Gespräche zweyer Müssiggänger. Erstes Stück.

Gespräche

zweyer

Müßiggänger.

Erstes Stück.

Kopenhagen

gedruckt bey Paul Hermann Höecke. 1771.

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Sie also, mein Herr, sind für Zölle, für Verbietung gewisser Waaren, für strenge Strafen des Schleichhandels, für hundert beschwerliche Einschränkungen? Freyheit, Freyheit ist das Erbrecht der Menschen. Ihre Stimme schallt laut durch die ganze Natur, und wenn sie unterdruckt wird, so tönt sie leise fort, in jedem Herzen. Der König will, daß sie erschalle, er hört sie lieber, als das Geklirre der Ketten, er liebt freye Unterthanen und keine Sclaven, Freyheit zu glauben, Freyheit zu schreiben, warum nicht auch Freyheit in allen Arten des Gewerbes? Erlauben sie jedem Bürger, sein Glück auf dem Wege zu suchen, den er wählt, und werfen sie die Schlagbäume nieder; lassen sie das Heer von Untersuchern und Zöllnern das Land bauen, bevölkern, und vertheidigen, und trauen Sie es dem Fleis, und der Gewinnsucht der Einwohner zu, sich gewiß zu bereichern, wenn man ihnen die Hände nicht bindet.

B.

Sie sprechen wohlthätig, wie ein Tribun des Volks, und Ihnen gehört eine Krone von

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Eichenlaub. Sie haben mein Herz auf Ihrer Seite; überzeugen Sie nun auch meinen Verstand. Wir sind in dieser geschäftigen Zeit müssige Zuschauer im Staate. Nichts ist angenehmer, als den Minister zu spielen, wenn man unsern Rath nicht begehrt, und wenn wir nicht für den Erfolg haften sollen. Nach Ihrer Meinung also, werden alle unsere Häfen zu Freyhäfen erklärt. Alle Nationen slud eingeladen, daselbst zu kaufen und zu verkaufen. Kein gieriger Knecht der Zollkammer erschreckt den ermüdeten Schiffer, wühlt in seinen Papieren und in seinem Gelde. Sie haben wohl im voraus an Mittel gedacht, um die Einkünfte zu ersetzen, die der König dadurch verliert, und die er, der Bedürfnisse des Staats wegen, nicht wohl entberen kann?

Da habe ich sie erwartet; nun ist ihnen gewiß wie einem Finanz-Controlleur bange, der Geld schaffen soll, und nichts dafür bieten kann, als neue Edicte. Ich denke mir eine weit einfachere Art, Schatzungen zu heben, als durch Zölle und Accisen. Lassen Sie erst den Handel sich ausbreiten, und den Wohlstand zunehmen, geben Sie mir Freyheit, so soll es der Schatzkammer nicht an Gelde gebrechen.

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B.

Mir grauet vor der magern Zwischenzeit. Denn der Reichthum, welchen sie erwarten, steht nicht, wie ein aufgethürmtes Wasser, vor dem Schlußbret der Schleuse, die man nur öffnen darf, damit Seegen das Land überströme. Und wie kann der König so lange einen grossen Theil feiner Einkünfte missen? Machen Sie das mit der Rentekammer aus; ich vertheidige keinen Zwang; ich helfe Ihnen alle Zollbuden stürmen; unser Handel ist frey; Sie erwarten also

A.

Reichthum und Ueberfluß, mehr Fleiß, mehr Geschäfte, mehr Getümmel, ein angenehmeres und wohlfeileres Leben, Wein für die Hälfte, feinere Tücher, schönere Seidenzeuge, Spitzen, Galonen, Stickerey, Hüte, Strümpfe, aus Frankreich und England. - Aber unsere theure Fabriken

A.

Und warum sind sie theuer? warum sind wir verurtheilt, schlechte Sachen mit Geld aufzuwiegen?

