Bartholdy, Felix Mendelssohn BREV TIL: Gade, Niels Wilhelm FRA: Bartholdy, Felix Mendelssohn (1843-01-13)

Leipzigden 13te Januar 1843.

Hochgeehrter Herr!

Wir haben gestern die erste Probe Ihrer Symphonie in C moll gehabt, und wenn auch Ihnen persönlich ganz unbekannt, kann ich doch dem Wunsche nicht wiederstehen Sie anzureden, um Ihnen zu sagen, welche ausserordentliche Freude Sie mir durch Ihr vortreffliches Werk gemacht haben, und wie von Herzen dankbar ich Ihnen für den groszen Genusz bin, den es mir gewährt. Seit langer Zeit hat mir kein Stück einen lebhafteren, schöneren Eindruck gemacht, und wie ich mich mit jedem Tact darin mehr verwunderte, und dennoch mehr zu Hause fühlte, so war mir es heute ein Bedürfnisz, Ihnen meinen Dank für so viel Freude auszudrücken, Ihnen zu sagen, wie hoch ich Ihr herrliches Talent stelle, wie mich diese Symphonie, das Einzige, was ich bis jetzt von Ihnen kenne, auf alles Frühere und Spätere begierig macht! Und da ich höre, dasz Sie noch so jung sind, so ist es eben so sehr das Spätere auf das ich mich freuen kann, zu dem ich in einem so schönen Werke die festen Hoffnungen begrüsze, für das ich Ihnen jetzt schon danke, wie für den Genusz, den ich gestern gehabt habe !

Wir werden noch mehrere Proben von der Symphonie machen, und erst in 3—4 Wochen dieselbe zur Aufführung bringen. Die Stimmen wimmelten so von Fehlern, dasz wir sie erst sämmtlich durchsehen lassen, und mehrere neue schreibens. 32lassen müssen, und dann soll sie nicht gehen, wie eine neue, sondern wie eine, die dem ganzen Orchester vertraut und lieb ist. Das war nun zwar schon gestern der Fall, und unter uns Musikern nur eine Stimme. Indesz sie musz auch so gehen, dasz ein jeder es hört. Herr Raymund Härtel *) sagte mir, es sei davon die Rede, dasz Sie selbst im Laufe des Winters herkämen. Wäre das doch der Fall, und könnte ich Ihnen dann meine Dankbarkeit und meine hohe Achtung mündlich besser und deutlicher ausdrücken oder beweisen, als es die leeren schriftlichen Worte thun! Wir mögen uns nun aber jetzt kennen lernen oder nicht, so bitte ich Sie mich immer für einen Solchen anzusehen, der all Ihren Werken mit Liebe und Theilnahme folgen wird, und dem die Begegnung mit einem Künstler, wie Sie, und einem Kunstwerke, wie Ihre Cmoll Symphonie, jederzeit die gröszte, herzlichste Freude sein wird.

So empfangen Sie denn nochmals meinen Dank, und genehmigen Sie die vollkommene Hochachtung, mit welcher ich bin

Ihr ergebener
FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY.