Vormittagspredigt
in der deutschen Petrikirche zu Kopenhagen, am allgemeinen Dank und Bettage den isten Decemb. 1773. über Psalm. 85, 10 - 14.
Eingang.
genn Gottes Vorsehung allgemeine Wohlthäten über ein Volk kommen laßt; so ist es Nicht genung, daß ein jeder sein bescheiden Theil, wie cg nur allzu gewöhnlich ist, hinnimmt und genießt, ohne steh darum zu bekümmern, wie viele Mit ihn? dadurch erfreuet werden, Und wie Mannigfaltig der Segen ist, der sich davon über ihn und feine Mitbürger, ja auch auf die Nachkommen verbreitet. Diese Gesinnung zeuget von einem Mangel der Menschenliebe, Und nähret immer mehr den eigennühigen Geist, der unter den Menschen herrschend ist. Wer hingegen seine Seele übet reu engen Kreiß seiner eigenen Wohifart zur Betrachtung dev allgemeinen Wohifart des Volks, zu welchem er gehöret, erhebet; der erweitert gleichsam sein Herz, Und fühlt zugleich Freude über das Glück vieles tausenden; der erweckt Und vermehrt in sich den wahren patriotischen Geist, welcher sein Glück Mit dem Glücke seiner Mrtgenoßen an Gottes Segen äufs innigste verbunden fühlet; der lernt den Ums fang der Liebe Gottes und den Werth und Muhen feiner Wohlchaten erst gebührend schätzen; der
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wächst an Ehrfurcht und Dankbarkeit gegen Gott in eben dem Maaße, als der Reichthum und die Mannigfaltigkeit feiner Segnungen ihm lebendig vor Augen steht; der wird also durch solche Be» trachtung menschlicher, patriotischer, liebreicher und frömmer.
Aus diesem Grunde sind die Veranstaltungen, wodurch ein ganzes Volk auf den gemeinschaftlichen Segen, den es von seinem höchsten Herrn empfängt, aufmerksam gemacht werden soll, höchst ehrwürdig, gemeinnützig und christlich In gleicher Absicht empfiehlt es uns der Geist des Christenthums, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen vor Gott zu bringen, mit weichen seine Vorsehung uns aus Erden verbunden hat: und die heilige Schrift giebt uns zu dem Ende ganz vortrefliche Muster in den Psalmen Davids, wie wir Gottes allgemeine Wohlrhaten über unser ganzes Volk erwegen und preisen sollen.
Der Hert hat diesem ganzen Volke auch sehr viel Gutes gethan, wovon jeder unter uns seinen segnenden Antheil genießt. Seine schützende Rechte erhielt unfern geliebten König und sein uns so theures Erbhauß, und rettete mit ihm sein Volk unter großen, und drohenden innerlichen Verwirrungen; sein allmächtiger Befehl gebot der verderbenden Viehseuche von unfern Gränzen zu weichen, wogegen alle Weisheit und Vorsicht der Menschen ohnmächtig erfunden ward; seine wohlthatige Güte ersetzte uns durch den reichen Segen, womit er dieses Jahr gekrönet hat, den Mangel und die gehäuften. Bedürfniße eines vieljahrigen Mißwachses; und mit väterlicher Gunst hat er nicht allein diesem Volke einen langen Frieden bewahret und den verwüstenden Krieg von uns weggescheucht, sondern auch jezt eine höchst wichtige Unternehmung seines, Gesalbten zu sei-
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ner Freude und zur allgemeinen Sicherheit und Wohlsart glücklich ausschlagen laßen, wodurch ein mehr als hundertjähriger gefährlicher Streit geendiget, alle unruhige Beforgniße gehoben, und die Schrecken des Krieges, wie diese seine Gnade uns Hofnung giebt, auch für künftige Zeiten von uns entfernet worden.
An diesen allgemeinen Wohlthaten haben wire alle Theil, sie sind uns allen wichtig, wir und unsere Kinder werden noch lange ihre segnenden Folgen genießen. Und wir sollten nicht dem Gott, von dem sie kommen, dafür Dankopfer bringen? Vieser Tag sollte
nicht für uns alle ein allgemeiner Danktag seyn
Ach, nicht allein dieser Tag, sondern jeder Tag unsers Lebens erinnere uns dankbar an die Größe dieser Wohlthaten; und das nicht allein: er lehre sie uns auch so anwenden, daß sie immer den uns bleiben, und sich in neuen Segnungen unter uns und unfern Kindern vervielfältigen. Das wollen wir heute vocnemlich aus den Worten des Psalmisten lernen-Hauptsatz:
Die Betrachtung der allgemeinen Wohlthaten Gott
tes muß uns zu mehrerer Gottesfurcht und Frömmigkeit erwecken.
1. Der Werth der uns erwiesenen allgemeinen
Wohlthaten Gottes.
11, Sie mäßen uns zu mehrerer Gottesfurcht
und Rechtschaffenheit erwecken.
Abhandlung:
Erster Theil: Der Werth der uns erwiesenen allgemeinen Wohlthaten Gottes. Man kann für eine Wohlthat nicht wahrhaftig dankbar seyn, wenn man ihren Werth und Nutzen nicht recht erkennt. Aus dieser Ursach sind die Menschen für Gottes allgemeine Wohlthaten mehrentheils am wenigsten dankbar, weil sie auf den Einfluß nicht achten, den sie ans ihre eigene
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Glückseligkeit haben. Sie erwegen es nicht genung, daß dem Volke, unter welchen sie leben, nichts Gutes oder Böses wiederfahren kann, wovon sie nicht auch nahe oder fern, mittelbar oder unmittelbar ihrer» Antheil empfahen. Und darauf wollte ich euch gern, meine Freunde, in Absicht der Wohlthaten, die wir jezt der Güte Gottes zu banken haben, aufmerksam
1. Gott hat der verderbenden Viehseuche Stilstand geboten Unzählige Menschen haben keinen Begrisk von diesem Verderben, weil sie nicht unmittelbar dadurch betroffen werden. Aber der Mangel und das Elend, das damit verbunden ist, drückt sie doch auch, ohne daß sie recht wißen, woher es rührt. Das ist noch lange nicht der ganze Schaden, so groß er auch immer ist, daß demjenigen, den die verderbende Seuche, trist, ein großer Theil seines Vermögens dahin fällt, den er zu ersetzen oft viel zu unvermögend ist; sondern das meiste seiner häußlichen Nothdurft stirbt ihm zugleich ab; sein Gewerbe gerarh in Stillstand, sein Nahrungszweig verdorret, und Mangel und Elend kehret in seine Wohnung ein. Dich Eigennützigen
nnd Gedankerllosen rühret zwar sein Verlust picht: aber wenn nun dieser Jammer viele oder gar die meisten deiner Mitunterthanen trist; wenn nun nothwendig auch eins der besten Gewerbe des Landes dadurch zu Grunde geht; wenn dein Mitunterthal» dir wenig oder gar nichts mehr zu verdienen geben kann; wenn der Acker vergeblich nach Fruchtbarkeit seufzet; wenn der nährende Segen, den Gott uns durch das Vieh darreicht, immer karger und dürftiger wird; was muß die allgemeine Folge davon seyn, und was ist sie gewesen? Theurung, Mißwachs, Mangel an Nahrungsmitteln und Mangel an Er?