B. Sie haben recht; und ich glaube, Sie werden mit fremden Tüchern unsere Land- und See-

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macht weit zierlicher und wohlfeiler kleiden. Man schickt den Schwarzen auf der Guineischen Küste baumwollene Zeuge, die mir besser gefallen, als das Wadmel unserer Bauren. Alle Manufactur-Waaren anderer Völker sind vollkommner als unsre. Darf ich fragen, holen sie alle diese Sachen auf eignen Schiffen? oder ist es gleichviel, ob man sie uns zuführt?

A.

Wenn ich Freyheit verlange, so verlange ich sie ganz. Ich sehe dem Gedränge von fremden Schiffen mit einer warmen Freude entgegen; ich frage nicht, wo sie zu Hause gehören, sondern, ob ihre Ladung wohlfeil und gut ist.

B.

So sind wir erst glücklich! denn die Holländern werden uns mit allem liebreich und brüderlich versorgen; sie werden uns die groben Waaren der Ostsee, Hampf, Flachs, Theer, Masten und Korn bessern Kaufs bringen, als wenn wir sie selbst hohlten; sie sind besser im Fischen geübt als wir; sie werden uns unsre Stockfische und Wallfische fangen, und uns solche nothdürftig und billig überlassen; endlich treiben sie wohl auch den kleinen Handel auf unsern Küsten, bringen uns Butter aus Hollstein und Vieh aus Jütland, führen unser Korn nach Norwegen, und nehmen unser Holz

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und unser Kupfer auf ihren Fahrzeugen mit weg. Welche Menge Schiffe, Matrosen und Unkosten ersparen wir alsdann nicht? Es ist, wie Domat, ein grosser Rechtsgelehrter, sagt: weit besser, Fremde an sich zu ziehen, als zu ihnen zu kommen; denn man entgeht dadurch den Gefahren und den Beschwerlichkeiten der Schiffarth. Würklich, ein beneidenswürdiger Zustand! Die ganze Welt arbeitet für uns, und wir legen die Hände in Schooß! Ich kenne nur zwey so glückliche Länder in Europa: Portugall wird von England versorgt, bekleidet, bewaffnet und belustiget; und in den Handel von Spanien theilen sich die Engländer, Franzosen und Holländer. Es ist wahr, in beyden Reichen hat man noch keinen Zweig der Industrie zu einiger Vollkommenheit gebracht: dahingegen ist es edel, sich bedienen zu lassen; und ihre Flotten aus America bringen Schätze gnug mit, um viele hundert Meilen von Lissabon und Madrit den Fleis fremder Arbeiter zu bezahlen. Aber aus welchem Ophir hohlen wir Gold, mein Hert A.? und welcher Merlin rührt die Völker mit dem Zauberstabe an, damit sie am Ende des Jahrs unsre Zettel für Silberbarren halten?

A.

Sie verwirren mich ein wenig; aber noch gebe ich nicht verlohren. Ich kämpfe für die Frey-

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heit. Auch hier, unter zu liegen, ist rühmlich, Sehen Sie nicht so vertraulich in die ungewisse Zukunft, und weissagen sie keinen Untergang der Staaten.

B.

Das ist indessen das unvermeidliche Schicksal eines jeden Landes, das wenig abzusetzen, nnd viel Bedürfnisse hat, und dessen Handel und Schiffe gegen andere Nationen noch weit zurück ist. Wenn man dieses Land der geübtern Geschicklichkeit der Fremden ohne Fürsicht Preiß giebt, so geht es ihm, wie einem sorglosen Verschwender, der eine Zeitlang herrlich von seinem Capitale lebt, und endlich im Elend stirbt. So lange das Erbtheil währet, wimmelt es in seinem Vorzimmer von Kaufleuten und Schmeichlern; man erräth und befriedigt seinen Geschmack; Man kommt seinen Wünschen zuvor; man thut allen seinen Phantasien gnug; aber der Schwarm nimmt ab, so wie die Baarschast wegschmilzt; zuletzt bleibt er allein unter den Trümmern seines Ueberflusses mit Begierden, die er nicht mehr vergnügen kann, unfähig, sich selbst zu ernähren, von den Mitteln entblößt, seine Nothdurft zu kaufen, verurtheilt, wie der ehemahlige Besitzer der rothen Hämmel, Candide, von den Früchten seines kleinen Gartens kümmerlich zu leben. Ich überlade das

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Gemählde nicht: ein Staat hat in der Minderjahrigkeit seines Handels Vormünder nöthig.

