Entdecktes Geheimnis der fürgegangenen Staatsveränderung Dännemarks.

Entdecktes Geheimnis

der fürgegangenen

Staatsveränderung

Dännemarks.

De Struensee, comes, manibus tu hostiliter pravis Mortuus, ast celsis vivis qui in ætheris arvis:

Discite justitiam, clamas, non temnite divos.

VIRGIL.

1772.

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Die Dänische grosse Staatsveränderung gibt uns das richtigste Beyspiel, daß Ministers bald steigen, aber auch eiligst gestürzet werden können. Wem ist es nicht bekannt, was der Graf von Struensee vor ein Minister am Dänischen Hofe war, wie er vom Bürgerlichen, bis zum Grafenstande, aber so erhaben war, er auch so bedaurend wieder erniedriget und auf eine verabscheuende Art hingerichtet wurde? — Den Geburtsstand, die Erziehung und Studien des Johann Friedrich Struense'es betreffend, so finden wir zwar dabey die größten Veränderungen, doch auch die schönste Ordnung. Vom Blute eines braven rechtschaffenen Mannes und Geistlichen und einer belobten Kindermutter, entsprossen, zeigte er bey der ersten Entwickelung, daß er grosse Talente besaß, die ihn geschickt machten, zum Studiren angehalten zu werden. Dazu half Mutter, Vater und der besondere Lehrer, den beyde Aeltern ihren Kindern hielten. Johann Friedrich und seine Brüder lernten, und setzten die Aeltern in Freude, daß sie einstmals geschickte Männer werden würden. Sie lernten und wurden so ausgefeinert, daß sie höhere Wissenschaften treiben durften. Unserer von dem wir besonders handeln, also bezog nachdem er die Anfangswissenschaften begriffen

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die hohe Schule und widmete sich der Heilungskunst, die er auch so erlernte, daß er mit Ehren den Doctorhut, nach Vorherprüfung feiner Verftandskräfte und Einsichten, erhielt. Worauf er dann wieder zu den Seinen kehrte, und die Erlaubnis, das Heilungsgcschäfte zu treiben, in dem Platze seines Aufenthalts erlangte. Seine glückliche Heilungsarten, der Ruf davon erscholl gar bald bis an dem Dänischen Hof. Man untersuchte ihn von neuen und fand bey ihm, was von ihm gerühmet worden war. Doctor Struensee erhielt die Gnade des vorigen Königs und erwarb sich auch durch einen rechtmäßigen Zugang die Liebe dss Thronfolgers; denn als dieser König geworden war, so fiel es ihm ein, Länder zu besehen, und der Doctor Struensee wurde Reiseleibmedicus.

Der neue König also der Dänischen Staaten verließ die Gränzen seines Vaterlandes und lernte nun auch Nationen persönlich kennen, die er nur aus Erzehlung und durch den Untericht kannte. Er durchreiste die Nord- Abend- und Mittägigen Königreiche, und der Doctor Struensee konnte alle Hofgebräuche beobachten und sich zu einem geschickten Reichsgehülfen bilden, Christian der siebende dieses Namens, König in Dänemark eilte hernach wieder zu seinen Staaten, und gelangte gesund in seiner neuen Residenz an, da er sogleich den Struensee erhob.

Dieser neue König ist ein Herr von sehr biegsamen Naturel, und folgt leicht seinen Eindrücken. Auf den Thron also gestiegen, sobald er das Ruder ergriff, machte er viele Veränderungen bey Hofe, und unter den Ministern, die unter der vorigen Regierung gegolten hatten. Die erste Veränderung im Reiche veranlaßte die Vermählung des Königs mit einer Eng-

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ländischen Prinzeßin. Diese neue Königin, eine Dame voll Geist, glaubte, da sie das Genie ihres Gemals erprüfet hatte, Antheil an der Verwaltung des Staats nehmen zu müssen. Sie sahe es ein, daß das Land in vielem, wenn es blühender werden sollte, verbessert werden müsse, und wurde eine gute Rathgeberin. Durch ihre Anempfehlung auch geschahe es, daß sich der König hauptsächlich des Doctor Struensee’s bediente, der von einer Ehrenstuffe zur andern und endlich, ein fast seltenes Wunder, vom Bürgerlichen zum Grafenstande erhoben wurde, der uneigennützig, bedacht für das Wol des Reichs und unermüdet im Dienste seines Herrn war.

Struensee, Graf von Struensee also, und Graf von Brandt waren die neuen Rathgeber des Königs, die übrigen aber wurden ihres Rathgeberamts entlassen, durch deren Entlassung dem Staate jährlich eine beträchtliche Geldsumme, die sie zum Gehalt bekommen hatten, zuwuchs. Das wollte nun freylich vielen nicht gefallen. Selbst der verwittweten Königin, Juliana Maria, war es empfindlich, daß sie nun nicht mehr wie vorher bey Lebzeiten ihres Gemals, im geheimen Rathe sitzen durfte, sondern der nun neuen Königin diese Stelle überlassen mußte, so wie sich auch ihr Prinz Friedrich ungern von aller Theilnehmung des Ruders entfernet sahe. Sie machte sich daher aus den alten vom Hofe entfernten Ministern und aus allen Unzufriedenen ihren Anhang. Die neue Regierung fande es für gut einige Garderegimenter ihres Dienstes zu entlassen; sie schafte die Kirchenbusse des ledigen Frauenzimmers ab, um dem überhäuften Kindermorde zu steuren; sie erlaubte Bücher ohne vorhergegangene Durchsicht und dazu erbetene

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Erlaubniß zu drucken, da sie einsahe, daß Warheit Warheit bleibt, daß Warheit nicht unterdrückt werden kann, und daß eine hinkende Schrift sich selbst tadelt; — überall gab es die schönste Veränderung, die nach allen Umständen gut war, wodurch Struensee groß, aber auch sehr gefeindet wurde.

Diese Spaltung aber des neuen und alten Hofes erweckte bey dem letztern gar bald eine Zusammenverbindung wieder diejenigen, die ihm im Wege standen, und die neue Königin zerfiel mit der Wittwe. Der Anhang vermehrte sich und mit der Vermehrung desselben, wuchs auch der Haß gegen das neue Ruder. Matrosen und der geringe Pöbel mußten sich, mit List auf die Seite gelockt, indem man ihnen Unwarheiten einflößte, überreden lassen, als wenn der König und dessen gänzliche Familie zernichtet werden solte, und Struensee sich des Reichs bemächtigen wolle: sie mußten einen Aufstand, eine unvermuhtete Bewegung erregen. Man ließ in die Hände des Pöbels unsittliche Pasquille wieder die am Ruder sitzende Herrschaft und deren Ministers aus, wodurch der Gegentheil gar bald verachtet werden mußte.

Da die herrschende Familie nun verdächtig gemacht, trachtete man hierauf, den Erbprinz Friedrich von Norwegen als König einzusetzen und den rechten Regenten vom Throne zu stossen. Diesen schändlichen als bösen Anschlag erfuhr der Graf von Struensee, der sich sogleich bey der regierenden Königin melden ließ, selbiger das bevorstehende Unglück zu eröfnen. Voll Muth verbot es diese Dame, ja nichts davon dem Könige zu berichten, sondern solche Obsicht zu halten, wodurch die Gegenpartei beschämet und zurückgehalten werden könnte. Man regierte das Land

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mit Ordnung. Nur Misvergnügte nennten es Unordnung. Man verwaltete das Recht, und die Gerechtigkeit regirte mit offenen Augen. —

Um aber doch den König zu sichern, so rüstete man sich mit Canonen. Man verdoppelte die Wachten, und ließ die dem etwa ankommenden Feinde, geladen, entgegen stellen. Es wurden die Leute, wenn

ihrer etliche zusammen giengen, zertheilet, um den

Aufstand zu hindern. Niemand, ohne Ansehen der Person, durfte das Schloß betreten, wenn er nicht von zween Soldaten begleitet wurde. Alles Anbringen mußte man schriftlich eingeben, und erhielt auch darauf eine schriftliche Anwort. Dadurch suchte man allen Gistverderbungen zuvor zukommen, wollte der König ausreiten oder fahren, so bekam derselbe eine verstärkte Begleitung. —

Diese Obacht machte die apanagirte Familie, und

die ihres Amts entlassene aufmerksam, und trachteten darnach, das Ziel ihres Unterfangens zu erreichen.