werbungsmitteln. Sichest du also nicht, du, der
du gewohnt bist nur auf dich zu sehen, daß du auch leidest, wenn dein noch so entfernter Mitbürger leidet, und daß du auch deinen Theil an der Noch die ihn drückt, fühlen mußt? Hebe also deine Augen zu Gott auf, der allein dieser schweren Landplage gewchret hat und wehren konnte; der deinen Mitbürger aufhilft, und dich mit ihm; der sein Vieh gedeyen laßt, und dir auch dadurch Nahrung bereites: und danke ihm für dich und für deine Brüher mit menschlichgesinnetem Herzen, daß sein Arm, der auch dich in deinen Brüdern zürnend traf, nun in eben denselben segnend zu dir sich aus streckt; und präge es dir
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recht unvergeßlich ein, daß jede besondere Noth nach der weisen Regierung Gottes auch eine allgemeine North sey, die auch dir Trauren gebiert; jeder besondere Segen auch rin Segen für dich und für alle sey, der dein und aller Herz Zu brünstigem Danke auffordert. Gottes Arm ist lang im Züchtigen und Wohlthun!
2. Gott hat einen vieljahrLgen Mißwuchs durch eine ftgenvolle Erndte reichlich ersetzet. Ackerbau und Viehzucht, wenn die in einem Lande gesegnet sind, gewähren die reichsten und sichersten Quellen des allgemeinen Wohlstandes: wo aber diese verstopft sind, da strebt ein Volk vergebens, sich durch beßere Hülfsmittel wider Vans gel und Elend zu schützen. Vom dürftigen und unfruchtbaren Acker schleicht so zu sagen Dürftigkeit und Kummer und Sorgen in jedes Hauß: Nahrlosigkeit, Hunger und ansteckende Seuchen in die Hütten der Armen; Verlegenheit, Unordnung und Verwirrung in die Palläste der Großen- Welche schreckliche Erfahrung haben viel christliche Länder in den Jahren des Mißwachses von dieser traurigen Wahrheit gehabt; wo Menschen zu vielen tausenden durch Mangel und die ihn begleitende Seuchen, ja durch die entsetzlichste aller Plagen, durch Hunger, jämmerlich umgekommen sind. —— Ihr glücklichen Einwohner dieses Landes, ihr habt in der Zeit der Noch, die sreplich auch euch traf, doch die äußersten Schrecken des Hungers nicht erfahren; keiner ist Hungers gestorben, Gottes gnädige Vorsehung hat in den betrübtesten Zeiten diesen höchsten Jammer von euch abgewandt: aber mit welcher drückenden Noth, mit welchem herzfreßeuden Kummer, mit welchem Gedränge häußlicher Plagen hat Theurung und Nahrlosigkeit und Stillstand alles Gewerbes, diese zehrende Begleiter des Mißwachses, fast jede Familie im Lande überschwemmet! O schauet zurück auf die ausgestandene Plagen, schauet nun hin aus den Neichthum und Ueberfiuß, womit unsre Felder in diesem einzigen Jahre den Mangel ersetzen, die Theurung endigen, das Gewerbe wieder beleben,, und Muth und gedeyende Arbeitsamkeit wieder zurück kehren laßen: und saget nun; wer hat das gethan? Vermochte das der schwache Mensch? Nein, es ist das Wer? unsers Gottes und besten Vaters; er allein kann plagen und erfreuen, tödten und lebendig machen; er und sonst keiner mehr, Durch einen Wink ließ er uns in Elend dahjnsmken, und durch einen allmächtigen Wink richtete er
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uns wieder auf Wer ist so blind, hier nicht Gottes Finger zu sehen? wer so harten Herzens, den Herrn aller Herren nicht dankbar zu preisen?