A.

Sie mögen ihren Grundsatz noch so scheinbar vortragcn; bey mir gilt das Urtheil der Leute vom Handwerk. Alle Kaufleute sind für eine völlige Freyheit. Wie widerlegen sie eine so einstimmige Meinung?

B.

Aus dem Munde eines erleuchteten Kaufmannes, des Engländers Gea. Wenige unter uns, sagt er, erheben sich über den Eigennutz, und sind einen Rath zu geben fähig, der nicht nach Privat Vortheil schmeckt. Kaufleute können sich bey dem Verluste des Staates recht wohl stehen, und ein Handel, der uns aussaugt, kann sie geschwinde bereicheru. Warum soll man auch von ihnen die Selbstverleugnung fordern, das allgemeine Wohl dem ihrigen vorzuziehen? Wenn es in ihren Büchern gut steht, was gehet sie das Buch der Nation an? Der Holländer, welcher zur Rede gestellt wurde, weil er mitten im Krieg Pulver an Ludwig XIV. verkaufte, um sein eigen Vaterland damit zu verwüsten,antwortete im Geiste des Handwerks: „Ob wir Krieg oder Frieden haben, das ist nicht meine Sache; mein Pulver ist bezahlt, und ich stehe dafür ein, daß es

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gut sey. Wenn man Pech und Schwefel nach der Hölle verlangt, und Rimessen schickt, so soll Myn Heer Satan mit ächter Waare bedient werden„. Es kommt überhaupt hier auf keinen authoritätischen Ausspruch, sondern auf die Sache selbst an. Ich bin überzeugt und ich glaube, bewiesen zu haben, daß unser Land bey einem ganz freyen Handel nothwendig verarmen muß, und alle Stimmen des grossen Haufens können mich vielleicht überschreien, aber nicht eines andern überzeugen.

A.

Nur noch kein Sieges-Ausruf, ich bitte; denn mein stärkster Hinterhalt für die Freyheit ist noch nicht im Treffen gewesen. Werfen sie dort ihre Augen hin auf die tapfern Bataven, die mit dem spanischen Joch alle Fesseln abwarffen. Dieser Haufen Bettler wie sie die Statthalterinn nannte, wurde schnell zur reichsten Nation der Erde. Zwischen dem Jahr 1579, da sie ganz von Spanien absielen, und dem Jahr 1609, da sie ihren zwölfjährigen Stillstand schlossen, hatten sie ihre Vereinigung durch zwey Provinzen verstärkt, den Hafen von Sluys weggenommen, Bergen op Zoom, Breda, Herzogenbusch erobert, Ostende drey Jahr lang vertheidigt, den Spaniern in ihren eignen Häfen getrozt, und die Canarischen

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Inseln geplündert. Mitten in diesem kostbaren Kriege erhob sich Amsterdam als die Königinn des Meeres, und war schon damals, was es jetzt ist, das Magazin der ganzen Welt. Wie konnte dieses Volk solche Ausrüstungen bezahlen, und noch Schätze dabey sammlen? Blos durch seinen freyen und ausgebreiteten Handel, indem es alle Früchte der Erde, und alle Products des menschlichen Fleißes frey ein- und auszuführen erlaubte, indem es gerade gegen Ihre Grundsätze handelte: sonst wären die Holländer noch jetzt ein armseliges Volk; sie würden in ihren Morästen herum kriechen, sich bey jedem Windsturm auf ihre Sand-Dünen retten, und kümmerlich von den Fischen ihres Strandes leben; sie hätten gewiß dem Ocean keine Erde abgetrotzt, nicht die Macht der Fluthen durch Dämme gebändigt, sich nicht unter dem Wasser Horizont sichre Wohnungen gebauet, nicht ihre Sümpfe in Gärten verwandelt und mit Dörfern, Städten und Menschen bedeckt. Wenn die sichtbare Erfahrung wider Sie predigt, so beweisen Sie immer; ich widerlege Sie, wie Diogenes den Sophisten, der die Bewegung läugnete: er gieng. Nun darf ich, dünkt mich, den Lorbeer ums Haupt winden. Hier ist meine Hand. Ueberwundenen muß man großmüthig begegnen. Lassen Sie uns von etwas anders reden.

