Ausführliche Nachricht von der geheimen Verschwörung welche in Kopenhagen in der Nacht von 16ten auf den 17ten Januar dieses 1772sten Jahres glücklich entdeckt, […] nach dem Dänischen Original.

Ausführliche

Nachricht

von der geheimen

Verschwörung,

welche

in Kopenhagen

in der Nacht von 16ten auf den 17ten Januar

dieses 1772sten Jahrs glücklich entdeckt.

und vermittelst

göttlichen Beystandes

durch

Gefangennehmung der Verschwornen,

von der Königs. Residenzstadt Kopenhagen und

allen Königlichen Reichen und Landen

ein großes Unglück abgewandt worden.

Nach dem dänischen Original.

Kopenhagen 1772.

Gedruckt und zu bekommen bey Joh. Rudolph Thiele, wohasst in der großen Heiligengeiststraße.

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Es giebt wenig Monarchien, wo nicht bisweilen Verschwörungen entstanden wären. Man sindet unter allen Regierungsarten Menschen, welche, mit ihrem gegenwärtigen Schicksale unzufrieden, aller möglichen Ausschweifungen fähig sind, um sich entweder von einer Last, die sie drückt, zu befreyen, oder sich in bessere Glücksumstände zu sitzen, oder auch sich zu einem Stande empor zu heben, auf welchen sie sich, ihrer niedrigen Geburt wegen, keine Rechnung machen dursten. Dies sind insgemein die Bewegungsgründe, welche einen bösen Bürger verleiten, die Waffen wider sein Vaterland, und gegen seinen gütigen Monarchen zu ergreifen. Und von dieser Art

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Menschen war Johann Friderich Struensee und seine Consorten, welche durch ihre bösen Anschläge Die Geschichte Dännemarks mit einer merkwürdigen Nacht bezeichnen wollten; aber der Gott, der in der Höhe und im Heiligthum wohnet, ließ sie in die Fallstricke fallen, welche sie einem der liebenswürdigsten Könige gelegt hatten.

Das Haupt dieser schändlichen Rotte war Johann Friderich Struensee, ein Sohn Des Königl. Dänischen General-Superintendenten, Herrn Adam Struensee. Dieser sein rechtschaffener fromme Vater hat auf seine Erziehung und Studien alles Mögliche gewandt; aber er ließ von seiner Zugend an nicht undeutlich von sich merken, daß er zu allen Lastern und zu einer wollüstigen Lebensart sehr geneigt wäre. Diese böse Reigung durch gute Erziehung und Ermahnung in ihm zu unterdrücken, war sein rechtschaffener Herr Vater äußerst bemüht; allein mir geringem Erfolge, und als er der väterlichen Zucht enkam, wuchs dieser sein böser Grund desto schneller empor. Er hat die Medicin studirt, auch darin den Doctorgradum erlangt, obgleich er davon wenig Gründliches erlernet. Dennoch hatte er das Glück, dem besten König, Christian dem Siebenden, auf seine Reise als

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Reise-Leibmedicus vorgeschlagen zu werden; in welcher Qualität er auch von Sr. Majestät angenommen, auch ihm erlaubt wurde, Allerhöchstdieselben auf Ihrer Reise zu begleiten. In der Folge war sein Glücksstern ihm so günstig, das er (obgleich nicht durch seine Geschicklichkeit) nicht nur begnadiget wurde, beständiger Leibmedicus zu seyn, sondern auch eine Ehrenstuffe nach der andern erstieg, sogar, daß der König, auf Veranlassung einer gewissen hohen Fürsprecherin, ihn im Jahre 1771, den 23sten Januar, in den Grafenstand erhob, und zum geheimen Cabinets- und Staatsminister ernannte. Aufgeschwollen vom schändlichen Hochmuch, bewegte er gedachte hohe Fürsprecherin, durch eine Akte des Herzogthum Ploen von Sr. Königl. Majestät sich versichern zu lassen; welche aber nicht zum Vorschein kam. Hiernächst verfiel er gar darauf, sich mit dieser hohen Person das ganze Reich zuzueignen, mit derselben sich zu vermählen, und neben derselben als Protektor zu regieren; vorher aber einen von Gott höchstbestätigten theuersten Landesvatter und König, Christian den Siebenden, der theuren und hofnungsvollen Kronprinzen Friderich, eine der besten Königinnen, Juliana Maria, den liebenswürdigsten Erbprinzen Friderich, und die Prinzeßin Charlotta Amalia, aus

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der Welt zu schaffen, und alsdann mit Feur und Schwerdt, (Falls sich jemand von den Hohen und Niedern widersetzen würde,) sich den Weg zum Königl. Throne, Krone und Scepter zu bahnen.

Verschiedene fürchterliche Anstalten, die einige Wochen vorher von dem abscheulichen Grafen angeordnet wurden, setzten alle Bewohner in und ausserhalb Kopenhagen in Erstaunen, und der Eine fürchtete sich für den Andern; daher Niemand ohne die größte Furcht auf der Straße gieng, oder des Abends sich zu Bette legte. Er ließ die größten Kanonen aus dem Zeughause auf die Wälle, vor die Wachthäuser und vor die Stadtthore bringen, und scharf mit Cartätschen laden. Die Kanonen auf den Wällen wurden alle Abend, nach geschlagenem Zapfenstreich, gegen die Stadt, längs die Gassen, gerichtet. Die beyden Königl. Garderegimenter wurden abgedankt, verschiedene verdienstvolle Ministers ihre Dienste entlassen, alle Wachten verdoppelt, und noch mehrere Extra-Wachten ausgesteller. Die Soldaten erhilten ein jeder 36 scharfe Patronen, und das Patroulliren war ausserordentlich. Selbst auf dem Schlosse sahe man die Wachten verdoppelt, und scharf geladene Kanonen Hinpflanzen; sogar wurde ein