3. Gott har den verwüstenden Krieg von uns abgewehrt, und will ihn noch werter von uns entfernen. Ihr kennet, glückliche Einwohner, die Schrecken des Krieges nur vom Hörensagen: Gott hat euch Regenten nach seinem Herzen gegeben, welche nach dem wahrhaftig königlichen Ruhme strebten, so wie er, eure Ruhe und Sicherheit ihre edelste Sorge seyn zu laßen. Ihr wißet es nicht, welch ein allgemeines Herzeleid diese jammervolle Landplage um sich verbreitet. Nicht nur da, wo der Krieg wütet, herrschet Mord und Blutvergießen und Grausamkeit und verheerende Wildheit, wofür die Menschlichkeit erzittert; sondern die Glückseligkeit des ganzen bekriegten Landes wird in ihrem innersten erschüttert und zerstöret Da ist beynahe kern Hauß ohne Trauer über den Verlust der Seinigen, keine Familie ohne Furcht und Angst über das, was noch kommen kann; kein Mensch, der über seinen Wohlstand recht ruhig wäre: hier herrscht gänzliche Verwüstung, dort Mangel der Nothdurft, dort Elend und Seuchen, und dort wieder Nahrlosigkeit und zaghaftes Wesen; allenthalben ist Schrecken oder Kummer, und jeder Ort, jedes Hauß hat seinen eigenen, der ihn verzehret. — Gott har auf dieses Volk mit besonderer Gnade herabgeschauet, und es mit diesem grauenvollen Verderber, länger als ein halbes Jahrhundert verschonet; er hat den König und uns von der noch fürchterlicher» innerlichen Verwirrung, die gleich einer düstern Wolke über unserm Haupte hing, allmächtig errettet; und jezt die friedfertigen und für sein Volk väterlich gesinneten Anschläge unsers geliebten Königes, mit Gedeyen gesegnet: daß auch der Same künftiger Kriege erstickt, und Ruhe, Sicherheit und Wohlstand für neue Jahrhunderte durch bieg Zeichen göttlicher Gnade gesichert wird. Uns und unfern Kindern kömmt das daraus fließende Heil zu Gute: uns und unfern Kindern gebühret es also auch, dem Herrn der Heerscharen dafür zu
danken Ja, Hert, es danke dir das ganze Volk;
cs preise deinen Namen, alles was Odem hat. Dieß Volk freuet sich und jauchzet dir; denn du bist sein Erretter, sein Versorger, sein Friedestifter gewesen. Ach segne uns fernerhin, Gott unser Gott; segne uns Gott; und alles Volk fürchte dich! Ps. 67, 4 - 8.
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Zweyter Theil: Diese Wohlrhaten Gottes mäßen uns zu mehrerer Gottesfurcht und Rechtschaffenheit erwecken. Wenn ein Vater noch so gut für seine Kinder sorget und sie gegen Unglück und Noth sicher zu stellen sucht; sie kehren sich aber nicht an seine weise Vorschriften, wie sie sich im Wohlstände erhalten sollen, und verschwenden das für sie gesammlete Gut, oder bringen sich selbst durch Zank und Zwietracht darum: so werden sie aller Vorsorge ihres Vaters ohngeachtet doch im Unglück und Elend gerathen. Und so gehet es leider! den Menschen auch oft mit den allgemeinen Wohlthaten Gottes: den Segen, den Gott ihnen zugedacht hat, verwandeln sie sich oft selbst in Unsegen. —— Wir wollen
das nicht thun, meine Brüder, sondern so viel an uns ist, uns durch Gottes erwiesene Wohlthaten zu solchen Gesinnungen erwecken laßen, daß wir sie immer behalten, und uns im Genuß derselben immer vor Gott freuen können. Drum sollen sie uns 1. Zu mehrerer Gottesfurcht erwecken. Die Abnähme wahrer Gottesfurcht ist allezeit, so seltsam und spottwürdig es auch in manchen Ohren klingen mag, die gewiße Quelle des Verderbens eines Landes. Wo die Gottesfurcht in Verfall kömmt, da fallen auch mit ihr Treue und Redlichkeit, diese wesentliche Stützen der allgemeinen Wohlfart; da stirbt die Liebe zum gemeinen Besten ans; da ist der einzige sichere Damm gebrochen, der die gefährlichsten Lüste der Menschen zurückhalten