Eine wahre und ungeheuchelte Gottesfurcht als das sicherste Mittel ein Reich aufrecht zu halten, Vorgestellet in einer Rede am verordneten allgemeinen Danksagungs- und Gebetsfeste auf den 1. December 1773.

Eine wahre und ungeheuchelte Gottesfurcht als das sicherste Mittel ein Reich aufrecht zu halten.

Vorgestellet in einer Rede am verordneten allgemeinen Danksagungsund Gebethfeste auf den 1 December 1773.

Von

M. Christian Bastholm,

Garnisons-Prediger in der Citadelle Friederichshafen.

Copenhagen,

gedruckt in der Königl. Universitets Buchdruckerey bey sel. A. Godiches nachgelaßenen Wittwe, durch Frid. Christ Godiche.

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Text.

Psalm 85. v. 10-14.

Doch ist ja feilte Hülfe nahe denen, die ihn fürchten, daß in unferm Lande Ehre wohne. Daß Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küßen. Daß Treue auf der Erden wachse, und Gerechtigkeit vom Himmel schaue. Daß uns auch der Hert gutes thue, damit unser Land sein Gewächse gebe. Daß Gerechtigfeit dennoch vor ihm bleibe und im Schwange gehe.

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Gebeth.

O! Gott! Wohlthäter aller deiner menschen! Wohlthäter Dannemarks! Unaussprechlich groß und unzählbar sind alle deine Wohlthat.n, womit du uns überschüttest; deine Güte ist immer Neu über uns; unerschöpflich ist die Liebe, die du uns beweisest; und wir sind Undankbar, kalt, unempfindlich gegen deine mannigfaltige Gute; mit wahrer Reue und Wehmuth des Herzens bekennen wir es, daß wir deine Gnade zu Muthwjllen, gewißbrauchet haben. O! Gott! erwecke in unfern Herzen eine wahre, eine ungeheuchelte Gottesfurcht, daß wir zu dir, als der einzigen Quelle aller guten und aller vollkommenen Gaben, hinsiiehen, dich über alles, als unfern höchsten Wohlthäter lieben, und deine Wshlthaten deinen Absichten gemäß anwenden; damit du nicht in deinem Zorn deine Ruthe wieder die undankbaren Verächter deiner Güte dermaleinst ergreifen mögest. Amen.

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Eingang Die Staatskündiger sind immer mit der Frage beschäftiget gewesen, welche Regieringsform für die Wohlfart eines Landes die vortheilhafteste fen; einige wollen, daß das Reich das glücklichste sey, welches nur unter einem Könige stehet, der, wie die Seele im Leibe, seine Wirksamkeit über den ganzen bürgerlichen Cörper verbreitet; andere meinen, daß es beßer wäre, wenn Mehrere zugleich am Ruder der Regierung säßen, weil vereinigte Kräfte stärker wirken; andere wollen, daß das Volk selbst die Gewalt in den Händen haben sollte, weil es bester mit der Freiheit der Menschen übereinstimmet; andere hingegen behaupten, daß kein Land beßer beherrschet werde, als wo diese verschiedenen Regierungsformen mit einander vereiniget sind. Diese Streitigkeiten werden wohl nie ein Ende haben, und wenn sie auch könnten entschieden werden, würde die Welt wohl nicht viel Nutzen da-

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von haben, ein jedes Land würde doch wohl bleiben, was es ist. — Ich behaupte, daß

eine jede Regierungsform gut sey, wo eine wahre Gottesfurcht die Regenten wie die Unterthaten beseelet, und daß eine jede Regierungsform unfähig sey ein Reich seinem Untergänge zu entreißen, wo die Gottesfurcht, diese Grundsäule des Staats fehlet. David überzeuget uns davon in unserm Texte; er, als ein guter König, der die Plagen seines Landes fühlete, beweinet in diesem i

Gesänge die Züchtigungen, die der Hert ihnen zugeschickt hatte; er erkennet seine eigene Ohnmacht sein Volk zu erretten, seine Klugheit und seine Gewalt verlaßen ihn, eben wo sie ihm am nothwendigsten waren; nur die Furcht des Herrn ist das zuverläßige Mittel fein Reich aufzurichten; er weiß, daß Güte, eine allgemeine Güte und Wohlwollen, Treue unter den Bürgern, Treue gegen den König, Gerechtigkeit auf dem Throne, innerlicher Friede und äußerlicher Friede die wahren Quellen sind, daraus die Wohlfart eines Landes herfließet; und diese

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einer wahren Gottesfurcht seyn, daher bricht er in diese Worte aus: seine Hülfe ist nahe Lenen, die ihn fürchten; daß in unserm Lande Ehre wohne; daß Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küßen. Die Wahrheit dieses Davidifchen Ausspruchs wollen wir heute in ein Helleres Licht sehen, wenn wir euch weisen:

Daß eine wahre und ungeheuchelte Gottesfurcht das sicherste Mittel sey ein Reich aufrecht zu halten.