Struensee, als die Sache gar zu übel wurde, redete mit dem Generalmajor von Eichstedt,

nach aufgehobener Tafel ganz fein von diesem vorstehenden Uebel; er redete ihn in Gegenwart der regierenden Königin also an:

“Mein lieber Herr Generalmajor! Die Sache des Staats, des Königs, der Königin und meiner soll, (ich weiß es gewiß,) mir einem Unglücke, mit dem Sturze vom Throne und meiner Absetzung verbunden werden. Ich erfahre es, die verwittwete, Königin (die Stiefmutter unsers Monarchen,) will ihren gebohrnen Prinzen als König ausgerufen und unsern König dethronisirt wissen. Mein

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Leben, der Königin Wolfart und des Königs Vesthaltung sind in Gefahr. Seyen Sie also auf der Huth; und wenn es zum Aufstand kommt, so stehen sie unserm Regenten bey und helfen mit ihren Völkern, die Rotte der Verschworenen dämpfen.,, — Das war aber einer von denen, die zum Aufstand erhandelt worden waren. Was konnte dies also anders, als eine heftige Verbitterung wieder die neuen Ministers und wieder den Hof erwecken? — Die Politik, im üblen Sinne genommen, verarbeitete, nachdem der Graf von Struensee das Geheimniß erfahren und so zum Generalmajor geredet hatte, einen neuen Plan, wornach man, um nicht selbst verrathen zu werden, dem Struensee zuvor kam. Der Graf von Ranzau, der alte Greis, konnte hierbey das Beste ausrichten. Seine Hülfsversicherungen wurden das Lösegeld seiner Schulden. Der Oberste von Köller wurde zwar auch gebeten, den Verschwörungen entgegen zu treten. Aber auch dieser gehörte zum Misvergnügten. Die Köller, Grafen von Ranzau, und Osten hielten es mit dem Erbprinz und der Juliana Maria Rath, und beschlossen, o eine schändliche That! den Arrest einer Königin, die ihren Gemahl liebte, eines Grafen von Struensee's, Brandt, eines Justitzraths Struensee's, der Generale, eines Gähler und Gude und eines Professor Bergers, u. s. w. Sie theilten dazu die Befehle aus, und schrieben die Ordres auf, die der König, im Schlafe gestöret, vom Balle und Weine ermüdet, in der Mitternacht, ohne daß er solche vorher lesen konte, unterschreiben mußte, wobey

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man ihm alle süsse Vorspiele einflößte. Und siehe, er unterschrieb, was er nicht hätte unterschreiben sollen. Aber auch der Erbprinz von Norwegen unterschrieb seinen Namen zugleich mit. — Ist es möglich? Ja, ja, so war es. Leuchtet hier nicht schon, ich frage, die Theiluehmung am Staatsruder herfür? das war also der erste Eingriff in die Rechte der Majestät. —

Die Königin wurde mit unzuvergebender Unverschämtheit aus dem Bette genöthiget; man legte ihr geringe Kleider an, der Graf von Ranzau, mit blossem Degen, kündigte ihr den Arrest an, den er vom König unterschrieben, vorzeigte, den sich diese großmüthige Dame zwar gefallen ließ, ihm aber auch, das wird dir deinen Kopf kosten, zur Antwort gab. Er begleitete sie bis an einen vor sie bestimmten Wagen, worein sie sich setzen mußte, und worin schon der Major Carstenschiold, gleichfals mit gezuktem Degen saß, der sie, mit 30. Reutern begleitet, nach Cronenburg in ein Zimmer, dessen Fenster mit Eisen verwahret waren, brachte.