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B.

Wie aber, wenn Ihre ganze Tirade mehr blendend als gründlich wäre, wenn Sie aus ganz verschiednen Umständen einerley Resultate erwarteten, wenn es mit Holland und seinem freyen Handel eine ganz eigne Beschaffenheit hätte, die sich weder auf uns, noch auf irgend ein anderes Land paßt?

A.

Wie wollen Sie das beweisen?

B.

Ohne viele Mühe. Erst wollen wir Holland von dem ersten Anfang seines Daseyns folgen, und dann mögen Sie urtheilen, ob nicht besonders glückliche Umstände und unbegreiffliche Fehler andrer Nationen der Hauptgrund ihres Wohlstands gewesen? ob ihr freyer Handel den Reichthum, oder ihr Reichthum den freyen Handel veranlaßt, und noch jetzo erhält?

A.

Das ist für mich ein ziemlich neuer Gedanke. Der Reichthum von Holland, das kaum den achten Theil seines Brodkorns bauct? Aber ich will geduldig zuhören.

B.

Es ist ausgemacht, daß die Einwohner von Flandern die ersten Weber inEuropa waren. Schon

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im Jahr 960 sind Märkte in diesem Lande bekannt, auf welchen man Manufactur-Waarcn nach Frankreich und Teutschland vertrieb. Durch Kriege mit Frankreich verlohr Flandern einen Theil seiner Fabriken, die sich nach Löwen in Braband zogen.

Im Jahr 1200 hatten sich die Creuzherren Meister von Preussen und Litthauen gemacht, und die an der Ost-See gelegenen Städte fiengen an, die dort fallenden groben Waaren nach den Niederlanden, Engelland, Spanien, Italien, und Frankreich zu bringen, und von daher, besonders aus den Niederlanden, Manufactur-Waaren zurück zu nehmen. Diese waren also der erste Grund ihres Handels, die erste Quelle ihres Reichthums; und sie nahmen immer mehr in dem eigentlichen Holland zu. Denn im Jahr 1303 entstand Aufruhr unter den Webern in Löwen, Ipern und Brügge; ein Theil derselben flüchtete nach Engelland; und ein Theil nach dem Lande über die Maaß und nach Holland. Als, ohngefähr gegen 1360, die Kriege zwischen Dännemark und Schweden die See unsicher machten, und Wißburg geplündert wurde, so entstand der Bund zwischen den Hansee-Städten, um die freye Fahrt und den Handel zu beschützen. Die sogenannten Oesterlinge wurden eine zeitlang Herren in der See, aber Holland gewann ihnen bald den Rang ab; denn im Jahr

