Luxdorphs samling af trykkefrihedens skrifter 1770-1773: Række 2 bind 20

Zuverläßige Nachricht

von der

zu Copenhagen

am 17ten Januar 1772.

geschehenen

großen Staatsveränderung

und

Gefangennehmung

einiger

Staatsverbrecher.

Aus dem Dänischen übersetzt.

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Es giebt wenig Monarchien, wo nicht bisweilen Verschwörungen entstanden wären. Man findet unter allen Regierungs-Arten Menschen, welche, mit ihrem gegenwärtigen Schicksale unzufrieden aller möglichen Ausschweifungen fähig sind, um sich entweder von einer Last, die sie drückt, zu befreyen, oder sich in bessere Glücksumstände zu setzen, oder auch sich zu einem Stande empor zu heben, auf welchem sie sich, ihrer niedrigen Geburt wegen, keine Rechnung machen durften. Dies sind insgemein die Bewegungsgründe, welche einen bösen Bürger verleiten, die Waffen wider sein Vaterland und gegen seinen gütigen Monarchen zu ergreifen; und von dieser Art Menschen war Johann Friedrich Struensee und seine Consorten, welche durch ihre bösen Rathschläge die Geschichte Dännemarks mit einer merkwürdigen Nacht bezeichnen wollten; aber der Gott, der in der Höhe wohnet, ließ sie in die Fallstricke fallen, welchen sie einen der liebenswürdigsten Könige geleget hatten.

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Das Haupt dieser schändlichen Rotte war Johann Friedrich Struensee, ein Sohn von Adam Struensee, Königl. Dänischen General-Superintendent. Sein Vater hat auf seine Erziehung und Studien alles Mögliche gewandt: aber er ließ sichs nicht undeutlich merken, daß er zu allen Lastern und wollüstigem Leben sehr geschickt war. Er hat in seiner Jugend die Medicin als Doctor studirt, wovon er aber wenig Begriffe erhalten. Dennoch hatte er das Glück, von den besten König, Christian den VII auf seiner Reise als Reise-Leibmedicus vorgeschlagen zu werden, in welcher Qualität er auch Sr. Majestät begleitete, und hernach das Glück hatte, (obgleich nicht durch seine Geschicklichkeit,) nicht allein beständiger Leib-Medicus zu seyn, sondern auch von einer Ehrenstuffe bis zur andern empor gehoben wurde, bis der König ihn durch eine gewisse Fürsprecherinn 1771 den 23sten Januar in den Grafenstand erhob, und ihn zum geheimen Cabinets und Staats-Minister machte. Aufgeschwollen von schändlichem Hochmuth bewegte er eben angeführte hohe Fürsprecherinn, durch eine Acta das Herzogthum Plön von Sr. Königl. Majestät sich versichern zu lassen, welches aber nicht zum Vorschein kam; da ihm gleich ein besseres einfiel, sich mit dieser Person das ganze Königreich zuzueignen, mit derselben sich zu vermählen, und neben derselben als Protector zu regieren; vorher aber einen von Gott höchstbestätigten theuren Landesvater und König Christian den VII, den theuren und hoffnungsvollen Kronprinzen Friedrich, eine der

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besten Königinnen, Juliana Maria, den liebenswürdigsten Erbprinzen Friedrich und Prinzeßinn Charlotta Amalia, aus der Welt zu schaffen, und so nach mit Feuer und Schwerdt, (fallst sich jemand von den Hohen und Niedern ihm widersetzen würden, ) den Weg zum Königl. Thron, Kron und Zepter zu bahnen.

Verschiedene fürchterliche Anstalten, die einige Wochen vorher von dem abscheulichen Grafen angeordnet wurden, setzten alle Bewohner in- und ausserhalb Copenhagen in Erstaunen, und der eine fürchtete sich vor dem andern, und ein jeder gieng nicht ohne die größte Furcht auf der Strasse, noch des Nachts zu Bette. Er ließ die größten Kanonen aus dem Zeughause auf die Wälle, vor die Wachhäuser und Thore der Stadt aufführen, und scharf mit Eartätschen laden. Die Kanonen auf den Wällen wurden alle Abend, nach geschlagenem Zapfenstrich, gegen die Stadt längs den Gassen gerichtet. Die beyden Königl. Garderegimenter wurden abgedankt. Verschiedene verdienstvolle Minister ihrer Dienste entlassen. Alle Wachen verdoppelt; und noch mehrere Extra-Wachen ausgestellet. Die Soldaten erhielten ein jeder 36 scharfe Patronen, und das Patroulliren war ausserordentlich. Selbst auf dem Schlosse sahe man die Wachen verdoppeln, und scharf geladene Kanonen hinpflanzen; sogar ein jeder, ohne Ansehen der Person, der auf dem Schloße etwas zu thun hatte, und wenn er sprechen wollte, wurde durch 2 Mann Soldaten auf und vom Schloß geführet. Dem

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Könige befremdete dieses, und frug Graf Struensee, (denn sonst hatte er niemand bey sich,) wozu diese fürchterlichen Anstalten dienen sollten? Er gab dem Könige zur Antwort: Alles dieses geschähe zur Beschützung des Königs theurer Person: denn alle Unterthanen wären gegen Se. Majestät aufgebracht; dahero fürchtete man, daß es Sr. Majestät eben so ergehen würde, wie es dem unglücklichen Peter dem III. in Rußland. Der König erschrack heftig, wie er dieses hörete, seine Hände zusammenschlug, und ausrief: „Mein Gott! was habe ich den Böses gethan, daß mich meine lieben und getreuen Unterthanen so hassen?,, Dieser Nichtswürdige antwortete dem guten Könige, und wandte Verschiedenes von dem Volke ein, welches ihnen an der Königl. Regierung mißfiele: besonders wegen der ausserordentlichen Steuer, und welches doch vor der Hand nicht konnte abgeholfen werden, daher es den König im Herzen betrübte.

Inzwischen setzte diese Rotte ihre Anschläge immer weiter fort, und verhinderten, unter allerley Vorwendungen, jeden treugesinnten Patrioten den Zutritt zum Könige, und wusten einem jeden redlichen Unterthan niederträchtige, wiewol erdichtete Handlungen anzuhängen, damit der König auch keine Lust bekam, selbige zu sprechen. Wenn denn jemand vor den König mußte, so war derselbe auch gezwungen, seine Sache kurz zu fassen, und nach

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erhaltener Antwort sich sogleich zu entfernen; zuletzt mußte ein jeder sein Anbringen schriftlich eingeben, und erhielte auch schriftliche Antwort. Alles mußte an Graf Struensee abgegeben werden, und was ihm gut deuchtete, sagte er dem Könige; sogar erhielt der König alle Briefe entsiegelt. Graf Struensee und Brand waren stets gegenwärtig. Ersterer war schon beym Könige, ehe er ausgeschlafen, und gieng auch nicht eher von ihm, als bis er zur Ruhe war: indessen Graf Brand sich stets im Vorgemach aufhielte; und wenn ja einer oder der andere Geschäfte halber den Rücken wenden mußte, so wurde in des Königs Namen der Wache und den Bedienten befohlen, daß Hey höchster Ungnade des Königes sich keiner dem Zimmer näherte, denn Se. Königl. Majestät wären unpaß, und hätten sich zur Ruhe begeben. Sobald hatten sie ihre Sachen verrichtet, um wieder zeitig beym Könige zu styn, so hatte der König auch ausgeruhet. Wollte der König ausfahren oder reiten, und es war Graf Struensee und Brand nicht gelegen, so wußten sie den König durch ihre listigen Handgriffe unter allerley Vorwand schädliche Medicamente beyzubringen, darauf er sich nothwendig übel befinden mußte, und gerne zu Hause blieb und das Bette hütete. Und dieses Mediciniren hat auch würklich des Königs Gesundheit um vieles ruiniret. Fuhr oder ritte der König aus, so war Graf Struensee und Brand jedesmal bey ihm, und eine starke Escorte hatte den König umringet, da-

