BREV TIL: Arie Cornelis Bouman FRA: Louis Hjelmslev (1930-05-04)

Kopenhagen-Ø. DSnemark. Blegdamsvej 82. den 4, Mai 1930.

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Lieber Herr Professor Bouman, Ich rabchte Ihnen hiermit raeinen herzlichen Dank aussprechen flir Ihre ausfiihrliche und wertvolle Besprechung roeiner Arbeit, wie auch fur luren freund- lichen und liebenswtlrdigen Brief, den ich in> November bekam. ItLr bibliographische Zwecke mochte ich Sie bit- ten, mir gelegentlioh den Namen der Zeitschrift angeben zu wollen, in der Ihre Besprechung erschienen ist; es ist auch sehr wohl mdglich, dass ich spater einmal aur Ihre Bemerkungen in einer Veroffcntlichung zuruckkarae. Durch den Zwang praktischer Umstande håbe ich zur Seit meine grammatische Arbeit zurtieklegen und mich vorlaufig mit ganz underen mtlssen. Hoffenti ich werde ich in Herbst di« Sache wieder aufnehmen kbnnen. Unlangst håbe ich doch in unserem philologischen Verein eine Mitteilung gemacnt ibe_ Semantem und Morphem, wc ich eg-versucht halbe, daB von mir, Princ. de gramm. gén. S. é S. 192 und s- 339 an- eeaéutete Srofclem ngher aUBZufOhrenund eine vorlaufige Issung zu bringen. Es foist von selbst, -dass ich Ihnen fliiese Arbeit zustellen werde, wenn sie verSffentlicht wird, was doch frtthesteris ure Keujahr der Uebrigens beschaftige ich mich zur Zeit mit indogermani scher Lautgeschichte und bin also momentan weU entfernt von der dramme til. Das kann aber nicht verhindern, dass ich Ihnen anlat-si ich Ihrer kritischen Bemerkungen eimge Erw&gungen zustelle; nur bitte ich Sie zu entschuldigen, dass sie vielleicht sehr unvollstandig erscheinen werden und ich bitte Sie, sie wenigstens nicht als endgultig hin nehmen zu wollen.: : Zun&chst ist es mir eine Freude, dass Sie yiel-- fach meine Iheorien mit Zustimmung entgegengenommen haben, und dass Sie siéh im allgemeinen so anerkennenl ausspre- chea. Hier mttante ich sofort bemerken, dass es scheint, ale ob sie mich an einem Punkt missverstanden haben wenn nicht uragekehrt ich Sie missverstehe - ich muss gestehen dass Ihre Spraehe mir hie und da Sehwiérigkeiten macht. Wenn ich aber nicht'irre, sagen Sie S. 96: "Dae einzige, was die Grammatik bel ihrer Arbeit interesslert, ist die normative Lo«ik." Ich håbe ja aber in meinera Bueh gerade das degen- t°?1 iehacptBt. sj 1? ff. (^Bonders 6. 20-21: normative reste étrangere h. la grammaire ). Wie ich soeben