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1400 ward die Kunst Heringe zu salzen erfunden: eine neue Waare, die man überall bedurfte und nur in Holland fand. Unterdessen war Antwerpen zum höchsten Grade des Wohlstandes aufgeblüht; Aus Italien schickte man die Producte der Seidenwebereyen, die Waaren aus der Levante, aus Persien und China dahin, und vertheilte sie da weiter durch Europa; die Portugiesen entdeckten den Weg ums Cap, und die Spanier America; beyde Nationen handelten mit ihren eroberten Schätzen nach Antwerpen, und die Engelländer hatten daselbst ihren Stapel. Im Jahr 1585 zerstörte der Prinz von Parma dieses neue Carthago; und hier fieng der glückliche Zeitpunkt der Holländer erst an. Amsterdam erbte alle Reichthümer seiner älteren Schwester; die Spanier wollten aus einer falschen Staats Kunst die Schelde nicht wieder öffnen, damit diese Stadt arm und unterwürfig bliebe; alle Kauffleute entwichen, nicht nach Frankreich oder Engelland, denn da wurde der Handel durch Auflagen gedrückt, und kein Fremder begünstigt, auch nicht nach Flandern, wo weder bürgerliche noch Gewissens-Freyheit herrschte, sondern nach Holland, wo man sie brüderlich aufnahm, und wie eigenen Kindern begegnete. Die Fischereyen zogen sich ganz dahin. Die Tuch-Manufacturen liessen sich in Leyden und die Leinwands-Fa-

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briken um Harlem herum nieder. Amsterdam erwarb eine Menge reicher und kundiger Kauffleute, und durch sie neue Zweige eines einträglichen Handels. Eine Menge glücklicher Umstände vereinigten sich also zum Vortheil der Holländer, aber der Untergang von Antwerpen war allein genug; und diese Begebenheit war nicht in der Ordnung der Dinge, war weder eine Folge ihres Fleisses noch ihrer Klugheit: denn sie trugen nichts dazu bey, daß die Spanier lieber dürftige Sclaven als reiche Bürger haben wollten. Sie hinderten bloß die Würkung dieser Regierungsfehler nicht; Sie verschlossen ihre Thüren dem Ueberflusse nicht, der von allen Seiten auf sie zudrängte. Das ist noch nicht alles. Eine Gesellschafft von Kauffleuten wurden Könige in Ostindien, alleinige Besitzer der Gewürz-Waaren, und hierzu kam ihr Wallfisch-Fang. Nach einer zuverläßigen Berechnung haben sie dadurch in 46 Jahren 16 Millionen Pfund Sterling aus der Tiefe des Meeres heraufgearbeitet. Sie begreiffen nunmehro, daß sie für ihre Gewürze ihre Fische und ihre Manufactur-Produkte, die Nothwendigkeiten ihres Lebens eintauschen, und die Wünsche ihrer Ueppigkeit befriedigen können, ja sie behalten noch eine Menge Waaren übrig, die man ihnen mit baarem Gelde bezahlen muß. Ihr Handel hat daher keine Einschränkung nöthig,

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denn sie verkauffen beständig mehr als sie kauffen; die Balance ist überwiegend auf ihrer Seite, die meisten Nationen sind am Ende des Jahres ihre Schuldner. Sie gewinnen daher auch immer auf den Wechsel-Cours, und Holland ist einem Meerwirbel ähnlich, der das Vermögen aller Nationen in sich schlingen würde, wenn nicht Amerika die Lücken ausfüllte, und wenn man nicht nach und nach Fahrten entdeckte, um den schädlichen Wirbel zu vermeiden.

Sie sind Meister im Felde, und haben keine Festungen, keine Bollwerke nöthig. Wir aber würden bald überwunden und geplündert seyn, wenn wir die unsrigen niederreissen wollten. Was sagen Sie nun mein Herr A? Sind Sie noch für einen ganz freyen Handel in Dannemark? denken Sie noch, daß wir es in gleichem Spiel mit den Holländern aufnehmen können, daß wir dabey gewinnen würden?

A.

Ich bin zornig auf Sie — Sie haben mich um meinen Lieblings-Einfall gebracht: Kein freyer Handel! — eine traurige Aussicht!

B.

