Leben, Begebenheiten und unglückliches Ende der beyden Dänischen Grafen Struensee und Brand; aus zuverläßigen Nachrichten gezogen, und von einem Freunde der Wahrheit aufgesetzet.

Leben, Begebenheiten und unglückliches Ende der beyden

Dänischen Grafen

Struensee und Brand;

aus zuverläßigen Nachrichten gezogen, und von einem Freunde der Wahrheit aufgesetzet. 1772.

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Vorbericht.

Es sind zwar, seit der am 17ten Januar d. I. in Dännemark vorgefallenen, großen Staatsveränderung, viele Nachrichten von dieser wichtigen Begebenheit, mit welcher sich in der dänischen Geschichte eine merkwürdige Epoche ansängt, und von denen Personen, welche dieselbe veranlasset haben, unter dem Publico, verbreitet worden; da aber dieselben teils unvollständig, teils parteiisch, teils ganz falsch sind, teils auch die Sprache der Erbitterung reden, und das bekannte Sprüchwort des Tacitus: Ruente quercu ligna quinis colligit, bestättigen: so hat ein Freund der Wahrheit, welcher den gewesenen Grafen Struensee, in seiner Jugend, gekannt hat, und ein Schüler seines verehrungswürdigen Vaters, als derselbe noch in Halle theologische Vorle-

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sungen hielte, gewesen ist, der also viele, bisher nicht bekannt gewordene Lebensumstände dieses unglücklichen Sohnes eines frommen rechtschaffenen, und berühmten Gottesgelehrten weiß, und besonders den Character desselben, wenigestens die Anlage zu seinem Character, aus einem öfteren jugendlichen Umgange, kennen gelernt hat, das Leben, und das traurige Ende desselben, und seines Mitverbrechers, des gewesenen Grafen Brand, mit der einem jeden Geschichtschreiber nötigen Unparteylichkeit, zu beschreiben; und dabey die von manchem Menschenfeinde vergessene Regel: Man lasse auch dem Unglücklichen Gerechtigkeit wiederfahren, genau zu beobachten. — Zu was für schrecklichen Schicksalen, muß sticht mancher Jüngling, durch seine Schuld, das männliche Alter erleben! Hätte es Struensee damals, als der Verfasser dieser Nachricht noch sein Mitschüler war, wohl geglaubet, daß er einst, als ein Staatsverbrecher, auf einem öffentlichen Blutgerüste, sterben würde?

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Der unglückliche, gewesene Graf Struensee hat, durch sein trauriges Beispiel, die Wahrheit des Sprichwortes: wer hoch steigt, der fällt hoch, von neuem bestättiget. Aus dem Staube der Niedrigkeit schwang er sich bis zu der erhabenen Würde eines geheimen Cabinetsministers hinan. Ein Sohn bürgerlicher Eltern wurde in den Grafenstand erhoben; und von diesem Gipfel der Ehre, stürzete er, schwindelend, bis zu den lezten Stuffen der Schande hinab. Sein hochachtungswerter Vater, der jezt noch, in Rendsburg lebende Doctor der Gottesgelehrsamkeit, königl. dänischer Oberconsistorialrath, und Generalsuperintendent über die Herzogtümer Schleswig, und Holstein, Adam Struensee, ein Mann, welcher, in Dännemark, und in der ganzen gelehrten Welt, in großem Ansehen stehet, ist 1708. am 8ten September zu Neuruppin geboh-

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ren; er gehöret also, nebst seinen Söhnen, eigentlich zu den preußischen Untertanen. In seiner Jugend erwarb er sich, auf den Schulen zu Ruppin, und Brandenburg, eine schöne Kentniß in den Sprachen, und Wissenschaften; widmete sich hierauf der Gottesgelehrsamkeit; bezog 1727 die hohe Schule in Halle; und gieng 1728 auf die Jenaische Universität. An beiden Orten war er ein lehrbegieriger Zuhörer der berühmtesten Männer. Er schöpfete, mit dem rühmlichesten Fleisse, aus den Quellen der Weisheit, diejenige Gelehrsamkeit, welche er, in der folgenden Zeit, in seinem Predigtamte, in seinen Vorlesungen, und Schriften, mit so vielem Beyfalle an den Tag gelegt hat. In Jena erhielt er nicht nur einen doppelten Beruf zum Predigtamte; sondern es wurde ihm auch die Stelle eines Schullehrers angetragen. Nach sorgfältigen Prüfungen nahm er die Stelle eines Hofdiaconus, bey der regierenden Reichsgräfin von Sayn, und Wittgenstein, an; verließ 1730 Jena; und gieng nach Berleburg, um sein Amt daselbst anzutreten. Er blieb aber nicht lange in Berleburg: denn 1731 wurde er, an die Stelle des verstorbenen Pastors John, zum Prediger bey der Gemeine des Neumarkts zu Halle im Magdeburgischen berufen; woselbst er auch, am Sonntage Exaudi 1732, seine Antrittspredigt hielt. Diese Gemeine genoß nur einige Monate seinen Unter-

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richt; weil er noch in eben demselben Jahre zum Pastor der Morißkirche in Halle erwählet wurde. Nachdem er dieses Pastorat bis 1739 mit vielem Seegen verwaltet hatte, wurde er Pastor bey der Ulrichskirche zu Halle. An dieser seiner dritten Hallischen Gemeine arbeitete er 17 Jahr mit aller Treue eines gewissenhaften Seelensorgers; und wurde, wegen seiner vorzüglichen Canzelgaben, und wegen des allgemeinen Ruhmes, welchen er sich, durch seine rührende Beredsamkeit, erworben hatte, als königlicher dänischer Consistorialrath, Probst des Altonaischen, und Pinnebergischen Consistorii, und Hauptpastor der evangelisch-lutherischen Gemeine nach Altona berufen. Als man in Dännemarck seine besonderen Verdienste näher kennen lernete, war man darauf bedacht, daß man diesem großen Gottesgelehrten ein seinen Verdiensten gemäßes Amt gehen möchte. Er wurde zum Oberconsistorialrath, Generalsuperintendenten in den Herzogtümern Schleswig, und Hollstein, auch Probst in den Aemtern Gottorf, Rendsburg, Husum, Schwabstedt, und in den Districten des Domcapitels, ernennet, und muste seinen beständigen Aufenthalt zu Rendsburg nehmen. Seine Gattin, welche ihm der Tod, schon in dem vergangenen Jahre, entrissen, die also nicht, wie man in einigen Zeitungen ganz falsch berichtet hat, an ihren Sohn, den Grafen

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Struensee, als derselbe noch im Gefängnisse saß, geschrieben haben kann, war eine Tochter des königlichen dänischen Justizrathes, und ersten Leibmedici, Doctors Johann Samuel Carl — eine sehr vernünftige, wohlerzogene, und tugendhafte Gattin, mit welcher er von 1732 bis 1771 in einer vergnügten Ehe gelebet, und 5 Söhne, und 3 Töchter gezeuget hat.

Von einem so berühmten Vater, von einer so würdigen Mutter stammt der gewesene königliche dänische Cabinetsminister, und Ritter des Mathildenordens, Johann Friedrich Graf von Struensee, her, von dessen Leben, und unglücklichem Ende ich hier eine zuverläßige Nachricht geben will. Er wurde am 5ten August 1737 zu Halle im Magdeburgischen gebohren, und besuchete, in seinen jüngeren Jahren, die Schule des dasigen Waisenhauses. Wer hätte damals von ihm kühne Unternehmungen, und ehrsüchtige Anschläge, zur Erkletterung einer glänzenden Höhe, erwartet? Er schien, gegen alle Ehre, die man nicht, ohne Mühe, und Gefahr, erlangen kan, ganz gleichgültig; und aus seinen Handlungen konte man gewis nicht schließen, daß er einst ein berühmter Gelehrter, oder ein großer Staatsmann werden würde: denn er gab sich (wenn ich die Wahrheit sagen soll) eben nicht viel Mühe um

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eine weitläuftige, und gründliche Gelehrsamkeit. Daher widmete er sich auch, um sich nicht mit der griechischen, und hebräischen Sprache plagen zu dürfen, der Arzeneygelehrsamkeit; ob gleich sein Vater gern gesehen hätte, wenn er sich, wie sein ältester Bruder, aus die Gottesgelehrsamkeit geleget hätte. Sein Genie war mehr langsam, als munter, und feurig; und es schien, als wenn die Musen nicht Lust gehabt hätten, ihn zu ihrem Lieblinge zu wählen. — Von der Schule des Waisenhauses, in welcher er die meisten Claßen durchgegangen war, und sich eine ziemliche Fertigkeit in der lateinischen Sprache erworben hatte, gieng er auf die dasige Universität, und nahm, nachdem er sich ein Paar Jahre auf derselben aufgehalten hatte, die Würde eines Doctors der Arzeneygelehrsamkeit an. Als sein Vater 1757 von Halle nach Altona zog, reisete er mit demselben; und wurde, kurz nach seiner Ankunft in Altona, Physicus in der Herrschaft Pinneberg, und in der Grafschaft Ranzau; und lebete daselbst, von der fleifligen Ausübung seiner Kunst, sehr bequem. Er war auch zugleich Professor der Arzeneygelehrsamkeit in Altona. Das Glück war ihm günstig. Er heilete verschiedene Kranken, an deren Wiederherstellung jeder zweifelete; und machete sich dadurch so berühmt, daß der König in Dännemarck bewogen wurde, ihn nicht nur 1768, den

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5ten April, zu seinem Leibmedicus, sondern auch zu seinem Begleiter, auf der Reise nach Teutschland, England, und Frankreich, zu ernennen. Dieses war der erste Schritt zu denen Ehrenstuffen, auf welchen er hernach so hoch stieg. Der junge Monarch lernete ihn genau kennen; und würdigere ihn seiner Gnade so vorzüglich, daß er fast beständig bey ihm seyn muste. Er wurde des Königes Vorleser. In dem folgenden Jahre, am 12ten May, 1769. ernennete der Monarch ihn zum wirklichen Etatsrathe; am 14ten May 1770, zum Conferenzrathe; und im December eben desselben Jahres, zum Requetenmeister. Hier fieng sich eigentlich der wichtige Einfluß an, welchen Struensee in das dänische Staatswesen gehabt hat. Ich will diejenigen merkwürdigen Veränderungen, welche, durch ihn, in demselben, entstanden, so genau, als ich selbige habe erfahren können, anführen; damit man, aus denselben, seinen plößlichen, und fürchterlichen Fall begreifen könne.