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an J. van Glnneken geschrieben håbe, sind seine unl&ngst erschieneneABemerkungen in dieser Hinsicht, De oorzaken der taalveranderingen, 2. druk 1930, S. 26 f., ganz und gar wie aus meinem Herzen gesprochen, und seine Beispiele sind zutreffend: die KategoMeen Subjekt-Pradikat, Parataxis und Hypotaxis, Elementstellung (Wortfolge), alles dies ist in der Spracne etwas ganz anderes als in der Logik, und Xasst sieh vora philosophischen Gesichtspunkt nur denkpsychologisoh und emotional, nie rein logisch verstehen. Aber - ich habe Sie doch gewiss missverstanden! Hun zur Saohe: Die einzige Divergenz zwischen uns be- steht .la, wie es soheint, auf dem Gebiete der Symbolik. Doeh glaube ioh behaupten zu kfinnen, dass die Unubereinstimmung auch hier mehr verbal als real ist,- Wenn Sie gegen die Auf- fassung de Saussure's einwenden, dass das Band zwischen Aus- druck und Bedeutung nicht bloss assoziativ und nicht willkttr- lich ist, sondern weohselseitig bediugt, yerstehe ich zwar ganz gut, dass dies als eine Einwendung gegen de Sauseure gelten kann, da de Sauseure sich der Lautsymbolik gegen- tlber ablehnend verhielt. Meines Erachtens aber muss vor allem gegen die Darstellung in de Saussure’s Cours S, T02 einge- wendet werden, dass hier Diachronie und Synohronie in fataler Weise verwechselt worden sind, wie ich es in meinem Buch S. 194 dargetan habe, und wie iibrigens auch A, W. de Groot in einer ■•Diskussion auf "dem--Haagér Korigresse sehr richtig bemerkt hat. Dies ist M, E. der Kernpunkt; Was aber die Termini "asso- ciatif" und "arbitraire” betrfcfftn habe ich sie zv.ar aus de Saussure tibernommen, aber hier (also gegen diese Ausdrxicke und gegen mein© Auffassung) ist Ihre Bemerkung kein wirklicher Einwand: Eine Assoziation kann ja eben sehr gut weohselseitig sein; in diesem Terminus ist .ja keine Richtungsbestiramung im- pjlziert; ist es doch eben die Meinung de Saussure's, dass die beiden Seiten des Zeiohens sioh weohselseitig bedingen und "solidarisch" darstehen; bei seinen Schtilern Bally und Séche- haye tritt dies; -.'Gesichtspunkt noch-deutlicher hervor. Ich will die Sache auch so auffassen. Die spruchliche Assoziation 1st auch nicht in iedam beliebigen Sinne des Worths wfcllkflrlinh. ■ Das Wort Assoziation muss fortwiihrend gebraucht werden kbnnen, ohne dass alle Fehier der alten Afesoziattpnspsyehologie not- wendig daran haften, Unter Assoziation verstehfe ich nichts an- ders als ein tatsaehliches Band zwischen 8wel 7o r s tellungen. Das heisst, ich fasse die Assoziation ausschliesslich synchro- niseh auf, und der Terminus ’'Assoziation" soil nichts iiber die jfrltStehuhg dieses Bandes impliziereii, Eine wftllktirliehe Ent- stehung einer Assozlat ig:.r setzt namlich voraus, dass die beiden assoziierten Vorstelluhg*ursprtinglich isoliert, selbståndig, unassoziiei*t darsttinden; und das ist offenbar mil Ausdruck und Bedeutung; (signifiant und signifié) nirgends der Fall, Hier bin ich mit Ihnen und Weisgerbér durchaus einig.

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II.

/ dadurch/

Was den Terminus "arbitraire" tibrigens betrifft, hat ja eigentlich de Saussure selbst eine Einschr&nkung ge- gebenj dass das "signe arbitraire" nach ihm "relativement motive"•sein kann. Die Tatsaohe låsst sich doch nicht leugnen, dass nicht Alles in der phonetisohen Struktur eines Ausdrucks "symbolisch" ist. Nur his zu einem gewis- sen Grade, nur von einem bestimmten Gesichtspunkt aus l&sst sich eine Symbolik konstatieren. Besonders lfisst. sich hervorheben, dass das sprachliche Zeichen vom logi- schen und rein-psychologischen Gesichtspunkt prinzipiell ganz arbitrår erscheint-, Wenn man ånnimmt, dass,wenigstens in gewissen Kulturen wie z. B, die okzidentale, rein psy- chologisch-logisehe Begriffe- existieren.unabhengig vom sprachliehen Ausdruck, - dies ist bekanntlich von de Saussure verneint worden, s. meine Principe6 S. 44 f, , -wie es auch unlångst Weisgerber hat verneinen wollen; ich selbst mSchte mich hier agnostisch verhalten lieher als verneinend - wenn man also das Daaein soleher nieht-sprachlichen Begriffe annimmt, muss das Zeichen von diefiem Gesichtspunkt au.s als arhitrar erscheinen: die■sprachliche Bedeutung ist mit dem "Begriffe" nie identiseh, auch nicht durch ihn motiviert - 4, h. le signifié est arbitraire. Auch der Ausdruck, d, h. Form und f>feutung, ist durch den nicht-sprachliehen Begriff gar nicht und durch die sprachliche- Bedeutung (le signifié) nur teilweise bed.ingt - d. h. le signifiant est arhitraire. Geht man aber vom Ausdruck (le signifiant) aus, findet man eine Symbolik, und nur auf diese V-eise. Fragt man weiter, wie weit sich hier die Symbolik eletreckt, mSchte ich mich wledcrum bis aui* Weit'er es agnostisch-verhalt-en* denn das kann nur durch eine tiefgehende und umfassende Entersuehung festgestel.lt werden. Ich finde es hier- s«hr bedeutungsvoll, wenn^Sie, wie Sie andenten, eine solche empirische Enter- suchung, vorl'åufig-auf nlederlåndischem Gebiet, unternehmen vvfirden. • Heiner Keinung nach also weiss man eigentlieh vorlau- fig nicht, ob hinter der Bedeutung unabhangige Begriffe stek- kan oder nicht; man weiss auch nicht, wie weit die Symbolik geht. Man karm hier Hypothesen aufstellen und sich tibrigens vorlau fig agnostisch- verhalten, aber n i c 1; t iibl e Im emi. Ich muss also dur.ehaus. bestreiten, dass meine Darstellung eigent- lich. bedeute n,n afwysing van die botekeniu van die simboliese funksie in die grammatika, en vir die taal in die algemeen". Wenn ich mit v. d. Gabølentz von eliter "symbolistischen TøndenT-'* spreene, glbt das nur eine vorsiehtige Formulierung des heutigen Standes unsres Wiosens, Die"'i’endQnz1' bedeutet nicht no tv; end ig, "dat die simboliek so hier en daar mag op- tree, as die v.oorwaardes gunstig ts'VDie "Tondenz" k5nnte eine durchgehende, eine die Sprachvenanderung beherrschende s ø in Ich glaube demnach, dass wir lin Grunde ganz einig sind. Nur bin ich geneigt, mich ein uenig vcrsici.tiger auszu- drEcken als z. B. Sie, Weisgerber und Cessirer es tun. Bear- beitete Tatsachen giht es ja auf diesem Gebiete noch fast

