Zuverläßige Nachricht von der zu Copenhagen am 17ten Januar 1772. geschehenen großen Staatsveränderung und Gefangennehmung einiger Staatsverbrecher. Aus dem Dänischen übersetzt.

Zuverläßige Nachricht

von der

zu Copenhagen

am 17ten Januar 1772.

geschehenen

großen Staatsveränderung

und

Gefangennehmung

einiger

Staatsverbrecher.

Aus dem Dänischen übersetzt.

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Es giebt wenig Monarchien, wo nicht bisweilen Verschwörungen entstanden wären. Man findet unter allen Regierungs-Arten Menschen, welche, mit ihrem gegenwärtigen Schicksale unzufrieden aller möglichen Ausschweifungen fähig sind, um sich entweder von einer Last, die sie drückt, zu befreyen, oder sich in bessere Glücksumstände zu setzen, oder auch sich zu einem Stande empor zu heben, auf welchem sie sich, ihrer niedrigen Geburt wegen, keine Rechnung machen durften. Dies sind insgemein die Bewegungsgründe, welche einen bösen Bürger verleiten, die Waffen wider sein Vaterland und gegen seinen gütigen Monarchen zu ergreifen; und von dieser Art Menschen war Johann Friedrich Struensee und seine Consorten, welche durch ihre bösen Rathschläge die Geschichte Dännemarks mit einer merkwürdigen Nacht bezeichnen wollten; aber der Gott, der in der Höhe wohnet, ließ sie in die Fallstricke fallen, welchen sie einen der liebenswürdigsten Könige geleget hatten.

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Das Haupt dieser schändlichen Rotte war Johann Friedrich Struensee, ein Sohn von Adam Struensee, Königl. Dänischen General-Superintendent. Sein Vater hat auf seine Erziehung und Studien alles Mögliche gewandt: aber er ließ sichs nicht undeutlich merken, daß er zu allen Lastern und wollüstigem Leben sehr geschickt war. Er hat in seiner Jugend die Medicin als Doctor studirt, wovon er aber wenig Begriffe erhalten. Dennoch hatte er das Glück, von den besten König, Christian den VII auf seiner Reise als Reise-Leibmedicus vorgeschlagen zu werden, in welcher Qualität er auch Sr. Majestät begleitete, und hernach das Glück hatte, (obgleich nicht durch seine Geschicklichkeit,) nicht allein beständiger Leib-Medicus zu seyn, sondern auch von einer Ehrenstuffe bis zur andern empor gehoben wurde, bis der König ihn durch eine gewisse Fürsprecherinn 1771 den 23sten Januar in den Grafenstand erhob, und ihn zum geheimen Cabinets und Staats-Minister machte. Aufgeschwollen von schändlichem Hochmuth bewegte er eben angeführte hohe Fürsprecherinn, durch eine Acta das Herzogthum Plön von Sr. Königl. Majestät sich versichern zu lassen, welches aber nicht zum Vorschein kam; da ihm gleich ein besseres einfiel, sich mit dieser Person das ganze Königreich zuzueignen, mit derselben sich zu vermählen, und neben derselben als Protector zu regieren; vorher aber einen von Gott höchstbestätigten theuren Landesvater und König Christian den VII, den theuren und hoffnungsvollen Kronprinzen Friedrich, eine der

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besten Königinnen, Juliana Maria, den liebenswürdigsten Erbprinzen Friedrich und Prinzeßinn Charlotta Amalia, aus der Welt zu schaffen, und so nach mit Feuer und Schwerdt, (fallst sich jemand von den Hohen und Niedern ihm widersetzen würden, ) den Weg zum Königl. Thron, Kron und Zepter zu bahnen.

Verschiedene fürchterliche Anstalten, die einige Wochen vorher von dem abscheulichen Grafen angeordnet wurden, setzten alle Bewohner in- und ausserhalb Copenhagen in Erstaunen, und der eine fürchtete sich vor dem andern, und ein jeder gieng nicht ohne die größte Furcht auf der Strasse, noch des Nachts zu Bette. Er ließ die größten Kanonen aus dem Zeughause auf die Wälle, vor die Wachhäuser und Thore der Stadt aufführen, und scharf mit Eartätschen laden. Die Kanonen auf den Wällen wurden alle Abend, nach geschlagenem Zapfenstrich, gegen die Stadt längs den Gassen gerichtet. Die beyden Königl. Garderegimenter wurden abgedankt. Verschiedene verdienstvolle Minister ihrer Dienste entlassen. Alle Wachen verdoppelt; und noch mehrere Extra-Wachen ausgestellet. Die Soldaten erhielten ein jeder 36 scharfe Patronen, und das Patroulliren war ausserordentlich. Selbst auf dem Schlosse sahe man die Wachen verdoppeln, und scharf geladene Kanonen hinpflanzen; sogar ein jeder, ohne Ansehen der Person, der auf dem Schloße etwas zu thun hatte, und wenn er sprechen wollte, wurde durch 2 Mann Soldaten auf und vom Schloß geführet. Dem

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Könige befremdete dieses, und frug Graf Struensee, (denn sonst hatte er niemand bey sich,) wozu diese fürchterlichen Anstalten dienen sollten? Er gab dem Könige zur Antwort: Alles dieses geschähe zur Beschützung des Königs theurer Person: denn alle Unterthanen wären gegen Se. Majestät aufgebracht; dahero fürchtete man, daß es Sr. Majestät eben so ergehen würde, wie es dem unglücklichen Peter dem III. in Rußland. Der König erschrack heftig, wie er dieses hörete, seine Hände zusammenschlug, und ausrief: „Mein Gott! was habe ich den Böses gethan, daß mich meine lieben und getreuen Unterthanen so hassen?,, Dieser Nichtswürdige antwortete dem guten Könige, und wandte Verschiedenes von dem Volke ein, welches ihnen an der Königl. Regierung mißfiele: besonders wegen der ausserordentlichen Steuer, und welches doch vor der Hand nicht konnte abgeholfen werden, daher es den König im Herzen betrübte.

Inzwischen setzte diese Rotte ihre Anschläge immer weiter fort, und verhinderten, unter allerley Vorwendungen, jeden treugesinnten Patrioten den Zutritt zum Könige, und wusten einem jeden redlichen Unterthan niederträchtige, wiewol erdichtete Handlungen anzuhängen, damit der König auch keine Lust bekam, selbige zu sprechen. Wenn denn jemand vor den König mußte, so war derselbe auch gezwungen, seine Sache kurz zu fassen, und nach

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erhaltener Antwort sich sogleich zu entfernen; zuletzt mußte ein jeder sein Anbringen schriftlich eingeben, und erhielte auch schriftliche Antwort. Alles mußte an Graf Struensee abgegeben werden, und was ihm gut deuchtete, sagte er dem Könige; sogar erhielt der König alle Briefe entsiegelt. Graf Struensee und Brand waren stets gegenwärtig. Ersterer war schon beym Könige, ehe er ausgeschlafen, und gieng auch nicht eher von ihm, als bis er zur Ruhe war: indessen Graf Brand sich stets im Vorgemach aufhielte; und wenn ja einer oder der andere Geschäfte halber den Rücken wenden mußte, so wurde in des Königs Namen der Wache und den Bedienten befohlen, daß Hey höchster Ungnade des Königes sich keiner dem Zimmer näherte, denn Se. Königl. Majestät wären unpaß, und hätten sich zur Ruhe begeben. Sobald hatten sie ihre Sachen verrichtet, um wieder zeitig beym Könige zu styn, so hatte der König auch ausgeruhet. Wollte der König ausfahren oder reiten, und es war Graf Struensee und Brand nicht gelegen, so wußten sie den König durch ihre listigen Handgriffe unter allerley Vorwand schädliche Medicamente beyzubringen, darauf er sich nothwendig übel befinden mußte, und gerne zu Hause blieb und das Bette hütete. Und dieses Mediciniren hat auch würklich des Königs Gesundheit um vieles ruiniret. Fuhr oder ritte der König aus, so war Graf Struensee und Brand jedesmal bey ihm, und eine starke Escorte hatte den König umringet, da-