Im December 1770. und folglich in eben demselben Monate, in welchem Struensee zum Requetenmeister ernennet worden war, wurde, nachdem schon am 15ten September, desselben Jahres, der erste Minister, Graf von Bernsdorf, ein königliches Handschreiben erhalten hatte,

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in welchem der König ihm, für seine Dienste, dankete, und ihn, mit einem jährlichen Gehalte von 6000 Thalern, der Bedienung eines Ministers der auswärtigen Angelegenheiten, und Obersecretairs der teutschen Kanzeley, in Gnaden entließ, das ganze geheime Conseil aufgehoben; und die vier Ministers, aus welchen dasselbe bestand, nemlich die Grafen von Moltke, von Thott, von Reventlau, und von Rosenkranz erhielten einen gnädigen Abschied. Dieses geschahe, durch folgende öffentlich bekannt gemachte königliche Acte:

Wir Christian der siebente, von Gottes Gnaden, König in Dännemarck, Norwegen, der Wenden, und Gothen, Herzog zu Schleswig, Hollstein, Stormarn, und der Dittmarschen, Graf zu Oldenburg, und Delmenhorst & c. urkunden, und erklären hiermit. Weil die Staatsangelegenheiten bey einer souverainen Regierungsform durch die Vielheit der daran Teil nehmenden Personen von einem hohen Range, und durch das Ansehen, welches sie mit der Länge der Zeit erlangen, nur schwerer gemachet, und verwirret werden, und ihre Ausführung verzögeret wird: Wir aber, denen nichts so sehr am Herzen lieget, als eine eiferige Beförderung des allgemeinen Wohls, uns durch nichts in denen Maaßregeln, und Verfü-

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gungen, die zu diesem Zwecke führen, aufhalten, oder behindern lassen wollen, daß Wir derowegen für gut befunden, unser bisheriges geheimes Staatsconseil gänzlich auszuheben, und eingehen zu lassen, und zwar in der Absicht, der Form, und Verfassung Unserer Regierung ihre natürliche, und wesentliche Lauterkeit zu geben, und sie darin zu erhalten. Wie denn besagte Regierungsform in allen Stücken so, wie sie Unseren Vorfahren glorreichen Gedächtnisses von der Nation übertragen ist, seyn und bleiben, und auch nicht der geringste Schein übrig gelassen werden soll, als ob Wir uns von dem Sinne, und der Absicht, worin das Volck sich Unseren Vorfahren übergeben hat, entfernen wolten. Zu mehrerer Bekräftigung des obigen haben Wir darüber zwey gleichlautende Acten, die eine in dänischer, die andere in teutscher Sprache ausfertigen lassen, und soll jene im Archiv der dänischen Kanzeley, diese hergegen im Archiv der teutschen Kanzeley hingeleget, und verwahret werden. Urkundlich unter Unserm königlichen Handzeichen, und vorgedrücktem Insiegel. Gegeben auf Unserm Schlosse Friederichsburg den 27sten December 1770.

Christian.

Fabricius. A. G. Carstens.

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Die verabschiedeten Minister empfiengen jeder ein königliches Handschreiben, in welchem der Monarch ihnen, für ihre treuen Dienste, in den gnädigesten Ausdrücken, dankete. Sie verließen Copenhagen, und reiseten auf ihre Landgüter. An die Stelle des geheimen Staatsconseil wurde eine so genannte geheime Conferenz eingeführet. Diese bestand aus dem Schaßmeister, und geheimen Rathe, Freyherren von Schimmelmann, dem Generallieutenant von Gähler, dem Generallieutenant, Grafen von Rantzau Ascheberg, dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Grasen von der Osten, dem geheimen Rath, Grafen, von Haxthausen, und dem Stiftsamtmann von Scheel. Sie hielt am 7ten Januar 1771, auf dem königlichen Residenzschlosse, in dem Zimmer, in welchem sich sonst das geheime Staatsconseil zu versammelen pflegete, ihre erste Sißzung; die Besorgung der auswärtigen Angelegenheiten aber blieb dem Grafen von der Osten allein überlassen. Diese erste Veränderung zog immer mehrere nach sich. Ich will nur die merkwürdigesten, nemlich diejenigen, welche zu der am 17ten Januar zu Copenhagen erfolgeten großen Begebenheit, und besonders zu dem Unglücke des Grafen Struensee, Gelegenheit gegeben haben, ganz kurz anzeigen. — Die teutsche Kanzeley empfieng einen Cabinetsbefehl, welcher folgendes

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enthielt: Meine Departements und Collegia müssen nicht das ganze Detail der Geschäfte an sich ziehen: ihnen gebühret nur die allgemeine Aufsicht. Die Führung, und Entscheidung dererjenigen Angelegenheiten, die durch die Gesetze, und Verordnungen, bestimmt sind, ist das Geschäfte derer, welchen die Oberaufsicht in den verschiedenen Districten anvertrauet ist, und denen müssen sie solche überlassen. Ihre Obliegenheit ist es also, darüber zu halten, daß den Verordnungen nachgelebet werde; sie haben desfalls Rede und Antwort zu geben, und müssen solche nach aller Strenge, und ohne Nachsicht, in Ausübung bringen. Von dieser meiner Willensmeinung hat die teutsche Kanzelen alle diejenigen, welche es angehet, und mit welchen sie, in Absicht auf die Geschäfte, in Verbindung stehet, zu benachrichtigen, und sie zugleich zu erinneren, keine Sachen bey sich liegen zu lassen, sondern alles in gehöriger Ordnung, und ohne unnötigen Auffenthalt zur Endschaft zu bringen, und auszufertigen. Am Schlusse des Jahres erwarte ich von meiner teutschen Kanzeley einen Bericht, wer von den ihr Untergeordneten einen besonderen Eifer und Fleiß in meinem Dienste erwiesen hat, und wer sich etwan eine Nachläßigkeit wird haben zu Schulden kommen lassen, & c. & c. & c. Ferner ergieng, wegen Einschränkung der Characters, an alle Collegia folgender Befehl:

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Da die Zahl dererjenigen, welche teils bey den in einiger Jahre Zeit vorgefallenen Feyerlichkeiten, teils auch sonst auf verschiedene Vorstellungen mit Rang, und Titeln begnadiget worden sind, dergestalt angewachsen, daß die Charactere aufhöreten, Belohnungen für wahre Verdienste, oder ein Kennzeichen Unserer königlichen Gnade, und besonderen Wohlgefallens zu seyn: so haben Wir den Vorsatz gefasset, selbige hinführo desto sparsamer, und blos nach deren weislichen Absicht auszutheilen; daher dabey lediglich auf Fleiß, Treue und Beeiferung im Dienste, desgleichen auf besondere Einsichten, Tüchtigkeit und Verdienste, nicht aber auf die Jahre der Dienste und Anciennität zu sehen, und nur diejenigen mit Ehrenvorzügen zu belohnen; welche sich zu denselben auf irgend eine würdige Weise verdient gemacht haben. Wir wollen derowegen, daß von nun an für niemanden ein Character, und höherer Rang gesucht werden soll, der nicht vor dem Collegio, oder Departement, unter welchem er stehet, wegen seiner ruhmwürdigen Diensteiferung, guten Aufführung, und besonderen Verdienste, sattsam bekannt ist, so, daß das Collegium sich zutrauen möge, denselben mit vollkommener Ueberzeugung und Zuverläßigkeit einer besonderen Gnade zu empfehlen, und Uns deshalb allemal zur Rede und Antwort zu stehen: Und gleichwie Wir un-

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ter dem heutigen Dato diese Unsere Entschliessung allen Unfern Collegien, und Departements zu erkennen gegeben Haben, so geben Wir selbige hiermit auch in Gnaden Unseren Collegien zur Rachachtung zu wissen. Friederichsburg den 4ten September 1770.

Christian.

Zu den Folgen her neuen Einrichtung gehöret auch noch die Freiheit der Presse, daß nemlich, ohne Censur, gedruckt werden sollte; die Einrichtung eines genuesischen Lotto, oder königlichen dänischen Zahlenlotterie; und die Veranstaltung in dem Hebeammenhause zu Copenhagen, daß unglückliche Mütter ihre neugeborenen Kinder, zur Verhütung der Ermordung, oder Wegsetzung derselben, in einen besonders dazu eingerichteten Kasten legen konnten. Bey der dänischen, und teutschen Kanzeley wurde ebenfalls eine wichtige Veränderung gemacht. An statt, daß jede derselben, bis dahin unter der Aufsicht eines Obersecretaire, ber zugleich ein Mitglied des geheimen Conseil war, gestanden, wurde die dänische Kanzeley in vier, die teutsche aber in drey Departements geteilet, und jedem Departement ein Deputirter mit dem Rang eines Conferenz- oder Justizrathes, vorgesetzet.

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Bey dem Hofstaate wurde eine große Veränderung vorgenommen. Der Oberhofmarschall, Graf von Moltke, der Oberkammerjunker von der Lühe, und noch andere wurden ihrer Dienste entlassen. Die Amtmänner in Norwegen wurden, in Absicht auf ihre Einkünfte, auf einen gleichen Fuß gesetzet. Der bisherige Magistrat zu Copenhagen wurde, am 3ten April 1771, gänzlich aufgehoben, und ein neuer Rath eingesetzet, bey welchem der Graf, Ulrich von Hollstein, die Stelle eines Oberpräsidenten erhielt. Mit diesem Rathscollegio wurde eine ganz neue Einrichtung gemacht. Seine Geschäfte erstrecketen sich blos auf die Policey. Alle Streitsachen wurden an das Hofgericht verwiesen. Die Bürger erhielten die Erlaubniß, zwey Repräsentanten im Rathe zu haben; und dem Rathscollegio wurde ein besonderer Befehl erteilet, für die Aufnahme der Handlung; für die Einrichtung der Preise der Lebensmittel, ohne unbilligen Wucher; für die Reinigkeit der Gassen, und für die Erhaltung guter Ordnung, vorzüglich zu sorgen.

Für 100 neugebohrene Kinder wurde, zu Copenhagen, ein Erziehungshaus errichtet; zu welchem von jedem zur Pracht, oder zum Vergnügen gehaltenen Pferde jährlich zwey Thaler, von jedem Miethskutschpferde ein Thaler, und von je-

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dem fremden Pferde zehen Thaler entrichtet werden müßen. Das Seeetatscollegium wurde, am 28sten März 1771, mit dem Namen eines Admiralitäts- und Commißariatscollegii beleget; und vier Deputirte, nemlich der geheime Rath, Graf von Haxthausen, die Contreadmirals, Hansen, und Fischer, und der Etatsrath Willebrand, bekamen, als Deputirte, die Geschäfte dieses Departement zu besorgen.

Das Generalposiamt litte ebenfalls eine merkliche Veränderung. Es wurde in so weit aufgehoben, daß nur die drey jüngsten Directors, die Justizrathe, Pauli und Lange, nebst dem Legationsrathe Stur; beybehalten wurden; welche zugleich den Befehl erhielten, alle ihre Vorstellungen unmittelbar an den König gelangen zu lassen. Alle übrige bey dem Generalpostamte stehende Personen, als, die geheimen Räthe, Graf von Danneskiold, und Graf von Hollstein, die Conferenzräthe von Rheder, und von Schrödersee, wurden nebst dem Etatsrathe Holm, ihrer Dienste entlassen.

Die freye Tafel bey Hofe, an welcher sonst viele hohe, und niedrige Hofbedienten gespeiset

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hatten, wurde eingezogen, und der Oberstlieutenant Wegner mit dem Auftrage zum Hofintendanten gemachet, daß er alle mögliche zur Einführung einer besseren Sparsamkeit gereichende Veränderungen machen sollte.