Ein freyer Handel, aber kein ganz freyer Handel ist möglich. Die Mittel sind leicht, um

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fremde nothwendige Waaren wohlfeiler einzubringen, überflüssige auszuschicken, unsere Manufacturen gegen die geringeren Preise anderer Länder zu schärfen und vom Untergang zu retten. Vor allen Dingen ziehen wir, mit Ihrer Erlaubniß, unsern Zöllnern und Sündern die Montur wieder aus, zumahl da sie zum Theil nur eine schlechte Figur unterm Gewehr machen würden. Jede weise Regierung hat sich der Zölle, ihrer Erhöhung und Verminderung bedient, um den Handel des Landes gegen den Handel anderer Nationen abzuwägen, zuweilen diesen Zweig zu begünstigen, jenen zu belasten, je nachdem es ihr Vortheil oder ihre Nothdurft erheischte. Der König von Preussen gestattet keinen freyen Handel; Frankreich ist seinen strengen ausschliessenden Gesetzen und seinen Auflagen auf Waaren anderer Länder das Aufkommen seine Fabriken allein schuldig; und es ist ein lächerlicher Irrthum, wenn man glaubt, daß die Holländer sehr geringe, oder gar keine Zölle haben. Oft sind in Holland einige fremde Waaren ganz verbothen, und alles was im Lande verbraucht wird, selbst die ersten Nothwendigkeiten des Lebens, sind mit schweren Abgaben belegt. Sie schonen bloß die ausgehenden und durchgehenden Waaren, die sie bey sich zum Verkauf auflegen.

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A.

Und hiervon haben sie geschwiegen. Die Holländer macht ihr selbstständiger Handel, wie man ihn nennen könnte, nicht allein reich, sondern ihre Fracht, ihre Auflage —,

B.

Sie haben nicht Unrecht. Die Holländer sind die Fuhrleute zur See für alle Nationen, oder wenigstens für die, welche nicht aufmerksam gegenung sind, das Fuhrlohn selbst zu verdienen, die, wie Sie es Dännemark anrathen, alle fremde Schiffe in ihren Häfen ohne Einschränkung aufnehmen. Diese Quelle ihres Reichthums kann versiegen, so bald man aufgeklärter und klüger werden will.

A.

Man versichert mich aber, daß die Holländer manche Bedürfnisse weit wohlfeiler zuführen, als man sie mit eigenen Schiffen aus der ersten Hand holen kann.

B.

Nichts ist natürlicher. Sie fahren mit weniger Mannschaft uud wohlfeilern Schiffen. Der Schiffs-Zimmermann, der Segelmacher, der Seiler, Brauer und Branteweinsbrenner treten zusammen, und rüsten ein Schiff aus; jeder hat nachdem Verhältniss seines Beytrags und seiner Arbeit,

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so wie der Schiffer selbst für seinen Lohn, einen Antheil darinne; sie sind zugleich selbst Rheder, und wenn sie Vorschuß gebrauchen, so finden sie Geld zu drey pro Cent Zinsen. Ihr ausgebreiteter Handel macht, daß wo sie eine Ladung hinbringen, da finden sie auch meistentheils eine wieder zurück, oder sie wagen es auf Speculation eine zu nehmen, führen sie nach Holland, oder höckern sie in irgend einem andern Hafen aus, und gewinnen auf der einen Seite, was sie auf der andern verlieren. Sie können also mit einer Ausrüstung thun, was wir und andere Nationen mit zwey und mehr verrichten müssen; und wenn es nicht gelingt, so haben sie oft kein Geld, sondern bloß ihre Mühe verlohren. Die Vortheile dieser Einrichtung können leicht 10 a 20 und mehr pro Cent betragen, die oft eine Waare mehr kosten würde, wenn man sie nicht von ihnen empfinge, sondern aus der ersten Hand bohlte.

A.

So sind, dünkt mich, die Kunden der Holländer nicht zu tadeln — Denn wenn man fremde Waaren nöthig hat, so ist es besser sie da zu kaufen, wo man sie am wohlfeitsten findet.

B.