kann. Menschliche Gesetze sind viel zu unvermögend dazu; denn wer nicht Scheu vor dem Richter im Himmel hat, der weiß Mittel genung, dem Auge des Richters auf Erden zu entgehen. Wie sehr wünschte ich, daß diese Wahrheit nicht durch so viel traurige Erfahrungen bestätiget würde, wo die allgemeine Wohlfart, d. h. die Ruhe, Sicherheit, Nothdürft und das Eigenthum hundert, oder gar tausend Mitbürger einer sinnlichen Lust, einer Schmeichelet), einem eigennützigen Gedanken u. s. w. aufgeopfert wird, weil die Furcht vor Gott im Herzen erloschen ist. Ohne Gottesfurcht können
wir also nicht mit und neben einander glücklich werden und bleiben. Jeder unter uns beeisere sich also gottessürchtbger zu werden, als er bisher gewesen ist: nur dann kann und wird Gott fernerhin mit uns seyn; nur dann können wir den Genuß seiner Wohlthaten mit Sicherheit hoffen Aber diese Gottesfurcht bestehet nicht in gewißen andächtigen Geberdungen oder in zufälligen Erhebungen des Herzens zu Gott; sondern in dem herschenden und allezeit gegenwärtigen Gedanken: was sagt Gott zu dem was ich thue? wie ist er damit zufrieden? und in der unbeweglichen Entschließung, nur das zu
8Vormlttagspred. am allg. Dankt, d. 1. Dec. 1773.
thun, was seines Anblicks nicht unwürdig ist. Dieß ist der Weg Gott zu gefallen, und seiner ferneren Wohlthaten gewiß zu seyn.
2. Zu mehrerer Rechtschaffenheit. Dahin rechne ich
A. Die Entsagung aller Ueppigkeit und Der, schwendung. Die tteppigreit, und die damit verbundene Trägheit, vertilgen gleichsam den größten Reichthum der Gaben Gottes. Wenn einer so viel verschwendet, als hundert andere bedürfen; so mögen freylich hundert neben ihm Mangel leiden. Wer viel anfzehrt und weniger erwirbt, der muß nöthwendig zulczt darben. Wer mehr aufwendet als, er hat, der muß nothwendig vom Fremden Gute leben, und seinen fleißigen Nächsten schändlicher Weise in Dürftigkeit stürzen. Das ist die Teibige Quelle so vieles Betrugs und Meinendes, so vieler Ungerechtigkeit, Und der immer wachsenden Armuth unter den Menschen. Forschet nach, ob diese Quelle
nicht allzu gewaltsam unter uns fließet. Gott giebt
für alle seine Kinder reichlich und überfiüßigt aber wir müßen Gottes Gaben treu anwenden, um unfern nöthigen Antheil an seinem Reichthum zu finden; wir müßen das mäßig genießen, was er giebt, damit es uns durch eigene Schuld nie mangelet wir müßen das nicht an uns reißen, was Gott andere zusallcn laßt; wir müßen nicht das wollüstia verwüsten, was unsere Brüder zur höchsten Nothdurft bedürfen: sonst wird bey allem Reichthum der allgemeinen Wohlthaten Gottes Mangel, Bedruckung und Elend das traurige Loos der meisten Sterblichen immerdar bleiben.
B. Gerechtigkeit und Liebe gegen jedermann Unsre eigene Angelegenheit ist es, daß Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede im Lande sich küßem Jeder unter uns muß bey sich selbst anfangen, und es sich zur Unverbrüchlichen Reget machen: gegen jedermann sich eben so zu verhalten, als er es sich selbst von andern wünsche; und nichts gegen andere zu unternehmen, was ihm selbst wehe thun würde. Denn Gott kann Güte und Treue, Gerechtigkeit und Friede nicht vom Himmel senden, noch mir Gewalt in unser Herz prägen, wenn wir es diesen liebenswürdigen und segenreichen Tugenden nicht selbst öfnen wollen. Laßet Uns nur aufrichtig entschloßen seyn, redlich, gerecht, friedfertig und gütig mit einander zu leben; so wird dann gewiß Mangelund Elend von uns weichen, die Wohlfart eines jeden unter uns wachsest Und die allgemeine Glückseligkeit Aller dadurch auf blühen und zunehmen; so wird Gott mit Wohlwollen auf uns/ als auf Feist Volk, herabschauen, und Uns erhalten u. s. m.
