Uddrag fra Journalen NB17

cfr saa igjen p. 55 o: fl. : jf. 👤C.M. Wieland Aristipp und einige seiner Zeitgenossen ( 181,17) bd. 2, 1800, s. 55-59: »'Es war seine Pflicht (sagen diese Virtuosen) Pflicht gegen Weib, Kinder und Freunde, sich selbst zu erhalten, und vornehmlich Pflicht gegen sein Vaterland, den Athenern die Nachreue über ein ungerechtes Urtheil zu ersparen. Denn, da er unschuldig war, so konnte ihn das Gesetz nicht verdammen; seine Verurtheilung war also eine schreiende Ungerechtigkeit.' – Aber woher wussten denn die Richter dass er unschuldig war? Die Klage schien bewiesen zu seyn, und er weigerte sich den Gegenbeweis zu führen. Die Richter mussten, den Gesetzen zu Folge, nicht nach dem, was sie glaubten oder nicht glaubten, sondern nach dem, was vor Gericht bewiesen und verhandelt worden war, sprechen. 👤Sokrates hatte also Recht zu sagen; er sey durch die Gesetze von 📌Athen gerichtet worden, und müsse sich, als ein guter Bürger, dem Urtheil unterwerfen. – 'Aber, sagen jene, er war sich doch seiner Unschuld bewusst.' – Unstreitig; die Frage ist nur: berechtigte ihn dieses Selbstbewusstseyn, das Urtheil seiner Richter zu kassieren, oder (was auf das nehmliche hinausläuft) sich demselben durch die Flucht zu entziehen? Konnt' er das, ohne sich zum Richter über seine Richter aufzuwerfen? Welcher Staat in der Welt möchte bestehen können, wenn die Bürger berechtigt wären, die Urtheile ihrer Obrig- [s. 56] keit zu kontrolieren, und wenn jeder Ausspruch, den das Gesetz aus dem Munde seiner Wortführer über sie und ihre Handlungen, Ansprüche, oder Streitigkeiten unter einander, gethan hätte, einer eigenmächtigen Revision der interessierten Parteyen unterworfen wäre? Der Bürger eines Staats begiebt sich eben dadurch, dass er sich den Gesetzen desselben und der gesetzmässig angeordneten Obrigkeit unterwirft, alles Rechts, sich gegen ihre Entscheidungen aufzulehnen, oder die Vollziehung derselben zu verhindern. – 'Aber (wendet man ein) warum empört sich gegen diesen unläugbaren Ausspruch der Vernunft ein gebieterisches Gefühl in uns, welches wir nicht zum Schweigen bringen können?' – Mich dünkt, 👤Hippias, du hast hierauf die wahre Antwort gefunden. Diess Gefühl hängt an einer andern Ordnung der Dinge; es ist weder mehr noch weniger als der mächtige Erhaltungstrieb, den die Natur in alle lebende Wesen gelegt hat. Nur darin kann ich dir nicht beystimmen, wenn du diesen Trieb zum höchsten Naturgesetz und den Gehorsam gegen dieses Gesetz zu einer Pflicht machst, welcher alle andern weichen müssen; denn, nach meinem Begriff, vernichtest du dadurch sogar die blosse Möglichkeit dessen was ich mit Sokrates Tugend nenne. Ich werde zur Selbsterhaltung von der Natur aufgefordert, und bin berechtigt, [s. 57] meiner Erhaltung alle andern Pflichten, im Fall des Zusammenstosses, nachzusetzen; aber ich bin nicht dazu verbunden. Ich bin ein freyes Wesen; will ich mich meines Rechtes begeben und mich selbst für andere aufopfern, so ist keine Macht in der ganzen Natur berechtigt mich daran zu hindern. Beruht nicht die wesentlichste Pflicht des Bürgers, sein Leben für die Vertheidigung seines Vaterlandes zu wagen und hinzugeben, lediglich auf diesem Rechte? Überhaupt kenne ich keine Tugend, die nicht in freywilliger Aufopferung besteht, und von der Grösse des Opfers ihren höhern oder niedern Werth erhält. Tugend ist, nach meinem Begriff, moralisches Heldenthum; niemand ist verbunden ein Held zu seyn. Ich verdenke es daher einem Schuldigen nicht, wenn er sein nach dem Gesetz verwirktes Leben durch die Flucht rettet: aber ich ehre und bewundere den Schuldlosverurtheilten, der lieber sich selbst aufopfern, als seinen Mitbürgern ein Beyspiel des Ungehorsams gegen die Gesetze geben will. Eine so edelmüthige Gesinnung mag (wenn man will) an jedem andern als etwas Verdienstliches angesehen werden: an Sokrates war sie nicht mehr, als was alle, die ihn kannten, von ihm zu erwarten befugt waren. Hatte er nicht bey jeder Gelegenheit zu erkennen [s. 58] gegeben, dass er die Rechte des Menschen den Pflichten des Bürgers unterordne? Hatte er nicht das Hauptgeschäft seines Lebens daraus gemacht, seiner Republik gute Bürger zu erziehen, und sich selbst als ein Vorbild aller Bürgertugenden darzustellen? War es nicht eine auszuzeichnende Eigenschaft seiner Sittenlehre, dass er sogar die guten Angewöhnungen, zu welchen uns die Pflicht gegen uns selbst auffordert, vorzüglich desswegen zu empfehlen pflegte, weil sie uns geschickter machten, unsre Bürgerpflichten zu erfüllen? Wie wäre es einem solchen Manne angestanden, ein solches Leben, bloss um dessen Dauer zu fristen, so nah am Ziele noch durch eine Handlung zu entehren, wodurch er seine eigenen Grundsätze so gröblich verläugnet haben würde? Die standhafte Weigerung, seine Bande von 👤Kriton zerreissen zu lassen, setzte seinem ganzen Leben die Krone auf: da hingegen, wenn er dem Triebe der Selbsterhaltung und den Bitten seines Freundes nachgab, diese einzige Schwachheit seine eigene Überzeugung von der Wahrheit seiner Lehre verdächtig gemacht, und die gute Wirkung seines bisherigen Beyspiels entkräftet, ja bey vielen gänzlich vernichtet, ihn selbst aber auf ewig in den grossen Hausen der alltäglichen Menschen herabgestossen hätte, die keinen höhern Beweggrund kennen [s. 59] als ihren persönlichen Vortheil, und immer bereit sind, diesem das Beste des ganzen Menschengeschlechts aufzuopfern. / Übrigens wollen wir nicht vergessen, dass Sokrates auch von seinem Dämonion (wie er dem Kriton gesagt haben soll) von der Flucht aus dem Gefängniss abgehalten wurde, und also voraus versichert war, dass die Sache übel ablaufen würde. Ich denke, wir werden den Helden überhaupt kein Unrecht thun, wenn wir voraussetzen, dass sie alle, so viel ihrer je gewesen sind, immer mehr oder minder ein wenig geschwärmt haben. Sokrates glaubte in ganzem Ernst an eine göttliche Stimme, die sich von Zeit zu Zeit in seinem Innern hören lasse; und für einen so einfachen schlichten Mann wäre diess Einzige schon mehr als hinreichend gewesen, ihm so viel Stärke zu geben, als er nöthig hatte, in einem Alter von mehr als siebzig Jahren dem Tode mit Muth entgegen zu gehen. Und so viel von Sokrates ehrwürdigen Andenkens.«

I trykt udgave: Bind 23 side 181m linje 9