Der Gouverneur von Copenhagen, Graf von Ahlefeld bekam seinen Abschied; und diese einträgliche Stelle blieb unbesetzet. Die ansehnliche, aus der Mastung im ganzen Lande, und aus der Hälfte der Strafgelder von Jagdverbrechen fliessenden Einkünfte des Oberjägermeisters wurden zur königlichen Casse gezogen; und dem Oberjägermeister, zu seiner Entschädigung, eiu stehendes Gehalt von 3000 Thalern angewiesen.

Bey den an den König, und an die Collegia einzureichenden Bittschriften wurde der Gebrauch des Stempelpapiers durchgehends befohlen; und eine gewisse Vorschrift gegeben, nach welcher solche Bittschriften eingerichtet werden solten.

Allen Soldaten wurde das Heyrathen, mit der Bedingung, verstattet, daß sie ihre Kinder den Fündlingsanstalt überlassen müssen, welche diese Kinder bey Landleuten unterzubringen sucht, denen sie, bis in das 25ste Jahr, als Knechte, und Mägde dienen, hernach aber frey seyn sollen.

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Da auch die häufige Anwartschaften auf Bedienungen, welche der König erteilet hatte, dem Dienste schädlich waren: so wurden dieselben eingeschränkt; und es ergieng, dieser Cache wegen, folgender merkwürdiger Befehl: Da ich ungern bemerke, welchergestalt ein großer Teil von den manchem bisher gegebenen Expretanzen eine strafwürdige Nachläßigkeit im Dienste verursachet, und an statt den Fleiß und Eifer dererjenigen, welchen sie verliehen worden sind, zu ermunteren, bey den mehresten eine dawieder streitende Wirkung gehabt hat, meine Absicht bey sothanen besonderen Gnadenbeweisungen aber nicht gewesen seyn kann, die ledig werdenden Dienste mit untauglichen Subjectis zu besetzen, so ist in Hinsicht auf die unter meinen Collegiis sortirende Bedienungen meine ernstliche Willensmeinung, daß bey der Vergebung der mit Expretanzen beschwerten Dienste zwar vornemlich auf diejenigen gesehen werden soll, welchen die Succeßionsbestellung auf selbige erteilet worden ist, jedoch daß zugleich die Tüchtigkeit und Aufführung des Candidaten genau untersuchet werden, und diejenigen dieses Beneficii gänzlich verlustig gehen sollen, bey welchen die erforderliche Tüchtigkeit und Wissenschaften nicht gefunden werden, oder welche durch eine schlechte Aufführung sich dazu unwürdig gemacht haben solten. Wornach sich meine Collegia in sothanen

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Fällen genau zu richten, und diese meine Vorschrift pünctlich zu erfüllen haben. Gegeben auf Hirschholm den 26sten October 1770.

Christian.

Sonst hatten, in Dännemarck, die Dispensationes in Heyrachen zwischen Verwandten viel eingebracht, aber auch viele Schwierigkeiten verursachet. Der König hob also, unter dem 3ten April 1771, alle Dispensationes, bey Heyrathen zwischen Bluts- und Schwägerschaftsverwandten,

welche nicht ausdrücklich in dem göttlichen Gesetze verbothen sind, gänzlich auf; und feßete fest, daß solche Heyrathen hinfähro ohne Dispensation zugelassen werden solten. Ein anderer königlicher Befehl verordenete, daß in Geldsachen die Justiz, ohne Betrachtung des Standes des Gläubigers, oder dessen persönlichen Ansehens, genau verwaltet, und nach Beschaffenheit der Sache, und Vorschrift der Rechte mit Beschlag, Immißion, und anderen vorgeschriebenen Zwangsmitteln verfahren werden solle.

Um eben diese Zeit wurde Copenpagen in zwölf gleich große Quartiere geleitet; jedem zu besserer Handhabung der Policey ein Quartierscommissarius vorgesetzet; das Thorgeld verpach-

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tet, und jedes Haus in der Stadt mit einer Nummer bezeichenet,

Eine andere königliche Verordenung feßete fest, daß die auf einen begangenen großen Diebstahl gesetzete Todesstrafe abgeschaffet, dagegen die Verbrecher am Pranger gegeißelet, an der Stirne gebrandmarket, und auf Lebenslang in Fesseln geschmiedet werden sollten.

Die Garde zu Pferde, deren Unterhaltung jährlich ansehnliche Summen gekostet hatte, wurde verabschiedet; die Officiers bekamen Wartegeld, und den Gemeinen ward freygestellet, bey der Garde zu Fuß Dienste zu nehmen. An deren Stelle aber wurde eine leichte königliche Garde von drey Escadrons Dragoner, unter dem Oberstlieutenant von Numsen, errichtet. Den Officiers von den Landcadets, von der Garde, von dem Artilleriecorps, und von den Leibregimentern ward ihr bis dahin gehabter höherer Rang zwar, für die dabey stehenden, noch so lange gelassen, bis sie eine Stufe höher steigen würden; für die Zukunft aber ganz abgeschaffet. Die Hoftrauer wurde, in allen Fällen, zum höchsten auf vier Wochen festgesetzet.

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Bey der königlichen Rentenkammer erfolgete die wichtige Veränderung, daß, an statt derselben ein in drey Departements, nemlich in die nordische, dänische und teutsche Kammer, verteiletes Finanzcollegium, welches aus vier Departements bestand, errichtet wurde.

In Ansehung der unehelichen Kinder kam, unter dem 13ten Junius 1771, eine merkwürdige Verordnung heraus, deren Inhalt dahin gieng, daß, da ledige Personen, welche, ausser der Ehe, zusammen Kinder erzeuget, durch die in den Gesetzen fest gestelleten Bußen, und Strafen, oft gehinderet worden, die ihnen, als Eltern, obliegenden Pflichten zu erfüllen, dergleichen Bußen sowohl, als andere, auf solche Vergehungen gesetzte Strafen, besonders die vom 8ten Junius 1767 festgesetzte Strafe, bey Wasser, und Brod zu sißen, aufgehoben wurde. Zugleich ward verordenet, daß bey der Lause unehelicher Kinder, auf keine Weise, weder in Ansehung der Zeit, noch des dein Priester, und anderen Kircenbedienteu zu bezahlenden Laufgeldes, oder anderer Umstände ein Unterschied zwischen den ehelichen, und unehelichen, gemacht; daß ihnen ihre ausser der Ehe geschehene Geburt nicht, als ein Flecken, angerechenet; und ihnen deshalb nie ein Vorwurf gemachct werden solle. Wegen des Ehebruches wurde, in eben dieser Ver-

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ordnung festgesetzt, daß es lediglich dem unschuldigen, und gekränkcten Teile frei) stehen solle, zu klagen; und so lange dieser sich nicht deshalb rege, solle niemand davon sprechen.

Unter dem 15ten Junius fuhrete der König ein neues Copenhagensches Hof- und Stadtgericht ein, welches am igten Julius den Anfang nahm, und vorzüglich die Abkürzung der Processe zur Absicht hatte. An statt, daß sonst Rechtssachen, lange aufgehalten, und durch drei) Instanzen geführet werden konnten, hatte cs nunmehr, den dem von diesem Stadtgerichte ausgesprochenen Urteile, sein unveränderliches Bewenden. Alle Einwohner von Copenhagen, Herrschaften, und Gesinde, Bürger, und königliche Bediente, mit und ohne Rang, Geistliche, und Weltliche, vom Civil- und Militarstande, Professores, Studens ten, und Universikatshediente, wurden der Gerichtsbarkeit dieses neuen Gerichtes, in allen bürgerlichen, und peinlichen Sachen unterworfen; und alle andere bisher in Copenhagen gewesene Obers und Untergerichte aufgehoben; jedoch mit der Erklärung, daß die besonders privilegirten Sachen ausgenommen wurden, und daß die königlichen Bedienten, in den ihr Amt betreffenden Sachen, lediglich unter dem Collegio, zuwelchem sie gehören, stehen sollen.

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Da auch die zu weit ausgedehneke Postfreyheit den königlichen Einkünften sehr nachteilig gewesen: so wurde, durch eine am 17ten Junius 1771 gezeichenete königliche Verordnung, die bisherige

Pystfreyheit eingeschranket, und die Verfügung getroffen, daß nur die Briefe der Personen des königlichen Hauses, die Berichte der Collégien in Amtssachcn, die Armenjachen, die Zollpachtsachen, und die Mrlikardicnstsachen von der Erledigung des Posiporto fretz seyn, alles übrige aber bezahlet werden solle.

Dieses waren die Veränderungen, welche bis zu der Feit vorfielen, da der damalige Requetenmeister, und Confetenzrath, Scruensee, zum geheimen Cabinetsminister ernennet, und in den Grafenstand erhöben wurde. Die Erhebung zum geheimen Cabinetsmnnster erfolgete aur 15ten Julius 1771; und bey dieser Gelegenheit kam eine königliche Verordnung zum Vorscheine, welche dem neuen Minister beynahe eine ungefchrankrte Gewalt in die Havde gab. Er erhielt nemlich den Befehl, alle von dem Könige mündlich erteis ieke Befehle nach Sr. Majestät Sinne schriftlich abzufassen, und denenstlben solche nachher entweder paraphirt zur Unterschrift vorzulegen, oder auch in höchsidrro Namen, unter dem geheimen Cabinetssiegel auszufertigen. Es wurde überdem

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noch in derselben befohlen, daß alle Ausfertigungen und Verordnungen, die auf Vorstellung eines Collegii an ein anderes Collegium zu erteilen sind, nicht mehr in dem Collegio selbst, oder durch Communication, sondern durch diesen Minister geschehen solle. Druer: daß derselbe dem Könige wöchentlich einen Auszug der von ihm ausgefeiligten Cabineêsbefehle, zur Genehmigung, vorlegen solle; und daß diese alsdenn eben so gültig styn sotten, als wenn sie von dem Monarchen selbst unterzeichnet waren.