Man sollte wohl kaum glauben, daß es nothwendig wäre in einem Lande, wo die Lehre Jesu in ihrem vollem Glanze leuchtet, den Christen zu sagen, was die Gottesfurcht sey; dafern die Erfahrung uns nicht lehreke, daß nicht wenige, die sich ihrer Gottesfurcht rühmen, von dem Wesen dieser christlichen Gesinnung weit entfernet seyn. So viele Menschen, so viele verschiedene Begriske von der Natur der wahren Gottesfurcht, und dennoch kann nur einer der wahre seyn. Fraget diejenigen, die um euch sind, was

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die Gottesfurcht sey, laßet den Wandel derer, die da glauben von einer ächten Gottesfurcht beseelet zu seyn, eure Frage beantworten, wie viele verworrene Vorstellungen werden denn nicht herauskommen, die einem wahren Anbether Jesu Mittleiden und Schrecken einflößen. Ich fürchte den Herrn, dieses bedeutet insgemein so viel: ich opfere jeder Lehre unserer Kirche einen blinden Glauben auf, ich bezahle jährlich meinen Plaß indem Tempel des Herrn, ich wohne zweymal des Jahres dem Gedächtnißmale des Todes Christi bey, ich laße keine Nothleidenden rrostloß Weggehen; mein äußerlicher Wandel hat alle Merkmale der strengesien Heiligkeit; niemals Hat ein Eidschwur meine Zunge beflecket; niemals ist ein Fluch in meinem Munde gewesen; mein Eifer für die Religion ist brennend, mein Haß wider die Gottlosen unversöhnlich. Und wann wir dieses alles genauer betrachten, fs ist oft dieser Glaube nur Aberglaube, dieser äußerliche Wandel Heucheley, und dieser Eifer Enthusiasmus. — Ja, wenn diese drey Dinge das Wesen der wahren Gottesfurcht

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ausmachten, so würden wir nicht so sehr Ursache haben, uns über den Mangel an Gottseeligkeit zu beschweren; aber eben diese Gesinnungen laufen dem wahren Geiste dieser heiligen Gemüthsbeschaffenheit geradesweges entgegen, und vertilget alles wahre Christenthum bis auf den Namen; die ächte Gottesfurcht bestehet nicht in gewißen Lehrbegriffen, die im Gedächtniß aufbehalten sind, sondern in ihrem fruchtbaren Einfluß auf unsere Herzen; nicht in dem mündlichen Bekenntniße gewißer Glaubenslehren, sondern in der wohlthäkigen Veränderung, die sie in unserem Gemürhe Hervorbringen; nicht in der Erkenntniß, sondern in der Uebung unserer erkannten Pflichten; nicht in der Beobachtung gewißer äußerlichen Gebräuche, sondern in der inneren Heiligung der Begierden; nicht in einem blinden wüthenden Enthusiasmus, sondern in dem sanfmüthigen Geiste, der die Christen beseelen soll. — Wann wir die Liebe Gottes in der Natur, seine Liebe in dem Werke der Versöhnung, seine Liebe in den mannigfaltigen Wohltharen, womit er uns über-

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schüttet, wann wir uns diese Liebe lebhaft vor Augen stellen, wann diese Betrachtung der göttlichen Liebe eine wahre innbrünstige Gegenliebe in unsern Herzen entzündet, wann wir Gott über alles, und unsern Nächsten, als uns selbst lieben, wann wir Kraft dieser Liebe uns scheuen die Befehle des Herrn zu übertreten; wann ein jedes Geboth uns heilig und wichtig und liebenswürdig ist, auch wann es die geliebten Lüste unsers Herzens bestreitet, weil der Gott, den wir lieben, der Gesetzgeber ist; wann wir, wie Petrus sagt, allen unsern Fleiß daran wenden, daß wir in unserm Glauben Tugend, und in der Tugend Bescheidenheit, in der Bescheidenheit Mäßigkeit, in der Mäßigkeit Geduld, in der Geduld Gottseeligkeit, in der Gottseeligkeit brüderliche Liebe, und in der brüderlichen Liebe gemeine Liebe dar- 2 Petr. 1, reichen. Kurz, wann wir uns aus Liebe zu 5 - 7. Gott und unserm Nächsten beeifern, diejenigen Pflichten zu erfüllen, die wir Gott, uns selbst, unserm Nebenmenschen und dem Staate, Kraft der göttlichen Vorschriften schuldig sind, das ist Gottesfurcht; wodiese

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Eigenschaften fehlen, rühmen wir uns vergeblich unserer Gottseeligkeit.

Wer kann diese Beschreibung hören, M. G., ohne das Land glückseelig zu preisen, wo solche Gesinnungen herrschen? Wer Pred. 8, muß nicht das Urtheil Salomens billigen:

12' ich weiß, daß es wohl gehen wird denen, die Gott fürchten, und sein Angesicht scheuen. Was kann ein Reich verwüsten, dessen Glieder durch alle Stande und Claßen von dem Throne bis zu der Strohhütte von einer wahren Furcht des Herrn beseelet sind, und was kann ein Reich erhalten, wo Tugend ein Schimpfwort, und Gottseeligkeit der Beweis einer schwachen Seele ist? — Wo keine wahre Gottesfurcht ist, da ist auch keine Religion; die Religion bestehet nicht in gewißen unfruchtbaren Gedanken, Meinungen, Vorstellungen, die nur einen Platz im Gedächtniße erfüllen, und keine weitere Folgen haben, als daß wir diejenigen Haßen oder verachten, die nicht wie wir denken; die Religion bestehet in der Ausübung unserer Pflichten, das ist das Wesen der Religion; wann die Ansübung fehlet, kann es