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jeder, ohne Ansehen der Person, der auf dem Schlosse etwas zu verrichten hatte, oder jemand sprechen wollte, durch zwey Mann Soldaten auf das Schloß, und so wieder zurück, geführt. Der König, dem dieses befremdete, fragte den Grafen Struensee, (denn sonst hatte Er niemand bey sich,) wozu diese fürchterliche Anstalten dienen sollten? Worauf er dem König antwortete: Alles dieses geschähe zur Beschützung der theursten Person des Königs: Denn alle Unterthanen waren gegen Sr. Maiestat aufgebracht; daher befürchtete man, daß es Sr. Majestät eben so, wie dem unglücklichen Peter dem Dritten in Rußland, ergehen mögte. Der König erschrak heftig, als Er dieses hörte, schlug seine Hände zusammen, und rief aus: Mein Gott! was habe ich denn Böses gethan, daß mich meine lieben und getreuen Unterthanen so hassen? Dieser Nichtswürdige antwortete Dem Könige, und brachte Verschiedenes vor, welches dem Volke an der Königl. Regierung mißfiele, worunter denn von ihm besonders die bisherige ausserordentlige Steur gerechnet wurde. Dies betrübte dem Könige herzlich; konnte aber doch vor der Hand auf keine Weise möglich machen, diese ausserordentliche Steuer abzuschaffen.

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Inzwischen setzte diese Rotte ihre Anschläge immer weiter fort, und verhinderte, allerley Vorwendungen, jedem treugesinnten Patrioren den Zutritt zum Könige, wußte auch einem jeden redlichen Unterthan solche niederträchtige böse Handlungen anzudichten, daß Der König keine Neigung haben konnte, selbige zu sprechen. Wenn denn jemand vor dem König mußte; so ward derselbe gezwungen, seine Sache kurz zu fassen, und nach erhaltener Antwort, sich sogleich zu entfernen. Zuletzt mußte ein Jeder sein Anbringen schriftlich eingeben, und erhielt auch schriftliche Antwort. Alles mußte an den Grafen Struensee abgegeben werden, und was ihm gut deuchte, das sagte er den Rönig; sogar erhielt der König alle Briefe entsiegelt. Die Grafen Struesee und Brandt waren stets gegen, wärtig. Ersterer war schon beym Könige, ehe Er ausgeschlafen, und ging auch nicht eher von Ihm, bis Er zur Ruhe war, inzwischen der Graf Brandt sich stets im Vorgemach aufhielt. Wenn nun ja der Eine oder der Andere Geschäfte halber sich entfernen mußte; so wurde im Namen des Königs der Wache und den Bedienten befohlen, daß, bey höchster Ungnade des Königs, sich Niemand dem Königl. Zimmer nähern dürfe, weil Sie. Königl. Majestät unpäßlich wären, und Sie sich zur

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Ruhe gelegt hätten. So bald sie von ihren Verrichtungen zurück kamen, womit sie denn auf möglichste Weise eilten; so hatte auch der König ausgeruhet. Wollte der König ausfahren, oder reiten, und es war denen Grafen Struensee und Brandt nicht gelegen: so wußten sie den König durch ihre listigen Kunstgriffe, unter allerley Vorwand, schädliche Medicamente beyzubringen, darauf Er sich nothwendig übel befinden mußte, und gerne zu Haufe blieb, und das Bette hütete. Und dies Mediciniren hat auch wircklich des Königs Gesundheit Ln etwas geschwächt. Fuhr oder ritte der König aus; so waren die Grafen Struensee und Brandt jedesmal bey Ihm, und eine starke Estorte hatte den König umringet, damit Niemand hinzukonnte. Solches und noch verschiedene andere Dinge, triben sie so lange, bis sie endlich, nach zwo zu ihrem Vorhaben fehlgeschlagenen Nächten, die Nacht vom 16ten auf 17ten Januar zu ihrer schwarzen That erkohren hatten. Dieses ihr Vorhaben zu unterstützen, waren schon einige Herren von ihren Absichten informieret, nur nicht der Herr Generalmajor von Lichstedt und der Herr Oberste von Köller. Ersterer ward den 14ten Januar zur Königl. Tafel geladen, und fand sich auch wirklich ein. Nach aufgehobener Tafel ward er vom Gra-

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fen Struensee in ein Zimmer gerufen, wo ihm in Beyseyn einer hohen Person, der ganze Plan vorgelegt und verständiget, auch sein Regiment zum Beystand aufgefordert wurde: wie man denn auch von ihm Verlangte, daß er dem Herrn Obersten Röller, im Namen der hohen Person, und im Namen seiner, denselben Befehl und Plan ertheilien sollte damit er sich auch zur bestimmten Zeit mit seinem Regimente in Bereitschaft halten könnte, um wenn an den König die letzte Hand gelegt wäre und alle Einwohner in und ausserhalb Kopenhagen der regierenden Königin Carolina Mäthilda, und ihm, dem Grafen struensee, nicht so gleich huldigen, oder eine Empörung erregen wollten, sie mit gewafneter Hand dazu zu zwingen, wozu die vorhin erwähnten Anstalten bereits eingeleitet waren, von denen die andern Officiers nähere Verhaltungs-Befehle erhalten würden. Dabey wurde ihm, dem Hrn. Generalmajor von Lichstedt, anbefohlen, nicht eher vom Schlosse zu gehen, bis er die Ordre dazu erhalten. Dieser brave Officier mußte versprechen, die Befehle ganz genau zu beobachten, und that es auch, unter dem Schein der größten Treue. Der Graf Struensee war darüber schon im Voraus vergnügt, und glaubte sich schon auf des Königs Thron zu sehen.