Die erste anmerkenswerte Veränderung, welche, nach dieser Ernennung eines Cabiuetsmiuisiers, vorgieng, war die Aufhebung des General» commerzcollegü. Sie geschähe durch eine am 15ten Julius unterschriebene königliche Verordnung. Die Verrichtungen, welche sonst zu diestm Collez gio gehöret hatten, wurden dem Finauzcollegio, und der Kanutter übertragen, so daß alle das Commerz- und Fabriquenwesen betreffende allgemeine Berichte, und Vorschläge dem Finauzcollegio, die einzelnen Vorschläge; und Privatgesuche der Kammer zugetheilet, auch alle unter dem Generalcommerzcollegio gestandene dänische, norwegische und teutche Brau-daßccuranzconrptoirs, nebst der Revision der Oldenburgischen Vrandeassenrechmmgen, der Kammer uMrgebcn wurden. Hiernachst wur-

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den, durch einen Cabinetsbefehl, viele Sachen den Kanzeleyen abgenommen, und dem Finanzcollegio hepgeleget. Der Befehl selbst lautet, vom 19ten August 1771, also:

Nachdem Se. Majestät, zu desto besserer Bes förderung Dero Dienstes, und zu grösserer Ordnung in den öffentlichen Sachen, für gut befunden haben, die Verrichtungen, welche Dero ersten Collegiis, und Departements obliegen, dergestalt zu bestimmen, daß ein jedes insonderheit diejenigen Sachen, und Angelegenheiten besorgen soll, welche dessen wesentlichen Gegenstand ausmachen, oder mit demselben in Verbindung stehen st und da Sie bemerket, wie einige bisher den Kanzeleyen zugelegte Verrichtungen eigentlich zu den Departements ses Finanzcollegii hingehören: so haben Aller dchskdieselben nach genauer Unterftichung- beschlossen, folgendes festzusetzen: Erstlich verbleiben bey den beyden Kaiizeieycollcgiis, und sollen hlnführo zu ihrem Reßort gehören, die Expeditionen von allem dem, was angehet Cr. Majestät königlichen Hauses, und dessen Erb- Regierungs und Hvhei.'sgerechtsame; ungleichen die Bekantmachung der Gesetze, und deren Auslegung; wie auch der Untertanen persönliche Gerechtsame, und Vorzüge: folglich alle Lehnsbriefe, Naturalisationsbriefe, Standes- und Rangserhöhungen, und

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alle darüber auszuftrtigende Diplomata, Patente und Bestallungen. 2. Alle geistliche Kirchen- und Schulsachen, nebst der Aufsicht über die geistlichen Personen, wie auch pis Funda, und deren Verwaltung. 3, Die Justizverwaltung in Cmlibus, Ecclcfiafticus, und Criminalibus, sowohl überhaupt, als in denen Zwistigkeiten, welche in Cameral-Policey- ökonomischen, und Commercialsachen aufkommeli, nachdem solche vorher vor der beykommenden Jurisdiction sind ventilirt worden, und durch die Gesetze nicht entschieden werden können; imgleichen alle Extrajudicialsachen, das Erb- und Succeßionswesen in den Städten, und auf dem Lande; nicht weniger die Succeßionen in den festen Gütern; alle Testamente, Contracte, und Hypotheken, nebst dem Vormundswestn., Das gegen soll zweitens hinführo von dem Finanza collegio besorget, und mithin von den Kanzeleyen dahin übertragen worden: alles was der Kaufstädte innere Einrichtung angehet und zu den ecclefiafticis jurisdietionalibus, oder ein igen anderen vbbemeldeten OhjoLis nicht gehöret, folglich die Haushaltungen, und alle Nahrung in den Städten, und auf dem Lande; der Kaufstädte, Contributions- und Rechruurgswcsen; die ganze ökonomische, und Commercialpolicey; sie Ausfertigung der Reisepass, und Seepasse; nicht minder auch die Medicinal- und Hebammen- samt Pest-

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und anderen Gesundheitsanstalten. Auch befassen Sr. Majestät Kanzeleyen in Zukunft sich nicht weiter mit Handlungs- Fabriken- Innungs-Handwerks- und Marktsachen; auch nicht mit der Frucht- und Kornpvlicey; nicht weniger mit Maaß, Elle und Gewicht; nicht mit Marsch - Einquartierungs - Recruten- Landmilitz- oder See-Enrollirungsfachen; nicht mit Leich- und Dammungsanstalten; imgleichcn nicht mit der ökonomischen Verfassung der Zuchthäuser; nicht mit Anordnungen wegen des Dienstvolkes und Gesindes; nicht mit irgend einem Aßistenz- oder Leihehause, noch Lotterien; eben so wenig mit Wege- Drukken- oder Wasscrlritungssachen; auch nicht mit Wittwencassen, die für die Predigerwittwen allein ausgenommen; und überall nicht mit irgend einem Dinge, daß die Policen, und die ökonomische Verfassung in den Kaufstadten, und auf dem Lande angehet, so lange von allen diesen kein Proceß entstehet. Diese neue Einrichtung, und der Affair ren Unterscheidung sollen ihren Anfang mit dem ersten October dieses Jahres nehmen, bis zu welcher Zeit diese Sachen ferner abgemachet, und ausgeferkigèt werden sollen, wo sie bisher sind ausgefertiget worden. Vom angeführten Tage an aber hat sich ein jeder in diesen Sachen mit seinen Vorstellungen, Ansuchungen, und Berichten an das Collegium zu wenden, nach welchem Sr.

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Majestät selbige durch dieses Reglement hingeleget haben, wovon er Resolution gewärtigen kann.

Mit dem Gottorfischen Obergerichte wurde die Veränderung gemacher, daß die Stellen eines Kanzlers und Vicekanzlers eingiengcn; nur 6 Räthe bestellet wurden, wovon jeder einen District bekam; alle Sporteln der königlichen Caske berechenet werden musten; und dagegen jeder aus derselben ein verhaltnißmäßigs Gehalt bekam.

Zur Besorgung dev Handelungsangelegenhev ten wurde eine eigene Commerzdexulation, für die Bausachen aber eine Oberdirection niedergesetzet. Die Direction der vresunbischen Wollkämmer wurde der Kammer übertragen; und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Grafen von der Osten, welcher dieselbe bis dahin gehabt Hatte, sein jährliches Gehalt von vier tausend Lhalera Lis auf acht tausend vermehret.

Die Einfuhr der in den wutschen Landern des Königes verfertigten Manufacturwaaren wurde, gegen einen Zoll von sieben, und einem halben pro Cent, durch einen Befehl von dem Finanzcollegio kn die norwegischen, und dänischen Lander verstattet.

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Die Mährischen Bruder, oder so genannten Herrnhuter, erhielten, vermittelst eines königlichen Befehls vom 23sten December 1771, die Erlaubniß, sich in dein Herzogthum Schleswig, und zwar in dein Amte Hadrrsleben, niederzulassen. Es wurde ihnen auch die Erlaubniß gegeben, einzig und allein unter der Aussicht ihres Bischoses zu stehen, und keinen Eid zu leisten: alle gegen sie ergangene Verordnungen aber wurden aufgehoben.

Wegen der Armen zu Copenhagen wurde, unter dem i6ten November 1771, eine allgemeine Verpflegungsanstalt, zur Unterhaltung der Stadtarmen in gedachter Residenh, errichtet. Der dazu verordeneten Commißion wurden alle dem Armeuwesen, dem Waysen- und Erziehungshause bis dahin zugeteilete Einkünfte, und alle von den Lotterien fallende Vorteil angewiesen. Sie erhielt auch die Oberaufsicht über alle fromme Stiftungcu, deren Einkünfte gleichfalls zu diesem Zwecke angewendet werden sollten, daß allen Nothleidenden, ohne Unterschied, besonders den Hausarmen

geholfen; und der Müßiggang, und die Bettelei,auf alle mögliche Art, gehindert werde.

Eine andere Cabinetsordre, vom 4ten November 1771, setzete fest: daß bey den Departe-

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ments kein Collegium einem anderen Collegio, oder auch nuk einer unter ihm nicht stehenden Person einen Befehl, zur Nachlebung, erteilen; sondern deshalb unmittelbar an das Cabinet berichten sollte, welches allein die nötigen Befehle an die Behörde ergehen lassen werde. — Wer diesen Befehl, mit einigem Nachdenken, liefet, der wird leicht einsehen, daß durch denselben die Gewalt des damaligen Cabittetsministers, Grafen von Struensee, ungemein àusgêdehnet wurde. — Endlich wurden, bey dein Militärstande, solche Veränderungen vorgenommen, welche demselben zu einem nicht geringen Mißvergnügen gercichetrn; und in den Vorfall, vom 17ten Januar 1772, einen großen Einfluß hatten. Es wurde nemlich befohlen, daß kein Officier eher Urlaub bekommen sollte, als bis er ein Jahr bey dem Regimente Dienste gethan habe. Alle Chefs bey dem Kriegesrtat zu Wasser, und zu Lande erhielten den Befehl, daß jeder für die Tüchtigkeit derer Personen, welche er zur Beförderung Vorschlägen werde, stehen; und wenn sich solche fanden, die nicht fähig wären, ihrem Posten vorzustehen, solches berichten; auch von den Fehlern, und Vergehungen der unter ihm stehenden Officiers, und Gemeinen Rechenschaft geben solle. Ferner: daß alle Officiers, welche, wegen ihrer schlechten Aufführung, ihres Dienstes entlassen werden müste,

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ihre Abschiede, nur von dem Regimentschef unterschrieben, erhalten selten. Die Garde zu Fuße wurde abgedancket, und den Soldaten derer fünf Compagnien, aus welchen solche bestand, freygestellet, bey andern Regimentern Dienste zu nehmen; welches sie aber nicht thaten. Diese leztere zur Ersparung der Kosten gemachete Einrichtung gab zu einem Auflaufe der mißvergnügten Soldaten Gelegenheit; und man muske, um demselben zu steueren, Gewalt gebrauchen. — Zum Beschluß, dieser neuen Einrichtungen, will ich noch einige neue das Polyceyweftn betreffende Anstalten berühren. Alle Einwohner in Copenhagen musten die hervorragenden Dachrinnen abschaffen. Die Feyer des dritten Festtages in Weyhnachren, Ostern, und Pfingsten, des Tages dr drei-Könige, der Reinigung Maria, Johannis, der Heimsuchung Maria, Michälis, und aller Heiligen wurde eingestellet; und zugleich verordenet, daß alle diejenigen, welche öffentliche Schulen besuchen, nicht anders, als frei-willig, und mit ausdrücklichen Einwilligung ihrer Elfern, und Vormünder, unter die Soldaten genommen werden solte,

Dieses, ist nur eine ganz kurze Beschreibung dererjenigen Veränderungen, welche in Dannemark, teils kurz vor der Erhebung des unglücklichen Struensee, teils nach derselben, vorfielen;

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und von welchem man ihn fast ganz allein, als den Urheber, betrachten kann; ob man gleich zugeben muß, daß sein vertraueter Freund, der mit ihm gesturzete Graf von Brand einen großen Anteil an selbigen hatte. Denn man saget nicht zu viel, wenn man behauptet, daß Struensee, und Brand die machkigesten in Dännemark waren. Es wird daher meinen Lesern nicht unangenehm seyn, wenn ich ihnen eine kurze Nachricht von dem gewesenen Grafen von Brand — dem Mitgenoßen des Srruenseeschen Schicksales — zu leseil gebe.

Envold, oder Ewald Graf von Brand, gewesener königlicher dänischer geheimer Rath, Oberkleiderverwahrer, und Ritter des Mathiidenordens, war ein Sohn des verstorbenen königlichen bairischen Conferenzrathes von Brand. Er hat sein Gluck in Hofbedienungen gemacht. Am 15fen Junius 1755 wurde er Hofjunker; hernach Kammerjunker; und den 22sten Junius 1769 Kammerhert. Die regierende Königin gab ihm 1771 den Mathildenorden; der König aber (auf des damaligen Grafen von Struensee Empfehlung) die Aufsicht über die Schauspiele. In diesem Posten erwarb er sich des Monarchen vorzügliche Gnade; und wurde im Julius 1771, mit dem Struensee zugleich, in den Grafenstand

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erhoben, auch zum Ovenleiderbewahrer, und geheimen Rache, mit Beylegung des Titels; Excellenz, erkläret. Die Freundschaft dieser beyden Unglücklichen, gegen einander, war so groß, daß der eine nicht, ohne den anderen, leben konte. Doch ich komme wieder zu den Folgen, derer neuen Einrichtungen, zu welchen die Anschläge in diesen Leyden Köpfen waren geschmiedet worden. Da es aber teils zu weiklauftig; teils zu meiner Absicht nicht dienlich seyn würde, alles zu erzählen, was, als eine Folge so großer Staatsverande, rungen, angesehen werden fonte: so will ich mich hierüber nur mit wenigen Worten erklären.