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mit keiner hinzu konnte. Solches, und noch verschiedene andere Dinge, trieben sie so lange, bis sie endlich nach zwo zu ihrem Vorhaben fehlgeschlagenen Nächten, die Nacht vom 16ten auf den 17ten Januar zu ihrer schwarzen That erkohren, und wovon einige Herren schon zu ihrer Unterstützung informiret waren, bis auf den Herrn Generalmajoc von Eichstedt und den Herrn Obersten von Röller. Ersterer wurde den 14 Januar, des Mittags, zur Königs-Tafel geladen, und fand sich auch wirklich ein. Nach aufgehobener Tafel wurde er vom Grafen Struensee in ein Zimmer gerufen, der ihm, in Beyseyn einer hohen Person, den ganzen Plan vorlegte, ihm solchen verständigte, und ihn und sein Regiment zum Beystand aufforderte; wie auch, daß er den Herrn Obersten Röller im Namen der hohen Person, und im Namen seiner, denselben Befehl und Plan ertheilen sollte, damit er sich auch mit seinem Regimente zu bestimmter Zeit parat halten könnte, um, wenn an den König die letzte Hand gelegt wäre, und daß alle Einwohner von und ausserhalb Copenhagen der itzigen regierenden Königin, Carolina Mathilda, und ihm, den Grafen Struensee, nicht sogleich huldigen wollten, oder eine Empörung erregten, ihnen mit gewaffneter Hand beystehen sollten, wozu vorhin beregte Anstalten schon abzweckten, und worüber die andern Officiers nähere Verhaltungsbefehle erhalten würden. Dabey wurde ihm, dem Herrn General-Major von Eichstedt, anbefohlen, nicht eher vom Schlosse zu gehen, als

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bis er die Ordre dazu erhielte. Dieser brave Officier mußte versprechen, diese Befehle ganz genau zu beobachten, und that es auch unter dem Schein der größten Treue. Der Graf Struensee war darüber schon zum voraus vergnügt, und glaubte, sich schon auf des Königes Thron zu sehen.

Am 16ten Januar, des Abends, war Ball masque en Domino in dem französischen Comödienhause, in währender Zeit der General-Major von Eichstedt die Befehle erhielte, nach seinem Quartiere zu fahren, und die nöthigen Ordres zu ertheilen; so bald war er in sein Quartier angelanget, und in sein Zimmer getreten, schickte er alle seine Bediente von sich, wechselte in aller Stille seine Kleidung, und schlich sich heimlich aus seinem Hause nach dem verdienstvollesten Herrn Reichsgrafen von Ranzau zu Aschberg, und erzählte ihm mit der größten Bestürzung, den ganzen Anschlag; dieser in der größten Gefahr standhafte Herr, eilte sogleich mit dem Generalmajor von Eichstedt, zu der verwittweten Königinn Juliana Maria, und des Erbprinzen Friedrichs Königl. Hoheit, zugleich wurde auch zu dem Obersten Röller geschickt, dessen Regiment denselben Tag die Wache auf dem Schlosse hatte, wie auch nach dem geheimen Rath, Graf von der Osten, und entdeckte diesen hohen Personen dies abscheuliche Vorhaben, worüber Höchstdieselben in die größte Bestürzung geriethen, und in Thränen ausbrachen. Da dann obberegter Herr

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Graf zu Ranzau diesen Personen Muth einsprach, Papier, Tinte und Feder forderte, und schrieb die benöthigten Ordres, die sich auf die bevorstehende Veränderung bezogen. Sobald selbige fertig, ermahnte er sie, mit nach dem Könige zu gehen, der so eben von dem Ball gekommen war, und sich schon im Bette befand. Als die verwittwete Königin Juliana Maria, der Erbprinz Friedrich, der Herr geheime Rath, Graf von Ranzau, der Herr geheime Rath, Graf von der Osten, der Herr General-Major von Eichstedt, und der Herr Oberste Köller, unangemeldet ins Königl, Zimmer traten; damit schlug der König den Vorhang von seinem Bette weg, und sagte: „Mein Gott! was wollen sie?,, Darauf antwortete die Königin Juliana Maria, mit weinender Stimme, dem König: „Ihro Majestät, Mein Sohn, fürchten Sie sich nicht, wir kommen nicht als Feinde, sondern als Freunde, Sie, Uns, und das ganze Land zu erretten, und mit göttlicher Hülfe und Beystand die angedrohete Gefahr abzuwenden.“ Hierauf schwamm sie in Thränen. Und der Erbprinz Friedrich Königl. Hoheit, und der Herr Graf zu Ranzau, faßten das Wort, und erzähleten den ganzen Plan. Letzterer griff in die Tasche, und zog die ausgefertigten Ordres hervor, und legte selbige dem Könige zur Unterschrift dar. Worauf der König ausrief und sagte: „Mein Gott! dies wird ganze Ströme von Blut kosten.„ Der Herr Graf zu Ranzau erwiederte

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dem Könige, und sagte: „Ihro Majestät seyn nur getrostes Muthes, ich nehme unter dem Beystand des Höchsten alle Gefahr auf mich, und werde so viel als möglich alle Gefahr Vorbeugen & c.“ Worauf alle Hohe Anwesende dm König ermahnten, ohne Zeitverlust die Ordres zu unterschreiben, welche der Erbprinz Friedrich, Königl. Hoheit, mit unterzeichnete.