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Am 16ten Januar, Abens, war maskirter Ball in dem französischen Comödien-Hause, während der Zeit der Generalmajor von Eichstedt die Befehle erhielt, nach seinem Quartier zu fahren, um die nöthigen Ordres zu ertheilen. So bald er in sein Quartier angelangt, und in sein Zimmer getreten war, entfernte er seine Bediente von sich, verwechselte in aller Stille seine Kleidung, schlich sich heimlich aus seinem Hause, und begab sich zu dem Verdienstvollesten Hrn. Reichsgrafen von Ranzau zu Aschberg, und erzählte ihm mir größter Bestürzung den ganzen gefährlichen Anschlag. Dieser, in der größten Gefahr standhafte Herr, eilte sogleich mit dem Generalmajor von Eichstedt zu der verwittweten Königin Juliana Maria Majestät, und des Erbprinzen Friderich Königl. Hoheit; zugleich wurde auch zu dem Hrn. Obersten Köller geschickt, dessen Regiment denselben Tag die Wache auf dem Schlosse hatte, wie auch nachdem Geheimenrath, dem Grafen von der Osten. Man entdeckte diesen hohen Personen das abscheuliche Vorhaben der Verschwornen, und Sie konnten, voll der größten Bestürzung, sich der Thränen nicht enthalten. Obgedachter Herr Graf von Ranzau sprach aber dem hohen Personen Muth ein, forderte Papier, Dinte und Federn, und

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schrieb die benöthigten Ordres, die auf die genommene Masregeln eine Beziehung hatten.

So bald selbige abgesaßt waren, ermahnte er diese hohe Personen, mit nach dem König zu gehen, der kurz zuvor vom Ball gekommen war, und sich bereits im Bette befand. Als der verwittweten Königin Juliana Maria Majestät, des Erbprinzen Friderich Königl. Hoheit, der Herr Geheimerath, Graf von Rantzau, der Herr Geheimerath, Graf von der Osten, der Herr Generalmajor von Eichstedt und der Oberste Röller, unangemeldet in des Königs Zimmer traten; so schluch der König den Vorhang von Seinen Bette weg, und sagte: Mein Gott! was wollen sie? Darauf antwortete die verwittwete Königin Juliana Maria, dem Könige mit weinender Stimme! Ihro Majestät, mein Sohn, fürchten Sich nicht; wir kommen nicht als Feinde, sondern als Freunde, Ihnen, uns und das ganze Land zu retten, und mit göttlicher Hülfe und Beystand die angedrohete Gefahr abzuwenden. Nachdem Sie dieses gesprochen hatten, geriethen Dieselben in die äußerste Wehmuth, und die häufigen Thränen gestatteten kein ferneres Reden, daher des Erbprinzen Friderich Königs Hoheit,

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und der Herr Graf von Rantzau das Wort nahmen, und den ganzen Plan erzählten. Letzterer grif in die Tasche, zog die ausgefertigten Ordres hervor, und legte selbige dem Könige zur Unterschrift dar. Worauf der König ausrief und sagte: Mein Gott! das wird ganze Ströme von Blut kosten. Der Herr Graf von Rantzau antwortete dem Könige, und sagte; Ihro Majestät seyn nur getrosten Muths; ich nehme, unter dem Beistände des Höchsten, alle Gefahr auf mich; ich werde so viel möglich, aller Gefahr vorbeugen & c. Worauf alle höchst und hohe Anwesende den König ermahnten, ohne Zeitverlust feie Ordres zu unterschreiben, welche des Erbprinzen Friderich Königl. Hoheit mit Unterzeichneten.

Nach Ausfertigung dieser Königl. Ordres, wurden selbige an verschiedene Officiers vom Eichstedtschen und Köllerschen Regimente, zur genauesten Befolgung, ausgetheilt. Es war aber noch eine Ordre nöthig, um eine hohe Person in Sicherheit zu bringen, deren höchsteigenhändige Ausfertigung man Sr. Majestät, dem Könige, allein überließ. Der Monarch fertigte diese Ordre mir innigster Betrübniß aus, und übergab sie dem Hrn. Reichsgrafen von Rantzau, um solche zur Ausführung zu bringen. Während dieser

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gemachten Anordnungen, wurde der Generalmajor von Gude, bisheriger Commandant von Kopenhagen abgesetzt, und an dessen Stelle der Generalmajor von Eichstedt, Chef des hier garnisonirenden seeländischen Dragoner-Regiments, zum Commandanten ernannt, und hrn anbefohlen, alle nöthige Anstalten zu treffen. Dieser Herr begab sich unverzüglich, an die Spitze eines Detaschements seines Dragoner-Regiments, ertheilte allen wachthabenden Officiers die nöthigen Ordres, ließ alle Wachten auf dem Schlosse verstärken, auch alle Hauptthüren und Zugänge, besonders aber des Königs Zimmer mir Wachten versehen.

Gleich darauf wurden Graf Struensee, sein Bruder, der Justißraht Struensee, der Graf Brandt, der General Gude mit seiner Gemahlin und der General Gähler mit seiner Gemahlin arretirt, und, jeder besonders, nach und auf die Citadelle gebracht. Die Generalin von Gählern wurde von jedem, der diese rechtschaffene Dame kennet, bedauret; selbige ist auch, da sie unschuldig befunden worden, ihres Arrestes entlassen. Der bisherrige Leibmediens, Professor Berger, (der keinesweges mit dem Leibmedicus, dem redlichen Ecatsrath von Berger, verwechselt werden muß, weil dieser schon vor langer Zeit

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vom Könige seine Erlassung gesucht und erhalten,) der Oberste Falkenskiold, und der Oberstlieutenant von Hesselberg wurden auf die Hauptwache gesetzt, wo ihnen, nach Verlauf von einigen Tagen, einfiel, zu desertiren; sie wurden aber darüber betroffen, und darauf nach dem Schiffsholm in bessere Verwahrung gebracht. Den 20 Januar ist dem Legationsrath und Postdirektor Sturz gleichfalls sein Arrest in der Hauptwache angewiesen, von da er nach der Citadelle gebracht ist. Der Stallmeister, Baron von Bülow, der Contreadmiral Hansen, der Etatsrath Willebrand, der Lieutnant Aboe und drey Sekretärs im Kabinet, bekamen Arrest im Hause; und sogleich wurden die Papiere der Gefangenen versiegelt.

