Gespräch im Gefängniß zwischen Brand und Struensee, worinn letzterer einen merkwürdigen Traum erzählt.
2Brans.
Wie thuts, mein lieber Struensee, wiegefallt dir deine neue Wohnung?
Struensee. Ich weiß nicht, was man mit mir vornehmen wird! und warum man mich hier so en Canaille tra ctiret, da ich doch des ganzen Reichs Wohl zu befördern getrachtet habe.
Brand. Und du solltest das nicht wissen, was beynahe die ganze Welt weiß? Das wundert mich. Eben wollte ich mich bey dir erkundigen, was denn eigentlich mein Verbrechen seyn soll, weil man noch wenig von mir spricht.
Struensee. Ich dachte, das könntest du aus der Gefangenschaft meines Bruders, der gleiches Schicksal mit dir hat, leicht errathen.
Brand. Also deswegen, weil ich dein Freund, und an deinen Angelegenheiten Theil genommen habe. Nun kann ich unser künftiges Schicksal auch leicht proyhezeihen. Und du willst noch an deinem Verbrechen zweifeln, oder es so gering ansehen? Lies nur, was wider dich in kurzer Zeit allenthalben ausgestreuet worden, und womit mancher Buchdrucker sein Glück gemacht, und ein Ansehnliches erworben hat.
3Struensee. Wie ich höre, so glaubst du auch das abgeschmackte Zeug, was wider mich, aus Eigennutz, zum Verkauf herumgetragen wird. Vortrefliche Freundschaft.
Brand. Es ist viel Wahres darunter, doch auch viel Erdichtetes. Doch, wenn du einige Augenblicke mich anhören wolltest, so will ich dich an verschiedenes erinnern? vielleicht hast du es vergessen, was in unfern geheimen Zusammenkünften abgehandelt wurde. Es könnte sich wohl etwas darunter finden, woraus wir urtheilen können, ob uns eine gerechte Handlung oder eine ungerechte in diese Fesseln gebracht.
Struensee. Wenn doch die fatalen Papiere aus der Welt verbannetgewefen waren! so — Doch schweig vor jetzo,ich bitte dich,beunruhige mich nicht noch mehr! — Daß der verdammte Kerl, mein Bedienter, den Pelz vergessen. Ich zittre am ganzen Leibe. Wenn sich doch eine treue Menschenseele finden möchte, die sich meiner mit Nachdruck annahme, und meine Sache vertheidigte!
Brand. Eine solche Unmöglichkeit beunruhiget dich? Wer sollte sich wohl dieses unterstehen, da die ganze Welt dich verdammt? Doch ich erinnere mich, eine Vertheidigung von einem gewissen Orte gelesen zu haben,die gewiß so vortheilhaft für dich ist, daß du sie nicht besser verlangen kannst. Was nützt dir aber eine solche Verteidigung, die in weiter Entfernung geschieht, wo man vielleicht von dem ganzen Verlauf der Sachen nicht besser unterrichtet ist? Weg also mit den Possen! — Geschwind,
bringt mir meine Flöte ! ich will die Grillen verspielen. Mit Großmuth muß man sein Unglück ertragen, und nie kleinmüthig werden.
Struensee Wenn du wüßtest, was mich unruhig macht, gewiß, du würdest mitleidig mit mir weinen.
Brand. Das wäre in der That zu Élein für mich, und für dich zu schimpflich.
Struensee. Im Ernst, mein lieber Brand, ich will dir mein ganzes Herz entdecken, und dir den nachtlichen Traum,
4der mich unruhig macht, umständlich erzchlen. Du Mußt aber nicht darüber spotten.
Brand. Des Lachens kann ich Mich doch kaum enthalten, daß du nun auf Träumereyen verfällst. Erst glaubtest du nichts, und nun auf einmal alles. Welche Veränderung! Doch bin ich begierig, deinen Traum zu hören.
