Der erste Besuch des geistlichen Docter M**. bey den als Staats-Verbrecher inhaftierten Gr**.

Der

erste Besuch

des

Geistlichen

Dotter Mn

bey den

als Staats-Verbrecher

inhaftierten Gr".

Mach dem erste« Compliment und Wie Er sich geseht hatte»

Copenhagen, 1772.

Gedruckt und zu finden bey Johann Rudolph Thiels in der grossen Heiliggeiststrassr.

2
3

Ihre Miene, Hr. Gr., läßt mich vermuthen, daß mein Bestich Ihnen nicht so angenehm ist, wie ich wünschte; Sie werden —

Gy. Meine Miene, Hr. Pastor, kann dey meiner Verfassung nicht sonderlich freundlich seyn, inzwischen versichere ich Ihnen, daß Ihre Gegenwart mir nicht zuwider ist; und wenn sie es auch wäre, so würde ich doch Ih-

4

nen von der Entschuldigung frey sprechen, weil ich vermurhe, Sie sind auf Obere Zunöthigung hier.

oN. Wie sehr wünschte ich, Hr. Gr., Sie Hessen sich meinen Besuch eben fo wohl gefallen, wenn lediglich Amt und Pflicht die Ursach davon wäre.

Sr. Auch hier, Hr. Pastor, könnte ich Ihren frommen Eifer wenigstens mit Billigkeit nicht tadeln.

M. Ich hoske also auch. Sie werden so billig seyn, Hr. Gr., und glauben, daß ich nicht hieher gekommen bin, mit den Vorsatz, um Ihnen zu beleidigen. In diesem Zutrauen unterstehe ich mich weiter zu sagen, wie ich fest glaube, daß Ihre bisherige Handlungen, Hr. Gr., nicht immer die Billigkeit zum Augenmerk gehabt.

Gr. Sie zeigen bey Ihren Vorwurf eine Verlegenheit, welche scheinet, als vermutheten Sie in mir einen am Hofe durch Schmeicheley verdorbenen

' Mensche. Ich will mich nicht frey

DAVON

5

davon sprechen, ? ich habe mich in dieser angenehmen Trunkenheit befunden, der Dunst ist aber jetzt verflogen, und ich sehe mich nunmehr an, wie eine betrogene Schönheit. Dies führet mich wieder zu dem vorerwähnten Fall von der Billigkeit. Deucht Ihnen nicht, Hr. Pastor, die Bedeutung dieses Worts sowol, wie aller andern sogenannten Tugenden, leiden nach Ihren Umständen, Einschränkung und Ausdehnung?

Y. Glauben Sie denn wol, daß man die Gräntzen der Billigkeit, und aller wirklichen Tugenden durch die Vernunft geleitet, daß man, sage ich, die zu weit ausdehnen kann?

Ein jeder sucht seine Erhaltung, seinen Nutzen, sein Vergnügen und -eine Ehre, dies kann nicht wol ohne auf Kosten anderer geschehen. Die Gottheit hat es so geordnet, und es kann ohne Zweifel nicht anders seyn, sonst würde es anders seyn.

6

M. Ih habe bis hiezu noch Bedenken getragen, diesen erstaunenden, diesen tröstenden Namen zu nennen, Sie führen mich selbst dahin; Sie glauben also eine Gottheit, einen Urheber der Dinge, einen Gott?

Gr. Freylich bin ich genöthiget sie nur zu glauben, weil ich sie weder sehen noch begreifen kann.

oN. Sie glauben also auch, daß diese Gottheit, dieser Gott ein vernünftiges Wesen ist?

Ohne Zweifel vernünftig wegen der Ordnung, welche man in der Natur sindet. Unterstehen Sie sich aber, Hr. Pastor, mit der eingeschränkten kleinen menschlichen Vernunft, jene urheberische Vernunft auözumessen?

Nicht auözümessen, sondern nur zu mukhmassen und zu glauben, Sie gestehen selbst, daß die Ordnung von einer Vernunft des Stifters dieser Ordnung zeuget, so finden Sie auch,

daß

7

daß die Einsicht, und der Begrif von dieser Ordnung, wenigstens von einem Theil dieser Vernunft zeuget ; obgleich eingeschränkt. Da nun diese eingeschränkte Vernunft gleichwol das Vermögen hak, Ordnung und Unordnung wahrzunehmen; ja eigentlicher zu reden, da es Ihr Wesen selbst und das Gesetz ist, wornach sie ist; kann man sich denn noch wol selbst verläugnen, und trennen diese Begriffe von einander? — Ordnung. Gut. Tugend, und entgegengesetzt, nicht gut. Laster. Hat also ein mit Vernunft —