Der Hr. Reichsgraf von Ranzau und der Geheimerath, Graf von der Osten, von einer Wache begleitet, gingen, mit der Königl. Odre, unangemeldet zu dem Zimmer der gedachten hohen Person, welche auch bereits im Bette lag. Der Hr. Graf von Ranzau trat hinein. Sie schlug den Vorhang Ihres Bettes zurück, und fragte: wer ist da? Ha! Monsieur Ranzau, sind Sie da? Wie ists? Lebt der K - noch? wo ist Graf Struensee und Brandt? Der Hr. Graf that, als hörte ers nicht, und übergab im

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Namen Sr. Königl. Majestät Ihr die bey sich habende Ordre, mit Ankündigung des Arrestes. Sie fuhr auf, und sagte: Mich zu arretiren; das soll ihm seinen Kopf kosten. Wo ist von der Osten: Der Hr. Graf antwortete: Im Vorgemach. Worauf Sie zur Antwort gab: Der Verräther! Sie fragte ferner nach die Grafen Struensee und Brandt; worauf der Graf antwortete: Sie sitzen schon in sichere Verwahrung auf der Citadelle, Der Graf wiederholte hierauf seinen ersten Antrag im Namen des Königs: Derauf wurde Sie erboßt, sprang aus dem Bette, und lief im Zimmer auf und nieder, inzwischen der Graf den Hut vor die Augen hielt, und Ihr zum Ankleiden ermahnte, widrigenfalls er gezwungen wäre, Sie ankleiden zu lassen. Darauf grif Sie ihm ins Touppee. Er rief ein paar Dames herein, davon die Eine Ihr einen Rock anlegte. Sie grief selbst nach einer Saluppe, und eilte zu einer verborgenen Treppe, um zu entfliehen Auch Diese war schon mit Wache besetzt; Sie kehrte daher voller Bestürzung wieder zurück, und legte sich ganz ohnmächtig aufs Canopee. Der Graf ließ Ihr Zeit, um sich zu erholen; ermahnte Sie aber von Zeit zu Zeit, mitzugehen. Sie bat, daß man ihr die Prinzesin mitgeben mögte. Dies ward Ihr gewähret,

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und selbige sogleich angekleidet. Darauf sagte der Hr- Graf: Nun, Madame! gehen Sie, eilen Sie; geschwind, geschwind! Er faßte Sie bey der Hand, seinen Hut unterm Arm, und den enblößken Degen in der andern Hand halten, und führte Sie bis an dem Wagen, wo Sie noch zu ihm sagte: Dies würde ihm seynen Kopf kosten. Der Hr. Graf sagte hierauf: Ich liebe Gott, und bin meinem Könige getreu; Adjeu, Madame! Die Fräulein Moesting setze sich mit der kleinen Prinzeßin in den Wagen neben Ihr, nebst dem Major Carstenschiold mit embloßtem Degen; und so wurde Sie, unter einer Eskorte von 30 Dragonern, nach Kronenburg begleitet. In denen ersten Tagen hat Sie, ausser ein paar Schalen Schocolade, nichts gegessen und getrunken, bis Sie in Thränen ausgebrochen, und wiederholend ausrief: Ach! du unglückseliges Kind! Ach! ich unglückselige Mutter! In solchem Zustande lebt Sie in der untersten Etage des Schlosses.

Bey der Arretierung des Grafen Struensee, ist folgendes zu merken: Daß, als ihm der Oberste Köller den Arrest ankündigte, und ihm die Königl. Ordre vorzeigte, er Zeit zu gewinnen suchte, und nicht glauben wollte, daß der König diese Ordre selbst unterschrieben haben. Der Oberste, um ihm diese Zweifel

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zu benehmen, sagte: Er wolle mit seinem Leben dafür haften, daß dies wirklich eine Königl. Ordre wäre. Kurz, er wolte sich nicht geben. Der Oberste ward daher bewogen, ihm den Degen auf die Brust zu setzen, indem er sagte: Er habe Befehl, ihn entweder tobt oder lebendig zu bringen. Hierauf fiel er aufs Canapee in Ohnmacht nieder. Man brachte ihn wieder zurecht. Er bat, daß er noch zuvor eine Schale Schocolade trinken mögte; welches ihm aber abgeschlagen wurde. Er bat um sein am Fenster liegendes Etuit; und auch dies wurde ihm nicht gestattet mitzunehmen. Der Oberste ermahnte ihn, zu eilen und fortzumachen, ehe es Tag würde, sonst wäre es unmöglich, ihn für der Wuth des Pöbels zu schützen. So bald er aus seinem Zimmer kam, band man ihm die Hände. Im Weggehen fluchte er auf seinen Kammerdiener, daß er ihm nicht einen Pelz mitgegeben. Er wurde also in einer Miethkutsche, unter einer Bedeckung von Dragonern, nach der Citadelle gebracht. Wie er aus der Kutsche stieg, war er noch für den Kurscher besorgt, und bat, man mögte ihm bezahlen, oder ihm ein Trinkgeld geben. Der Oberste Böller gab ihm einen Thaler, den er zwar annahm, dabey aber auf sein gut Dänisch sagte: Ich hätte es auch wohl umsonst gerhan. Hierauf ward er

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zum Commandanten der Citadelle gebracht. Als der Graf bey ihm ankam, fluchte er heftig; der Commandant gebot ihm stille zu seyn.