Majestatbeleidigendes Verfahren! Schon der Arrest im Zimmer, im Schlosse, wäre, wenn sich die Königin vergangen gehabt, hart gewesen. Eisenbegitterte Kerker aber gehören vor Leute, die das Leben verwirkt, die eine schwere Leibesstrafe auf sich gezogen, haben. Gehet man so mit den Regenten, mit Thron besitzendem Frauenzimmer um? —

Ein Gefängniß, ein Klotz mit Ketten, wurde vor die beyden Grafen, die man dem Könige mit Gewalt von der Seite riß, bestimmt; und sie

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trugen auch wirklich das Zeichen der Missethäter an ihren Händen und Füssen; worüber sich der von Struensee mit einem: Man tractirt mich als eine Canaille, beklagte; der andere hingegen nicht aufgebracht bewieß, sondern ausrufte: Einem kleinen Geiste kommt es zu, sich durch Kleinigkeiten demütigen zu lassen; aber ein Grosser hebt sein Haupt weit über seine Schicksals empor.

An der That auch hatten die Königin, Srruensee und Brand sich über diesen Vorfall empfindlich zu beklagen, da derselbe ganz ihren Stand entehrte. Solche Personen bleiben sonst immer Staatsgefangene, ihr Verbrechen sey auch der größten Moralität ausgesetzt, ohne sie so zu mißhandeln. Man beobachtet sie als Standespersonen. Wer will aber eine Königin einkerkern? wer einen Grafen binden? wer ihm Ketten anschmieden und den Anzug der Bösewichter anlegen. Ketten anlegen ist blos die Sache der Barbaren, nicht aber der Christen. Was spricht wol hievon die peinliche Halsgerichtsordnung Kayser Carl des fünften: Wird nicht das in Ketten legen verboten? werden nicht die Gefängnisse, die oft eher Rattenlöcher, als Behälter vor Menschen abgeben, gänzlich untersagt? —

Nun wird von der feindlichen Seite Gericht gehalten. Ist das wol recht? sonsten ist ein Richter, der den kleinsten Verdacht wieder sich hat, verwerflich: in Dännemark aber, wie es scheint, nicht. Die Inquisition hätte von Unparteyischen vorgenommen werden sollen. Was beschuldigte man aber den von Struensee: er hätte die Landes-

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einkünft an sich gezogen und das Reich in Schulden gesetzt. Nicht also meine Herren Richter, er war erster Staatsminister und hinterließ nur 400000 Thaler. War das auch wol ein Vermögen vor einen solchen Herrn? er har ja aber vorher nichts gehabt. Gut. Hat ihn aber nicht der König damit beschenket? das muste ja geschehen, nur sich als Graf aufführen zu können. Was mir aber einer schenkt, das ziehe ich nicht an mich, dabey betrüge ich niemanden und habe es mit Recht. Der Graf von Struensee also war disfals unverdammlich.

2) Er hätte es dahin gebracht, daß die besten Ministers ihrer Aemter entlassen wurden, um keine Beobachter seiner Griffe neben sich zu dulden. Das geschahe, um die Einkünfte durch dergleichen viele Besoldungen nicht zu verringern, sondern zu vermehren. Sind wenige, eine Absicht zu erreichen hinlänglich, was braucht man viele? —

3) Er hätte sich in den Grafenstand erheben lassen und gar Herzog von Holstein Plön werden wollen. Das erste ist unverwerflich. Ich kann mich ja, ohne den Schaden eines andern, so, wie es nur möglich ist, verbessern; ja, ich bin verbunden dazu. Das letzte aber wäre unvernünftig gehandelt gewesen, da er nach einer Sache getrachtet und solche vom Könige gebeten, die nicht in dessen Gewalt stand.

4) Er hätte den bösen Vorsatz gehabt, den König vom Throne zu stossen, die Königliche Familie zu vergeben, die Königin allein zu erheben und sich als Mitregent nennen zu lassen. Deswegen hätte er die Waffen wie-