Hr. Pastor, Sie mischen die Begriffe in einander. Was ist ein Irtlicht gegen die Sonne? was ist eine Spanne weit helle in einen unendlichen Nebel? wie, wenn unsere ganze Vernunft blos das Theil einer künstlichen Organisation wäre? Ich habe in diesen Tagen meines Arrests Musse genug zum Nachdenken gehabt, je mehr ich die Menschen und ihre Be-

8

stimm ung ohne Vorurtheile betrachte, je mehr werde ich überzeugt, daß alles was lebet in der Natur, nichts wie Futter eins für das andere ist.

M. Ich spüre, Hr. Gr. , Ihre Gemüchsunruhe macht Ihnen für heute zu nachdenkenden höher« Begriffen unge _— ich will mich also bis zn ein r günstiger» Zeit empfehlen, und

Ihnen die Obhut und Gnade wünschen, desjenigen Urhebers der Dinge, der Gottheit, die Sie selbst erken en, nur diese Frage habe ich noch: Wenn jemand sich in Ihr Haus eingeschlichen, Ihnen beraubt, Ihnen zudem noch etwas entwandt hätte, wor: anf Sie den Werth Ihres Vergnügens geftht hätten, wenn er überdem noch Ihnen Ihr Gesinde abwendig und zu Verrärher gemacht hatte, nach

JZ rem Syst.m wü dem Sie diesen Mann nicht tadeln können?

Warum wollen Sie schon gehen, Hr. Pastor, bleiben Sie noch, ich bin

nicht

9

nicht aufgebracht, Sie sagen selbst, und ich spüre ‚Ss auch, daß ich heute zu geistlichen Begriffen nicht aufgelegt bin, die Machine ist vo” politischer Ideen, wenn die ausgeleerct sind, vielleicht giebt es alsdenn Platz, ich versichere Ihnen dabey, daß ich den Werth Ihrer scwol usprünglichen, als politischen und l ärgerlichen Tugenden, ungekränkt lassen will; ich frage Ihnen also, nur glauben Sie wol, Hr. Pastor, daß ein Mensch mit den Vorsatz, und blos um es zu seyn, ein Bösewicht wird?

M. Nach Ihren Prinripiis, ja. Gott und der Vernunft zur Ehre aber glaube ich freylich nein. Aber was vor eine Verbindlichkeit giebt Ihn der Beruf dazu, um ein Bösewicht zu werden?

man

10

IO

ich in der ersten Zeit, da ich die Möglichkeit sähe, daß meine Rachschläge auf die Verfassung dieses Staats geltend werden konnten, vielleicht hatte ich nicht Ihre Fähigkeit, vielleicht auch war Ihre Zeit füglicher, hier in diesen Winkel, zu spät habe ich von dieser Materie folgende Gedanken gehabt. Der Zerstörer des grossen Roms wandte die Vorsicht an, dem Witz, als den Zerstörer des noch grossem freyen' Roms mit auszurotten; er hat sich über 1000 Jahre hie und da in den Winkeln erhalten, bis Ludewig der rate und feine Zeit ihn allgemein in Europa wieder haben geltend zu machen gewußt, mit den Character-Geschmack. Nach diesen Geschmack wissen wir, daß Cartouche und Conde gleich grosse Leute sind, daß das Zeichen eines grossen Geistes, dies mit ist nichts von einer guten Haushaltung zu wissen, daß Ehrlichkeit, Einfalt, Rechtschaffenheit, Eigensinn bedeutet. In diesen Geschmack geben wir Unterricht, mit diesem Geschmack

treten

11

Il

P treten wir im ersten männlichen Feuer die Aemter an, worinn wir den König und den Staat nutzbar werden sollen, ja wir ziehen diejenigen auf einmal zu wichtigen Posten hervor, nach dem Maaß, wie ihre Eitelkeit und Unverschämtheit uns einen Begrif von dem Gefühl ihrer eigenen Grösse giebt.

W. Ein Mann aber, wie Sie Hr. Gr., der die Historie und gegenwärtigen Menschen kennet, sollte sich von dem Geschmack eines verwöhnten Zeitalters nicht hinreiffen lassen.