Struensee. Ich lag eines Abends in tiefen Gedanken, überdachte mein ganzes Leben, und schliefohnvermerkt darüber ein Es kam mir vor, als wenn ich im Begrisk einer Reise wäre; unterwegens fand ich eine sehr angenehme Gegend, wo verschiedene anmuthige Rasenhügel sich befanden. Es überfiel mich eine so große Müdigkeit, daß ich gezwungen wurde, auf einen dev angenehmsten Hügel mich niederzusetzen, lim ein wenig auszuruhen. Kaum hatte ich mich niedergelassen, so sähe ich ans einem nahe gelegenen Lust-Waldgen ein Frauenzimmer von majestätischen Ansehen, so wie Fortuna gebildet zu werden pflegt, auf mich zukommen. Sie ergrisk mich fanstdrückend Hey der Hand, und sagte: Folge mir, ich will dich zu deiner Bestimmung führen. Ich gehorsame, und ging mit langsamen Schritten an ihrer linken Hand. Wir gelangten in kurzer Zeit an einen grossen Wald, darinnen Fruchtbaume voir verschiedenen Gattungen und Alter anzutressen waren. Hier, sprach sie, aste diese Bäume sollen unter deiner Aufsicht stehen; laß keinen derselben einigen Schaden zufügen. Wirst du nun diesem Walde treulich vorstehen, und den darinnen befindlichen Bäumen nach Möglichkeit von asten Gebrechen abhelfen; so wird man dir in kurzem den Lustwald des Eigenkhumsherrn anweifen, wozu ein Baum, daran du Hein Vergnügen finden wirst, Gelegenheit geben wird. Sie wollte hier weiter reden, bedachte sich aber kurz, und verschwand vor meinen Augen. Ich fing nun im Trau-
5me an in den Wald zu spatzieren, um die Baume zu betrachten. Ich fand deren viele von einem vortreffliche« Ansehen und den herrlichsten Früchten, die ich, ans Neugierde getrieben, zurpeilen vor her Zeit abbrach, und aus Mukhwillen derstragbarsten Zweige beraubete. Nach vollbrachter Arbeit war ich gewohnt, unter einer ohn langst entdeckten Birke, welche den schönsten Wuchs hatte, und noch ziemlich jung war, meiner Ruhe etwas zu pflegen. Ich wandte alle meine Bemühung und Sorgfalt an Lies ft Birke, Ich band sie, wo es nöthig that, und zu weilen labte ich mich an ihrem mystarstgen Safte Weil mir nun dieser Baum über die Massen wohlgefiel; so schnitt ich zum ewigen Andenken meinen Namen mit deutlichen Buchstaben in dessen zarte Rinde- In kurzem tragt sichs zu, daß in des Eigenthumsherrn Lust-Walde ein Baum, der zu dessen Zierde nicht wenig heygetragen, durch einen gewissen Zufall verdorben war. Nach kurzem Bedenken war man einig, aus meinem mir anvertrauten Walds den besten zu suchen. In meinem Verdruß erwahlete man darzu meine mir so liebe Birke Ich mußte es wider meinen Willen geschehen lassen. Von ehngefahr kommt der Eigenthumshert an den Ort, wo dieser neue Baum versetzt war; erbetrachtete denselben mit solcher: Aufmerksamkeit, daß seinen Augen nichts entwischen konnte, was der Bewunderung würdig schien. Er batte kaum meinen so zierlich erngeschnittenen Namen erblicket, als er sogleich Befehl gab, mich hieher zu berufen Hier erschien mir das vorige Frauenzimmer mit verdrüßlichert Gebehrden, und sprach: Du hast meine Ermahnungen schlecht beobachtet. Doch will es noch einmal versuchen, und meine Vermahnungen wiederholen. Wirstdu allen genau nachleben, und nichts wider deine Pflichten unternehmen, so kannst du deine ganze Lebenszeit so glücklich seyn, als ein Mensch zu werden möglich ist. Du wirst mit al-
6ler Freundlichkeit ausgenommen werden, und man wird deine Geschicklichkeit bewundern. Laß dich aber durchaus nicht dadurch den Hochmuth verblenden. Siehe, hier sind Baume, woran viel gelegen ist, besonders die Lieblingsbaume des Eis genthums-Herrn, welche ich deiner unermüdeten Sorgfalt bestens empfehle. Unter andern führte sie mich zu meiner liebsten Birke, und sprach: Dis ist der Baum, von dem ich dir vorher sagte, daß er dich hieher bringen würde. Dieser hat verursacht, daß der Eigenrhums - Hert von deiner Geschicklichkeit sich so vieles verspricht, Wirst du nun deiner Bestimmung zuwider handeln, und mehr unternehmen, als ich dir anweise; so wirst du dich der größten Gefahr aussehen. Sodann wird alles Ungemach und Elend