Es ist nun alles zu spät. Du konntest ja wohl, als ein vernünftiger Mensch, vorher leicht einschen, daß cs ganz unmöglich war, durchzukommen, du möchtest es auch anfangen, wie du wolltest.

Struensee. Warum hast du mich aber, als ein Freund, nicht gewarnet, da du es vorher wußtest?

Brand. Was würdest du mir wohl darauf geantwortet haben, wenn ich es auch treumeinend gethan hatte? Genug, ich verließ mich bloß auf dich, und dachte, weil du in solchem Ansehen stündest, so würde dieses auch wohl gehen. An die Folgen habe ich nie gedacht. Dein Traum aber giebt mir vielen Unterricht, und macht mich in etwas nachdenkend, was ich vorher nicht gedacht hätte.

Struensee. Ich höre nun wohl aus deinen Reden, daß dich sowohl, als mich, der Hochmuth so verblendet, daß wir die nunmehr» traurigen Folgen einzusehe» nicht im Stande gewesen sind. Also müssen wir nun billig erwarten, wozu man uns bestimmen wird. Vielleicht werden wir bald ein erbauliches Gespräch im Reich der Todtcn halten können. — Jetzt gleich werde ich zum Verhör gesührct werden.