9Nachmittags
am Dankfeste den i December 1773.
über Psalm 125.
Groß und mannigfaltig sind die Wohlrhaten, die du uns erwiesen hast, gnadenreicher Gott! Wenn wir daran gedenken, so wird unsre Seele gerührt, und must dankbar gestehen, daß wir aller der Barmherzigkeit und Treue nicht wehrt sind, die du an uns gethan hast. Ach, möchten wir täglich daran gedenken, täglich uns zur Dankbarkeit gegen dich verbunden fühlen! Möchte diese Dankbarkeit unfern Wandel regieren, und uns deinen Geboren gehorsam machen! Wie viel würdiger würdiger würden wir dann deiner Gnade werden, wie viel geschickter deine Gesegneten zu seyn und zu bleiben! Laß deine Wohlthaten, 0 Gott, laß die Empfindung derselben Liese Würkung bey uns haben, so wird ihre Absicht an uns erreicht werden. Deine Liebe wird uns zu dir ziehen, und wir werden dir in einem rechtmäßigen Verhalten den besten Dank abstatten, den wir dir darbringen können. Wir werden berechtigt seyn das feste Vertrauen zu dir zu haben, daß du auch künftig nicht aufhören werdest uns zu segnen und unser wohlthatiger Gott zu seyn.
Eingang.
Die vorgeleftnen Worte sind ein sehr starker und rührender Ausdruck des Vertrauens auf Gott, welches sich auf bereits empfangenen Wohlthaten gründet, und der Fortsetzung derselben, unter der Bedingung eines Gott gefälligen Verhaltens entgegen sieht. Und so muß auch die Zuversicht der Christen Gott beschaffen seyn, wenn sie wahr und des seyn soll. Die Erfahrung, daß Gott bisher sich an ein gnädiger und barmherziger Vater erwiesen habe, zeigen, was sie sich künftig von seiner Güte zu versprechen haben, und ihre Ueberzeugung, daß Gott den guten und frommen: Herzen wohl thue, daß er Gehorsam und Rechtschaffenheit von denen fordere, die von ihm gesegnet zu werden begehren, muß sie zu dem festen Vorsatz erwecken, daß sie diese Bedingung seiner Liebe erfüllen wollen. Dann ist ihre Zuversicht zu Gott fest gegründet. Der Hert ist um sein Volk her, können sie sagen, von nun an bis in Ewigkeit. Er wird uns ferner vor allem Nebel bewahren, ex wird, wie er bisher gethan hat, alles
10Am Dankfeste den 1 December 1773.
Uebel von uns abwenden, er wird uns Frieden und glückliche Zeiten geben und unsre Herzen mit Freude und Dankbarkeit erfüllen. Ein solch Vertrauen lasst auch uns zu Gott haben, und uns untereinander an diesem Tage des Danks und der Freude dazu ermuntern.
Hauptsatz: Unser Vertrauen zu Gott, gegründet
1) auf der Erinnerung seiner bisherigen grossen Wohl thaten,
2) auf dem Vorsah eines gottgefälligen Verhaltens.
Erster Theil: Unser Vertrauen zu Gott, gegründet auf die Erinnerung seiner bisherigen grossen Wohlthaten.