Gr. Daß weiß ich aus Erfahrung, Hr. Pastor, dazu gehöret ein Eigensinn, der wol einen König groß machen und verewigen kann; ein Minister aber sindet seinen gewissen Fall dabey, and dazu mir Verachtung und Spott. Ich will nur ein Exempel anführen: nehmen Sie einen Staat, welcher nach den Bedürfnissen des Geschmacks, anderthalb ausländische Producte nöthig har, und dagegen nur an Ausländer

12

länder von seinen eigenen Producten die Proportion von x. wieder creditiren kann, ist der Banquerot nicht unvermeidlich ? was wäre wol dabey zu thun, Hr. Pastor, es ist nur eine kluge Antwort darauf, und die erwarte ich von Ihnen?

MM. Dies wäre dabey zu thun, daß man den Geschmack herunter, und die einfachen Sitten wieder aufzuhelfen suchte, und dies nicht etwa durch Verordnungen, sondern durch Exempel, daß man die wahre Tugenden wieder hervor suchte, und Beförderungen darauf setzte, wer in Kleidung-und Nahrungsmitteln, sich mit denen von einländischen Produkten genügen liesse.

(Hy. Es ist Ihr Glück, Hr. Pastor, daß Sie diese erschreckliche Neuerung nicht durch Verordnung wollen geltend machen, um Ihnen sonst sogleich davon abzuschrecken, würde ich Ihnen nur das Corps Grenadier in langen Röcken entgegen stellen, womit wollten

Sie

13

rZ

Sie aber die Lorbeerbereiter, ohne welche der Minister die elendigste Crealur seyn würde, bey Laune erhalten, vermuthlich würden Sie doch mit Ihnen patriotisch Poenitenz halten müssen, würden Sie aber auch die Verachtung ausstehen können, welche Ihnen auf jeden Schritt begleiten würde, bis Sie endlich als ein Pedant davon schleichen müssen?

M. Ich würde gutwillig, wie der Apostel, davon gehen, und den Staub von die Füsse schütteln.

Vielleicht auch es machen, wie jener Hund in der Fabel, dem das Fleisch anvertrauet war?

N. Sie halten nicht Ihr Wort, Hr. Gr. welches Sie mir gegeben haben, indem Sie mich zum Bleiben nvkhigten.

Gr. Ich glaube ja, ich habe versprochen nicht über die Tugend zu spotten, und dieser Spott trist mich selbst, meine Ministerschaft und der Geschmack

unserer

14

unserer Zeit, welcher mich bis hieher gebracht; glauben Sie wol, Hr. Pastor, wenn die Gottheit einen Mißfallen an den Geschmack unserer Zeit hatte, und die Menschen durch mittelbare Wege zerstören wollte, so würde Sie sich wie ehemals in Rom und Athen der grossen Geister dazu bedienen, und ich hätte alsdenn wenigstens den Trost, daß ich so viel mir möglich gewesen, zu den Absichten Gottes das Meinige beygetragen hätte; dies bleibt einmal gewiß, Hr. Pastor, der Staat in Europa, welcher am ersten in sich zerfallen wird, wird dadurch zugleich den Preis erhalten, daß er unter allen der Aufgeklärteste gewesen; ich sehe Sie wollen fort. Dies wollte ich noch in der Eil anbringen.

Ich habe Ihnen mit Verwunderungzugehört, ich werde darüber zu Haufe meine Gedanken entwickeln, und Sie Ihnen morgen, will es Gott! mittheilen, ehe ich aber gehe, habe ich noch die Frage, wie viel braucht denn

er»

15

ein grosser Geist wol zu seinen täglichen Unterhalt?

Gr. Hert Pastor, Ihr Habit.

M. Soll ich etwa bey den traurigen Lachen, und bey den scherhenden Weinen, im Ernst. Er genießt also als grosser Geist nichts mehr. Er ist immer wirksam, bald zum Bauen, bald zum Niederreissen, ohne einigen vernünftigen Endzweck, ohne Absicht, auf eine Zukunft, es müßte denn diese seyn, seine eigene Vernichtigung zu beschlaunigen. Aber vielleicht die Ehre , was ist die Ehre von etliche Loch Staubs mir fällt dabey ein Anschlag ein für alle grosse Geister, wodurch Sie könnten befriediget werden, und zugleich die Welt in Ruhe bleiben. Ein jeder, welcher Anspruch auf den grossen Geist machte, sollte sich melden, und öffentlich die Erlaubniß haben, sich einen Helden des Alterihums zu wählen. Zum Exempel, Sie Hr. Gr., liessen sich in griechischer

,

16

scher Tracht mahlen, und schrieben darunter: Solen; warlich die grossen Geister kommen mich als poßierliche Leute vor.!

Gr. Kommen Sie Morgen wieder»

M- Mills Gott! ja.