Alle die benöthigten Ordres waren nun fertig, und wurden ausgetheilet, und zur Bewürkung verschiedene Officier vom Eichstedtschen und Köllörschen Regimente befehliget; so war nun noch eine Ordre nöthig, um eine hohe Person in Sicherheit zu bringen, welche man Seiner Majestät, dem Könige, überließ, selbst eigenhändig auszufertigen, welche der Monarch mit der innigsten Betrübniß von sich stellete, und die Ausführung desselben dem Herrn Reichsgrafen zu Ranzau auftrug. In währender Zeit der General-Major von Gude, bisheriger Commendant von Copenhagen, abgesetzt wurde, an dessen Stelle der Gegeral-Major Eichstedt, Chef des hier garnisonirenden Seeländischen Dragonerregiments, zum Commendanten ernannt, und ihm anbefohlen, alle dermalen nöthige Anstalten zu treffen, welches dann auch dieser Herr unverzüglich an der Spitze eines Detaschements seiner Dragoner allen wachthabenden Officiers kund that, und zugleich alle Wachen auf dem Schloß verstärken ließ, wie auch alle Hauptthüren und Zugänge mit Wachen versehen, besonders für des Königs, Zim-

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mer. Gleich darauf wurden der Graf Struensee und sein Bruder, der Justitz-Rach, der Graf Brandt, der General Gude mit seiner Gemahlinn, der General Gähler mit seiner Gemahlinn, arretirt, und jeder besonders nach und auf die Citadelle gebracht. Die Generalinn von Gählern wurde von jeden, der diese rechtschaffene Dame kennet, bedauret; selbige ist, da sie unschuldig befunden, wieder auf freyen Fuß gestellet. Ingleichen der bisherige Leibmedicus, Professer Berger, (der keinesweges mit dem Leibmedicus, den redlichen Etatsrath von Berger, verwechsel werden muß, welcher aus selbst eigener Bewegung schon vor langer Zeit vom Könige seine Dimißion genommen hatte,) der Oberste Falkenschiold, und Oberst-Lieutenant von Haßelberg, wurden auf der Hauptwache gesetzt, wo ihnen nach Verlauf von etlichen Tagen einfiel, zu desertiren, darauf sie alle beyde nach dem Schiffsholm gebracht wurden, da sie in besserer Verwahrung sitzen; und den 20. Januar ist der Legationsrath und Postdirector Sturtz ebenfalls auf die Wache gesetzt worden. Der Stallmeister, Baron von Bülow, Contre-Admiral Hansen, Etatsrath Willebrand, Lieutenant Aboe, und drey Secretair im Cabinet, bekamen Arrest im Hause, und sogleich wurden alle Papiere der Gefangenen versiegelt.

Der Herr Reichsgraf zu Ranzau, und der geheimde Rath, Graf von der Osten, und eine Wache gingen mit der Ordre unangemeldet zu dem

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Zimmer dieser hohen Person, welche bereits auch schon im Bette lag; der Herr Graf zu Ranzau trat herein, sie schlug den Vorhang ihres Bettes zurück, und frug, wer ist da? Ha! Monsieur Ranzau, sind sie da? wie ists, lebt der K— noch? Wo ist Graf Struensee und Brand? Der Graf that, als hörte er es nicht, sondern übergab im Namen Sr. Königl. Majestät die bey sich habende Ordre, und kündigte ihr den Arrest an. Sie fuhr auf, und sagte: mich zu arretiren, das soll ihm seinen Kopf kosten. Wo ist von der Osten? Der Graf antwortete: im Vorgemach. Worauf sie antwortete: der Verräther. Sie frug nochmalen nach Graf Struensee und Brand; so sagte der Graf: sie sitzen schon in sicherer Verwahrung auf der Citadelle, und wiederholte seinen ersten Antrag im Namen des Königs. Darauf wurde sie erboßt, sprang aus dem Bette, und lief im Zimmer auf und nieder, indessen der Graf den Hut vor die Augen hielte, und sie zum Ankleiden ermahnete, oder er wäre gezwungen, sie ankleiden zu lassen. Darauf griff sie ihm ins Tuppee; da rüste er ein Paar Dames herein, wovon die eine ihr einen Rock anlegte; sie griff selbsten nach einer Saluppe, und eilte zu einer verborgenen Treppe, um zu entfliehen. Auch diese war schon mit Wache besetzt, und muste wieder zurück; da fiel sie als ganz entkräftet, aufs Canapee. Der Graf ließ ihr Zeit gewinnen, um sich zu erholen; indessen der Graf sie von Zeit zu Zeit ermahnete, mitzugehen; so bat sie denn, das man ihr die Pr— mitge-