Laßt uns nur an die Gefahren zurückdenken, denen wir in diesen lctztenJahren ausgeseht gewesen sind, um die Grosse der Güte Gottes daraus zu beurtheilen, der uns von ihnen befreyet hat. Was hatte nicht übelverstandne und gemißbrauchte Gewalt für Verwüstungen unter uns angerichtet I Aber Gott hat der Gottlosen Scepter nicht über dem Häuflein der Gerechtcti bleiben lassen. Er hat dem Uebel seine Gränzen gesetzt, über die es nicht herausgehen durfte, und den Thron unsres Königs mit verständigen und guten Rahtgebern umgeben. Eine lange Reihe von Zähren hekdurch wüteten Seuche und Tod unter unfern Heerden, die Viehzucht, eine der ergiebigsten Quellen unsrer Nahrung und unsres Wohlstandes, war dürftig und versagte uns die Vortheile, die sie uns sonst gegeben hatte, und deren wir zu unsrer Erhaltung nicht entbehren konnten. Gott hat diese Plage von uns abgewendet, unsre Heerden werden wieder zahlreich, und so wie sie wieder zunehmen, so verbreitet sich auch Nahrung und Ueberfluß unter uns. Unsre Felder waren lange unfruchtbar und belohnten den Landmann nicht, der sie bearbeitete, der Vorrath des Brodts ward so geringe, daß wir den fürchterlichsten Mange! ganz in der Nahe sahen. Gott ernährte uns dennoch in der Theurung, gab uns ein fruchtbares Jahr, und befteyte uns dadurch auf einmahl von unsrer gerechten Bekümmerniß. Seit langen Zeiten hatte er uns den Frieden erhalten, nun aber, noch in dem Jahee, dessen Vollendung wir itzt entgegen eisen, schien es,, daß sich Krieg und Kriegsgeschrry erhehetz würde. Wir sahen rings um uns her Zurüstungcnchie uns Nichts anders als Unruhe und Blurvergiessen ankündigten, wir selbst rüsteten uns, um Gewalt mit Gewalt abzutreiben. Aber die drohende Wolke zercheilte sich, Gott gebot den Schmerdtern,
11über Psalm 125.
und sie blieben in ihren Scheiden, wir haben Frieden mit unsern Nachbaren, und die süsse Hoffnung, daß wir ferner ruhig wohnen können. Von einer Seite drohete uns seit mehr als einem Jahrhundert die fürchterlichste Unruhe. Wir erinnern uns noch an die kummervolle Zeit, da sie mit einer Gewalt, der wir schwerlich hatten widerstehen können, auszubrechen drohte. Damals that Gott ein Wunder seiner Weisheit und Güte gegen uns, und beftcyte uns von der aydringenden Gefahr, da wirs nicht ver: muhteten, wirs nicht zu hoffen wagten. Aber die Ursache unserer Befürchtungen blieb noch immer vorhanden. Der Saame der Zwietracht lag noch da, und die Frucht desselben, Krieg und Dluwergiessen konnte täglich zur Reife kommen. Nun ist die Gefahr ganz hinweggenommen. Gott hat die Bemühungen des Königs und seiner treuen Diener gesegnet, unter denen wir Einem, dem weisen christlichen Menschenfreunde, der den Ausgang dieses grossen Werks nicht erlebte, noch in seinem Grabe danken. Wir sind nun auf immer von dieser Seite sicher, und preisen die Vorsicht unsres Gottes, die«so väterlich für uns gesorgt
har. Laßt uns alle diese Wohlchaten Gottes überlegen,
meine Brüder, und dann sage uns unser Herz, ob wir nicht zu dem Gott, der uns so viele Beweise seiner für uns geschäftigen Güte und Weisheit gab, für die Zukunft das beste Zutrauen haben können. Aber laßt uns auch die Bedingung nicht vergessen, die er uns dabey Vorschreibet.