deiner erwarten, dein voriges Andenken schrecklich foltern, und niemand wird Mitleiden und Erbarmen mit dir haben. Pfui, welche Schande! — Hier verließ sie mich Mit einem höchst zornigen Gesichte. Voll von Traurigkeit und tiefem Nachdenken übernahm ich anfänglich das mir anvertraute Amt, und verrichtete alles, was mir befohlen par, so getreulich, daß der Hert sowohl als andere, so diesen Lufl-Waldzuweilen besuchten, mir ihre größte Zuftiedenheit darüber zu erkennen gaben, und meine Geschicklichkeit mit vielen Lobeserhebungen herausstrichen. Dieses erregte in mir einen solchen Stolz, daß ich darüber die treuen Warnungen sowohl, als meine Pflichten aus den Augen setzte. Ich trieb meinen Muthwillen mit den mir anvertrauten Baumen, versetzte sie nach eigenem Gefallen, beschnitt sie, wo es nicht nöthig war, und machte sie zum Theil ganz unförmlich. Ichgieng in meiner Thorheit noch weiter, und vergriffmich an des Eigenchumsherm
7einzigen liebsten Bäumgen, verunstaltete dasselbe so heßlich, daß es niemand mehr achtete, sondern darüber spotteten. Alles dieses war noch nicht genug, der unersättliche Hochmuth verleitete mich so gar, daß ich, um nicht mehr ein blosser Wärter der Baume zu seyn, die ganze Form dieses so viele Jahre berühmten Lustwaldes zu verändern mir vornahm; ich rottete Baume aus,und setzte wieder neue an andere Orte, wo sonst nichts gestanden. Damit nun die Form desto besser könnte verändert werden, so mußte ich vorher die größten Bäume, welche um diesen Wald herum stunden, und für den wüthenden Sturmwinden beschützten, umhauen lassen, weil ich glaubte, sie verursachten zu viel Schatten, verhinderten das Wachsthum, und wären der freyen Aussicht hinderlich. Damit dieses desto besser und geschwinder von statten gehen möchte, so nahm einige zu Gehülfen an, die mir diese schwere Arbeit erleichtern foltert. Als dieses wichtige Werk beynah vollendet, und nur noch wenige Baume zu fällen waren, so geschähe es, daß ein Baum, welcher schon zu tief eingehauen war, plötzlich umstürzte, die zarte Rinde meines geliebten Birkenbaums so zerschcllerte, daß kein Merkmal von meinem Namen mehr zu sehe» war, und mich und meine Gehülfen beynahe zerquetschet hatte. — Von diesem Schrecken betäubt, erwachte ich augenblicklich, und alle Glieder zittern mir noch. Sollte nun wohl ein solcher Traum nicht die größte Unruhe und Nachdenken verursachen?
Brand. Es ist so etwas, deucht mir, sehe nachdenkliches darinnen. Ich sehe daraus ein, baß du besser gethan hättest, du wärest mit deinen Neuerungen und andern Verordnungen, die du vielleicht, doch ich weiß es nicht, aus guter Absicht zu des Reiches Beßten unternommen, zu Hause geblieben. Bepspiele hätten dich klug machen können.
Struensee. Ich weiß sehr wohl, daskrankt mich eben,worinn ich gefehlet; und was ich nun thun würde, wenn ich frep wäre.
8Brand. Es gehet dir, wie allen Menschen, die zu viet Eigenliebe besitzen, die erst dann andern wollen, wo es nicht mehr zu andern ist. Es ist nun alles zu spat. Du konntest ia wohl, als ein vernünftiger Mensch vorher leicht einsehen, daß es ganz unmöglich war, durchzukomtnen. du möchtest es auch anfangen wie du wolltest.
S-ruenfte. Warum hast du mich aber, als ein Freund nicht gewarnet, da du es vorher wußtest?
Brand. Was würdest du mir wohl darauf geantwortet haben, wenn ich es treumeinend gethan hakte? Genug, ich verließ mich bloß auf dich, und dachte, weil du in solchem Anseben stündest, so würde dieses auch wohl gehen. An die Folgen habe ich nie gedacht. Dein Traum aber giebt mir vielen Unterricht, und macht mich in etwas liachdenkend, was ich vorher Nicht gedacht hatte.
Struensee. Ich höre nun wohl aus deinen Reden, Laß dich sowohl als mich der Hochmuch so verblendet, Laß wir die ttUnmehro traurigen Folgen einzusehen, nicht im Stande gewesen find. Also wüsten wir nun billig erwarten, wozu man uns bestimmen wird. Vielleicht werden wir bald ein erbauliches Gespräch im Reich der Lodten halten können. — Jetzt gleich werde ich zum Verhör geführet werden.