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der den Monarchen ergreifen wollen, und würde auch alles, wenn man ihm nicht Einhalt gethan hätte, zu Stande gebracht haben. Falsch. War wol der Graf von Struensee ein Cronwel, der die ganze Nation auf seiner Seite hatte? — Jener konnte bald König werden, da ihm sogleich alles Volk zutrat. Dieser aber nicht. Waren nicht schon zwo Partheien unter der königlichen Familie? was für Nebenverschwörungen muß es nicht noch über dies gegeben haben? verge- ben? das hätte er als Leibarzt, ohne dieses Verbrechens überwiesen zu werden, längstens vollführen können, da man Arzneyen antrift, die einen langsamen Tod verursachen, wenn er nicht mehrere Ehrfurcht gegen den König und dessen Stamm besessen hätte. Die Königin erheben? noch niemals hat Dännemark sich von einer Dame regieren gesehen. Mitregent zu werden? das fey! wäre er aber wol versichert gewesen, daß das dann erfolgte neue Ruder gegründet geblieben wäre? wäre er bey seiner Selbsterhebung nicht der grösten Gefahr ausgefetzt gewesen? — das mochte also wol wieder ein falsches, Zeugniß seyn. Die Waffen wieder den Monarchen ergreiffen? Just umgekehrt. Er ergriff die Waffen, um dadurch den König wieder die drohenden Anfälle der feindlichen Seite vertheidigen zu können. Und das war seine Pflicht.

5) Er wäre kein rechtschaffener Minister gewesen, da er die Kirchenbuse abgeschaft, wodurch man der Bosheit allen Vorschub gethan? wie? wenn er dabey die besten Absichten geheget, die auch schon mit gutem Erfolge erschienen? — Copenhagen ist eine Seestadt, die we-

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gen der ankommenden Seessoldaten eine Geisel vor das

Frauenzimmer ist, welches also daselbst gar oft zu etwas genöthiget wird, woran der Wolstand, ob es gleich die Natur erlaubt, ein Mißfallen hat. Wider den Wolstand gelebt, soll es ein Kind gebähren, das es schändet, und es will doch gerne fort und fort Jungfer heissen. Und noch über dies vor der christlichen Gemeine einer heimlich begangenen Lust halber, getadelt und dabey ausgelacht werden. Dis kränket. Und wer weiß es nicht, daß dis ein Hauptgrund eines Kindermords ist? es zeuge eine ledige Person, ein Kind, sie bleibe aber so geehrer, als eine Verbundene. Das erlaubte die Natur und soll auch nun im Dänischen erlaubt seyn. Das eröfnete der von Struensee; und hatte er wol Unrecht? —

6) Er hätte ein geheimes Verständnis mir - - gehabt. Man erlaube: soll ich nicht das, was mir jemand anbietet, annehmen, besonders wenn dieses Angebotene eine Art einer Gunst, eines Geschenks ist? Ich selbst schlage dergleichen nicht aus. Und glaube, es werden sich noch mehrere einfinden, die mir beypflichten. Ja, wird man sagen, man lasse einem jeden das Seine. Wie aber, wenn ich etwa dazu genöthiget werden sollte? — denn das kann man von den Fingern abzählen, daß, wenn etwas vorgegangen ist, sich Struensee gewiß nicht angeboten hat. Er hätte ja besorgen müssen, daß dieser Antrag auf eine Ungnade hinauslaufen würde. Gesetzt auch, es wäre ein geheimer Vertrag vorgegangen, so war es kein Wunder. Es konnte ja derjenige, eines Umstandes halber, seinen Pflichten nicht gemäß leben. Dadurch aber be-

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kam der Gedult haben fallende Theil, der etwa nicht die Gabe der Enthaltsamkeit besaß, Gelegenheit, auszuschweifen. Aerzte gehören vor Kranke, und ein Kranker will gesund werden. — Doch, was halten wir uns bey einer Materie auf, die zu beleidigend ist. Tugend auf der einen Seite und Ehrfurcht auf der andern versichern das Gegentheil. Indessen mußte es so heissen, um die Strafe mit Nachdruck Volziehen zu können und allen Verdacht wegen der Krone von sich abzulehnen. Die Königin mußte nach dem einmal in Collision angenommenen Plane auch verdächtig gemacht werden, um dem Hochverrathe zu wiederstehen und sich davon los zu wickeln. Und aus diesem Grunde zwangen die Juliana Maria und deren Räthe den König zween Befehle zu unterschreiben, einen für die öffentliche Ehescheidung, und den andern, daß die Königin eine ewige Staatsgefangene bleiben solte. Ja, wäre es nicht vom Minister Keith vermittelt worden, man hätte diese beste Gemalin gar zum schleunigen Tode verdamt.