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ben möchte. Selbige wurde auch sogleich angekleidet. Darauf sagte der Graf: Nun Madame, gehen sie, eilen sie, geschwind, geschwind, und faßte sie bey der Hand, seinen Huth unterm Arm, und in der andern Hand den entblößten Degen, und führete sie bis an den Wagen, wo sie noch zu ihm sagte: Dies würde ihm seinen Kopf kosten. Darauf rief der Graf aus: Ich liebe Gott, und bin meinem Könige getreu! Adjeu, Madame. Die Fräulein Moesting saß im Wagen neben ihr mit der kleinen Pr—, und der Major Carstenschiold mit entblößtem Degen; und so wurde sie unter einer Escorte von 30 Dragonern nach Cronenburg begleitet. In denen ersten Tagen hat sie, ausser ein Paar Schaalen Choccolade nichts gegessen und getrunken, bis sie in Thränen ausgebrochen, und eins ums andere ausrief: Ach! du unglückseliges Kind, ach! ich unglückselige Mutter, und in solchem Zustande lebt sie in der untersten Etage des Schlosses, deren Fenster mit starken eisernen Stangen versehen sind.

Bey der Arretirung dès Grafen Struensee ist folgendes zu merken: Daß, wie ihm der Oberste Köller den Arrest ankündigte, und ihm die Königl.-Ordre vorzeigte, Zeit zu gewinnen suchte, und nicht glauben wollte, daß der König sie selbsten unterschrieben habe, der Oberste zu ihm sagte, daß es wirklich wäre, allenfals haftete er mit seinem Leben dafür: kurzum, er wollte sich nicht geben. Da setzte der Oberste ihm den Degen auf die Brust, und sagte ihm, er habe Befehl, ihn entweder todt, oder lebendig zu

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bringen; darauf fällt er aufs Canapee in Ohnmacht nieder, sie bringen ihn wieder zurecht, da bittet er denn, er wolle noch gerne eine Schaale Schoccolade trinken, es wird ihm abgeschlagen, er bittet um seine Etui, auch diese wird ihm vorenthalten. Der Oberste ermahnet ihn zu eilen, und fortzumachen, ehe es Tag würde, sonst wäre es unmöglich, ihn vor der Wuth des Pöbels zu beschützen; die Hände, so bald er aus seinem Zimmer kam, band man ihm, im Weggehen fluchte er auf seinen Cammerdiener, daß er ihm nicht einen Pelz mitgegeben, er wurde also in einer Mietkutsche unter einer Bedeckung von Dragonern nach der Citadelle gebracht; wie er aus der Kutsche stieg, so sorgte er noch vor den Kutscher, und bath, man möchte ihm bezahlen, oder ihm ein Trinkgeld geben. Der Oberste Köller gab ihm einen Thaler, den er zwar nahm, aber auf sein gut Dänisch sagte: ich hätte es auch wohl umsonst gethan. Hierauf wurde er zum Commendanten der Citadelle gebracht, um gemeldet zu werden. Wie der Graf bey ihm ankam, fluchte er heftig, der Commendant gebot ihm stille zu seyn. Sobald Graf Struensee auf der Citadelle, in das ihm bestimmte Logis gebracht wurde, und welches eben das ist, was der bekannte Norcros so lange bewohnet, frug er — wo sind meine Bediente? Der wachthabende Officier antwortete: Ich habe es nicht gesehen, daß ihnen welche gefolget sind. — Mein Secretair? Der ist auch nicht hier. Mein Pelz! Es ist hier kalt, beym Teufel, ich will nicht frieren, ich wil ein anderes Zimmer haben. Er fand daselbst ei-