Der König hatte, seitdem er zur Regierung gekommen war, die meisten Minister, welche, unter dem vorigen Könige, den größesten Anteil an der Staats, Verwaltung gehabt hatten, entfernet. Der neue Cabinetsininister äuderete die ganze Verfassung des geheimen Conseil, und ließ nur die auswärtigen Angelegenheiten, für welche er sich zu schwach fühlete, in den Händen des Grafen von der Osten. Das Cabinet hatte also alle Gewalt an sich gezogen; und es war natürlich, daß die alten vom Hofe entferneten Ministers, mit dieser neuen Einrichtung, die ihnen Ansehen, und Einkünfte nahm, unzufrieden seyn wüsten.

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Der Militärstand mumle ebenfalls ganz laut über die den Soldatendrenst, und andere Sachen betreffenden neuen Verordnungen; denn der Cabinetsnunisier dankete die Regimenter ab, deren Erhaltung ansehnliche Summen kostete. Er nahm den Garderegimenrern ihren gehabten Rang; und diese wiedàsetzeten sich ihrer im December 1771 vollzogenen Abdankung mit Ausübung verschiedener Thätlichkeiten. Sie zogen auf Las Schloß; wollen durchaus die Person ihres Königes bewachen; und musten, mit Gewalt, in die Castrmen zurück gebracht, und verwahret werden.

Die Abschaffung der Feyertage; die, wegen der Heyrathen zwischen Verwandten, aufgehobene Dffpensationes; und die, wegen des Ehebruches, ergangene Verordnung erweclete in einem Lande, welches den geistlichen Stand sehr hochschatzet, und unter einem an dergleichen Freyheiten nicht gewöhneten Volke, ein allgemeines Mißvergnügen: welches man aus den häufig an das Licht getretenen Schmaheschriften deutlich genug abnehmen kvilte. Unter dem gemeinen Volke, und besonders unter den Matrosen, entstand eine Gahrnng, welche einen Aufruhr befürchten ließ; und bey der Garde brach die Unzufriedenheit öffentlich ans.— Vielleicht mochte der damalige Graf von Struensee, bey vielen neuen Einrichtungen, die besten

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Absichten haben: aber die von ihm eingefuhreten Veränderungen waren nicht Mir gehöriger Klugheit eingefädelt. Sie folgeren zu geschwinde auf einander; und wurden nicht behutsam genug ausgeführek. Bey der schon auf sich gezogenen Mißgunst derer entferneten Minister, welche sämtlich aus alten dänischen Familien herstammeten, und also einen großen Anhang im Lande hatten, unterließ er noch, sich die Liebe des Militarstandcs zu erwerben — eines Standes, ohne dessen Unterstützung nicht leicht große Entwürfe ausgeführet werden. Man durfte demnach eben nicht der Scharfsichtigesie seyn, um eine große Veränderung schon in der Nahe zu entdecken. Alles verküudigete die wichtige Begebenheit, welche am 17ten Januar 1772 obgleich auf eine fehlgeschlagene Art, und wieder alles Vermuthm der beyden Hauptpersonen) auch würcklich erfolgete. Schon einige Wochen vorher wurden die Wachen, und die Bedeckung des königlichen Hauses verstärket. Der Artillerie wurde befohlen, beständig zehen scharf geladene Stücke in Bereitschaft zu hallen. Ja, Gtrucufte ließ die größesten Kanonen aus dem Zeughause auf die Walle, vor die Wachhäuser, und au die Stadtthore fuhren, und scharf Mit Kartätschen laden. Die Kanonen auf den Wällen wurden alle Abende, nach dein Zapfenstreich, so gegen die Stadt gerichtet, daß man die Sassen mit den-

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selben bestreichen fonte. Jeder Soldat empfieng 36 Patronen, und man sähe Tag, und Nacht Patrouilles auf den Gassen. Selbst auf dem Schloße wurden scharf geladene Kanonen hingcpsianztt. Diese fürchterliche Anstalten erregeten, bey allen Einwohnern in Copenhagen, ein nicht geringes Erstaunen. Einer fürchtete sich, vor dem anderen; und jeder gieng mit Furcht auf der Gasse, und legete sich mit banger Angst zu Bette. Den König selbst, zu welchem jeder, der ihn sprechen wolte, Mit einer Wache von zwey Soldaten geführt wurde, befremdeten diese ungewöhnliche Anstalten. Er fragete den Grafen Struensee (denn sonst war Niemand bey ihm) wozu alle diese fürchterliche Vorkehrungen dienen selten? — und dieser antwortete ihn: „Es geschähe alles zur Beschutzung der teueren Person des Königes. Denn alle Untcrthanen waren gegen Se. Majestät aufgebracht. Man befürchte daher, es möchte Sr. Majestät das Schicksal des unglücklichen Derer des gren, in Rußland begegenen." — Als der König dieses

horete, schlug er die Hande zusanrmen, und tief aus: „Mein Gott! was habe ich denn Bokses gethan, daß mich meine lieben, und getreuen Untertanen so hassen?" — Struensee führete verschiedenes an. Besonders (sagete er) gefalle dem Volke die ausserordentliche Steuer nicht, welche doch vor der Hand nicht geanderet wer-

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den könne. Der Monarch war hierüber sehr betrübt. — Indessen versageten Struensee, und Brand jedem Patrioten den Zutritt zu deur Könige; und wenn jemand vor denselben gelassen werden müsse: so war derselbe auch gezwungen, seine Cache kurz zu fassen, und sich sogleich wieder zu entfernen. Zulezt müsse jeder sein Anbringen schriftlich eingeben, und erhielt auch eine schriftliche Antwort. Alle Briefe an den König mußten an den Grafen Struensee abgegeben werden; und von diesem wurden sie dem Könige entsiegelt eingehändiget. Struensee und Brand waren beständig um den König. Jener gieng schon zu Sr. Majestät, ehe Dieselben noch ausgeschlafen hatten, und verließ den König nicht eher, als bis er zur Ruhe war. In wahrender Zeit, daß Struensee den dem Könige war, hielt sich Brand im Vorzimmer auf; und wenn etwa» einer von ihnen abwesend styn musse: so wurde der Wache, und den Bedienten, bey Vermeidung der höchsten Ungnade, verbothen, niemanden, wer er auch fen, sich dem Zimmer des Königes nähern zu lassen; weil Sr. Majestät sich nicht wohl befänden. Wollte der König ausfahren, oder reiten, und Struensee, und Brand fanden es nicht für rathsam; so wüsten sie dem Könige Ärzeneyen beyzubnttgen, nach welchen er sich übel befinden, und zu Hause bleiben muste.

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Man saget, daß des Königes Gesundheit dadurch merklich gefchwachet worden sey. Konten sie es aber nicht verhüten, daß der König ausfuhr, oder sich mit dein Reiten eine Bewegung inachete: so waren sie doch an seiner Seite; und eine starke Escorte hatte den König umringet, daß Niemand zu ihm treten konte. Dieses Verfahren fetzeten sie so lange fort, bis sie endlich, nachdem sie sich schon, in zweyen Nachten, vergebens bemühet hatten, ihre Anschläge zu vollziehen, die merkwürdige, für Dannemarck unvergeßliche Nacht, vom 16ken auf den 17ten Januar 1772, zur Ausführung ihres Vorhabens bcstinnneten; und solches einigen zu ihrer Unterstützung nötigen Herrn (den Generalmajor von Eichstädt, und den Obersten von Köller ausgenommen) entdekketen. Am i4ten Januar wurde demnach der Generalmajor von Eichstädt zur königlichen Tafel eingeladen; und er erschien auch. Nach aufgehobener Tafel rief ihn der Graf Struensee in «in Nebenzimmer, legete ihm, in Gegenwart einer hohen Person, den ganzen Plan vor; erklarete ihm denselben; forderte ihn, und sein Regiment, juin Beystande auf; und gab ihm Len Auftrag, dem Obersten von Roller, im Namen einer hohen Person, und in seinem Namen, eben denselben Plan, und Befehl mitzuteilen: damit derselbe sich ebenfalls mit seinem Regiment, zur bestimme-

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ten Zeit, bereit halten fonte, um, wenn man an Len König die letzte Hand geleget hatte, und etwan die Einwohner von, und ausserhalb Copenhagen, der Königin Carolina Maehilva, als regierenden Königin, und ihm, dem Grafen Struensee, als Mitregeutett, nicht sogleich huldigen, oder eine Empörung erregen Wolken, ihnen Mit gewaffeneter Hand beyzustehen; über welches alles die anderen Officiers nähere Verhaltungsbefehle empfangen wurden. Zugleich wurde dem Generalmajor von Eichstädt befohlen, nicht eher, als nach erhaltener Erlaubniß, vom Schlosse zu gehen. Dieser rechtschaffene Officier muste versprechen, jene Befehle auf das genaueste zu erfüllen; und er nahm dabey den Schein der aufrichtigesten Treue an. Dieses gereichete dem Struensee, welcher seine kühnen Entwürfe schon für vollzogen hielt, zu einem ausserordentlichen Vergnügen.

Am 16ten Januar, des Abends, wurde in dem französischen Comödienhause ein Ball en Domino gehalten, und mit demselben der Anfang zu den Winterlustbarkeiten in Copenhagen gemachet, wohin sich der König, nebst der Königin, am 9ten Januar begeben hatte. Die Gesellschaft war sehr zahlreich. Der König erlustigete sich einige Zeit mit Tanzen. Hierauf spieleten Se. Majestät mit dent Generallieutenant von Gähler, mit dessen

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Gemahlin, und mit dem Justizrathe Struensee, alteren Bruder des Cabinetsmmistcrs, Quadrille. Um Mitternacht horete der König auf, zu spielen; und erhob sich in sein Schlafzimmer; worauf auch die übrige Gesellschaft auseinander gicng.