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mit keiner hinzu konnte. Solches, und noch verschiedene andere Dinge, trieben sie so lange, bis sie endlich nach zwo zu ihrem Vorhaben fehlgeschlagenen Nächten, die Nacht vom 16ten auf den 17ten Januar zu ihrer schwarzen That erkohren, und wovon einige Herren schon zu ihrer Unterstützung informiret waren, bis auf den Herrn Generalmajoc von Eichstedt und den Herrn Obersten von Röller. Ersterer wurde den 14 Januar, des Mittags, zur Königs-Tafel geladen, und fand sich auch wirklich ein. Nach aufgehobener Tafel wurde er vom Grafen Struensee in ein Zimmer gerufen, der ihm, in Beyseyn einer hohen Person, den ganzen Plan vorlegte, ihm solchen verständigte, und ihn und sein Regiment zum Beystand aufforderte; wie auch, daß er den Herrn Obersten Röller im Namen der hohen Person, und im Namen seiner, denselben Befehl und Plan ertheilen sollte, damit er sich auch mit seinem Regimente zu bestimmter Zeit parat halten könnte, um, wenn an den König die letzte Hand gelegt wäre, und daß alle Einwohner von und ausserhalb Copenhagen der itzigen regierenden Königin, Carolina Mathilda, und ihm, den Grafen Struensee, nicht sogleich huldigen wollten, oder eine Empörung erregten, ihnen mit gewaffneter Hand beystehen sollten, wozu vorhin beregte Anstalten schon abzweckten, und worüber die andern Officiers nähere Verhaltungsbefehle erhalten würden. Dabey wurde ihm, dem Herrn General-Major von Eichstedt, anbefohlen, nicht eher vom Schlosse zu gehen, als

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bis er die Ordre dazu erhielte. Dieser brave Officier mußte versprechen, diese Befehle ganz genau zu beobachten, und that es auch unter dem Schein der größten Treue. Der Graf Struensee war darüber schon zum voraus vergnügt, und glaubte, sich schon auf des Königes Thron zu sehen.

Am 16ten Januar, des Abends, war Ball masque en Domino in dem französischen Comödienhause, in währender Zeit der General-Major von Eichstedt die Befehle erhielte, nach seinem Quartiere zu fahren, und die nöthigen Ordres zu ertheilen; so bald war er in sein Quartier angelanget, und in sein Zimmer getreten, schickte er alle seine Bediente von sich, wechselte in aller Stille seine Kleidung, und schlich sich heimlich aus seinem Hause nach dem verdienstvollesten Herrn Reichsgrafen von Ranzau zu Aschberg, und erzählte ihm mit der größten Bestürzung, den ganzen Anschlag; dieser in der größten Gefahr standhafte Herr, eilte sogleich mit dem Generalmajor von Eichstedt, zu der verwittweten Königinn Juliana Maria, und des Erbprinzen Friedrichs Königl. Hoheit, zugleich wurde auch zu dem Obersten Röller geschickt, dessen Regiment denselben Tag die Wache auf dem Schlosse hatte, wie auch nach dem geheimen Rath, Graf von der Osten, und entdeckte diesen hohen Personen dies abscheuliche Vorhaben, worüber Höchstdieselben in die größte Bestürzung geriethen, und in Thränen ausbrachen. Da dann obberegter Herr

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Graf zu Ranzau diesen Personen Muth einsprach, Papier, Tinte und Feder forderte, und schrieb die benöthigten Ordres, die sich auf die bevorstehende Veränderung bezogen. Sobald selbige fertig, ermahnte er sie, mit nach dem Könige zu gehen, der so eben von dem Ball gekommen war, und sich schon im Bette befand. Als die verwittwete Königin Juliana Maria, der Erbprinz Friedrich, der Herr geheime Rath, Graf von Ranzau, der Herr geheime Rath, Graf von der Osten, der Herr General-Major von Eichstedt, und der Herr Oberste Köller, unangemeldet ins Königl, Zimmer traten; damit schlug der König den Vorhang von seinem Bette weg, und sagte: „Mein Gott! was wollen sie?,, Darauf antwortete die Königin Juliana Maria, mit weinender Stimme, dem König: „Ihro Majestät, Mein Sohn, fürchten Sie sich nicht, wir kommen nicht als Feinde, sondern als Freunde, Sie, Uns, und das ganze Land zu erretten, und mit göttlicher Hülfe und Beystand die angedrohete Gefahr abzuwenden.“ Hierauf schwamm sie in Thränen. Und der Erbprinz Friedrich Königl. Hoheit, und der Herr Graf zu Ranzau, faßten das Wort, und erzähleten den ganzen Plan. Letzterer griff in die Tasche, und zog die ausgefertigten Ordres hervor, und legte selbige dem Könige zur Unterschrift dar. Worauf der König ausrief und sagte: „Mein Gott! dies wird ganze Ströme von Blut kosten.„ Der Herr Graf zu Ranzau erwiederte

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dem Könige, und sagte: „Ihro Majestät seyn nur getrostes Muthes, ich nehme unter dem Beystand des Höchsten alle Gefahr auf mich, und werde so viel als möglich alle Gefahr Vorbeugen & c.“ Worauf alle Hohe Anwesende dm König ermahnten, ohne Zeitverlust die Ordres zu unterschreiben, welche der Erbprinz Friedrich, Königl. Hoheit, mit unterzeichnete.

Alle die benöthigten Ordres waren nun fertig, und wurden ausgetheilet, und zur Bewürkung verschiedene Officier vom Eichstedtschen und Köllörschen Regimente befehliget; so war nun noch eine Ordre nöthig, um eine hohe Person in Sicherheit zu bringen, welche man Seiner Majestät, dem Könige, überließ, selbst eigenhändig auszufertigen, welche der Monarch mit der innigsten Betrübniß von sich stellete, und die Ausführung desselben dem Herrn Reichsgrafen zu Ranzau auftrug. In währender Zeit der General-Major von Gude, bisheriger Commendant von Copenhagen, abgesetzt wurde, an dessen Stelle der Gegeral-Major Eichstedt, Chef des hier garnisonirenden Seeländischen Dragonerregiments, zum Commendanten ernannt, und ihm anbefohlen, alle dermalen nöthige Anstalten zu treffen, welches dann auch dieser Herr unverzüglich an der Spitze eines Detaschements seiner Dragoner allen wachthabenden Officiers kund that, und zugleich alle Wachen auf dem Schloß verstärken ließ, wie auch alle Hauptthüren und Zugänge mit Wachen versehen, besonders für des Königs, Zim-

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mer. Gleich darauf wurden der Graf Struensee und sein Bruder, der Justitz-Rach, der Graf Brandt, der General Gude mit seiner Gemahlinn, der General Gähler mit seiner Gemahlinn, arretirt, und jeder besonders nach und auf die Citadelle gebracht. Die Generalinn von Gählern wurde von jeden, der diese rechtschaffene Dame kennet, bedauret; selbige ist, da sie unschuldig befunden, wieder auf freyen Fuß gestellet. Ingleichen der bisherige Leibmedicus, Professer Berger, (der keinesweges mit dem Leibmedicus, den redlichen Etatsrath von Berger, verwechsel werden muß, welcher aus selbst eigener Bewegung schon vor langer Zeit vom Könige seine Dimißion genommen hatte,) der Oberste Falkenschiold, und Oberst-Lieutenant von Haßelberg, wurden auf der Hauptwache gesetzt, wo ihnen nach Verlauf von etlichen Tagen einfiel, zu desertiren, darauf sie alle beyde nach dem Schiffsholm gebracht wurden, da sie in besserer Verwahrung sitzen; und den 20. Januar ist der Legationsrath und Postdirector Sturtz ebenfalls auf die Wache gesetzt worden. Der Stallmeister, Baron von Bülow, Contre-Admiral Hansen, Etatsrath Willebrand, Lieutenant Aboe, und drey Secretair im Cabinet, bekamen Arrest im Hause, und sogleich wurden alle Papiere der Gefangenen versiegelt.