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nen schlechten hölzernen Stuhl, und sagte, was soll dieser Stuhl? gebt mir meinen Sopha! — Alles dieses beantwortete der wachthabende Officier hiemit : — Mein Herr! hie ist nichts zu ihren Diensten, als mit Permission, ein Kammergeschirr. — Durch diese Antwort ward er in die äußerste Wuth gesetzt, so, daß er sich beyde Arme zusammen faßte, und mit dem Kopf gegen die Wand und das Gegitter lief, in der Absicht, seine Hirnschale zu zerschmettern, und fluchte erstaunlich, aber die Wache lief eilends herzu, und verhinderte solches durch einige Rippenstösse; sein Betragen wurde gleich gemeldet, worauf er sogleich mitten in der Stube mit Händen und Füssen an den Fußboden sitzend angeschlossen wurde, und so, daß er sich nicht schaden kann. Zugleich wurden die Fenster des Gefängnisses quer mit Latten benagelt, da sagte er, man tractiere ihn ja als eine Canaille. In diesem Zustand regte sich sein böses Gewissen, und stellete sich, als wenn er heftiges Zahnweh hätte, und bat, man möchte doch nach seinem ehemaligen Cabinet jemand hinsenden, sie würden allda vor dem Fenster in ein Papier liegend ein Zahnpulver vorfinden, solches möchten sie ihm doch holen lassen, um die Schmerzen zu stillen. Es wurde auch hingeschickt, und man fand es; der Etats-Rath und Leib Medicus von Berger mußte es sogleich untersuchen, und befand, daß es ein starkes Gift war, daher ihm dieses so wenig, als ein anderes Zahnpulver gegeben wurde; darnach legte er es aufs Hungern, und wollte weder Speise noch Trank genießen. Ein

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paarmal liessen sie ihm seinen Willen, darnach kam Befehl, er sollte essen und trinken, falls er nicht mit Gutem wollte, so sollten sie ihn so lange prügeln bis daß er Appetit bekäme. Ihm wird weder Löffel, noch Messer Und Gabel in die Hand gegegeben, die wachthabenden Soldaten schneiden ihm das Essen zurecht, und bringen es ihm in den Mund. In diesem Zustande hat er einige Tage gesessen, da er den anlobte, sich besser aufzuführen man möchte doch ihn um Gnade bitten; so ist solches auch erhöret worden, und darauf an Händen und Füssen kreutzweise geschlossen, und eine an der Wand befestigte drey Ellen lange Kette an das Bein gelegt, und ihm ein Stück Bette gegeben, worauf er liegen kann. Ueberhaupt genommen, so ist er in einem Gefängniß, wo die ärgsten Missethäter aufbewahret werden, und trägt auch Kleidung, wie ein Missethäter; er trägt eine blaue friesene Jacke ohne Knöpfe, und alle andere Knöpfe, so er noch an seiner übrigen Kleidung getragen, sind abgeschnitten, weil er ein Paar davon abgedrehet und verschlucket hat. Schuh- und Bein-Schnallen sind ihm abgenommen worden, auch trägt er itzt eine eiserne Haube, damit er seinen Kopf nicht zerstossen kann, Nachgehends ist die Etui, warum er so sehr gebeten, daß man ihm solche geben möchte, visitiret worden; man hat in selbiger drey kleine Kügelchen gefunden, der Herr Etatsrath und Leib-Medicus von Berger hat selbige untersucht, und befunden, daß ihre Beschaffenheit rin langsam würkendes Gift sey, womit dieser Böse-

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wicht schon an einer hohen Person Gebrauch gemacht hat. Noch eine Anecdote von dem Grafen Struensee: Wie er ohngefehr vor einem Jahre in Copenhagen auf der Strasse gieng, begegnete ihm ein Sclave in Ketten; der Sclave bat ihn um ein Allmosen, und zugleich um des Königs Gnade für ihn zu erflehen, daß er aus diesem Zustande erlöset würde. Der Graf gab ihm ein Almosen, und sagte dabey: Du trägest wohl um deiner Tugend willen diese Ketten nicht. Nach diesem erlangte der Sclave seine Freyheit, und wurde Schliesser auf der Citadelle. Da es sich nun fügte, daß eben dieser dem Grafen die Ketten anlegte, so sagte er: Ihro Excellenz um ihrer Tugend willen lege ich sie die Ketten nicht an.

Wegen den Grafen Brand ist folgendes zu merken: Wie der Officier mit der Wache kam, ihn zu arretiren, so verschloß er sich in seinem Zimmer. Der Officier sagte: Er sollte aufmachen, er sollte sich betragen als ein vernünftiger Mann, denn es würde ihm zu nichts helfen, widrigenfals er die Thür erbrechen müste. Endlich machte er die Thüre auf, und in der Hand hielt er seinen Degen, um sich zu vertheidigen, worauf sie ihn aber sogleich anfielen; er warf hierauf den Degen von sich, suchte sich von ihnen los zu machen, und sagte: Meine Herren, Sie gehen unrecht, ich bin ein Staats-Minister, ich weiß nicht, daß ich etwas verbrochen habe, worüber man mich arretiren kann. Der Officier zeigte ihm auf der Ordre seinen Vornamen, und sagte: Er gienge gar recht, er sollte

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nur mitgehen, das übrige würde sich schon finden; und so wurde er nach der Citadelle gebracht.