Nunmehr solte die lezte Hand an ein Werk geleget werden, welches, wenn es gelungen wäre, die Welt in ein Erstaunen gesetzet haben würde. Die Nacht vom 16ten, zum 17ten Januar, war zur Vollendung desselben vorzüglich bequem, weil, wegen des Balles, die Wachen des Schloßes ohnedies verdoppelt waren, und das Falstersche Regiment zu Fuß, dessen Chef der Oberste von Röller war, an diesem Tage die Wache auf dem Schloße, und auf allen Posten, in der Stadt, hatte. Die Vorsehung aber hatte es sich Vorbehalten, alle dabey gebrauchte Vorsicht zu vereitelen. Ihr erstes Werkzeug hierzu war der Generalmajor von Eichstät. Dieser würdige Patriot, dem Vielleicht noch die Enkel der jetzigen Danen Ehrensäulen bauen werden, erhielt den Befehl, unter wahrendem Ball zu Hause zu fahren, und die nötigen Ordres zu erteilen. Er war aber kaum in sein Zimmer getreten, als er alle seine Bedienten von sich schickete, sich heimlich umkleidete/ unvermerkt aus seinem Hause schlich, sich zu dem Generallieutenant, Reichsgrafen von Ranrau zu Aschberg, verfüge-

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te, und demselben das ganze Geheimnis entdeckete. Dieser gerieth darüber in die großeste Bestürzung; er faßete sich aber sogleich Wieder, und begab sich, mit dem Generalmajor von Eichstädt unverzüglich zu der verwiftweten Königin Juliana Maria, Und zu dem Erbprinzen Friederich, um diesen beydn hohen Personen den schwarzen Anschlag des Struensee zu verrathen. Es wurde auch zu dem Obersten von Rätter, und zu dem Grafen von Oer Osten geschickt, um selbige rufen zu lassen. Als diese vier ruhmwürdige Männer, der Genes ralticutenant, Reichsgraf von Ranrgn zu Aschberg, der Generalmajor von Eichstädt, der Oberste von Köller, und der geheime Rath, Graf von der Osten, beysammen waren, und der verw itweten Königin, wie auch dem Erbprinzen, welche beyde, durch die ihnen Hinterbrachte Nachricht, in ein Schrecken gesetzet waren, nicht nur Muth zugefprochen, sondern auch die Möglichkeit, den ganzen abscheulichen Plan des Srruecsce auf einmal zu zerreißen, gezeiget hatten, bath sich der Graf von Ranzau Papier, Dinte, und Feder aus, und schrieb die nötigen, auf die bevorsieheirde Veränderung sich beziehenden Befehle. Gegen vier Uhr, des Morgens, waren diese Befehle, bis zur Unterschrift des Königes, fertig. Hierauf begaben sich die verwittwcte Königin, Julian» Maria, Stiefmutter des Königes, und der Erbprinz Frie-

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drich, Halbbruder des Königes, von obengenenneten vier Patrioten begleitet, nach dem Zimmer des Königes, und befahlen dem Kammerdiener Burghell, den König aufzuwecken. Als sie in das königliche Zimmer traten, schlug der König den Vorhang von seinem Bette weg, und sagete! „Mein Gott! was wollen Sie?" — Die ver wittwete Königin antwortete ihm: „Ihre Majestät, mein Sohn! fürchten Sie Sich nicht. Sie sehen uns hier nicht, als Feinde, sondern als Ihre

wahre Freunde; und wir kommen — —" Hier

fieng sie an, häufige Thränen zu vergießen. Der Erbprinz Friederich, und der Graf von Ranrau nahmen das Work; Pind erzahleten dem Könige die ganze Sache. Der Graf von Ranzau zog, nachdem er dem Könige mit Vieler Bescheidenheit, und mit einem lebhaften Eifer für die Erhaltung Sr. Majestät, zu verstehen gegeben hatte, daß kein Augenblick zu versäumen sey, die ausgescrtigeten Befehle aus der Tasche hervor, und legete selbige dem Könige zur Unterschrift hin. Se. Majestät schienen, Sich noch zu bedencken; und sageten: „Mein Gott! dies wird ganze Ströme von Blut kosten." — Der Graf von Ranzau versicheretc den König, daß er alle Gefahr auf sich nehmen, und dem Blutvergießen, auf alle mögliche Art, Vorbeugen wolle. Die verwittwete Königin, der Erbprinz Friederich, und die übri-

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gen Anwesenden, bathen ebenfalls den König, keine Zeit zu verliehren: worauf der König sich entschloß, die ihm vorgelegeten Befehle zu unterschreiben; obgleich die dem Monarchen angebohrene Menschenliebe ihm die Hand zurück zu halten schien.

Die von dem Könige unterschriebene Befehle wurden also an verschiedene Officiers von dem Erchstädtlschen und Röllerschen Regiment, zur Befolgung, ausgeteilet; und es war nur noch der einzige Befehl notig, vermöge dessen eine hohe Person in Sicherheit gebracht werden sollte. Man überließ es dem Könige, denselben eigenhändig auszufertigen. Der Monarch ließ dabey einige Rührungen merken, und trug die Ausführung des von ihm geschriebenen Befehles dem Reichsgrafen von Rantzau auf. Der Generalmajor von Eichstädt, Chef des in Copenhagen stehenden Seclandischen Dragoncrregimenks, wurde, an die Stelle des Generalmajor von Gude, durch einen vom Könige eigenhändig unterzeicheneten Befehl zum Commendanten von Copenhagen ers nennet, und demselben zugleich befohlen, zur Gefangennehmung der ihm bewußten Personen solche Anstalten zu tressen, daß derselben keine Hinderniß in den Weg geleget werden könne. Dieser General fetzete sich sogleich an die Spitze

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eines Detachement Dragoner von dem Seelandischen Regiment; machete allen die Wache habenden Officiers seine Ernennung zum Commendanten bekannt; schickte hinlängliche Patrouilles, zur Sicherheit der Straßen, aus; verstärkte die Schloßwache mit 40 Mann von der Artillerie; und ließ alle Hauptthüren, und Zugänge, besonders zu des Königes Zimmer, mit Wachen besezzen. Als dieses geschehen war, wurden der Graf Struensee, und sein Bruder der Justizrath, der Graf Brand, der Generalmajor von Gude, gewesener Commendant, nebst seiner Gemahlin, und der Generallieurenant von Gähler, mit seiner Gemahlin, in Verhaft genommen, und jeder an einen besonderen Ort auf die Citadelle gebracht. Die Gefaugennehmung des Grafen Srruenscr wurde dem Obersten, und Chef des Falsterschen Regiments, von Roller, aufgetragen. Er gieng daher, von den Hauptleuten von iNalville, von Franck, und von Eiben begleitet, nach dem Pallaste des Grafen Struensee, und kundigere demselben alt, daß er von dem Könige bei, Befehl erhalten habe, ihn in Verhaft zu nehmen. Struensee fragete ihn: ob er wohl wisse, was er spreche; und wem er diesen Befehl ankändige? Der Oberste antwortete ihm: „Ja, ich weiß es wohl, wer Sie sind. Sie waren Graf, und Cabmetsminister, über jetzt sind Sie mein Gefange-

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ner." — Der Graf Struensee, welcher nur Zeit zu gewinnen sucheke, wollte den schriftlichen Befehl des Königes sehen; da es aber dem Obersten von Böller nur mündlich befohlen worden war, den Grafen Struensee gefänglich einzuziehen: so gab dieser dem Struensee zur Antwort: „Ich kann Ihnen zwar keine schriftliche Ordre vorzeigen: aber ich siehe mit meinem Kopfe davor, daß mir der Befehl vom Könige gegeben worden, Sie zu arretiren." — Der Graf wollte sich dennoch nicht ergeben. Der Oberste setzte ihm den Degen auf die Brust, und sagete in einem sehr ernsthaften Tone zu ihm: „Ich habe Ordre, Eie entweder lebendig, oder todt, zu bringen." — Struensee sanck ohnmächtig auf seinen Sofa nieder. Als er sich wieder erholet hatte, verlängere er eine Schaale Chocolate; sie wurde ihm aber abgeschlagen. Hierauf forderete er sein Etuis, welches ihm ebenfalls versaget wurde. Der Oberste rieth ihm, sich nicht lange aufzuhalten, sondern zu eilen, daß er noch, vor dem Anbruche des Tages, aus seinem Pallast komme; weil er ihn sonst, vor der Wuth des erbittereten Pöbels, nicht wurde beschützen können. Er bequemere sich also, dem Nathe des Obersten zu folgen; und sein Zimmer, nachdem er sich noch einige mal in demselben, besonders nach einem gewissen Gemälde, umgesehen hatte, zu ver-

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lassen. Im Weggehen fluchete er liber seinen Cammerdieuer, daß derselbe vergessen habe, ihm seinen Peis mitzugeben; stieg mit den Zähnen knirschend in die zu feiner Hinwegbringung herbcygeholcte Miethskutsche; und wurde nach der Citadelle gebracht. Als er aus dem Wagen stieg, bath er, man möchte dem Kutscher ein Trinkgeld geben. Der Oberste von Köller gab demselben einen Thaler. Der Miethskutscher bedankete sich, und sagete, auf gut Dänisch: "Ich hakte es auch wohl umsonst gethan,“ — Struensee wurde hierauf zu dem Commendanten der Festung gebracht, um bey demselben gemeldet zu werden. Er fiuchete, als er bey demselben ankam, entsetzlich: der Commendant aber hieß ihn schweigen. Don dem Coinmendanten wurde er auf die Citadelle, in das fur ihn bestimmete Gefangniß, in welchem der bekannte Norcros so lange gesessen hat, gebracht. Er machete, bey dem Eintritte in dasselbe, große Augen, und fragete den ihn begleitenden Officier: „Wo sind meine Bedienten?" — Der Officier antwortete ihm: „Ich habe nicht gesehen, daß Ihnen einer von Ihren Bedienten gefolget fey.“ — „Aber mein Secrétaire?"— „Der ist auch nicht hier." — „Meisten Pelz muß ich haben. Zum Hencker, es ist hier ja kalt! — und ich habe nicht Lust, zu ers frieren,“ — Bey der Erblickung eines schlech-

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lett hölzernen Stuhles sagete er: „Was soll dieser elende Stuhl hier? Man bringe mir melonen Sofa her!" — Der Officier erwiederete mit einer frostigen Mine: „Mein Hert! hier ist nichts zu Ihren Diensten, als ein Nachtgeschirt." — Durch diese Antwort gerieth er in die äußerste Wuth; schlug beyde Arme zusammen; und lief mit dem Kopfe gegen die Wand, um sich die Hirnschale zu zerschmetteren: aber die Wache eis lete Herbey, und hinderete ihn an seinem vers ziveifelungsvollen Vorhaben. Der Officier, welcher die Wache bey ihm Hatte, berichtete fein Betragen, welches ihm die Unbequemlichkeit zuzog, daß er, mitten in dem Gefängnisse, an Handen, und Füßen, auf dem Fußboden, angeschlosisen wurde, damit er sich keinen Schadenzufügen fonte, Dieses verdroß ihn mehr, als alle übrige Vegegenungen; und er rief zornig aus: „Man tractirt mich ja en Canaille."