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gar keine

Sie haben mich in Ihrem Brief gefragt, wie ich uber Ihre "Onderzoekingen over Afrikaanse Syntaxis" urteile. Die Lekture dieser Arbeit hat mich.1ehhaft interessiert, ganz besonders der Hauptabschnitt fiber Wortfolge und Formenver- lust. Ihre kritlschen Beraerkungen gegen Jespersen finde ich sehr zutreffend, und besonders Ihren Einspruch gegen den , einseitigen tutilitaristischen,, Gesiehtspunkt. Das Beweisr material, das Sie hier (fur wie gegen die Iheorie Jespersens) der Sprachwissenschaft zugånglich,gemacht haben, scheint mir von sehr. hoherrr Wert e. Die Ergebnisse Hirer Arbeit, die auf einem genau geprliften Erfahrungsmaterial • beruhen und mit theoretischenvSeharfsinn ausgefuhrt sind. miissen notwendig die allgemeine Sprachwissenschaft beeinfiussen. Wexjm ich irdch wieder der Grammatik zuwende, werde auch ich s.ieher Ihre Arbeit verwerten kbnnen. Ueberhaupt ist ja das Afrikaans eine besonders interessante Sprache, vom allgemeinen,'vom diaehronischen und vora grarnmatischen Gesiehtspunkt. Ich bin deshalb auch sehr froh, Ihre praktisch gpplante, ubersicht- liche und iniialtreiehe Afrikuanse spraakkuns zu besitzen. Sie wird mir bei raeinen allgemein-grammatisehen Untersuchungen stets sehr wertvoll sein. Da wir „ja in Manchem so einig sind, ware es vielleicht auch sehr wohl mbglich, dass wir spilter eine festere Zusammenarbeit organisieren kbnnten. Soil eine allgemeine Grammatik wirklich ausgefuhrt »verden, wird sie ja eine erhebliche.Serie von speziellen Untersuchungen not- wendig machen, Ich glaube z, 3,, dass wenn Sie einmal meine Untersuchungen fiber das Verhaltnis von Servantem und Morphem kennen lernen, und wenn-Sie fortwahrend meinen Theorien Ihre Zustimraung geben kbnnen, Sie auf dem Gebiete des Afrikaans eine SpezialupJbersuchung in dieser Hinsicht. unternehmen hbnn- ten, die besonders wertvoli werden konnte. Ich håbe hier be- sonders den Uebergang vom Late ini schen zum Pranaosischen stu- diert, aber der Uebergang vom Hollandischen zum Afrikaans ist ja in vieler Hinsicht pnraliell, " Wenn meine allgemeinen und theoretisehen Vorunter- suchungnn bis zum Sommer 1921. genugend vorgcschritten sind, um auf dem so gebildeten Grundlage- mit Erfolg Spezialunter- suchungen orgnnisi'eren zu kunnen, mbchte ich vielleicht auf dem nac listen Linguistenkongreso den Vorschlag machen, eine Zusaramenarbeit verschiedener Spezialisten in der Wéise zu eta blieren, dass auf einmal mehrere Sprachgebiete von einem ganz bestimmten Gesiclitspunkt aus parallel! erfor-scht werden kbhn- ten. Vor allem mfissten zwar hier kompetente Forscher eintre- ten, Auf dem Gebiete des Afrikaans wflren Sie' gevriss eiri sehr wertvoller Mitarbeiter. Vorlaufig bitte ich Sie doch, die Mit teilung dieses Plans als verb mullah hinnehmen zii wbllen, Indem ich Ihnen noahmals danke, bitte ich Sie, meinen freundlichsten Gruss entgegennehmen zu vvollen, Ihr ganz ergebener