So bald der Graf Struensee in das für ihn bestimmte Logis gebracht wurde, welches eben das ist, was der bekannte Norcros so lange bewohnt hat, fragte er: Wo sind meine Bediente? Der wachthabende Officier antwortete: Ich habe nicht gesehen, daß ihnen welche gefolget sind. Mein Sekretär? Der ist auch nicht hier. Mein Pelz! Es ist hier kalt; beym Tenfel! ich will nicht frieren; ich will ein ander Zimmer haben. Er fand daselbst einen hölzernen schlechten Stuhl, und sagte: Was soll dieser Stuhl? Gebt mir meinen Sopha! Alles dieses beantwortete der wachthabende Officier damit, daß er sagte: Mein Herr, hier ist nichts zu ihren Diensten, als ein Kammergeschirr. Durch diese Antwort ward er in die äußerste Wuth gesetzt, so, daß er beyde Arme zusammen faßte, und mit dem Kopse gegen die Wand und das eiserne Gitter lief, in der Absicht, seine Hirnschale zu zersmettern, wobey er erstaunlich fluchte; aber die Wache lief eilends hinzu, und verhinderte solches durch einige Rippenstöße. Sein Betragen wurde gemeldet; worauf er sogleich mitten in der Stube, mit Händen und Füßen am Fußboden sitzend angeschlossen

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wurde, so daß er sich ferner keinen Schaden thun konnte. Zugleich wurden die Fenster des Gefängnisses die Queer mit Latten benagelt. Als er dieses sahe, sagte er: Er würde hier als eine Canallie tractirt. In diesem Zustande regte sich sein böses Gewissen, und stellte sich, als wenn er heftiges Zahnweh hätte, und baht, man mögte doch nach, sein ehemaliges Cabinet jemand hinsenden, sie würden allda vor den Fenster in ein Papier liegend ein Zahnpulver vorfinden, solches mögren sie ihm doch holen lassen, um die Schmerzen zu stillen. Es wurde auch hingeschickt, und man fand es. Der Hr. Etats-Rath und Leib Medicus von Berger, mußte solches sogleich untersuchen, und befand, daß es ein starkes Gift war; daher ihm dieses so wenig, als ein ander Zahnpulver, gegeben wurde. Darnach legte er es auf das Hungern, und wolte weder Speise noch Trank zu sich nehmen. Einigemal wurde ihm hierin sein Wille gelassen; hernach aber kam Befehl, er sollte essen und trinken, Fals er aber nicht mit Gutem wollte; so sollte er so lange geprügelt werden, bis er Appetit bekäme. Hierauf bequemte er sich zu essen, ohne dazu sich prügeln zu lassen. Ihm wird aber weder Löffel, Messer noch Gabel in die Hand gegeben; die wachthabenden Soldaten schneiden ihm das

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Essen zurecht, und bringens ihm in den Mund. Als er in diesem Zustande einige Tage gesessen harte, gelobte er an sich besser auszuführen, man mögte doch für ihn um Gnade bitten; so ist solches auch erhöret worden, und er darauf nur an Händen und Füßen kreuzweise geschlossen, und eine an der Wand bevestigte drey Ellen lange Kette an das Bein gelegt, und ihm ein Stück Bette gegeben, worauf er liegen kann. Ueberhaupt genommen, so befindet er sich im Gefängniß, wo die ärgsten Missethäter pflegen aufbewahret zu werden, und trägt auch Kleidung, wie ein Missethäter, die besteht in einer blauen Friesenen Jacke ohne Knöpfe, und alle andere Knöpfe, so er noch in seiner übrigen Kleidung hatte, sind ihm ausgeschnitten, und zwar deswegen, weil er einige abgedrehet und verfchlukkec haben soll. Schue- und Beinschnallen sind ihm gleichfalls abgenommen. Anitzo trägt er eine eiserne Haube, damit er feinen Kopf nicht zerstoßen könne. Nachgehends ist das Etui, warum er so sehr gebeten, daß man ihm solches geben mögte, visitiret worden; man hat in selbiges drey kleine Kügelchen gefunden. Der Herr Eratsrath und Leibedicus von Berger, hat selbige untersucht, und befunden, das ihre Beschaffenheit ein langsam wirkendes Gift sey, womit dieser Bösewicht schon an einer hohen Person Ge-

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brauch gemacht haben soll. Noch eine Anekdote von dem Grafen Struensee:

Wie er ohngefehr vor einem Jahr in Kopenhagen auf der Straße gehet, begegnet ihm ein Sklave in Retten, der Sklave bittet ihm um ein Allmosen, und zugleich, um des Königs Gnade für ihm zu erflehen, daß er aus diesem elenden Zustande erlöset würde. Der Graf gab ihm ein Allmosen, und sagte dabey: Du trägest um deiner Tugen willen wol deine Retten nicht. Nachdem erlangte der Sklave seine Freyheit, und wurde Schliesser auf der Citadelle. Da es sich nun fügte, daß eben dieser dem Grafen die Ketten anlegte, so sagte er: Ihro Excellenz! um Ihrer Tugend willen lege ich Sie die Retten nicht an.

Wegen des Grafen Brandt ist folgendes zu merken: Wie der Officier mit der Wache kam, ihn zu arretiren, so verschloß er sich in seinem Zimmer. Der Officier sagte er sollte aufmachen; er sollte sich betragen wie ein vernünftiger Mann: denn es würde ihm zu nichts helfen, widrigenfalls er die Thür erbrechen müßte. Da machte er die Thüre auf, in der Hand seinen Degen haltendt, um sich zu vertheidigen, worauf sie sich seiner sogleich bemächtigten. Da warf er deu Degen von sich, und suchte sich loszumachen, und sagte: Mei-

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ne Herren! Sie gehen unrecht; ich bin ein Staatsminister; ich weiß nicht, daß ich was verbrochen habe, worüber man mich arretiren könnte. Der Officier zeigte ihm die Ordre vor, und sagte: Er ginge gar recht er sollte nur mitgehen, das Uebrige würde sich schon finden; und hierauf brachten sie ihn nach der Citadelle.