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ganz gleichgültig seyn, ob wir Christen, Juden, Türken, Heiden oder Gottesleugner sind; für uns selbst und für den Staat werden die Folgen immer dieselbigen sehn. Daher sagt der Hert durch den Propheten Jere-Zer. 7, 4. miam: Verlasset euch nicht auf die Lügen, wann sie sagen: hie ist des Herrn Tempel, hie ist des Herrn Tempel, hie ist des Herrn Tempel; sondern beßert euer Leben und Wesen, daß ihr recht thut, einer gegen den andern. Daher verwirft Paulus alle unsere i Cor. Erkenntniße und Einsichten in die göttlichen 13, 2. Wahrheiten, wo die Liebe fehlet, welche die Urquelle aller christlichen Tugendenist. —

Allein, was kann ein Reich erhalten, wann es nicht die Religion ist? Vielleicht unsere Mauren, unsere Festungen, unsere Kriegeöheere? Wir bekriegen uns; die Festungen, die für das Eisen unzugänglich sind, stehen dem Golde offen, wann der Befehlshaber keine Gottesfurcht besitzet, und schon innerhalb seiner Schanzung vom Geihe besieget ist: es ist die Religion, welche das Herz der Kriegesheere mit dem Herzen des Königs verbindet; ohne Religion wanket

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der Thron des Fürsten, sein Leben ist eben so unsicher in den Händen seiner Leibwache als im offenen Felde. Nur ein schmeichelhafter Gewinn, nur die Hofnung eines glücklichen Ausfalls, nur der Wink eines mächtigem Fürsten würde bald den Eid der Treue brechen, den sie einmal gezwungen oder aus Eigenmuth abgelegt haben; denn der Eid selbst ist ja ein nichts, wann ec nicht durch Religion und Gottesfurcht gültig gemacht wird. — Gewiß, die Religion muß als die erste Grundsäule eines Staats angesehen werden, aber auch nur die fruchtbare Religion, davon wir reden, welche eine wahre Gottesfurcht in den Herzen der Unterthanen erzeuget, sonst ist die Religion ein nichts, ein Leib ohne Seele, ein Schatz ten ohne Cörper; diejenigen müssen daher als schlechte StaatSkündiger angesehen werden, welche die Religion nicht unterstühen, sie in Ehre halten, befördern, ausbreiten, und sich bemühen durch alle nur ersinnliche löbliche Mittel dieselbige unter ihren Unter: thanen so fruchtbar zu machen als möglich; auch wenn sie selbst boshaft oder einfältig

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genug wären, dieselbe im Herzen für ein Hirngespinst anzusehen.

Nehmet die Religion oder die Gottesfurcht weg, denn das sind nur in Ansehung des Staats ganz gleich bedeutende Namen, was wird denn denen Lastern der Unterrhanen Einhalt thun, die das Land ärger verwüsten als die feindlichen Waffen? Unsere Gesetze vielleicht, unsere Bande, Feßel, Gefängniße, Schwerdt, Ruthen, Räder? Hat die Erfahrung auch bewiesen, daß diese Zwangsmittel hinlänglich gewesen ein Land vor seinem Untergange zu bewahren? In keinem Lande ist wohl Mangel an diesen Mitteln, und wir sehen doch, daß so viele Reiche zu ihrem Ende mit starken Schritten forteilen, und viele sind schon unter ihrem Schutt begraben. Die Gesetze, mit allen ihren gerichtlichen Zwangsmitteln begleitet, können nur dem Ausbruche gewißer groben Verbrechen Vorbeugen, und selbst wann sie strafen, gereichet fast allezeit die Strafe zum Nachtheil des Landes; vorteilhafter würde es allezeit für das Land seyn, wenn die Strafe nicht nörhig wäre, und sie würde nicht

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nöthig seyn, wenn eine wahre Gottesfurcht die Bestraften beherrschet hätte. — Allein, was für Laster sind den Gesehen des Landes unterworfen? Hochverrath, offenbarer Betrug, Raub, Diebstahl, Mord, Ehebruch. Und sind dieses denn die einzigen Laster, welche dem Staate schädlich seyn? Wieviele giebts nicht, die nicht weniger den Untergang eines Landes befördern, und dem Richterstuhle der Fürsten entfliehen? Undankbarkeit, Neid, Wollust, Unzucht, Unmäßigkeit, Müßiggang, Eitelkeit, wie gefährlich sind nicht diese Laster dem Staate, sie sind mit einer unheilbaren Schwindsucht zu vergleichen, die in dem inneren Gebäude des Staats nicht offenbar wüthet, sonder heimlicher Weise alle Adern durchschleichet, das Mark verzehret, die Nerven allmählich verschlaffet; dieser innerliche Feind in einem Landeist weit gefährlicher, als der bewasknete Feind im offenen Felde, weil man ihn nicht kennet, ehe er schon mächtig ist; man siehet die allmählich zunehmende Schwäche, die sich über alle Glieder dieses bürgerlichen Leibes verbreitet, aber die Arzeney fehlet;

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vergeblich reden hier die Gesetze, vergeblich bewafnet sich die Gerechtigkeit, wann der Feind versteckt ist; die Krankheit nimmt immer zu, der Tod ist gewiß, wiewohl langsam, und es kann wohl dem Staate einerley seyn, ob er durch einen plötzlichen Schlag, oder durch eine Schwindsucht untergangen ist; gewiß nur eine wahre, allgemeine Gottesfurcht kann diesem Nebel steuren, was die Furcht vor der obrigkeitlichen Gewalt nicht ausrichten kann, das wirket die Furcht vor Gott, und wo sie auch fehlet, ist der Untergang unausbleiblich, die weisesten Vorkehrungen können das Nebel verlängern, aber nicht aufheben, nicht das Gift mit der Wurzel ausrotten.

Ohne eine wahre Gottesfurcht sind alle diejenigen Quellen, daraus die Wohlfart des Landes entspringet, vergiftet, und bringen ein langsames Gift in den ganzen bürgerlichen Leib hinein. Was kann an sich selbst für ein Land nützlicher seyn, was kann die Blüthe desselben befördern, wann es nicht Künste, Wissenschaften, äußerliches Ansehen, Rang, Titel, Reichthum

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sind; aber nehmet die Gottesfurcht weg, laffet eine allgemeine Ruchlosigkeit die Stande eines Reiches überschwemmen; so sind unsere Wissenschaften nur geschäftig Ueppigkeit und Eitelkeit zu ersinnen, unsere Künste sehen sie ins Werk, unsere Reichrhümer unterstützen und ernähren sie, unser Ansehen veradelk sie, und verbreitet sie durch die niedrigsten Stände, und die Zunahme der Eitelkeit ist die Abnahme des Staats; das Reich wird glänzend und arm; dieser bürgerliche Cörper gleichet dem menschlichen Leibe, wo die Gesundheit im Angesichte zu blühen scheinet, weil der Tod in jeder Ader wüthet. Was soll diesem hineinreißenden Uebel Grenzen sehen? Ja, die Gesetze können etwas ausrichten, aber daßelbige und noch mehr thur eine wahre Gottesfurcht, die den Stolz, die Mutter aller Eitelkeit dampfet, und also das Uebel samt der Wurzel ausrottet; so weit gehen die weltlichen Gesetze nicht.

Ohne eine wahre Gottesfurcht ist kein wahrer Patriotismus möglich. Der wahre Patriotismus, der zur Glückseligkeit eines

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Landes so nothwendig ist, so unentbehrlich ist kein kalter unfruchtbarer Wunsch, daß es dem Lande wohl gehen möge, auch keine Hirnwuch, kein heißer Enthusiasmus, der durch einen gewißen, plötzlichen, seltenen, neuen Eindruck auf die Einbildung entzündet wird; dieser Patriotismus dauert nicht langer als der Eindruck, der ihn erzeuget. Ein entgegengesetzter Eindruck schwächet gleich dieses Feuer; hier ist keine Mittelstraße zwischen nichts und so viel; und selbst wann er am heißesten ist, ist er immer mehr schädlich als nützlich, weil er ohne Ueberlegung durchfahrt, gleich einem Rasenden, der ein Feuer löschen will, und unbesonnen das Oel statt des Wassers ergreifet. Nein, der wahre Patriotismus bestehet darin, daß man ohne Eigennutz, bloß aus Liebe zu seinem Vaterlande, als ein Mitglied des allgemeinen Wesens, feine Kräfte zur allgemeinen Wohlfart anwendet, und sich auch nicht weigert feine eigenen Vortheile aufzuopfern, wann die Glückseeligkeit des Staats dadurch kann befördert werden. Allein kann denn ein

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resfurcht möglich seyn? Wer Gott nicht liebet, kann er wohl fein Vaterland, seinen König, seinen Mitbürger lieben, länger lieben, als seine eigenen Vortheile es erlauben. Es ist wohl war, was Johannes sagt: wer seinen Bruder nicht liebet, den er sicher, wie kann er Gott lieben, den er nicht siehet; aber umgekehrt ist es nicht weniger wahr: wer Gott nicht liebet, der das liebenswürdigste Wesen ist, wie kann er seilten König lieben, der weit unvollkommener ist. Wer Gott nicht fürchtet, und doch ein Patriot heißen will, der muß ein Betrüger seyn; sein Patriotismus ist Eigennutz; und unglücklich das Reich, wehe dem Staate, deßen Glieder nur durch Eigennutz zusammengehalten werden; indem ein jeder unter dem Namen eines Patrioten für sich selbst arbeitet, arbeitet er zugleich an dem Untergänge des ganzen; aber, wie glücklich und gesegnet muß hingegen das Land seyn, wo eine wahre und allgemeine Gottesfurcht die 1 Cor. 10, Ermahnung Pauli wirksam und fruchtbar 24. gemacht hat: Niemand suche, was seyn ist, sondern ein jeglicher suche, was des andern ist.

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In einem Lande, wo alle Unterthanen von einer wahren Gottesfurcht beseelet sind, da muß auch eine allgemeine Güte und Wohlwollen herrschen. Güte und Treue begegnen einander, sagt David. Däfern ein Land blühen soll, mäßen alle Einwohner deßelben von einer allgemeinen Güte und Liebe beseelet seyn; wann der König seine Gewalt mißbrauchet, seine Unterkhanen zu unterdrücken, wann ihr Schweiß dienen muß seinen Geiß oder seinen Stolz zu befriedigen; wann die Unterthanen durch das Joch falsch, niederträchtig und eigennützig werden; wann ein jeder nur in seinem Kreise arbeitet, ohne Absicht auf die Wohlfart des ganzen' wann jeder Unterthan seinen eigenen räuberischen Gesinnungen nachgehek, und lieblos seinen privaten Nutzen ein ganzes Reich aufopfert; wann die Obrigkeit sich wider die Unterthanen mit Gewalt, und die Unterthanen sich hingegen wider die Obrigkeit mit Arglist bewafnen; wann ein jeder Unkerthan nur sich selbst, aber nicht seine Mitbürger wie sich selbst liebet; wie eilet dann das Land mit starken

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Schritten zu seinem Untergang! einige Glieder wachsen und werden gewaltig, der übrige großeCörper nimmt beständig ab; diemäch« tigern, welche die Nervensäfte an sich gezogen haben, weigern sich den übrigen Gliedern dieselben wiederum zufließen zu laßen; Hier verwelket ein Glied, dort ein Glied; endlich fält das ganze Gebäude, und das Haupt lernet zu spat, daß die Füße nicht weniger nothwendig als die Hände sind, wann es unter den Trümmern begraben wird. — Was kann ein solches Land erretten? Nur eine allgemeine Gottesfurcht in allen Ständen. Diese heilige Gesinnung siopfet die Quellen dieses Verderbens, und Hebet die Ursachen deßelben. Nun ist die Verblendung nicht mehr, daß der König wohl ohne seine Unterthanen bestehen könne; der Stolz ist nicht mehr, der von seiner eingebildeten Höhe auf die niedrigere Stände als auf seine gebohrnen Slaven mit Verachtung Hinabschauet; der Neid ist nicht mehr, der den einen Bürger wider den andern aufbringet, und die allgemeine Wohlfart unter sich zerreißet; der Eigennuh ist nicht mehr, der

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sich wichtig machet, um zu rauben; die Arglist ist nicht mehr, die ihre Klauen verberget, um ihres Raubes desto sicherer zu seyn; die Heuchelen ist nicht mehr, die niederträchtig vor dem Throne kreucht, um die unverdienten Gnaden aufzusammeln, die sie mit aufgerichteten Angesichte nicht bekommen würde. Die Gottfeeligkeit ist allen diesen, einem Lande schädlichen, Leidenschaften feindseelig; wann sie auf dem Throne sißet, bleibet der Fürst, was er seyn soll, ein Schußherr des Landes, ein Vater seiner Untertanen; er ahmet Gott nach, deßen Bild er trägt, indem er wohlthätig und liebreich ist; der Tag scheinet ihm verloren zu seyn, auf welchem er keine Wohlthaten bewiesen; er sißet aufseinem Stuhle und zerstreuet alles arge mit seinen Augen. Wer ein treues Herz hat; deßen Freund ist der König; siehet er einen Mann, der fleißig in seinem Geschäfte ist, der wird vor ihm stehen. Durchs Recht richtet er das Land auf; wie Salomo sagt. Wann diese allgemeine Güte durch eine wahre Gottesfurcht sich von dem Könige auf alle seine Unterthanen verbrei-

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tet, wie glücklich ist denn das Land! die Unterthanen erkennen nur in ihrem König ihren allgemeinen Vater, sie sehen sich selbst als seine Kinder an, und erkennen sich für Brüder unter einander, die nur alle, ihrer äußerlichen Ungleichheit ungeachtet, einen allgemeinen Zweck haben, die Wohlfart des ganzen Staats; und freudig alles aufopfern, wann dieser Endzweck kann erreichet werden; aber diese wohlthatigen Gesinnungen können nur von denen erwartet werden, die den Herrn fürchten, ihn lieben, und in ihm sein Bild, den König lieben.

Wann die Furcht des Herrn unter einem Volke herrschet, so ist auch Treue im Lande, Treue unter den Bürgern, Treue gegen König, Amtötreue; Güte und Treue begegnen einander. Lasset die wahre Gottseeligkeit nur aussterben; wer wird denn Wort länger halten, als er den Vordavon siehet, wer wird sich scheuen jeden Vergleich zu brechen, wann er nicht länger mit seinem Eigennütze übereinstimmen kann wer wird sich wohl ein Gewitzen Madie Gutherzigkeit seines Gläubigers

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mit Undank zu vergelten. Und was für Treue können die Könige sich wohl von Untertanen versprechen, die ihren Gort untreu sind? Der gute Fürst, seiner uneingeschränktesten Gewalt ungeachtet, fühlet alle Tage, daß er Mensch und nicht Gott ist; mit tausend Augen muß er sehen, durch tausend Hände muß er seine Wirksamkeit über das Land verbreiten; es hängt am öftesten von diesen geborgten Augen und Händen, von ihrer Treue, von ihrem Eifer ab, wie das Land verwaltet werde; aber wann diese nun nicht den Herrn fürchten, wie kann er sich auf ihre Treue verlaßen, muß er nicht einen jeden, der ein Feind Gottes ist, für einen Feind des Landes onsehen, muß er nicht eigennützige Absichten in jeden Rathgeber vermuthen, und immer fürchten seine besten Entwürfe vereitelt zu sehen, so bald sie sollen ausgeführet werden. David, dieser große König, erkannte dieses: ein verkehrtes Herz, sagt er, muß von (nir weichen den bösen leide ich nicht. Meine Augen sehen nach den Treuen im Lande, daß sie bey mir wohnen, und habe gerne fromme

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Ps. 101. Diener; falsche Leute halte ich nicht in meinem Hause, die Lügner gedeyen nicht bey

mir. O! daß alle Fürsten so denken möchten, wie glücklich würden ihre Reiche seyn. treue Rathgeber, weise Entwürfe, die nur auf die allgemeine Wohlfart abzielen, und eine kluge Ausführung derselben würde bald die Krankheiten eines jeden Staats heilen, und den Adern eines veralteten Reiches das muntere Geblüt der Jugend einflößen.

Ein jeder würde sein Amt gewißenhaft verwalten, Fleiß und Wachsamkeit in einer jeden Handthierung würden die sorglose Trägheit aus dem Lande verbannen, die den Staat heimlich entnervet, und tausendmahl schädlicher und gefährlicher ist als Pest, Krieg, Hungersnoth, und alle die schweren Strafgerichte, die der Hert über ein Land verhängen kann; ein jeder würde sich scheuen ein Amt anzunehmen, dessen er unfähig war, und sich zu dem Amte geschickt machen, das er einmal im Lande bekeiden wollte. — Aber vergeblich denken wir an diese glücklichen Gesinnungen eines Volkes, so lange die Goktseeligkeit fehlet; vergeblich wachet

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der König; die Untreue des keinen wird die Untreue des andern verbergen, die eine Hand wird immer die andere waschen, und sie werden also alle rein in den Augen des besten Königs ferm; vergeblich reden die Gesetze, wann diejenige, die sie anwenden sollten, selbst untreu sind; und wie viele Arten der Untreu gibts nicht, die nicht einmahl den weltlichen Richterstühlen unterworfen sind; — gewiß hier muß eine wahre Gottesfurcht die Stelle der Gesetze vertreten; sie erwecket das Gewitzen, und dieser Richter in der Seele redet lauter als der Ausspruch des Gesetzes, lauter als die Stimme der Gerechtigkeit; so bald das Gewissen sein Scepter niederlegt, sinkt das Scepter des Fürsten.

Allein die Furcht des Herrn gebieret nicht allein eine allgemeine Treue in allen Ständen; ohne eine wahre Gottesfurcht verlieret selbst die Gerechtigkeit viel ihres Glanzes und ihres wohlthätigen Einflusses in die Wohlsart des Staats; Gerechtigkeit und Friede küßen sich. Ich darf euch wahrscheinlich nicht sagen, daß die Gerechtigkeit nicht in der, Menge der Gesetze allein, auch

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nicht in ihrer Uebereinstimmung mit der Menschenliebe und dem allgemeinen Besten allein, sondern in der guten Anwendung und Ausübung derselben bestehe; ich darf euch wahrscheinlich nicht sagen, daß ein Land um so viel glücklicher sey, als die Gerechtigkeit beßer ausgeübet wird. Das nennet man Gerechtigkeit, daß die unnützen, treulosen, schädlichen Bürger, die kaum den Namen eines Bürgers verdienen, bestrafet, und Hingegen die guten, fleißigen, verdienstvollen Glieder des Staats belohnet werden; das ist Gerechtigkeit, wann ein jeder, ohne Rücksicht auf Geburth, Stand, Amt, Ansehen, Würde, Verwandschaft, die Früchte seiner Handlungen empfängt; so lange diese Gesinnung in einem Lande herrschet, wie glücklich muß es seyn! welch eine Liebe des Vaterlandes muß denn nicht jeden guten Bürger beseelen? Wer wollte nicht hier sein Vaterland suchen, und es als sein Vaterland lieben; und was ist der Liebe unmöglich? — Welch ein Eifer wird nicht jeden Bürger entzünden sich um die Wohlsart des Staates verdient zu machen, wann

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er sich die gewiße Hofnung machen kann an der Wohlfart. des Staats Theil zu nehmen, und die Früchte seines Verdienstes zu genießen; wer wird sich nicht beeifern nützlich zu seyn, wann ihm keine unnütze Glieder vorgezogen werden. Die Einfalt, die Unwißenheit, die Frechheit wird sich weit vom Throne im Staube verbergen, auch mit allen ihren äußerlichen glänzenden Vorzügen, oder sich nur durch erworbene Verdienste empor heben. — Kehret aber diese glücklichen Maximen um, laßet die nützlichen und unnützen Bürger daßelbige Recht genießen, wer wird sich denn um Verdienste bekümmern; oder machet Verdienste aus gewißen äußerlichen angebornen Vorzügen, wer wird sich denn um andere beeifern, der diese hat; wann Laster und Verbrechen ungeahndet hingehen, wer will denn nicht ein Bösewicht seyn, wann Verdienste im Staube bleiben, wer will sie suchen; die Gerechtigkeit, die in einer unpartheischen Auötheilung der Strafe und der Belohnung bestehet, muß also billig als die starkeste Grundsäule des Staats angesehen werden; wann sie wackelt, neiget

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das ganze Gebäude zum Untergange. — Allein, was kann die Gerechtigkeit im Lande unterhalten, wann es nicht die Furcht de? Herrn ist; Jethro erkannte dieses, wie er Mofi den Rath gab, daß er Richter in Israel verordnen sollte, um die Gerechtigkeit auszuüben; was für Eigenschaften fordert er an ihnen? Geburth vielleicht, Einsichten, Rang, Geschicklichkeiten? Ja, alle diese Eigenschaften sind an sich selbst gut, sie sind nothwendig; aber sind sie nicht von einer wahren Furcht des Herrn begleitet, so sind eben diese Eigenschaften mehr schädlich als nützlich, selbst gefährlich; er sagt daher: siehe dich um nach Leuten, die redlich sind, die Gott fürchten, die wahrhaftig und dem 2 Mos. Geitze feind sind. Wann die Gerechtigkeit 18, 21. mit einer wahren Gottesfurcht vereiniget ist, so sind ihr erst die Augen zugebunden, so brauchet sie erst ihre Wagschaale, so ist erst ihr Schwerdt nützlich. Die Furcht des Herrn machet sie blind gegen den Eigennutz, raub gegen Freunde und Gönner, unempfindlich gegen den Eindruck des Ansehens; rillePartheilichkeit ist weit von ihr entfernet;

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Schmeicheley rühret sie nicht, das Gold verblendet sie nicht, die Leidenschaften urteilen nicht; nur das gute, das wahre, das rechte, das nützliche, das billige kann ihrer Wagschaale das Uebergewicht geben; wenn auch Cronen und Scepter auf die andere Schaale gelegt würden, so würden sie doch zu leicht seyn.

Endlich, M. G., wann eine wahre Gottesfurcht in allen Standen eines Reiches herrschet, so muß innerlicher und äußerlicher Friede das Land segnen. Wann ein Land untergehen soll, so brauchet es keine auswärtige Feinde; nur daß der Saame der Uneinigkeit unter die höhere Stande, die dem Ruder nahe sind, oder unter die höhere und niedrigere Stande gestreuet wird, so ist das Urtheil gesprochen; ein jegliches Reich, Luc. 11, so es mit ihm selbst uneins wird, das wird 17. wüste, und ein Hans fället über das andere, ist die Lehre Jesu; und ist diese Lehre nicht eine Stimme der Erfahrung und der Vernunft? Wann der eine Stand dem andern feind ist, wann der eine Bürger den andern verachtet, wann der eine Unterthan die be-

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sten Entwürfe des andern aus neidischen oder eigennützigen Absichten vereitelt, wann Ver eine wider den andern, und alle wider den Staat arbeiten; wann ein jeder nur das feinige, niemand das allgemeine suchet; wann der eine niederreißct, was der andere aufrichtet, nur damit man sehe, daß er auch da. gewesen; so fehlet das Land, daß das eine Glied des Staats mit dem andern und alle Glieder mit dem Staate verbinden sollte; der Feind ist im Lande, aber verkleidet; der Untergang ist zwar nur langsam, aber eben so gewiß, als wenn der Feind sich offenbar im Felde darstellete. — Was kann dieses zerrissene Band wiederum zufammcnknüpfen? Gewiß nur die Furcht des Herrn, oder die Wunde ist unheilbar; wann eine wahre Gottseeligkeit ihre sanften und liebreichen Gesinnungen über alle Stände eines Reiches verbreitet, so betrachten alle Glieder eines Staates sich selbst nur als die Glieder deßelbigen Leibes, sie haben alle nur einen Endzweck, nemlich die Erhaltung und Gesundheit des Leibes, deßcn Glieder sie sind; dieser allgemeine Endzweck vereiniget

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sie, und sehet alle ihre Kräfte in Bewegung. Die edlern Glieder verachten nicht die unedlern, weil diese nicht weniger nothwendig sind, denn jene; und die unedlem beneiden nicht der edlern ihren Glanz, sondern nur ihr Glück, daß sie Gelegenheit haben nützlicher zu seyn, und dieser edle Neid gibt ihrem Eifer für die Wohlfart des Landes einen neuen Zuwachs. Alle Unterthanen von dem Throne bis zu der Hütte erkennen sich selbst nur für Knechte der Staats, und tragen das ihrige zur allgemeinen Glückseeligkeit deßelben bey; gewiß diese Einigkeit kann nur eine wahre Gottesfurcht hervorbringen, welche alle die unredlichen, eigennützigen, räuberischen Nebenabsichten zernichtet, die sich immer dem Hauptendzwecke des Staats widersetzen, und die Gemüther der Unterthanen trennen; diese allgemeine Liebe ist nicht eine Frucht der Staatskunst, sondern der Gottseeligkeit — und, M. G., wann eine solche allgemeine Liebe, Einigkeit und Friede alle Glieder der Staats dermaaßen mit einander und mit der Wohlfart des Reiches verbindet; wann alle

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Einwohner eines Landes nur eine Seele und einen Leib ausmachen; wann alle ihre Kraste zum gemeinen Besten vereinigen; wann ein Geist alle Glieder beseelet und bewegt; wie Hurtig muß nicht ein solches Reich Zuwachsen, wie mächtig muß es werden, gesegnet für die Einwohner selbst, und fürchterlich für die Feinde; aber nehmet die Gottseeligkeit der Einwohner weg, die unser» eigennützigen Begierden ihre Grenzen setzeke, gleich höret der allgemeine Endzweck auf; so viele Glieder, so viele Hauptendzwecke, das bürgerliche Band ist zerrissen, ein jeder suchet das feinige, das Reich wird schwach, das Land findet in dem ersten Feind seinen Ueberwinder.