Der Graf Brand, nachdem er auf die Citadelle in des Herrn Commendanten, des General von Hoven Behausung abgetreten war, complimentirte der Graf den Commendanten folgendergestalt:

Mein Herr, Sie nehmen es nicht übel, daß ich Sie so früh incommodire. Der Commendant antwortete: Gar nicht, mein Herr, man hat Ihnen hier schon längstens erwartet. Darauf gieng er das Zimmer auf und nieder, sahe sich allenthalben um, sang eine italiänische Arie, und sagte darauf: Hier sind, bey meiner Sele! schöne Zimmer im Casteel. Der Commendant antwortete: Ja, mein Herr, Sie werden sie aber noch besser bekommen. Ihm ward hierauf sein Logis angewiesen, welches aber ziemlich dunkel war: dieses machte ihn aber doch nicht verzagt, sondern er sagte noch — bey meiner Treu, der Commendant hat wahr gesagt. Er ist immer vergnügt, und spielt die Flöte: er sparet von seinen 24 Schillingen, die er täglich erhält, sechs, welche, wie er sagt, sein künftiger Henkersknecht zum Trankgelde haben soll. Auch bedienet er sich öfters diesen Ausdrucks: Einem kleinen Geist kommt es zu, sich durch Kleinigkeiten demüthigen zu lassen, aber ein grosser hebet sein Haupt weit über sein Schicksal empor.

Der Graf Brand ist wenige Tage vor der Revolution von einem Freunde durch ein Schreiben gewarnet, und das Schicksal, welches ihn treffen

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würde, wenn er die verderblichen Anschläge befolgete, vorher gesagt, und klärlich vor Augen gestellet worden.

Diese Arretirung der vorhin benannten Personen geschahe in oben erwehnter Nacht, und zwar des Morgens zwischen 3 und 6 Uhr, da alle Personen eben vom Ball gekommen waren und sich zu Bette geleget hatten. Die Stadt-Thore waren geschloffen, da sie seit vorigem Früh-Jahre nur gesperrt gewesen. Durch das häufige Fahren und Reiten war alles Volk rege und aufmerksam gemacht, doch getrauete sich keiner vor Tage aus dem Hause zu gehen; endlich wimmelten die Strassen von Menschen, und ein wildes Schrecken hatte sich auf aller Gesichter verbreitet. In der ängstlichen Meynung, als wenn dem Könige etwas zugestossen wäre, eilete alles nach dem Schloßplatze hin, welcher auch in kurzer Zeit ganz von Menschen angefüllet war. Darauf ließ sich der König, die Königinn Juliana Maria, und der Erbprinz Friedrich Königliche Hoheit, auf dem Balcon des Schlosses sehen; worauf alles Volk mit der grössesten Freude, Vivat! lange lebe König Christian der VII. und die Königinn Juliana Maria, und der Königliche Erbprinz Friedrich, ausrief: und von diesem frohen Jubel ertönete die ganze Stadt, und alles Misvergnügen, Angst und Traurigkeit verschwand auf einmal, und einer wünschte dem andern in den freudigsten Ausdrücken Glück, da sie ihren huldreichsten Monarchen erblickt hatten. Das Frohlocken der Einwoh-

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ner bey der Thronbesteigung, Vermählung und Krönung des Königs kam mit demjenigen, was bey diesem Vorfall beständig fort daurete, nichr in Vergleichung: denn ein jeder war nunmehro überzeugt, daß Gott die so große und augenscheinliche Gefahr gnädiglich abgewendet hatte. Um 12 Uhr des Mittags fuhr der König und der Erb-Prinz Friederich Königliche Hoheit in einem mit sechs weissen Pferden bespannten offenen Wagen, und hinten her in einem andern der Königl. Kronprinz. Die Strassen, wodurch Höchstdieselben fuhren, waren so voll von Menschen, daß die Pferde nicht ziehen durften, die Menge Volks hob und trug den Wagen gleichsam fort, wobey das freudigste Jubelgeschrey ohn Ende war. Hernach war Cour bey Hofe, und des Mittags wurde öffentlich gespeiset. Die beydèn Garde-Regimenter sind wieder hergestellet. Die Leute, so unter der Fußgarde gedienet hatten, und caßiret warm, fanden sich eiligst mit und ohne Montirung so wie sie selbige noch hatten und wie sie giengen und stunden, wieder ein, welche auch desselben Tages, auf Verlangen, noch die Wache bezogen, und die Köllerschen Dragoner, so 48. Stunden auf der Wache gewesen waren, nachgehends ablöseten.