Der Graf Brandt, nachdem er aufder Citadelle, in des Herrn Commandanten, von howen, Behausung abgetreten war, complimentirte den Commandanten folgends: Mein Herr! Sie nehmen es nicht übel daß ich Sie so früh incommodire. Der Commandant antwortete: Gar nicht, mein Herr! man hat ihnen hier schon längstens erwartet. Darauf ging der Graf Brandt das Zimmer auf und nieder, sahe sich allenthalben umher, sang eine italienische Arie und sprach: Hier sind bey meiner Seele! hübsche Zimmer im Rasteel. Der Commandant antwortete: Ja, mein Herr! sie werden ein noch besseres bekommen. Ihm ward darauf sein Behältniß angeweisen, welches aber ziemlich dunkel war; dieses machte ihn dennoch nicht versagt, sondern er sagte vielmehr noch— Bey meiner Treue, der Commandant hat wahr gesagt. Er ist immer luftig, und spielt die Flöte. Von seinen vier

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und zwanzig Lüb-Schillingen, so er täglich zu verzehren erhält, ersparet er sich seche, welche, wie er sagt, sein künftiger Henkersknecht zum Trinkgeld haben soll. Er bedienet sich auch öfters diesen Ausdruk: Einem kleinen Geist kömmt es zu, sich durch Kleinigkeicen demüthigen zu lassen; aber ein großer Geist hebet sein Haupt weit über sein Schicksal empor.

Der Graf Brandt ist wenige Tage vor der Revolution von einem Freund durch einen Brief gewarnet, und das Schicksal, welches ihn treffen würde, wenn er die verderblichen Anschläge befolgte, vorhergesagt, und vor. Augen gestellet worden.

Die Arretirung der vorhin benanten Personen, geschahe in oberwehnter Nacht, und zwar des Morgens zwischen 3 und 6 Uhr, da alle Personen vom Ball zu Hause gekommen waren und sich zu Berte gelegt hatten. Alle Stadtthore waren zu dieser Zeit geschlossen, da solche seit dem verwichenen Frühjahre nur allez it gesperret gewesen sind. Durch das häufige Fahren und Reiten, wurde zwar alles rege und aufmerksam gemach; dem ungeachtet aber gerrauete sich keiner, vor Tag aus Dem Hause zu gehen. So bald es aber Tag wurde, kam ein jeder zum Vorschein, und die Straßen wimmelten von Menschen. Auf

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allen Angesichtern hatte sich ein Schröcken Verbreiter, in'der ängstlichen Meynung, als wenn unserm allergnädigsten und allerhuldreichsten Könige etwas Widriges zugestoßen wäre. Dieser Ursache wegen eilte alles nach dem Schloßplatze hin, um zu vernehmen, ob ihre Furcht gegründet wäre? und in kurzer Zeit war dieser Platz ganz mit Menschen angefüllet. Als es hierauf Ibro Majestät den Könige, der Königin Juliana Maria und Dem Erbprinzen Friederich, Königl. Hoheit, gefiel, sich auf dem Balcon des Schlosses sehen zu lassen: freuete sich alles Volk so seht darüber, daß es mit der größten Freude ausrief: Vivat! lange lebe unser theuerster König Christian der Siebende, die Königin Juliana Maria, und der Königl. Erbprinz Friderich! Von diesem frohen Ju: belton wurde die ganze Stadt erfüllet, und alles Mißvergnügen, Angst und Traurigkeit verschwand. Einer wünschte nunmehro dem andern in dem freudigsten Ausdrücken Glück, weil sie ihren allerliebenswürdigsten Monarchen bey vollkommener Gesundheit erblickt hatten. Das Frohlocken der Einwohner bey der Thronbesteigung, Vermählung uud Krönung des Königs, kam mit demjenigen, was bey diesem Vorfall beständig fortdauerte, in keine Vergleichung: denn ein jeder war nun-

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mehro überzeligt, daß Gott die so große und augenscheinliche Gefahr gnädiglich abgewendet hätte.

Um 12 Uhr des Mittags fuhren der König und der Erbprinz Friderich Königl. Hoheit, in einem mit sechs weissen Pferden bespanneten offenen Wagen, und hinter her, in einen andern offenen Wagen, der Königl. Kronprinz. Die Straßen, wodurch Höchstdieselben fuhren, waren so voller Menschen, daß die Pferde nicht ziehen dürften: denn die Menge des Volks hob und trug den Wagen gleichsam fort, wobey ein freudiges Jubelgeschrey ohne Ende war. Darnach war Cour bey Hofe, und darauf wurde öffentlich gespeiset. Die beyden Garder-Regimenter sind wieder hergestellet. Die Leute, so unter der Fuß-Garde gedienet hatten, und welche caßiret waren, fanden sich auch eiligst, mit und ohne Montirung, wiederum, und zwar so, als sie gingen und stunden, ein, welche auch noch desselben Tages, auf Verlangen, die Wache bezogen, und die Köllerischen Dragoner, die 48 Stunden die Wache gehabt hatten, ablöseten.

Des Abends war die ganze Stadt aufs prächtigste erleuchtet, und die Königliche Personen fuhren nach der Französischen Comödie, wo bey dem Eintritt Allerhöchstdie-

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selben mit ein frohes Händeklatschen und Vivatrufen empfangen wurden. Die Nacht darauf spolirte das Volk auf die siebzig berüchtigte Häuser, worunter das ehemalige Gräflich Schulinische Haus mit begriffen ist, welches Gabel auf Anrathen des Grafen Struensee gekauft, und zu einem öffentlichen H*** hause einrichten müssen, wozu ihm der Graf Struensee das Geld vorgeschoffen hatte.

Des andern Tages wolte das Volk wieder anfangen zu spoliren; allein, Sr. Majeftät. der König, liessen durch Trommel- und Trompetenschall bekannt machen; daß, wie sehr Sie auch übrigens mit dem Betragen Ihrer geliebten Unterthanen zufriede wären, Sie dennoch mit dem äusersten Mißvergnügen, die in der verwichenen Nacht begangenen Unordnungen vernommen hätten, und dahero alle Ausschweifungen, bey Lebensstrafe, verböten. Kaum war es möglich, der freudigen Wuth der Pöbels Schranken zu sehen.