Der Graf Brand mochte vielleicht, durch seine Leute/benachrichtiget worden seyn, daß ein Officier mit einer Wache im Hause sey: denn er verschloß sich in seinem Zimmer. Als der Officier, welcher von dem Seelandischen Dragoner? regimente war, die Thüre verschlossen fand, rief er dem Grafen Brand zu: er möchte sich, wie rin vernünftiger Mann, betragen, und die Thüre

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aufmache; sonst müste er sie erbrechen lassen. Hierauf öffenete er die Thürc, und weite sich mit dem Degen in der Hand, verteidigen. Als ihn aber die Wache anfiel, um ihn zu entwaffeneu, warf er den Degen von sich, turd sagete: „Das muß ein Mißverständniß seyn. Ich bin ein Staatsminister; und ich habe nichts verbrochen, weshalb man mich arretireu könte." — Der Officier zeigere ihm in dem bey sich habenden Befehl, seinen Vornamen; und antwortete ihm: ,,Es ist kein Mißverstand,iiß. Kommen „Sie nur mit. Das Uebrige wird sich wohl finden." — Er beugete sich unter sein Schicksal, und wurde auf die Citadelle Fciedcrichshafen gebracht. Als er daselbst in des Commendanten, des General von -Howen, Behausung abgetreten war, machete er dem Commendanten ein besonderes Compliment: „Mein Hert! (sagete er zu demselben) nehmen. Sie es nicht übel, daß ich Sie schon so früh incommodire." — „Gar nicht, mein Hert! (antwortete der Commendant) man hat Sie hier schon laugst erwartet." — Hierauf gieng der Graf Brand in dem Zimmer auf und nieder; sähe sich überall um; sang eine italienische Arie, und sagete endlich: „Hier sind, bey meiner Seele! hübsche Zimmer im Casteel." — „Ja, mein Hert! (erwiederete der Commendant) Sie werden aber

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noch schönere Zimmer zu sehen bekommen.“ — Nach einigen Augenblicken wurde ihm sein Gefängniß angewiesen. Es war ziemlich dunkel. Als er in dasselbe hineintrat, fieng er in einem scherzhaften Tone zu seinen Begleitern an: „Bey meiner Treue! der Commendant hat wargesaget." —

Unterdessen hatte der Oberste von Köller sich auch zu dem Generallieutenant von Gähler verfüget, um demselben, und seiner Gemahlin, den königlichen Befehl vorzuzeigen, und beyde in Verhaft zu nehmen. Die Gemahlin des Generallieutenant, weiche im bloßen Hemde aus dem Bette gesprungen war, wolte durch eine Hinterthüre entfliehen; sie fand aber selbige mit zwey Dragonern besetzet; und wurde, nebst ihrem Gemahl, auf die Citadelle gebracht. Sie ist aber nachher, weil man sie unschuldig gefunden hat, wieder loßgelassen worden. — Der Cammerherr, und Oberste von Falkenskiold, der Contreadmiral Hansen, der Etatsrath Willebrand, der Justizrath Struensee, der Lieutenant Struensee, Brüder des Grafen, der Leibmedicns, und Professor Berger, der Stallmeister/ Freyherr von Bülow, der Oberstlieutenant Haßelberg, und der Lieutenant vom Seestaat Abor wurden teils auf die Citadelle Friederichshafen, teils nach dem Schifsholm, teils auf die Hauptwache, teils nach ande-

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ren Verwahrungsplätzen gebracht. Der gewesene Commendant von Copenhagen, und Generalmajor Gude, einige Cabinetssecretairs, und andere mehr, wurden in ihren Häusern bewachet. Alles dieses wurde mit so großer Geschwindigkeit vollzogen, daß schon um fünf Uhr des Morgens alle Staatsgefangene in sicherer Verwahrung waren.

Dem Generallieutenant, Grafen von Rantzau Ascheberg, war aufgetragen worden, sich zu der regierenden Königin zu begeben, und sie bis an den Wagen zu begleiten, in welchem sie nach dem Schlosse Kronenburg, bey Helsingör, fahren sollte. Er gieng daher mit dem von dem Könige eigenhändig geschriebenen Befehle, von dem geheimen Rathe, Grafen von der Osten, und von drey Officiers begleitet, unangemeldet in das Zimmer dieser hohen Person, welche im Bette lag. Sie schlug den Vorhang ihres Bettes zurück, und fragete: „Wer ist da? Ha, sind Sie es doch, Monsieur Rantzau! Wir stehen die Sachen? Wo sind Struensee, und Brand?" Ohne ihr auf diese Fragen zu antworten, übergab ihr der Generallieutenaut, im Namen des Königes, den bey sich habenden Befehl. Sie las denselben, mit großer Bestürtzung, und sagete zu dem Grafen von Rantzau: „Was? Er will mich arretiren? Das soll ihm den Kopf kosten. Wo

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find Struensee, und Brand?" — "Sie sitzen schon (antwortete der Graf) in sicherer Verwahrung auf der Citadelle." — Als er ihr hierauf im Namen des Königes, nochmals den Arrest ankündigete, sprang sie erbost aus dem Bette, und lief unangekleidet in dem Zimmer auf und nieder. Der Graf hielt den Hut vor die Augen, und bath sie, sich ankleiden zu lassen; weil er sonst gezwungen wäre, Anstalten zu ihrem Ankleiden zu machen. Er rief auch einige Kammerfrauens herein, von welchen die eine ihr einen Rock überwarf. Die Königin hieng sich selbst eine Enveloppe um, und wollte, eine verborgene Treppe hinab, die Flucht ergreifen. Aber die Treppe war mir einer Wache von zwey Dragonern besetzet. Sie muste also wieder in das Zimmer zurückgehen: und der Graf führete sie, nachdem man ihr noch einige Kleidungsstücke angeleget hatte, in Begleitung der Lieutenants Bay, Pech und Oldenburg, bis an den auf sie schon wartenden Wagen. Die Königin nahm die am 11ten Julius 1771 gebohrene Prinzeßin, Louise Auguste, welche sie noch stillete, und die Hofdame, das Fräulein von Mösting, mit in den Wagen. Die Hofdame setzete sich neben die Königin, und hatte die Prinzeßin auf dem Schooße. Der Oberwachtmeister von dem seeländischen Dragonerregimente, Holte von Karstenschiold, setzete sich mit

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entblößetem Degen, rückwerts, und brachte die Königin, unter einer Bedeckung von 30 Dragonern, nach Kronenburg.

Das Bolk erfuhr diese ausserordentlichen Begebenheiten, welche sich, in einer Zeit von ohngefehr zwey Stunden, angefangen, und auch geendiget hatten, erst mit dem Anbruche des Tages. Denn obgleich schon gegen 6 Uhr die ganze Begebenheit vorbey war; und obgleich die meisten Einwohner in Copenhagen durch das viele Fahren, und Reiten munter, und aufmerksam gemachet worden: so wagete es doch niemand, vor Tage aus dem Hause zu gehen. So bald aber der Tag anbrach, und das Gerücht von einem so unerwarteten Vorfalle sich in der Stadt ausbreitete, stürzeten die Menschen häufig aus den Hausern hervor; und jeder gab seine Freude, auf die lebhafteste Art, zu erkennen. Mitten unter diesen allgemeinen Freudenbezeugungen erfüllete eine Nachricht, welche ein wildes Schrecken verursachete, die ganze Stadt. Es hieß: dem Könige sey ein unangenemer Zufall begegenet. Das Volck, welches seinen König recht patriotisch liebet, versammelete sich, in zahlreicher Menge, auf dem Schloßplatze; und es wurde nicht eher wieder ruhig, als bis sich der König, von der verwittweten Königin Juliana Maria, und von dem Erbprinzen

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Friederich begleitet, auf dem Balcon des Schlosses sehen ließ. Bey dem Anblicke des Monarchen rief das Volck, in weitumherschallenden Jubeltönen: Es lebe der König! — Was sonst noch an diesem merkwürdigen Tage, vorgieng — die ausschweifende Freude des Volkes, die aus selbiger entstandene Zerstöhrung einiger Häuser, und die dagegen vom Hofe vorgekehrten Anstalten, übergehe ich mit Stillschweigen; und wende mich wieder zu den beyden Hauptgegenständen dieser Beschreibung — zu den Grafen Struensee, und Brand.

Struensee muß vermuthlich in seinem Gewissen überzeuget gewesen seyn, daß er ein schweres Verbrechen begangen habe, und daß man ihm eine empfindliche Strafe zuerkennen werde: denn er hat verschiedene Versuche gemacht, sich, durch einen heimlichen Selbstmord, die Schande, und den Schmerz einer öffentlichen Hinrichtung zu ersparen. Er war kaum eine halbe Stunde in seinem Gefängnisse, als er sich stellete, als wenn er heftige Zahnschmerzen hätte, und recht beweglich bath, jemanden auf sein ehemaliges Cabinet zu schicken, und ihm ein daselbst vor dem Fenster liegendes, die Zahnschmerzen stillendes Pulver hohlen zu lassen. Man ließ das Pulver hohlen; der Etatsrath, und Leibmedicus Berger aber, welcher

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es untersuchen muste, fand, daß es ein starkes Gift war. Daher ihm weder dieses, noch ein anderes Zahnpulver, gegeben wurde. Als ihm dieser Versuch mißgelungen war, wolte er sich sein Leben, durch den Hunger, verkürzen. Er nahm weder Speise, noch Tranck, zu sich. Einige Tage ließ man ihm seinen Willen, weil man glaubete, er hätte keinen Appetit, und der Mangel des Appetits wäre eine natürliche Folge des ihm begegeneten unangenehmen Zufalles. Sobald man aber seine Absicht merkete, wurde er mit Gewalt zum Essen, und Trincken gezwungen. Man gab ihm aber weder Löffel, noch Messer, noch Gabel; sondern das Essen wurde ihm geschnitten, und in den Mund gegeben. Dieses ließ er sich ein Paar Tage gefallen. Endlich versprach er, sich vernünftiger aufzuführen; und ließ um ein gelinderes Verfahren bitten. Seine Bitte wurde auch in so weit erhöret, daß er kreuzweise geschloffen, ihm eine an die Wand befestigere drey Ellen lange Kette an das Bette geleget, auch ein Bette, auf welchem er ganz bequem liegen konte, gegeben wurde. Uebrigens hatte er, wie ein gemeiner Missetäter, ein Camisol von blauem Frieß, ohne Knöpfe, anlegen müssen. Es waren ihm auch von seinen übrigen Kleidungsstücken die Knöpfo abgeschnitten worden, weil er einige davon abgedrehet, und, um seinen Todt zu beförderen, ver-

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schlucket hatte. In dem Etuis um welches er, bey seiner Gefangennehmung, so sehr gebeten hatte, wurden drey kleine Kügelchen gefunden, welche, nach dem Urteile des Etatsrathes, und Leibmedici von Berger, ein langsam würkendes Gift enthielten. In den ersten Tagen seiner Gefangenschaft bekam er, zu seinem Unterhalte, täglich nur zwölf Groschen; welche aber hernach, bis auf einen Thaler, vermehret wurden. Hiervon verzehrete er nur die Hälfte; und lebete überhaupt, in seinem Gefängniße sehr mäßig. — Als er zum ersten Male vor der Inquisitionscommission, welche aus den berühmtesten Rechtgelehrten bestand, und sich täglich einige Stunden mit der Untersuchung der ihm, und den übrigen Staatsgefangenen weggenommenen Papiere beschäftiget, erscheinen muste, schien er im Anfange, etwas von seiner Fassung zu verliehren; er zwang sich aber zu einer gewissen Standhaftigkeit, und gab der Commission sogleich zu verstehen, daß er alle ihm vorgelegete Fragen, mit der ihm natürlichen Offenherzigkeit, beantworten würde: welches er auch so genau erfüllete, daß es der Commission wenig Mühe kostete, das Bekäntnis seines Verbrechens von ihm herauszubringen. Bey währender Untersuchung legete der berühmte Gottesgelehrte in Copenhagen, Doctor Münter, öftere Besuche bey ihm ab. Er unterredete sich mit ihm von der

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Religion; er gab ihm gute moralische Bücher, und besonders Gellerts moralische Vorlesungen zu lesen: und Struensee wurde durch die Bemühungen dieses Geistlichen, und durch die mitwürkende Gnade eines höheren Wesens, aus einem sogenannten Freygeiste, wieder ein Christ. Er arbeitete an seiner eigenen, und an seiner Mitgefangenen, des Grafen Brand, und seines älteren Bruders Bekehrung, mit einem aufrichtigen Ernste. An beyde schrieb er öfters Briefe; und ließ sie auch mündlich an die Sorge für ihre Seele erinneren.