Sehet, M. G., dieß ist der segensvolle Einfluß der Gottfteligkeit auf die Wohlfart eines Staats, sh nothwendig ist die Furcht des Herrn, eine wahre, ungeheuchelte und allgemeine Gottesfurcht, dafern ein blühendes Reich bestehen, dafern ein verfallenes Reich sich wiederum aufrichten soll. Verbannet nur diese heilige Gesinnung, so arbeiten wir vergeblich; vergeblich ist unsere

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ganze Staatsklugheit, unsere Leidenschaften verblenden uns, wir werden nur niederreißen, indem wir glauben aufzurichten; vergeblich sind alle unsere Lob- und Dankopfer, unsere Danksagungsfeste sind eben so viele Gotteslästerungen; vergeblich ist selbst der reicheste Segen des Herrn, weil wir ihn ohne wahre Gottesfurcht zu unserm eigenen desto grösseren Unglück nur mißbrauchen werden: — Allein besitzen wir, besitzen die Einwohner dieses Reichs diese Gottesfurcht, ohne welche kein Segen, keine Glückseeligkeit in einem Lande zu hoffen ist; dürfen wir die Worte Davids auf uns anwenden: die Hülfe des Herrn ist nahe denen, die ihn furch daß in unserm Lande Ehre wohne, daß Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küßen? Es würde eine Vermeßenheit von mir seyn, wenn ich diese Frage beantworten wollte; ein Lehrer ist kein Richter; der allwißende, der in die Herzen der Menschen hinabschauet, der die Zahl seiner Anbether und seiner Verächter berechnet, er kann allein das gute gegen das böse abwegen, er allein weiß, wo das Uebergewicht zu fin— Dieses kann ich allein sagen, vorzüglichen“ Wohlrhaten, die der

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Herr unferm Lande bewiesen, kein Beweis, kein zuverläßiges Merkmahl unserer vorzüglichen Gottseeligkeit seyn, sie sind nur ein Beweis der göttlichen Langmuch. Wir irren uns, wenn wir so schließen: der Hert beweiset uns so große, so mannigfaltige Wohlthaten, also müßen wir Lieblinge des Himmels seyn, also bewohnen wir das glückseelige Land, wo Güte und Treue einander begegnen, wo Gerechtigkeit und Friede sich küßen. Nein, M. G., laßet uns lieber den Schluß umkehren, so urtheilen wir richtiger: der Hert ist unendlich gütig, wir sind unendlich verderbt, daher überschüttet er uns mit so unaussprechlich großen Wohlthaten, daher ist seine Gnade immer neu über uns; er will uns durch den Reichthum seiner Güte, Geduld und Langmurh zur Buße leiten, er will erst versuchen durch seine Wohlthaten unsere verderbten Herzen zu besiegen, ehe er in seinem Zorn seine Ruthe ergreifet. — Dieß, M. G., muß die Absicht des Herrn mit allen denen Wohlthaten seyn, mit welchen er unser Land überhäuffet. Und wie mannigfaltig, wie groß, wie unaussprechlich groß sind die Wohlthaten unsers Gottes immer gegen, uns gewesen!

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Alle diejenigen Strafgerichte, womit andere Länder heimgesuchet werden, rauschen unsere Wohnungen vorüber; so viele Jahre haben wir in ungestörten Frieden zugebracht, weil andere Reiche durch die Wuth der Waffen verwüstet worden; die tödtende Seuche an unserm Viehe, diese noch gelinde Empfindung des väterlichen Zorns Gottes, hat ihre Kraft verloren; der Schweiß der Ackerleute ist mit reichen Früchten gesegnet worden; das Land hat sein Gewächs gegeben, die Seufzer der Nothleidenden sind erhöret worden; unsere Grenzen sind befestiget, die Zwistigkeiten, die über hundert Jahr gedauert, haben nun ihr Ende gesehen, der Zunder eines blutigen Krieges, der einmal ausbrechen dürste, ist gelöschet. — O! Gott! wer kann alle deine großen Wohlthaten erzählen, die du uns bewiesen hast! aber, M. G., diese Wohlthaten werden keine Wohlthaten für uns, dieser Segen wird in einen Fluch verwandelt werden, wir werden ganz überschüttet mit der Güte des Herrn, doch arm, unglücklich, verächtlich seyn, dafern wir nicht den Herrn fürchten; vergeblich wird der Hert Wohlthaten zu Wohlthaten fügen, vergeblich Segen mit Segen Häufen, wir werden doch immer tiefer herunterfallen, der Segen Gottes selbst wird, wie ein Fluch auf unsere Häupter, nur unfern Fall beschleunigen, so lange wir in unserm Glück einschlafen, und die Güte des Herrn zum

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Muthwillen mißbrauchen, so lange wir uns durch so viele sichtbare Proben der göttlichen Liebe nicht kräftig reihen laßen, unser« Wohlrhäter zu lieben und aus Liebe ihn zu furch- ' len; so lange eine wahre, ernstliche, allgemeine Gottseeligkeit sich nicht über alle Stände verbreitet. — O! daß wir nur alle nach dieser heiligen Gesinnung trachten möchten, und der Hert würde nie aufhören uns gnädig zu seyn; o! daß ein jeder Einwohner Dännemarks heute diesen ernstlichen Entschluß faßen möchte: ich und mein Haus, wir wollen den Herrn fürchten, in der Furcht Gottes feine Wohlthatcn seinen Absichten gemäß anwenden, und durch die gute Anwendung derselben noch größere Wohlthaten vom Himmel über uns herabrufen; dieß ist die wahre Dankbarkeit, die der Hert von uns fordert; dieser Vorsatz ist dem allerhöchsten ein weit angenehmeres Opfer, als der Rauch millionen Lippen; ihr, G. F., die ihr diesen heiligen Entschluß nicht gefaßet habet, schweiget lieber, daß ihr der Majestät des unendlichen nicht spottet, weil seine wahren Anbether, voll heiliger Entzückung, und tiefer Ehrfurcht sich vor dem Gott ihres Heils demüthigen, und mir folgenden Gebethe ihn anrufen.

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