Das Volk wollte anfänglich nicht glauben, daß es Königlicher Befehl wäre, und verlangte ihn schriftlig zu sehen; er wurde ihnen gezeigt; es küßte denselben, und hierauf wurde sogleich alles ruhig. Das Volk hätte auch gerne den prächtigen Staatswagen, den Graf Geruensee sich machen lassen, welcher

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über 6000 Reichsthaler gekostet, in seiner Gewalt gehabt; derselbe stand aber unter des Königs Schloß.

Die Avancements bey diesem Vorfalle sind nachfolgende: Die Generalin Numsen ist Oberhofmeisterin bey dem Kronprinzen geworden. Der General-Lieutenant Graf zu Kanzau von Aschberg, wurde zum General von der Infanterie ernannt und mit dem Elephanten-Orden begnadiget; Der Herr General-Major von Eichstedt wurde an die Stelle des Commandanten und Generalmajors Gude, zum Commandanten dieser Residenzstadt ernannt, und zum General von der Cavallerie, wie auch zum Ritter vom Dannebroge erhoben, auch zugleich zum Mitglied im General und Commissariats-Collegio. Der Herr Oberste Köller ist auch mit dem Orden vom Dannebroge begnadiget und zum General-Lieutenant von der Infanterie, und des Königs Ober-General-Adjutanten avanciret.

Alle Officier seines Regiments, welche bey dieser Revolution gebrauchet worden, sind um einen Grad höher gestiegen. Und da der nunmehrige Herr General Lieutenant Köller den Wunsch äuserte, unter dem Dänischen Adel aufgenommen zu werden, ob er gleich aus einer sehr guten Pommerschen Familie

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ist: so hat er das Naturalisations-Patent unter dem Namen: Köller-Banner, erhalten; Er ist auch zum Mitglieds im General und Commissariats-Collegio ernennet. Der Hr. General-Kriegs-Commissair Berringskiold erhielt den Kammerherrn-Schlüssel, er wurde aber ein par Tage darauf nach seinem Guthe Wordingborg gewiesen. Der Stadtshauptman Hr. Treeld hat, mit 300 Rthlr. jährlicher Zulage, den Rang eines Obersten erhalten.

Ihro Majestät, der König, liessen am dritten Sonntages nach Epiphanias, in allen Kirchen ein Danksest hatten, und dem König aller Könige für Die wunderbare Errettung und Erhaltung des ganzen Königl. Hauses, und Dero Reiche und Lande, ein schuldiges Lob- und Dankopfer bringen.

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Zulage. Nachdem die Papiere der Statsgefangenen von der dazu verordneten Commission auf dem Schlosse Christiansburg, durchgesehen waren, fing die Königl. Inquisitions-Commission den 20 Febr. 1772, zum er sten Mahl in der Citadelle Friderichshaven, in den Wohnungen des Hr. General von Hoben, ihre Vorhöre an.

Da Struensee einige Mahlen war in Vorhör gewesen, und ihm Crimen Læse Majestatis, in einen hohen Grad überwiesen worden, indem er beyde, ohne Sr. Majestäts Vorwissen und Approbation verschiedene Cabinets-Ordres, dem Lande zum Schaben, ausgefertiget, und die Königl. Casse um eine ansehnliche Summa vernachtheiliget, welches aus einer mißdencklichen Rechnung unter seine Papire befunden worden, und er sahe, daß er Den Tod verdiener, und für ihn keine Rettung übrig, so handelte er nachgehends ganz

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offenherzig, bekennete alle Dinge rein aus, ja man erfuhr fast mehr von ihm, als man zu wissen verlangte.

Das Gewissen erwachte, seine Frechheit verwandlete sich in Wehmüthigkeit, und er gab Gott die Ehre, bekennete beydes vor Gott und Menschen seine Sünde, und da wurde man überbewiesen, daß er wirklich Theil gehabt in den Lastern welche das Gerüchte bisher ihn beschuldiget hatte.

Nicht allein die Furcht für den Urtheilen Gottes und der Welt, zerknirschten sein Herz, sondern zugleich eine wahre Reue und Berrübniß über seine Sünde; denn nun wirkte der Geist Gottes in seinem Herzen, das bisher für dem Gnadenruf verschlossen gewesen war.

Ein paar Briefe, welche von seinen Eltern einliefen, vermehrte nicht wenig seine innerliche Betrübniß, und den Fluß der Thränen, womit er täglich strebte, einen Theil seiner Sünden abzuwaschen. Die Vermahnungen der lieben Eltern, welche bishero fruchtlos gewesen, fielen nun in eine gute Erde, und brachten Frucht, welches er in einem Briefe an seine Eltern bezeugte, da ihm, wiewol unter Aussicht, Feder und Dime zuge-

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lassen war. Pastor Münther, welcher ihm besuchte, fand ihn in den Zustand eines wahren Bußfertigen, dem es herzlich gereute, daß er sich gegen Gott, dem Könige und das ganze Land versündiget hatte.

Am Sonabend den 25ste April wurde für der Königlichen Inquisitions Commission sein Urtheil aufgelesen, wo die Anwesenden eingeruffen wurden, darauf zu hören. Der Schluß des Urtheils lautete also:

" Zufolge des dänischen Gesetzes 6ten Buchs 4tes Capitels 1sten Artikel, soll Johann Friderich Struensee, sich zur wohlverdienten Strafe, und anderen gleichgesinneten zum Exempel und Abscheu, Ehre, Leib und Guth verbrochen haben, von seiner gräflichen und aller andern ihm vergöneten Würden degradiret seyn; samt sein gräfliches Wapen von den Scharfrichter zerbrochen werden; so soll

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auch Johann Friderich Struensees rechter Hand ihm lebendig, und hiernächst sein Haupt ihm abgehauen werden, sein Körper geviertheilt, und auf Räder gelegt, Haupt und Hand aber auf dem Pfahl gesetzet werden."