Der Herr Reichsgraf zu Ranzau, und der geheimde Rath, Graf von der Osten, und eine Wache gingen mit der Ordre unangemeldet zu dem

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Zimmer dieser hohen Person, welche bereits auch schon im Bette lag; der Herr Graf zu Ranzau trat herein, sie schlug den Vorhang ihres Bettes zurück, und frug, wer ist da? Ha! Monsieur Ranzau, sind sie da? wie ists, lebt der K— noch? Wo ist Graf Struensee und Brand? Der Graf that, als hörte er es nicht, sondern übergab im Namen Sr. Königl. Majestät die bey sich habende Ordre, und kündigte ihr den Arrest an. Sie fuhr auf, und sagte: mich zu arretiren, das soll ihm seinen Kopf kosten. Wo ist von der Osten? Der Graf antwortete: im Vorgemach. Worauf sie antwortete: der Verräther. Sie frug nochmalen nach Graf Struensee und Brand; so sagte der Graf: sie sitzen schon in sicherer Verwahrung auf der Citadelle, und wiederholte seinen ersten Antrag im Namen des Königs. Darauf wurde sie erboßt, sprang aus dem Bette, und lief im Zimmer auf und nieder, indessen der Graf den Hut vor die Augen hielte, und sie zum Ankleiden ermahnete, oder er wäre gezwungen, sie ankleiden zu lassen. Darauf griff sie ihm ins Tuppee; da rüste er ein Paar Dames herein, wovon die eine ihr einen Rock anlegte; sie griff selbsten nach einer Saluppe, und eilte zu einer verborgenen Treppe, um zu entfliehen. Auch diese war schon mit Wache besetzt, und muste wieder zurück; da fiel sie als ganz entkräftet, aufs Canapee. Der Graf ließ ihr Zeit gewinnen, um sich zu erholen; indessen der Graf sie von Zeit zu Zeit ermahnete, mitzugehen; so bat sie denn, das man ihr die Pr— mitge-

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ben möchte. Selbige wurde auch sogleich angekleidet. Darauf sagte der Graf: Nun Madame, gehen sie, eilen sie, geschwind, geschwind, und faßte sie bey der Hand, seinen Huth unterm Arm, und in der andern Hand den entblößten Degen, und führete sie bis an den Wagen, wo sie noch zu ihm sagte: Dies würde ihm seinen Kopf kosten. Darauf rief der Graf aus: Ich liebe Gott, und bin meinem Könige getreu! Adjeu, Madame. Die Fräulein Moesting saß im Wagen neben ihr mit der kleinen Pr—, und der Major Carstenschiold mit entblößtem Degen; und so wurde sie unter einer Escorte von 30 Dragonern nach Cronenburg begleitet. In denen ersten Tagen hat sie, ausser ein Paar Schaalen Choccolade nichts gegessen und getrunken, bis sie in Thränen ausgebrochen, und eins ums andere ausrief: Ach! du unglückseliges Kind, ach! ich unglückselige Mutter, und in solchem Zustande lebt sie in der untersten Etage des Schlosses, deren Fenster mit starken eisernen Stangen versehen sind.

Bey der Arretirung dès Grafen Struensee ist folgendes zu merken: Daß, wie ihm der Oberste Köller den Arrest ankündigte, und ihm die Königl.-Ordre vorzeigte, Zeit zu gewinnen suchte, und nicht glauben wollte, daß der König sie selbsten unterschrieben habe, der Oberste zu ihm sagte, daß es wirklich wäre, allenfals haftete er mit seinem Leben dafür: kurzum, er wollte sich nicht geben. Da setzte der Oberste ihm den Degen auf die Brust, und sagte ihm, er habe Befehl, ihn entweder todt, oder lebendig zu

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bringen; darauf fällt er aufs Canapee in Ohnmacht nieder, sie bringen ihn wieder zurecht, da bittet er denn, er wolle noch gerne eine Schaale Schoccolade trinken, es wird ihm abgeschlagen, er bittet um seine Etui, auch diese wird ihm vorenthalten. Der Oberste ermahnet ihn zu eilen, und fortzumachen, ehe es Tag würde, sonst wäre es unmöglich, ihn vor der Wuth des Pöbels zu beschützen; die Hände, so bald er aus seinem Zimmer kam, band man ihm, im Weggehen fluchte er auf seinen Cammerdiener, daß er ihm nicht einen Pelz mitgegeben, er wurde also in einer Mietkutsche unter einer Bedeckung von Dragonern nach der Citadelle gebracht; wie er aus der Kutsche stieg, so sorgte er noch vor den Kutscher, und bath, man möchte ihm bezahlen, oder ihm ein Trinkgeld geben. Der Oberste Köller gab ihm einen Thaler, den er zwar nahm, aber auf sein gut Dänisch sagte: ich hätte es auch wohl umsonst gethan. Hierauf wurde er zum Commendanten der Citadelle gebracht, um gemeldet zu werden. Wie der Graf bey ihm ankam, fluchte er heftig, der Commendant gebot ihm stille zu seyn. Sobald Graf Struensee auf der Citadelle, in das ihm bestimmte Logis gebracht wurde, und welches eben das ist, was der bekannte Norcros so lange bewohnet, frug er — wo sind meine Bediente? Der wachthabende Officier antwortete: Ich habe es nicht gesehen, daß ihnen welche gefolget sind. — Mein Secretair? Der ist auch nicht hier. Mein Pelz! Es ist hier kalt, beym Teufel, ich will nicht frieren, ich wil ein anderes Zimmer haben. Er fand daselbst ei-

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nen schlechten hölzernen Stuhl, und sagte, was soll dieser Stuhl? gebt mir meinen Sopha! — Alles dieses beantwortete der wachthabende Officier hiemit : — Mein Herr! hie ist nichts zu ihren Diensten, als mit Permission, ein Kammergeschirr. — Durch diese Antwort ward er in die äußerste Wuth gesetzt, so, daß er sich beyde Arme zusammen faßte, und mit dem Kopf gegen die Wand und das Gegitter lief, in der Absicht, seine Hirnschale zu zerschmettern, und fluchte erstaunlich, aber die Wache lief eilends herzu, und verhinderte solches durch einige Rippenstösse; sein Betragen wurde gleich gemeldet, worauf er sogleich mitten in der Stube mit Händen und Füssen an den Fußboden sitzend angeschlossen wurde, und so, daß er sich nicht schaden kann. Zugleich wurden die Fenster des Gefängnisses quer mit Latten benagelt, da sagte er, man tractiere ihn ja als eine Canaille. In diesem Zustand regte sich sein böses Gewissen, und stellete sich, als wenn er heftiges Zahnweh hätte, und bat, man möchte doch nach seinem ehemaligen Cabinet jemand hinsenden, sie würden allda vor dem Fenster in ein Papier liegend ein Zahnpulver vorfinden, solches möchten sie ihm doch holen lassen, um die Schmerzen zu stillen. Es wurde auch hingeschickt, und man fand es; der Etats-Rath und Leib Medicus von Berger mußte es sogleich untersuchen, und befand, daß es ein starkes Gift war, daher ihm dieses so wenig, als ein anderes Zahnpulver gegeben wurde; darnach legte er es aufs Hungern, und wollte weder Speise noch Trank genießen. Ein