Der Graf Brand unterschied sich, von ihm, durch eine Munterkeit, welche seinem Zustande gar nicht angemessen zu seyn schien. Er sang italienische Arien. Er spielete auf der Flöte, und erzählete denen Officiers, welche bey ihm die Wache hatten, seine gehabten Liebeshändel. Dennoch verlangete er den Zuspruch des Probstes Hee, welcher auch fleißig zu ihm gieng, und ihn beständig sehr ernsthaft fand; obgleich Brand zuweilen noch kurz vorher, mit vieler Laune gescherzet, und unter andern einst zu einem Officier gesaget hatte: „Wenn ich den schwarzen Mann kommen sehe: so deucht mir immer, als wenn mir der Kopf wackelte. Indessen merken Sie Sich, wo wir aufgehöret haben. Wenn er weg seyn wird, will

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ich weiter fortfahren." — Vor der Inquisitionscommission hat er sich ebenfalls sehr freymütig bezeiget; und in der lezten Zeit seiner Gefangenschaft soll sich auch sein aufgeräumtes Wesen ziemlich verrohren haben.

So lebeten diese beyden Staatsverbrecher, und erwarteten ihr Urteil, dem äusseren Scheine nach, ganz ruhig, bis sie den entscheidenden Tag erlebeten, an welchem ihnen dasselbe bekant gemacht wurde. Der 25ste des Aprilmonats war der, für sie, höchstschreckiiche Tag, an welchem sie, aus den Händen ihrer Advocaten, ihr. Todesurteil empfiengen. — Nachdem die Inquisitionscommißion selbiges, am bemeldeten Tage, vor Mittage, gesprochen hatte, wurde es dem außerordentlich versommeleten Etatsrathe (in welchem aber der König nicht gegenwärtig war) vorgeleget. Nach Mittage war der Etatsrath abermals versammelet: und als Se. Majestät von Charlottenlund, wohin Sie, um daselbst das Mittagsmal einzunehmen, gegen 3 Uhr nach Mittage von Copenhagen weggefahren waren, gegen 7 Uhr wieder zurück kamen, verfügeren Sie Sich in den Etatsrath, bestätigeten daselbst das gefällete Urteil, und erhoden Sich hierauf in die italienische Oper. Dieses Urteil wurde, bey offenen Thüren, so laut vorgelesen, daß es jeder von den herbeygerufenen Einwohnern von Copenhagen deutlich hören konte. Den beyden Gefangeren wurde es schon des Mittages um 12 Uhr bekannt gemacht. — „Ich habe Ihnen (sagete der Procurator Uldall zu dem Grafen Struensee) eine sehr unangeneme Nachricht zu bringen." — „Sie kommt mir (erwiederete dieser) nicht unerwartet." — Er nahm ihm hierauf das Urteil aus der Hand; las es

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mit vieler Gelassenheit, und ohne eine Mine zu veränderen, ganz durch; gab es ihm wieder zurück, und sagete: „Das ist noch gnädig genug! „Ich glaubete, ich würde lebendig gerädert werden." — Er erkundigete sich nach dem über den Grafen Brand gefälleten Urteile; und als er erfuhr, daß es mit dem seinigen ganz gleichlautend sey, schien dieses ihn mehr, als sein eigenes Schicksal zu rühren. Einer von den Umstehenden bezeigete seine Verwunderung über die Gelassenheit, mit welcher er sein Todesurteil gelesen hatte; und Struensee antwortete: „Ich habe mir schon längst einen solchen Ausgang der Sache vorgestellet, und mich bey Zeiten auf denselben vorbereitet." — Brand empfieng sein Urteil ebenfalls noch mit ziemlicher Gemütsfassung. Als er aber am folgenden Morgen hörete, daß er nicht, wie sonst gewöhnlich des Sonntages geschah, rasiret werden sollte, (welches auch bey dem Struensee unterblieb) ließ er auf einmal den Muth sinken. Zu dem Officier, welcher bey ihm die Wache gehabt hatte, sagete er, als derselbe von ihm gieng: „Leben Sie wohl! mein Lieber! Grüßen Sie alle Ihre Kameraden vom Regiment, die ich in meinem Gefängnisse habe kennen gelernet, und sagen Sie ihnen, daß ich ihnen allen von Hertzen recht viel Gutes wünsche." — Der Probst Hee war, von dem 25sten April an, fast beständig bey ihm: und der Doctor Münter verließ den Struensee ebenfalls nicht. Am 27sten Aprill, vor Mittage, empsiengen beyde, aus den Händen ihrer Seelensorger, das heilige Abendmal mit vieler Rührung. Das Urteil über den Struensee war fünf Bogen starck. Es wurde ihm in demselben folgendes zur Last geleget: Die Amnaaßung einer allzugroßen Gewalt; die Vervorteilung der königlichen Cassen um mehr,

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aIs 15 Tonnen Goldes; die Verfälschung einer Aßignation; die Abdankung beyder Garden; die verdächtigen Anstalten, welche er in Copenhagen machen lassen u. a. m. — Brand wird in seinem Urteile beschuldiget: daß er um dieses alles gewußt, und noch uberdem unmittelbar ein Verbrechen gegen die geheiligte Person des Königes begangen habe. Die Urteile selbst lauten also: „Graf Johann Friederich Struensee, hat nach des dänischen Gesetzes 6 B. 4 C. A. 1. (welches im Leutschen also lautet: Wer den König, oder die Königin, lästert, oder auch ihnen, oder ihren Kindern nach dem Leben trachtet, soll Ehre, Leben, und Guter verlustig seyn; feine rechte Hand soll ihm beym Leben abgehauen werden, und hernach der Kopf; sein Körper gevierteilet und aufs Rad gepflochten, Kopf und Hand auf einen Pfahl gesteckt werden) sich selbst zur wohlverdienten Strafe, und anderen Gleichgesinneten zum Exempel und Abscheu Ehre, Leben, und Gut verbrochen, u. verdient, seiner Gräflichen u. andere ihm verliehenen Wurden entsetzt zu werden, auch sein Gräfliches Wapen vom Scharfrichter zerbrechen zu sehen. So soll auch dem Johann Friedrich Struensee, weil er noch lebet, zuerst die rechte Hand, und dann der Kopf abgehauen, hierauf aber sein Leib geviertheilet, und die Stucke aufs Rad geflochten, Hand und Kopf aber auf einen Pfahl gestecket werden." Eben diese Strafe wurde auch dem Brand zuerkant.

Diesem Urteile zu folgen wurden beyde Delinquenten, nachdem sie in der lezten Nacht noch ganz ruhig einige Stunden geschlafen hatten, am allsten April des Morgens gegen 9 Uhr, ein jeder besonders in einer Wethskutsche, in welcher ein Officier, und zwey Unterofficiers saßen, aus der Citadelle, nach dem vor dem Osterthore errichteten Schafot, welches

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9 Ellen Hoch, und 8 Luen breit und lang war, gefahren, DiesesGerüst ruhete auf vier bekleidetenPfeilern. Der Generalfiscal Vivet, des Königes Voigt, der Etarsrath Ortved, welcher mit einem, bey solcher Gelegenheit gebräuchlichen großen Degen von Messing umgürtet war, und dessen Gevollmachtigter, welcher die beenden zu zerbrechenden Wapen hatte, fuhren von vielen Polyceybedienten begleitet, vor ihnen her. Hinter diesen folgere der Wagen, in welchem der Graf Brand saß, und in einem Buche las. In dem dritten Wagen saß der Graf Struensee. Die Seitenfenster an den Wagen waren niedergelaßen, damit die Delinquenten von jedem gesehen werden konten. Die Heyden Geistlichen hatten sich vorher bey dem Richtplatze eingefunden. Der Probst Hee empfieng den Grafen Lrano, gieng mit ihm auf das Schafot, und redete etwan eine Viertelstunde mit ihm, worauf der Scharfrichter das gräfliche Brandsche Wapen zerbrach, und auf die Erde warf. Brand ließ seinen Belz zurück fallen, gab feinen mit einer goldenen Treske besetzten Huth von sich; zog sich selbst sein grünes Kleid, weiches ebenfalls mit goldenen Tressen versehen war, selbst ab; band sich die Halsbinde loos; zog sich selbst das Hemde aus; legete seine rechte Hand auf den einen, und seinen Kopf auf den anderen Klotz, und ließ sich beyde mit zwey verschiedenen Beilen ganz gelassen abhauen. Der Kopf wurde den Zuschauer gezeigt. Die Henkersknechte zogen dem Leichnam die Kleider ab, nahmen die Gedärme, und alles Inwendige ans dein Körper, und zerhieben denselben in vier Stücken, welche sie nachher, jedes Stuck besonders, an einem Seile auf einen Wagen niederliefsen, welcher dazu gemacht war, den zerstümmà Körper nach dem ordentlichen Galgenberge zu fah-

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ren. Das Eingewerde wurde m ein besonderes Gefäß geleget, und ebenfalls auf den Wagen hinabgelaßen; der Kopf aber wurde auf denselben geworfen. — Den Wagen des Grafen Struensee hatte man so gedrehet, daß er die ganze Execution mit ansehen tonte. Als selbige vorben war, wurde das Blutgerüste gereiniget, und mit frischem Sande bestreuet. Hierauf stieg der Doctor Münter mit dem Grafen Struensee aus das Schafott; und es wurden eben dieselben Cerimonien, wie vorher, mit der Zerbrechung des Gräflich- Grruensecschen Wapens vorgenommen. Struensee hatte ebenfalls einen Peltz um, und ein blaues lammetens Kleid mit weissen Knöpfen an. Sobald er auf das Schafot kam, nahm er seinen Huth ab, und setzete ihn nicht wieder auf. Er wolle dem Scharfrichter ein weißes Luch geben, um ihm die Augen zu verbinden, welcher ihm aber zu verstehen gab, daß solches nicht nötig fen. Hierauf legete er seine Wildschur von sich; zog sein Kleid ab, und zwei) Hemden aus; legete sich hin, und wurde gerichtet. Mit seinem Körper und Eingeweide wurde eben so, wie mit des Grafen Brand Körper verfahren. Bepde zerstückele Körper wurden nach dem Galgenberge gebracht; die vier Teile jedes Körpers auf vier Räder geleget; die beyden Köpfe auf zwey Stangen, und an denselben die Hände genagelt; die Gefäße mit den Eingeweide» aber in die Erde gegraben.

Ein so trauriges, unglückliches Ende nahmen zwey Männer, weiche ehemals Günstlinge des Glücks zu sein schienen. Ihre Hinrichtung fvlte erst am zosteu April geschehen; weil aber unter dem Volke ein Gerücht entstand, daß der König ihnen das Leben geschencket, und sie zu einer ewigen Gefängnisstrafe verurteilet habe: so wolte das Volk einen Aufruhr erregen. Um denselben zu stillen, muste die Execution beschleuniget werden.

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