Die Execution dieses Urtheils wurde auf dem dritten Tag nachher, nemlig den 28ste April angesetzer. Am Montags vorher den 27te, empfing er das heilige Abendmahl, und die noch übrige kurze Lebenszeit, brachte er im Gedeth und Anrufung zu, schlief einige Stunden die letzte Nacht ganz ruhig, und Gott erweckte in seiner Seele die Freude und Freymüthigkeit, welche allein eine Wirkung von der zuversichlichen Zueignung des Verdienstes Christi ist. Und in dieser Fassung ervartete er die letzte Ordre.

Was Brandt betrift, so erging über ihn, als Mitwisser und Unterstützer von allen Mißhandlungen Struensees, wie auch seiner eigenen Verbrechen halber, da er sogar so vervegen gewesen, seine Hand gegen den Gesalb-

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ten des Herrn, den König aufzuheben, ein gleiches Urtheil mit Struensee, in allen Fällen. —

Im Anfange hatte er sich villeicht nicht vorgestellet, daß seine Strafe so hart werden, und er das Leben misten sollte, obgleich die Strafe im Verhältniß seines Verbrechens sehr gnädig war, dem ohngeachret verlangte er doch einen Geistlichen, und Sr. Hochehrwürden der Hr. Probst Hee wurde beordret, ihn zum Tode zu bereiten.

Man hatte ihn allezeit für einen Freydencker gehalten, und viele zweifelten daher an seiner wahren Bekehrung, weil man sagte daß er in Gegenwart des Geistlichen nur zum Schein sich andächtig stellete, und wenn der Prediger ihn verließ, gleichgültig und leichtsinnig wäre, welches auch wirklich Anfangs so gewesen ist.

Da aber dieser wohlverdiente und rechtschaftenen Lehrer hievon Erfahrung erhalten, hat er ihm sein tieffes Verderben und den daraus fleissenden Schaden so nachdrücklich an des Her; geleget, daß eine wirkliche und herzliche Bekehrung bey ihm vorgegangen. Nach dem Zeugnisse des Herrn Probst Hee, welches

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öffentlich bekannt gemacht ist, war er von seinen Sünden vollkommen überbewiesen, und zum Tode bereitet, wie ein Christ seyn muß. Die Freymütigkeit, welche er in seiner letzten Todesstunde sehen ließ, muß keinesweges ihm zur Frechheit angerechnet werden. Er schrieb seiner hochbetrübten Mutter in Gefängniß einen Brief zu, in welchem er sich unter andern folgendermassen ausdrückte: Daß es einzig und allein seine ganze Bestrebung wäre, selig aus der welr zu gehen. Er bekümmerte sich nicht so sehr über die auszustehende Strafe, als über die Schande vor der Welt, und wünschte in seinen Urtheile Die Vermilderung, daß er nicht, als ein geschlachtetes Vieh sollte behandelt und zerhauen werden, doch seine unmenschlichen Thaten wollten es ihm nicht anders gestatten.

Er empfing gleichfalls am Montage den 27 das heilige Abendmahl, als ein theures Pfand von der gnädigen Vergebung seiner Sünden, und die Versicherung hiervon machte ihn freymütig, und stärkte ihn in seiner letzten Todesstunde, welche seine Gelassenheit und recht bewundernswürdige Gemütsfassung daraus deutlich zu erkennen, daß er sich selbst entkleidet und in der richtigen Stellung auf den Richtblock geleget, wo er, un-

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ter der Erinnerung des Probsten Hee an der Lage Jesu in Gethsemane mit dem Angesicht zur Erden, und unter dem freudigen Ausruf: Jesu Blut rufet für meine Sünde, den Todesstreich erwartete.

Ihre Execution ging auf folgende Weise für sich: gegen 9 Uhr kamen beyde Gesangenen unter bedeckung von einem Comando Musquetier mit aufgepstandzten Bajonetten hin zu dem Echafaute, jeder fuhr für in sicheiner Miethkursche mit den wachthabenden Officiers wo beyde Prister, welche voraus gefahren, sie empfingen.

Brande stieg zuerst hinauf und Probst Hee folgte ihnen nach einer gehaltenen Aufmunterungsrede, wurde das Urtheil von den Königs Vogt, Hr. Etatsrath Ortwed aufgelesen. Probst Hee that verschiedene Fragen an ihn, welche er beantwortete und dadurch bewies, das er nicht als ein Freydenker stürbe, wofür man ihn beschuldigte.

Darauf empfing er den Segen, legte seine Kleider ab, und sich gantz getrost und freymüthig auf den Block, und wurde da das Urtheil in allem vollzogen.

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Hiernächst stieg Struensee auf und Hr. Dr. Münther folgre ihm. Struensee wies sich mehr betrübt als der erste, vielleicht wegen Mangel einer so volkommenen Gesundheit, vielleicht auch weil, ob er gleich nicht Brandts Execution sahe, er doch unter dem Echafaut jeden tödlichen Hieb, an den Leibe seines Mitschuldiges deutlich hören konte. Er bewieß in den letzten Augenblicken seines Lebens eben die christliche Sinnesverfassung, wo mit er, nach dem Zeugniß des Hr. Doct. Münrhers, schon einige Wochen voraus in seinen Gefängniß sich getröstet, und welche er in einen Briefe, so er kurtz vor seiner Hinrichtung an seine Eltern geschrieben, zu erkennen gegeden, worin er sich unter andern also ausgedrückt, daß er mit einer volkommenden See, lenruhe zu sterben hoffe, welches er seine Urberzeugungen von der Religion und dem Glauben an Jesum zu danken habe. Er bat alle Umstehenden um Vergebung, und wünschte, daß die Kraft des Blutes Jesu dem Königlichen Hause und den gandzen Lande möchte zu gute kommen.

Da er auf dem Richtbiock lag und den tödtlichen Hieb empfangen sollte, wurde er von dem Geistlichen herlich ermuntert mit

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den Worten: halt in Gedächtniß Jesum den Gekreusigten.

Also war das Leben dieser Männer, und so war ihr Ende. So gottlos das erstere, so bußfertig das letztere.

Gott! lehre uns täglich die Sünde fliechen und meiden und wenn wir fallen sollten, so hilf uns aufstehen durch deine Gnade.