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paarmal liessen sie ihm seinen Willen, darnach kam Befehl, er sollte essen und trinken, falls er nicht mit Gutem wollte, so sollten sie ihn so lange prügeln bis daß er Appetit bekäme. Ihm wird weder Löffel, noch Messer Und Gabel in die Hand gegegeben, die wachthabenden Soldaten schneiden ihm das Essen zurecht, und bringen es ihm in den Mund. In diesem Zustande hat er einige Tage gesessen, da er den anlobte, sich besser aufzuführen man möchte doch ihn um Gnade bitten; so ist solches auch erhöret worden, und darauf an Händen und Füssen kreutzweise geschlossen, und eine an der Wand befestigte drey Ellen lange Kette an das Bein gelegt, und ihm ein Stück Bette gegeben, worauf er liegen kann. Ueberhaupt genommen, so ist er in einem Gefängniß, wo die ärgsten Missethäter aufbewahret werden, und trägt auch Kleidung, wie ein Missethäter; er trägt eine blaue friesene Jacke ohne Knöpfe, und alle andere Knöpfe, so er noch an seiner übrigen Kleidung getragen, sind abgeschnitten, weil er ein Paar davon abgedrehet und verschlucket hat. Schuh- und Bein-Schnallen sind ihm abgenommen worden, auch trägt er itzt eine eiserne Haube, damit er seinen Kopf nicht zerstossen kann, Nachgehends ist die Etui, warum er so sehr gebeten, daß man ihm solche geben möchte, visitiret worden; man hat in selbiger drey kleine Kügelchen gefunden, der Herr Etatsrath und Leib-Medicus von Berger hat selbige untersucht, und befunden, daß ihre Beschaffenheit rin langsam würkendes Gift sey, womit dieser Böse-

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wicht schon an einer hohen Person Gebrauch gemacht hat. Noch eine Anecdote von dem Grafen Struensee: Wie er ohngefehr vor einem Jahre in Copenhagen auf der Strasse gieng, begegnete ihm ein Sclave in Ketten; der Sclave bat ihn um ein Allmosen, und zugleich um des Königs Gnade für ihn zu erflehen, daß er aus diesem Zustande erlöset würde. Der Graf gab ihm ein Almosen, und sagte dabey: Du trägest wohl um deiner Tugend willen diese Ketten nicht. Nach diesem erlangte der Sclave seine Freyheit, und wurde Schliesser auf der Citadelle. Da es sich nun fügte, daß eben dieser dem Grafen die Ketten anlegte, so sagte er: Ihro Excellenz um ihrer Tugend willen lege ich sie die Ketten nicht an.

Wegen den Grafen Brand ist folgendes zu merken: Wie der Officier mit der Wache kam, ihn zu arretiren, so verschloß er sich in seinem Zimmer. Der Officier sagte: Er sollte aufmachen, er sollte sich betragen als ein vernünftiger Mann, denn es würde ihm zu nichts helfen, widrigenfals er die Thür erbrechen müste. Endlich machte er die Thüre auf, und in der Hand hielt er seinen Degen, um sich zu vertheidigen, worauf sie ihn aber sogleich anfielen; er warf hierauf den Degen von sich, suchte sich von ihnen los zu machen, und sagte: Meine Herren, Sie gehen unrecht, ich bin ein Staats-Minister, ich weiß nicht, daß ich etwas verbrochen habe, worüber man mich arretiren kann. Der Officier zeigte ihm auf der Ordre seinen Vornamen, und sagte: Er gienge gar recht, er sollte

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nur mitgehen, das übrige würde sich schon finden; und so wurde er nach der Citadelle gebracht.

Der Graf Brand, nachdem er auf die Citadelle in des Herrn Commendanten, des General von Hoven Behausung abgetreten war, complimentirte der Graf den Commendanten folgendergestalt:

Mein Herr, Sie nehmen es nicht übel, daß ich Sie so früh incommodire. Der Commendant antwortete: Gar nicht, mein Herr, man hat Ihnen hier schon längstens erwartet. Darauf gieng er das Zimmer auf und nieder, sahe sich allenthalben um, sang eine italiänische Arie, und sagte darauf: Hier sind, bey meiner Sele! schöne Zimmer im Casteel. Der Commendant antwortete: Ja, mein Herr, Sie werden sie aber noch besser bekommen. Ihm ward hierauf sein Logis angewiesen, welches aber ziemlich dunkel war: dieses machte ihn aber doch nicht verzagt, sondern er sagte noch — bey meiner Treu, der Commendant hat wahr gesagt. Er ist immer vergnügt, und spielt die Flöte: er sparet von seinen 24 Schillingen, die er täglich erhält, sechs, welche, wie er sagt, sein künftiger Henkersknecht zum Trankgelde haben soll. Auch bedienet er sich öfters diesen Ausdrucks: Einem kleinen Geist kommt es zu, sich durch Kleinigkeiten demüthigen zu lassen, aber ein grosser hebet sein Haupt weit über sein Schicksal empor.

Der Graf Brand ist wenige Tage vor der Revolution von einem Freunde durch ein Schreiben gewarnet, und das Schicksal, welches ihn treffen

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würde, wenn er die verderblichen Anschläge befolgete, vorher gesagt, und klärlich vor Augen gestellet worden.

Diese Arretirung der vorhin benannten Personen geschahe in oben erwehnter Nacht, und zwar des Morgens zwischen 3 und 6 Uhr, da alle Personen eben vom Ball gekommen waren und sich zu Bette geleget hatten. Die Stadt-Thore waren geschloffen, da sie seit vorigem Früh-Jahre nur gesperrt gewesen. Durch das häufige Fahren und Reiten war alles Volk rege und aufmerksam gemacht, doch getrauete sich keiner vor Tage aus dem Hause zu gehen; endlich wimmelten die Strassen von Menschen, und ein wildes Schrecken hatte sich auf aller Gesichter verbreitet. In der ängstlichen Meynung, als wenn dem Könige etwas zugestossen wäre, eilete alles nach dem Schloßplatze hin, welcher auch in kurzer Zeit ganz von Menschen angefüllet war. Darauf ließ sich der König, die Königinn Juliana Maria, und der Erbprinz Friedrich Königliche Hoheit, auf dem Balcon des Schlosses sehen; worauf alles Volk mit der grössesten Freude, Vivat! lange lebe König Christian der VII. und die Königinn Juliana Maria, und der Königliche Erbprinz Friedrich, ausrief: und von diesem frohen Jubel ertönete die ganze Stadt, und alles Misvergnügen, Angst und Traurigkeit verschwand auf einmal, und einer wünschte dem andern in den freudigsten Ausdrücken Glück, da sie ihren huldreichsten Monarchen erblickt hatten. Das Frohlocken der Einwoh-

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ner bey der Thronbesteigung, Vermählung und Krönung des Königs kam mit demjenigen, was bey diesem Vorfall beständig fort daurete, nichr in Vergleichung: denn ein jeder war nunmehro überzeugt, daß Gott die so große und augenscheinliche Gefahr gnädiglich abgewendet hatte. Um 12 Uhr des Mittags fuhr der König und der Erb-Prinz Friederich Königliche Hoheit in einem mit sechs weissen Pferden bespannten offenen Wagen, und hinten her in einem andern der Königl. Kronprinz. Die Strassen, wodurch Höchstdieselben fuhren, waren so voll von Menschen, daß die Pferde nicht ziehen durften, die Menge Volks hob und trug den Wagen gleichsam fort, wobey das freudigste Jubelgeschrey ohn Ende war. Hernach war Cour bey Hofe, und des Mittags wurde öffentlich gespeiset. Die beydèn Garde-Regimenter sind wieder hergestellet. Die Leute, so unter der Fußgarde gedienet hatten, und caßiret warm, fanden sich eiligst mit und ohne Montirung so wie sie selbige noch hatten und wie sie giengen und stunden, wieder ein, welche auch desselben Tages, auf Verlangen, noch die Wache bezogen, und die Köllerschen Dragoner, so 48. Stunden auf der Wache gewesen waren, nachgehends ablöseten.