Des Abends war die ganze Stadt aufs prächtigste erleuchtet, und die Königlichen Personen fuhren nach der französischen Comödie, allwo bey dem Eintritt Allerhöchst dieselben mit einem frohen Händeklatschen und Vivatrufen empfangen wurden. Die Nacht darauf spolirte das Volk an die 60.

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berüchtigte Häuser, worunter das ehemalige Gräflich-Schulinische Haus mit begriffen war, welches Gabel auf Anrathen des Grafen Struensee gekauft und zu einem öffentlichen Hurenhaufe einrichten mufte, wozu der Graf Struensee ihm das Geld vorgeschossen hatte.

Des andern Tages wollte das Volk von neuem wieder anfangen; allein Se. Majestät, der König, liessen durch öffentlichen Trommelschlag und Trompetenschall bekannt machen: Daß, wie sehr Sie auch übrigens mit dem Betragen Ihrer geliebten Unterthanen zufrieden wären. Sie dennoch mit dem äussersten Misvergnügen die in der verwichenen Nacht begangenen Unordnungen vernommen hätten, und daher alle Ausschweifungen bey Lebensstrafe verböten. Kaum war es möglich, der freudigen Wuth des Pöbels Schranken zu setzen. Das Volk wollte es nicht glauben, daß es Königlicher Befehl sey, verlangte daher ihn schriftlich zu sehen; er wurde ihm gezeigt, küßte denselben, und ward sogleich ruhig. Das Volk hätte auch gerne den prächtigen Staatswagen, so Graf Struensee für sich verfertigen lassen, welcher über 6000 Rthlr. gekostet, in ihre Gewalt gehabt, derselbe stand aber unter des Königs Schlosse.

Die Avancements bey diesem Vorfalle sind folgende: Die Generalin Numsen ist Oberhofmeisterin bey dem Kronprinzen; der General-Lieutenant Graf zu Ranzau von Aschberg, erhielte das blaue Band oder Ritter vom Elephanten, wie

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auch General von der Infanterie; der Generalmajor von Eichstedt ward zum Ritter von Dannebrog, General von der Cavallerie und Commendant in Copenhagen, wie auch zum Mitgliede im General- und Commissariats-Collegio erkläret; der Oberste Köller zum Ritter vom Dannebrog, Generaliieutenant und des Königs Ober-General-Adjutanten, imgleichen die Herren Officiers seines Regiments, welche allesamt bey dieser Revolution gebraucht worden, sind um einen Grad höher avanciret. Da auch der nunmehrige Herr Generallieutenant Köller den Wunsch, unter dem Dänischen Adel ausgenommen zu werden, äusserte, ob er gleich aus einer sehr guten pommerschen Familie ist, so hat er das Naturalisations-Patent unter dem Namen Köller-Banner erhalten, und ist ein Mitglied im Gen. und Commiss. Collegio worden. Der General-Kriegs-Commissair erhielte den Kammerherrn-Schlüssel, ist aber nach Verlauf von einigen Tagen nach seinem Guth Wordingborg verwiesen. Der Generallieutenant Huth ist zum General von der Infanterie avanciret. Der Major Carstenschiöld ist Obrist-Lieutenant geworden. Hingegen ist dem Kammerherrn und Jägermeister von Lersner anbefohlen, innerhalb dreymal 24 Stunden die Stadt und das Land zu räumen, auch sich niemalen wieder darin betreten zu lassen. Der Lieutenant Struensee hat ebenfalls, nach ausgezahlter Summe von 220 Rthl., seinen Reise-Abschied erhalten, mit dem Befehl, die Dänischen Provin-

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zen zu rüumen. Ein gleiches Schicksal hatte auch der Capitain Duval vom nordischen Leibregiment; er bewies aber seine Unschuld, und ward daher als Capitain beym Bornholmischen Regiment placiret. Dem Etatsrath Reverdil sind 1000 Rthl. ausgezahlet worden, um nach der Schweiz, als seiner Heymath zu reisen. Der König ließ am dritten Sonntage nach Epiphanias mailen Kirchen ein Dank-Fest halten, um den Könige aller Könige fur die wunderbare Errettung und Erhaltung des Königlichen Hauses, und Dero Reiche und Lande, ein schuldiges Dankopfer zu bringen.