Wenn der Kauffmann rechnet, ja: nicht aber wenn der Staat rechnet. Denn für die Nation

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ist es unendlich besser, ihre Fracht selbst zu verdiedienen, und sie doppelt zu bezahlen, als nur halb so viel den Holländern zu gönnen, zumahl wenn die Stärke dieser Nation in ihrer Schiffahrt und in ihren Flotten vorzüglich besteht; und die schärfsten Gesetze sind die weisesten, um alle Fremde davon auszuschliessen. Engelland wäre gewiß nochferne von seinem jetzigen Flor, hätte der grosse Uebelthäter Cromwell nicht dafür durch die Navigations-Acte gesorgt, die allen Seefahrenden Völkern heiliger seyn sollten als es die Sybillischen Bücher den Römern waren. Ihr Innhalt ist Ihnen ohne Zweifel bekannt?

A.

Ich erinnere mich dessen nur obenhin.

B.

Nach dieser Acte soll kein fremdes Schiff andere Waaren, als die in seinem Lande fallen, nach Engelland bringen; nach den Colonien sollen nur Englische Schiffe gehn, und nur auf solchen sollen alle Produkte derselben nach Engelland gebracht werden; von Hafen zu Hafen wird keinem fremden Schiffe zu handeln erlaubt; Fische, Wallfisch, Thran und Fischbein, von Fremden gefischt, bezahlt doppelten Zoll; und die künftige Verminderung der Zelle kommt bloß Englischen Schiffen zu gut; Hampf, Mastbäume, Theer, Pech, Salz, Rosinen,

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Baumöhl, Korn, Wein und Brandtewein, darf nur auf Englischen Schiffen gebracht werden, oder die damit beladenen fremden Schiffe müssen an

dem Orte wo die Products fallen, gebaut seyn. ---

Cromwelln gelang es dadurch die Holländer zu demüthigen; und ich erwarte mit der Zeit ein ähnliches Gesetz von der grossen Kayserinn, die ihre Blitze aus dem Finnischen Meerbusen bis auf die hohe Pforte schleudert, und deren Flotten zu handeln anfangen werden, wenn sie zu siegen ermüden. Mancher brittische Vaterlands-Liebhaber hat sich wohl auch vormahls auf der Londner Zollbude gegrämt, die Themse von fremden Wimpeln und Flaggen entblößt zu sehen; aber Josias Child, ein erleuchteter Kauffmann, bezeuget, daß die Englische Schiffahrt siebenzehn Jahre nach der Akte dreyfach stärker als vorher gewesen sey.

A.

Sie zielen wohl damit auf unsern Patrioten,den Herrn Philopatreias?

B.

Vaterlands Liebhaber druckt den Mann und den Nahmen recht wohl aus, und Amoureux sagt es noch bester, denn ein warmes Herz und die Leidenschafft entschuldigt manche Schwärmerey. Ihm gelüstet nach Irländischer Butter; er sey herzlich darauf willkommen, aber nur so viel als er zu seinem Frühstücke braucht, denn wir befinden uns wohl bey der unsrigen. Er will Geld in Roulance gesetzt wissen; welche Danar zieht uns einen goldenen Regen vom Himmel? Er mag die grossen Kauffleute nicht, denn sie unterdrücken die geringern; wir erneuern also wohl die Gesetze des Ly-

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kurgs, und theilen das Vermögen aller Einwohner des Staats in gleiche Portionen: Ich und Er, wir würden beyde vielleicht dadurch nicht verlieren.

A.

Indessen hat die Freyheit der Presse eine vortheilhaste Gährung in der Nation veranlaßt. Für mich ist dieses Gelärme von Geistern, die wie aus einem Schlummer erwachen, ein angenehmes Schauspiel. Mir kommt es vor, wie in der Natur des Lukrez, ein Gewimmel von Atomen, die nach allen Richtungen hinfahren, denn schnell im Creyß herumfliegen, denn tief zu Boden sinken, zuweilen

ein leuchtender Blitz aus dem finstern Chaos. ---

Wir müssen erwarten, was für eine Welt daraus wird.

B.