Des Abends war die ganze Stadt aufs prächtigste erleuchtet, und die Königlichen Personen fuhren nach der französischen Comödie, allwo bey dem Eintritt Allerhöchst dieselben mit einem frohen Händeklatschen und Vivatrufen empfangen wurden. Die Nacht darauf spolirte das Volk an die 60.

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berüchtigte Häuser, worunter das ehemalige Gräflich-Schulinische Haus mit begriffen war, welches Gabel auf Anrathen des Grafen Struensee gekauft und zu einem öffentlichen Hurenhaufe einrichten mufte, wozu der Graf Struensee ihm das Geld vorgeschossen hatte.

Des andern Tages wollte das Volk von neuem wieder anfangen; allein Se. Majestät, der König, liessen durch öffentlichen Trommelschlag und Trompetenschall bekannt machen: Daß, wie sehr Sie auch übrigens mit dem Betragen Ihrer geliebten Unterthanen zufrieden wären. Sie dennoch mit dem äussersten Misvergnügen die in der verwichenen Nacht begangenen Unordnungen vernommen hätten, und daher alle Ausschweifungen bey Lebensstrafe verböten. Kaum war es möglich, der freudigen Wuth des Pöbels Schranken zu setzen. Das Volk wollte es nicht glauben, daß es Königlicher Befehl sey, verlangte daher ihn schriftlich zu sehen; er wurde ihm gezeigt, küßte denselben, und ward sogleich ruhig. Das Volk hätte auch gerne den prächtigen Staatswagen, so Graf Struensee für sich verfertigen lassen, welcher über 6000 Rthlr. gekostet, in ihre Gewalt gehabt, derselbe stand aber unter des Königs Schlosse.

Die Avancements bey diesem Vorfalle sind folgende: Die Generalin Numsen ist Oberhofmeisterin bey dem Kronprinzen; der General-Lieutenant Graf zu Ranzau von Aschberg, erhielte das blaue Band oder Ritter vom Elephanten, wie

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auch General von der Infanterie; der Generalmajor von Eichstedt ward zum Ritter von Dannebrog, General von der Cavallerie und Commendant in Copenhagen, wie auch zum Mitgliede im General- und Commissariats-Collegio erkläret; der Oberste Köller zum Ritter vom Dannebrog, Generaliieutenant und des Königs Ober-General-Adjutanten, imgleichen die Herren Officiers seines Regiments, welche allesamt bey dieser Revolution gebraucht worden, sind um einen Grad höher avanciret. Da auch der nunmehrige Herr Generallieutenant Köller den Wunsch, unter dem Dänischen Adel ausgenommen zu werden, äusserte, ob er gleich aus einer sehr guten pommerschen Familie ist, so hat er das Naturalisations-Patent unter dem Namen Köller-Banner erhalten, und ist ein Mitglied im Gen. und Commiss. Collegio worden. Der General-Kriegs-Commissair erhielte den Kammerherrn-Schlüssel, ist aber nach Verlauf von einigen Tagen nach seinem Guth Wordingborg verwiesen. Der Generallieutenant Huth ist zum General von der Infanterie avanciret. Der Major Carstenschiöld ist Obrist-Lieutenant geworden. Hingegen ist dem Kammerherrn und Jägermeister von Lersner anbefohlen, innerhalb dreymal 24 Stunden die Stadt und das Land zu räumen, auch sich niemalen wieder darin betreten zu lassen. Der Lieutenant Struensee hat ebenfalls, nach ausgezahlter Summe von 220 Rthl., seinen Reise-Abschied erhalten, mit dem Befehl, die Dänischen Provin-

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zen zu rüumen. Ein gleiches Schicksal hatte auch der Capitain Duval vom nordischen Leibregiment; er bewies aber seine Unschuld, und ward daher als Capitain beym Bornholmischen Regiment placiret. Dem Etatsrath Reverdil sind 1000 Rthl. ausgezahlet worden, um nach der Schweiz, als seiner Heymath zu reisen. Der König ließ am dritten Sonntage nach Epiphanias mailen Kirchen ein Dank-Fest halten, um den Könige aller Könige fur die wunderbare Errettung und Erhaltung des Königlichen Hauses, und Dero Reiche und Lande, ein schuldiges Dankopfer zu bringen.

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Entdeckung

der wahren Absichten

des

Staatssystems

der Dänischen Regierung

enthaltend

die wahren Ursachen der letztern

Revolution zu Copenhagen.

Auf glaubwürdige Schriften gegründet von

Christian Adolph Rothes

vormaligen Conferenzrath und Cabinetssekretär seiner Majestät Christian des Siebenden und Oberassessor des höchsten Raths zu Altona,

ursprünglich französisch zu Hamburg herausgegeben.

Quis talia fando Temperet a lacrymis. VIRGIL

1772

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Entdeckung

der wahren Absichten,

des Staatsystems der Dänischen Regierung.

Kaum hatte Friedrich der Fünfte,

glorreicher Gedächtniß, die Augen geschlossen, als die verwittwete Königin Juliana Maria, eine hochmüthige, ehrgeitzige, Ränke- und Verstellungsvolle Fürstin, den ungerechten und verwegenen Entschluß faßte, den Scepter denen schwachen Händen Christians des Siebenden zu entreissen, dessen Jugend und Blödigkeit die verderblichen Anschläge dieser arglistigen Stiefmutter anfeuerten. Sie hatte schon verschiedenemale selbst bey Lebzeiten des hochseligen Königs ihres Gemahls, ihren Haß und Widerwillen ge-

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gen den Kronprinzen ausbrechen lassen, als gegen das einzige Hinderniß, welches ihren eignen Sohn Friedrich, den Weg zum Thron versperrete, auf welchen ihn zu heben, sie sich eifrigst bemühete. Es sey nun Furcht oder Staatsklugheit von Christian den Siebenden der in seinem siebenzehnten Jahre zur Krone gelanget, so bezeigte er doch seiner Stiefmutter, ohngeachter ihrer Verachtung gegen ihn, alle Ergebenheit, welche ihr Rang und ihr Ansehen im Staatsrath zu erfordern schienen. Das einzigemal wo er Standhaftigkeit bezeigte und sich ihrer Meinung muthig widerfetzte, war in der Wahl der Englischen Prinzeßin Mathilde, welche Verbindung so wenig, als die dazu angesetze Zeit die verwittwete Königin genehmigte. Der schwache und zarte Körper des jungen Monarchen, der durch den Aufschub dieser Heirath leicht ohne Nach-

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kommenschaft sterben könnte, war der geheime Bewegungsgrund ihres Widerstrebens. Sie fürchtete überdem durch die junge Königin das Ansehen zu verlieren, welches sie über den Geist des Königs sich angemaßet hatte, und die Macht, die sie im Staatsrath zu behaupten entschlossen war. Sie konnte ihren Widerwillen nicht verbergen als die Königin Mathildis in Kopenhagen ankam, und in dieser Residenz mit allen Vorzügen der Jugend und Schönheit unter den einmüthigen Frohlocken eines Volkes erschien, das von ihrer Annehmlichkeit und Leutseligkeit bezaubert war.