Zweeter Theil: Unser Vertrauen zu Gott, gegründet auf dem Versah eines gottseligen Verhaltens. So viel können wir nun mit beruhigender Gewißheit aus den bisher empfangenen Wohlthaten unsres Gottes schließen, daß er alles mit uns wohl machen kann und wohl machen will. Er wird es also auch unfehlbar thun, es wäre denn, daß wir selbst durch Ungehorsam und ungöttlichen Wandel die Absichten seiner Liebe mir uns verhinderten. Daher kann unsre Zuversicht zu ihm für die Zukunft nicht eher gegründet und zuverlaßig seyn, bis wirs uns fest vorgenommen haben, daß wir ihn lieben und fürchten, dann unsre Dankbarkeit gegen ihn beweisen, uns dadurch seiner fortgesetzten Wohlthätigkeit würdig machen wollen. Dankbarkeit und Liebe sind wir ihm doch gewiß für alle seine Güte schuldig: und worin kann sich diese Dankbarkeit und Liebe gegen den allseligen Gott,der nichts von uns bedarf,wohl anders zeigen,als im Gehorsam gegen seine Gebote? Gehet also hier, meine Brüder,in diesem Gehorsam das einzige Mittel unser Vertrauen aus Gott fest und
12Am Dankftste den 1 December 1773.
gewiß zu machen, und zugleich vor ihm und vor unserm eignen Gewissen zu beweisen, daß wir es dankbar erkennen, wie viel Gutes er an uns gethan har. Dazu ist die Feyer dieses einzigen Tages gewiß nicht hinlänglich. Unsre christliche Obrigkeit hat auch diesen Tag nicht deswegen zu heiligen befohlen, daß unsre Dankbarkeit gegen Gott und die BezeuKung derselben auf ihn allem eingeschränkt seyn sollte. Nein, sie hat uns dadurch vielmehr nur anführen wollen, mit diesem Tage dm Anfang eines gottgefälligen Verhaltens zu machen,und es dann durch unser ganzes Leben fortzusetzcn. Wie sehr bedürfen wir nicht einer solchenAufmunteruua: wir, die wir unter den Trübsalen, die Gott über uns ergehen ließ, uns so wenig besserten, wir, die wir uns auch bisher durch die gnädige Befreyung von denselben noch nicht dahin haben bringen lassen, daß wir aufgehört hatten die Gebote Gottes zu übertreten. Ich bin weit davon entfernt, weine Brüder, euch an diesem Tage des Danks und der Freude durch Vorwürfe betrüben zu wollen: aber ich muß euch zeigen, wie ihr euren Dank und eure FreudeGott wohlgefällig machen sollet, und deswegen darf ich unfern bisherigen sündlichen Wandel nicht ganz mit Stillschweigen übergehen, damit niemand glaube, man könne Gott für seine Wohlthaten danken, sich ihrer mit heiliger Freude erinnern, Freudigkeit und Zuversicht zu Gott empfinden, und dabey in der Sünde und im Widerstreben gegen Gottes Gebote fortfahren. Dieß sey also der Bund, den wir heute mit Gott aufrichten: Wir wollen ihm durch Tugend und Frömmigkeit für alle seine Güte danken, nicht bloß an diesem feyerlichen Tage, sondern an allen folgenden Tagen unsres Lebens, nicht bloß hier in unsrer gottesdienstlichen Versammlung, sondern auch in unfern Wohnungen und täglichen Geschafften, nicht bloß durch Gebet und Lieder, sondern auch, und vielmehr, durch fromme und ihm wohlgefatligeThaten. Und dann, wenn wir dazu fest entschlossen sind, wollen wir uns getrost auf ihn verlassen, daß er ferner mit seiner Güte über uns walten und uns Gutes und Barmherzigkeit unser Lebenlang erzeigen werde. So wie wir unfern Vorsatz ins Werk zu setzen anfangen und fortfahren, fo wird auch unsre Zuversicht zu ihm immer zuverlaßiger und unfehlbarer werden. Denn er (Hut gewiß wohl den guten und fromen Herzen. Er bewahret gewiß, die ihn fürchten, vor aller Gefahr. Er thut ge viß was die Rechtschaffenen begehren, und hilft ihnen aus! Ihm, der uns so väterlich geführt hat, und uns ferner väterlich führen will, ihm, dessen Wohlrhätigkeit sich herrlicher an uns bewiesen hat, als wirs würdig sind und zu erkennen vermögen, ihm sey Ehre und Preis in Ewigkeit!