Wer kann die Zufälligkeiten alle berechnen? wer weiß, wenn dieser Schwerm von Atomen sich in Elemente zusammen drängt? Die Freyheit zu schreiben ist immer ein wirksames Mittel, um den Verstand in Circulation zu setzen, den sonst jeder, wie verbothene Münzen, wie Irons Rubel verschließt. Nur muß man nicht glauben, daß der gute Nahme der Bürger dadurch der witzigen und unwitzigen Bosheit eines jeden Scriblers Preiß gegeben sey. Der gute Nahme gehört mit zum Eigenthum, und darf nicht mit Gewalt geraubt werden. Alle Gesetze sind nicht mir der Censur aufgehoben; wer im Beyseyn; von Zeugen seinen Nächsten lästert, wird gestraft: warum sollte der frey ausgehen, der durch den Druck und im Angesicht des Publicums lästert? Diesen Mißbrauch ausgenommen, so lasse ich mir gerne lächerliche Vorschläge, übel verdaute Einfälle, phantastereiche unmögliche

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Staats-Maximen gefallen. Denn die Entwickelung des Verstandes fängt vom romanhaften an,geht zum wahren und gründlichen über, und artet endlich ins zierliche aus. Es findet sich wohl mit der Zeit ein Lucian, der die guten Schriftsteller und die Minister aus der Keller-Etage zusammen öffentlich ausbietet, damit ihr Gehalt bestimmt werde-Aber wieder zur Sache —

A.

Was haben Sie mir nun alles mühsam bewiesen? daß uns ein ganz freyer Handel schädlich seyn würde, und daß wir uns nach ganz andern Grundsätzen, als die Holländer, richten müssen. Wir haben, wie Sie wissen, Einschränkungen genug, und wir ahmen die Holländer nicht nach. Wir thun ohngefähr, was Sie wollen. Unser Handel hat also keine Ermunterung nöthig? Er ist so ausgebreitet und so blühend, als wir es wünschen? Sie können das nicht im Ernste behaupten. Und welche Mittel schlagen Sie vor? Meine einfache fruchtbare Maxime haben Sie muthwillig vernichtet: predigen Sie nun Ihre neue Weisheit, und erfinden Sie etwas bessers.

B.

Das wäre vielleicht nicht unmöglich, wenn uns nicht eine Menge Nachrichten fehlten. Um die Kräfte des Staats, und den Gang seiner inneren Betriebsamkeit zu berechnen, müsten gewisse Facta bekannter seyn. In Engelland und Frankreich sind die Register der Zölle und der Schatzkammer, die Balancen der Compagnien, der Banquen, und der Schulden in aller Neugierigen Händen. Hier aber darf kein Profaner auch nur einen Zipfel des Vorhanges aufheben, der diese Geheimnisse

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A.

Sind das aber nicht Staats-Geheimnisse?—

B.

Deren Resultat nicht verborgen bleiben kann. Einem einzelen Bürger gelingt es zuweilen, seine Umstände eine Zeitlang zu verhehlen, und reicher zu scheinen als er ist; aber kein Staat verbirgt sich; man schaht ihr ohngefähr so hoch, als er werth ist. Die Haupt-Summe wird verrathen, warum soll das Detail dieser Haupt-Summe verschwiegen bleiben? So lange dieß der Fall ist, sind alle Vorschläge schwankend, denn man kann sie nicht mit Gewißheit auf unsern Zustand anwenden. Dem ohngeachtet sollen Sie meine Einfälle hören. Ich will mich aus Freundschaft für Sie in den Rath träumen, wo man mich weder begehrt noch bedarf. Aber nun ist es Zeit nach der Oper — Ich mag gerne die ernsthafften Geschäfte des Lebens mit ein wenig Freude mischen, so wird die Seele heiter, und gebiert ohne Schmerzen.

A.

Diese Göttinnen und Halb-Menschen sind eine theure fremde Waare —

B.

Und ein vortheilhafftes Product des Italienischen Fleisses — Eine Fabrik mit der Aufschrift; quì si castra con gusto, ist mancher andern vorzuziehen. Wir wollen ein andermahl mehr von

allen diesen Sachen schwatzen; kommen Sie ---

es ist die höchste Zeit.