Weder die Gefälligkeit dieser liebenswürdigen Fürstin, noch ihre reizende Bildung, noch die Achtung und Aufmerksamkeit, welche sie der verwittweten Königin bezeigte, waren fähig diesen hoch-

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müthigen und rachsüchtigen Geist zu besänftigen. Sie stattete der jungen Königin keine andere Besuche ab, als die das Etiquet und der Wohlstand forderten. Sie begegnete ihr stets mit einem schimpflichen Uebermuth, suchte sie wegen ihrer Jugend und wenigen Erfahrung zu verachten, und kränkte sie durch beleidigende Urtheile über ihre Nation. So Viele schlechte Begegnungen und wiederhohlte Beleidigungen, bey denen der König gleichgültig schien, machten in dem Herzen der Königin Mathilde einen widrigen Eindruck gegen ihren Gemahl, und Abscheu gegen die herrschsüchtige Wittwe. Listig beredete diese den neuvermählten König, seiner Gemahlin und Staaten einer gefährlichen Cabale, welche sie bereits geschmiedet hatte, zu überlassen, unter dem Vorwand seinen Geist mit nützlichen Kenntnissen zu schmücken, und seine Ein-

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sichten durch Reisen und Beobachtungen an den vornehmsten Höfen von Europa auszubreiten. Sie hoffte seine Abwesenheit sollte ihre beyderseitige Liebe gänzlich auslöschen; während der Trennung würden keine Erben zu hoffen seyn, und die junge so vernachläßigte Königin könnte leicht einen unbedachtsamen Schritt thun, dessen sie sich geschickt bedienen wolte, ihre Aufführung zu tadeln und ihre Tugend in Verdacht zu bringen. Mathildens Lebhaftigkeit, Munterkeit und freyes Betragen unter einer phlegmatischen, zurückhaltenden Nation, dienten den Absichten ihrer Feindin zu glücklichen Vorzeichen. Den Grafen von Bernstorff ausgenommen, (einen großen Staatsmann, den Christian der Siebende in seinen Diensten behalten hatte, und der verwittwete Königin gezwungen, feine Tugend die sie nicht bestechen konnte, zu fürch-

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ten) waren fast alle Herren die mit dem König reiseten, junge Weibische Wollüstlinge, die sich in die Wette bemüheten die Aufsicht über die kleinen Ausgaben eines Herrn zu haben, der mehr den Ehrgeitz besaß von Frauenzimmer geliebt zu scheinen, als er geschickt war sich bey demselben beliebt zu machen.

Die junge Königin wurde eines unbedachtsamen Monarchen überdrüßig, der niemals ihr Vertrauen und ihre Hochachtung zu verdienen sich bemühte, und sich ihrer Zärtlichkeit durch seine kleinen Liebeshändel in London und Paris unwürdig machte. Fremd in der Hauptstadt ihrer Staaten, suchte sie sich für den Zwang und die Langeweile eines traurigen und fast leeren Hofes, durch Zeitvertreibe schadloß zu halten, welche von einer eifersüchtigen Aufseherin nicht als mit der

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Würde einer Königin, noch mit der Schamhaftigkeit eines Frauenzimmers bestehend, abgemahlt wurden. Mathildis kleidete sich bey ihren öftern Spatzierreiten und auf der Jagd als Amazone, diß ärgerte die ganze Geistlichkeit, und weil sie vertraulich mit denen umgieng die bey diesen Parthien in ihrem Gefolge waren; so beklagte die fromme liebesvolle Juliana Maria mit ihren Vertrauten, die Unbedachtsamkeit der jungen Fürstin, welche dadurch ihren Rang verächtlich machte und ihren guten Namen befleckte. Alle Moden und Gebräuche, welche die junge Königin zu Kopenhagen eingeführet hatte, waren dem Tadel der Königin Wittwe als sonderbar, ungeziemend und lächerlich ausgesetzt. Sie ließ sogar dem König während seines Aufenthalts in England und Frankreich heimlich wissen, seine Gemahlin stünde mit einigen

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ihrer Günstlinge in gar zu genauer Verbindung, und der Fürst hatte die Schwachheit diese verläumderische Beschuldigungen zu glauben, anstatt die Erfinderin derselben zu bestrafen.

Ohngeachtet der hohe Englische Adel durch Anrichtung der prächtigsten Feste und kostbarsten Mahlzeiten, für den König von Dännemark, dem Französischen zum Beyspiel, gedient hatte; so bezeigte er doch viel Partheylichkeit und gab dem letztern Hofe einen offenbaren Vorzug. Er schenkte dem ältesten Sohn des Herzog von Duras ein Regiment Dänischer Reuter: Seine Gemahlin sagte deswegen „er sey ein guter Franzose, aber ein „schlechter Staatsmann." Dieser Einfall wurde ihm durch die Kundschafter der verwittweten Königin mit vielen Vergrößerungen wieder gesagt.

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Der junge König kam ungerechter Weise wider seine Gemahlin eingenommen, in seine Staaten zurück, anstatt ihr also seine Freude, sie wieder zu sehen, blicken zu lassen, brachte er sie durch Gleichgültigkeit und Kaltsinn gegen sich auf. Die Königin Wittwe nahm den Schein der lebhaftesten und aufrichtigsten Freude an, sie wünschte ihm Glück im Namen aller rechtschaffenen Dänischen Patrioten, die sich während seiner Abwesenheit auf ihre Landgüter begeben hätten, um sich den Beschimpfungen der Günstlinge der jungen Königin zu entziehen. Alle diese falsche, boshafte Vorspiegelungen, entfernten den König immer mehr und mehr von seiner liebenswürdigen unschuldigen Gemahlin, die sich dagegen mit Ausspähern umgeben sah, welche den schwarzern Entwürfen eines Ränkevollen treulosen Weibes gewidmet waren. Bemüth den

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Staatsrath des Königs allein zu regieren, um dessen Macht zu vernichten, sahe sie mit eifersüchtigen Augen die große Gnade, die der Graf von Holke genoß, und das Vertrauen, womit der König seine Reisegefährten beehrte, an. Durch geheime Triebfedern brachte sie die Grafen Holke, Moltke, Thott, Reventlau, die Freyherrn von Schimmelmann und von Bülow, und den Herrn von Rosenkranz, in Ungnade, sie wurden auf ihre Landgüter verwiesen, und gezwungen, ihre Bedienungen ohne Gnadengehalt niederzulegen, zur größesten Verwunderung der Nation, welcher niemals die Ursachen einer so unerwarteten Veränderung bekannt gemacht sind. Unter diesen Umständen verließ der Rußische Minister, der General Philosophow, den Hof, ohne Abschied zu nehmen. Man schrieb alle diese Veränderungen dem Vorzug zu, welchen Frank-

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reichs Rathschläge hätten; auch ist die verwittwete Königin, würklich diesem Hofe gänzlich ergeben, Und sie begegnet dem Minister desselben mit den schmeichelhaftesten Vorzügen.

Der Staatssecretär, Graf von Bernstorf, den der vorige König und die ganze Nation verehreten, dessen durchdringender Verstand, dessen Geschicklichkeit und Erfahrung in den Geschäfften bishieher über die kleinen Kunstgriffe und Anschläge der verwittweten Königin gesieget hatte, erhielt Befehl, seine Bedienungen niederzulegen, mit der Erlaubniß, sich nach Hamburg zu begeben, wo er nämlich gestorben ist. Hier ist eine genaue Abschrift des Briefes, welchen er bey Gelegenheit seiner Dienstentlassung an den Freyherm von Bülow schrieb.

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Man lieber Freyherr?