Auch dieser fälschlich angegebene heimliche Umgang war keines Todes werth, welches eine andre Nordische Geschichte gleichen Inhalts beweisen könnte. Demohngeachtet aber sprach man dem Struensee, Ehre, Leben und Gut ab, zerbrach sein Wappen, hieb ihm die rechte Hand, dann den Kopf mit dem Beil ab, stekte beyde Theile auf Pfäle, viertheilte den Körper und legte ihn aufs Rad.

Und das nemliche Todesschicksal wiederfuhr dem Graf von Brandt, den man weiter nichts beschuldigen konnte, als daß er von allem, was den

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Graf von Struensee itzt verdammen mußte, Wissenschaft gehabt hätte.

Beyde Herren hatten zwar ihre Advocaten; sie setzten auch ihre Vertheidigung selbst auf; man sahe aber nicht aufs Recht, und verdammte sie zum Tode, der ihnen nun einmal bestimmt war.

Was können daher nicht Bosheit und Arglist unsrer Feinde ausrichten! Sie die beste Königin wird von der Seite ihres Gemals gerissen; sie, die besten Ministers, Struensee, ein gelehrter, ein einsichtsvoller Mann, und, wie itzt viele seiner Feinde gestehen, ein grosses für Affären geschaffenes Genie und andre riß man dahin, um nicht mehr die Rathgeber des Königs zu seyn; um das Regierungsgeschäfte von neuen an sich zu bringen. Besonders wird es dem siebenzigjährigen Greis, dem Grafen von Ranzau, lieb seyn, daß er sich hierbey Geld machen und sein Schuldwesen berichtigen kann. Wie werden sich die Schmeichler bücken, blos, um den Staat von Einkünften zu erschöpfen und doch, noch den König in Untergang zu bringen! denn das lehret der Zusammenhang, daß, so lange der Erbprinz Friedrich von Norwegen seyn wird, es immer Spaltungen im Reiche giebt. Er macht nun bey allen Gelegenheiten Mine, König zu werden.

Der Hof zu England nahm sich, bey so gestallten Sachen, der Königin an und ließ dem Minister Keith eine Schrift zusenden, worin man um die Ehescheidung anhielt. Dieser bat sich daher Audienz beym Könige aus; statt dessen aber fand er die Räthe und dessen Frau Stiefmutter, die von ihm verlangten; er sollte seinen Vortrag thun. Keith aber sprach: ich habe mit dem Könige sprechen

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wollen. Und mit dieser Versamlung habe ich nichts zu thun; und gieng aus dem Zimmer. -- Dann ließ er sich nochmals beym Könige melden, und kam vor denselben. Er legte ihm den Ehescheidungsbrief zur Unterschrift vor, den er auch uneingesehen unterschreiben wollte. Nein, Ihro Majestät, sprach der Gesandte, lesen sie doch erst. Ach da rufte der König aus: das geht nicht an. wo ist Struensee? wo ist Brandt?

Da kann man sehen, daß der König zwar beyder Todesurtheil unterschrieben, aber nicht einmal gelesen, noch davon Kundschaft eingezogen hatte, was er unterschreiben solte. In die Ewigkeit waren sie.

Die Beleidigung auf der Seite der Königin, die man ihr anthat, war zu groß, daß sie hätte Gemahlin bleiben sollen. Die Scheidung gieng vor sich. Sie verließ Dänemark, und bezog die Hannövrischen Staaten.

Wer siehet also hieraus nicht, daß der Graf von Struensee und Brandt Opfer fürs Vaterland werden mußten? -- --

Merkwürdig ist es, daß der Justitzrath und Lieutenant Struensee, vor ihrer Dienstsentlassung, schwören mußten, um nichts von diesem Zufalle der Welt zu melden. Da kan man sehen, wie man verfahren hatte. Bisher zwar haben sie den Schwur gehalten, wie es aber noch in Zukunft gehen wird, das wird die Erfahrung zeigen. Da müßten rechte Griffe an den Tag kommen. Und das solten sie

melden, um die Königin frey zu schreiben und ihren Bruder zu retten.