„Schon lange Habe ich die plötzliche Veränderungen vorausgesehen, die sich jetzt zutragen. Dieses ist pur das Vorspiel einer noch unglücklichern Revolution die ganz Europa in Verwunderung setzen wird. Die Schwachheit des jungen Königs, die Unvorsichtigkeit der Königin und der unermeßliche Ehrgeitz der Königin Wittwe, stürzen die regierende Familie und vielleicht ihre Nachkommen in die erfchröcklichsten Unglücksfälle. Ich bedaure den Monarchen, ich habe Mitleiden mit seiner Gemahlin, und verabscheue die Grundsätze von Juliane der Machiavellistin. Ich wünsche Ihnen sowohl als mir Glück, daß wir in der Entfernung leben, sicher für das Gewitter, das schon aufsteigt. Gott sey Dank, ich bin nicht in dem

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Geheimniß verwickelt, aber ich weiß, daß die Wittwe fähig ist, alles der Beförderung ihres lieben Friederichs aufzuopfern. Sie ist ein böses Weib, die nur schmeichelt, um zu verrathen, die nur ihre Dienste anbietet, um zu ihrem Endzweck zu gelangen. Sie sind lange von ihren Anschlägen betrogen, und ich habe mich derhalben widersetzt. Die Geistlichkeit hat sie schon durch ihre Heucheley gewonnen, und ich fürchte, Sie verführt den Kriegsstand durch eingeflößte Verachtung gegen Ihren Monarchen. Leben Sie wohl, mein lieber Freund, leben sie glücklich und ruhig, wie ich, ich bin Ihr aufrichtiger Diener und getreuer Freund

Bernstorff.

Hamburg,

den 24. Marz, 1771.

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Die Revolution vom 17. Jenner har die Vorhersagung dieses Staatsmanns wahr gemacht.

Nur den Doctor Struensee, konnte sie ohngeachtet aller ihrer Cabalen nicht vom Hofe entfernen, wo er vom König und der Königin gleichmäßig geliebet und geehrt wurde. Seine Einsicht in die Arzneywissenschaft und Chymie bewog den König, ihn bey seiner Durchreise in Altona, wo er seine Wissenschaft trieb, in sein Gefolge aufzunehmen. Er wurde nachher zum Leibarzt des Königs ernannt, und stand der Königin bey ihrer Niederkunft bey. Er ist von einer ansehnlichen, obgleich bürgerlichen Familie, und sein Vater Generalsuperintendent im Herzogthum Holstein, wo er große Achtung genießt. Er war zu deren erschrecklichsten Denkmahl der unversöhnlichen Rache der

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verwittweten Königin aufbehalten, plötzlich wurde er auf den Gipfel der Ehre erhoben, um in einen schimpflichen Kerker geschleppet, mit Fesseln beladen zu werden, und auf deren Blutgerüste sein Leben zu endigen. Die junge Königin fing an, ein Mißtrauen in die verderblichen Anschläge Julianens, zu setzen und suchte ihnen dadurch vorzubeugen, daß sie lauter neue Günstlinge an ihren Hof nahm, aber mehrentheils Leute, die alles dem Glücksfall zu danken, ohne Ansehen oder Familie, im Staat voller Ränke, ohne Staarsklugheit, hochmüthig im Glücke und stolz auf ihre Macht waren. Mit einem eingeschränkten Genie und mittelmäßigen Einsichten, waren sie nur bedacht, den Staat zu plündern, und ihren armen Angehörigen schnell Reichthümer zusammen zu häufen; diese plötzlich erhobene Ausländer, wurden also durch ihre Unvorsich-

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tigkeit und Erpressungen, den alten Familien des Königreichs, verhaßt. Mathildens Unglück war ihr Mangel der Beurtheilung bey der Wahl ihrer Anhänger; dieser Fehler hat ihr ganzes Unglück verursachet.

Während allen diesen Veränderungen, welche die verwittweie Königin dem Eigensinn und Ehrgeitz der jungen Königin zuschrieb, beschäftigte sich der König mit den heilsamsten Entwürfen zur Glückseligkeit seines Volkes, und zur inneren Policey des Reichs. Er ließ ein königliches Hospital bauen, welches schwachen und alten Soldaten zur Zuflucht dienen solte: er munterte den Ackerbau, die Handlung und die Manufacturen auf, und um seine Unterthanen zu unterrichten, und ihre Erkänntnisse zu erweitern, befahl er durch ein Edict, daß alle in seinen

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Staaten herauskommende Werke künftig, Censur-frey seyn sollten.

Plötzlich fiel der junge Monarch, der geschäfflig und wachsam die Unordnungen der Regierung verbesserte, in eine Schwachheit und Art von Blödigkeit deren wahre Ursache man nicht sogleich errieth. Struensee, der vom ersten Leibarzt der königlichen Familie zum Grafen gemacht, und unüberlegt zum Range eines ersten Ministers erhoben war, zog sch natürlicher Weise, den Neid der Grossen des Königreichs zu; welchen denn die verwittwete Königin zu verstehen gab, daß dieser Ausländer, dessen Grundsatz wäre, den Adel herunter zu bringen, und Leute von eben so dunkler Herkunft in die vornehmsten Staatsbedienungen zu setzen, seine erstaunenswürdige Erhöhung aber, einer schändlichen Neigung der Königin zu

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danken habe, daß diese in ihrem, Herzen die Dänen verabscheuete, den König und den Staat durch ihre leichtfertige Aufführung entehrete, und entschlossen schiene, ohne allen Rückhalt mit ihren unwürdigen Günstlingen zu regieren. Die Unthärigkeit und der schwache Verstand des Königs, dieneten den ungerechtesten und gräulichsten Verdacht gegen Struensee, zu bestärken; man beschuldigte ihn des erschröcklichen Verbrechens, er habe dem jungen Monarchen Gift beygebracht, welches seine Kräfte verzehrt, und seinen Geist geschwächt hätte; daher kamen die Unordnungen und schändlichen Ausschweifungen, die den Souverain der Verachtung seiner Unterthanen blos stellete, und ihn gegen die Vergehungen der jungen Königin und die Verbrechen ihrer Günstlinge gleichgültig machten.

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Diese in der Hauptstadt listig ausgearbeiteten Gerüchte, machten auf den Kriegsstand und die Bürgerschaft den Eindruck, den die verwittwete Königin vorhergesehen hattte. Sie hatte den Kunstgriff gebraucht, die Grafen Thott und Osten, die Obersten Keller und Scheffer, und alle die Commissarien in ihre Parthey zu ziehen, welche nachher den Auftrag erhielten, den Proceß der Königin und der übrigen Gefangenen zu machen. Der Graf Ranzau, der sowohl bey der Armee, als bey dem Volke, in größestem Ansehen stand, war von ihr ebenfalls, wegen der großen Staatsveränderung, die sie im Sinn hatte, erforscht worden: aber, ob er sich schon öffentlich wider den ersten Minister und dessen Anhänger erklärte, so ließ ihm doch sein natürlicher Stolz nicht zu, sich in eine Verschwörung einzulassen, in der er nur eine Nebenperson

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verstellet; zudem handelte er nach Grundsätzen, die der verwittweten Königin ihren sehr zuwider waren; sein Plan war seinen Mitbürgern die Freyheit wieder zu verschaffen, und durch Einschränkung der souverainen Macht, die alten Gesetze wieder herzustellen. Er theilte sein Vorhaben dem schwedischen Minister mit, welcher auch seinem Hofe Nachricht davon gab, aber dieser entschloß sich, ein gleichgültiger Zuschauer bey den dänischen Unruhen zu bleiben, vielleicht, weil die Verbindung wider Höfe, welche durch die Vermählung des Königs von Schweden mit der königlich dänischen Prinzeßin noch fester gezogen war, diese Macht verhinderte, sich in Verpflichtungen einzulassen, die der regierenden Familie in Dännemark nachtheilig seyn konnten; oder weil Schweden es nicht für sich selbst nützlich hielte, etwas zur Befreyung

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der Dänen von ihrer Knechtschaft beyzutragen.

Der Graf Ranzau, hatte es so gar auf sich genommen, zu bewürken, daß der König von Dännemark, wenn er von seiner Gemahlin geschieden wäre, eine schwedische Prinzeßin heyrarhete. Indessen fuhr die verwittwete Königin fort, den Grafen Ranzau mit besonderer Achtung zu begegnen aus Furcht, einen Mann, dessen Name und Ansehen einer oder der andern Parthey schaden oder nützen könnte, verdrießlich zu machen. Der französische und preußische Minister wußten gewiß um ihr Geheimniß, aber diese Höfe hatten Ursachen, Engeland zu schonen, welches sie nöthigte, heimlich und mit Vorsichttigkeit zu Werke zu gehen.

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Es ist mehr als zu wahrscheinlich, daß die verwittwete Königin selbst der gräulichen Verbrechen, womit sie Struensee belegte, schuldig war. Ihr teuflisches Vorhaben, welches sie zum Theil ausgeführet hat, besteht seit langer Zeit darin: den König bey den Unterthanen verächtlich, und die Königin verhaßt zu machen, die Ehre dieser liebenswürdigen unschuldigen Prinzeßin durch die schwärzesten Verleumdungen zu schmälern, den König, ihren Stiefsohn, durch langsames Gift hinzurichten, den jungen Cronprinzen und die Prinzeßin unehelich zu erklären, dadurch die königliche Familie zu vernichten, und endlich ihren eigenen Sohn auf einen durch Schandthaten erledigten Thron zu setzen.

Es ist zu verwundern, daß die englischen Minister, die, wie alle ihre Mitge-

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nossen, privilegirte Kundschafter sind, weder die gefährlichen Ränke der Königin Juliana gemerket, noch ihrem Hofe Nachricht davon gegeben haben.

Struensee war gewiß ein geschickterer Hof- als Staatsmann, seine gar zu große Sicherheit und der Mangel an Vorsichtigkeit, haben ihn gestürzet. Es ist außer Zweifel, daß die junge Königin eine besondere Achtung für ihn hatte und ein großes Vertrauen in seine Arzneywissenschaft setzte. Sie unterhielt sich oft mit ihm ohne Rückhalt und Zwang; es war also einer listigen Ränkevollen Frau leicht, diesen vertraulichen obgleich unschuldigen Umgang zu nutzen, um diese reitzende, unglückliche Fürstin elend zu machen.

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Obschon Struensee als Minister dem Publico mit den schwärzesten Farben abgeschildert ist, so hat er doch Befehle ergehen lassen, welche zur Sicherheit des Staats und der Nachkommenschaft verdienten verewigt zu werden. Vor seiner Zeit waren die Einwohner von Kopenhagen der strengsten Aufsicht der Policey unterworfen, welche zu allen Stunden, bey Tag oder Nacht gewaltthätig in ihre Häuser drangen. Er befahl, daß künftig niemand in seinem Hause sollte beunruhiget werden, ausgenommen Missethätter.

Das allgemeine Vorurtheil hatte die Vergehungen der Wittwen, der leichtsinnigen Mädgen, und die unehelichen Kinder mit einer solchen Schande belegt, daß erstere deshalb oftmals die Frucht ihrer schändlichen Liebe vernichteten. Diese Verbrechen und Mißbräuche zu verhin-

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dern, gab der Graf Struensee ein Edict heraus, worinn bey Geldstrafe verboten wurde inskünftige Jemanden von diesen Gegenständen des Mitleids und der Menschlichkeit, den geringsten Vorwurf zu machen; zugleich wurden dadurch die unehelichen Kinder in Ermangelung rechtmäßigen, fähig erkannt die Güter ihrer Eltern zu ererben.

Diese heilsamen Edicte und weise Verordnungen sind seit der letzteren Revolution wieder abgeschaffet. Da man dem unglücklichen Struensee ein Verbrechen daraus gemacht, daß er seine Edicte in deutscher Sprache kund machen lassen, da diese doch allezeit die Sprache des Hofes und des Cabinets gewesen.

Hätten die Berschwornen den Befehlen der verwittweten Königin (die voll Un-

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geduld auf die Ausführung ihrer ungerechten Entwürfe, war) schlechterdings gehorchet; so wäre die Revolution vom 17. Jenner, sechs Monate eher ausgebrochen. Dieser fatale Tag wurde endlich bestimmt, an welchem das Ansehen des Königs vernichtet, eine junge Fürstin, dis Schwester und Gemahlin eines Königs entehret, ihre Nachkommenschaft mit Schande beladen, und die angeblichen Mitschuldigen ihrer Verbrechungen und Vergehungen, dem leichtgläubigen und einfältigen Dänen zum Abscheu sollten, dargestellt werden.

Die Abdankung des Garde-Regiments wozu der König einige Wochen vorher, aus ökonomischen Gründen überredet würde, stellte die Schwachheit und Blödsinnigkeit des Monarchen ins Licht; und dienere dazu, Struensee bey der Armee noch verhaßter zu machen. Die ver-

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wittwete Königin bediente sich schlau dieses Vorfalls, um feine Staatsverwaltung in übeln Ruf zu bringen, und ihm als einen Feind aller derer abzuschildern, denen die Leibwache seiner Majestät anvertraut war. Obschon in der That Struensee, um dem Staat Ausgaben zu ersparen, den Vorschlag gethan hatte: daß die Regimenter, welche zu Kopenhagen in Garnison lagen, die Dienste der Garde thun sollten.

Der Graf Ranzau, der vergebens gesucht hatte das Haupt einer eigenen Parthey zu werden, ergab sich den dringenden Bitten der verwittweten Königin und nahm es auf ihr Ersuchen über sich, die regierende Königin, gefangen zu nehmen und nach dem Schloß Cronenburg zu führen.

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Diesen waren die üblen Gesinnungen ter verwittweten Königin in Ansehung ihrer, gar wohl bekannt, aber sie war gegen ihre List und Kunstgriffe nicht genugsam auf ihrer Huth, und Struensee versäumte es, ein Auge auf die treulose Juliana und ihre Ausspäher, zu haben. Hätte er sie aufheben und an einen sichern Ort bringen lassen; so würde diese eigenmächtige That seine Feinde in Schröcken gesetzt haben, und die Einwilligung des Königs, die er leicht erhalten hätte, würde ihm für alle Vorwürfe von Gewaltthätigkeit oder Ungerechtigkeit, gesichert haben.

Die Verschwörung vom 17. Jenner, würde mit undurchdringlicher Geheimhaltung betrieben. Eine Masquerade war das Vorspiel ihrer schröcklichen Entwikkelung. Bis in dem Augenblick, da die Königin, der Graf Struensee und des-

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sen Bruder, der Graf Brandt, der General Gähler und dessen Gemahlin, (welche den Abend Mit dem König spielte) der Generallieutenant Hesselberg, der General Gude, der Freyherr von Bülow, der Staatssecretär Zöge Herr Panin u. a. aufgehoben wurden, hatte niemand den geringsten Argwohn an einer so außerordentlichen Begebenheit. Der Prinz Friedrich, Bruder des Königs, begab sich gegen 11 Uhr von dem Balle weg, um mit seiner Mutter die Maaßregeln zu treffen, die den glücklichen Ausschlag dieses boshaften Angriffs versichern sollten. Bey Festsetzung der jungen Königin und deren Anhänger, zwang man den König, den Verhaftsbefehl zu unterschreiben; im Weigerungsfall wäre er vom Thron gestürzet und sein Leben selbst in Gefahr gewesen. Um dem Pöbel noch mehr gegen diese vornehme Verbrecher

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aufzubringen bestach dre verwittwete Königin einige gemeine Leute, welche: Vivat Juliana Maria! und um Gerechtigkeit gegen die Königin und ihren geliebten Struensee, schrieen. In der ersten Wuth begieng das verblendete Volk die grösten Ausschweifungen, und brach in Schmähworten gegen die unglückliche Mathilde aus, die es offenbar des Ehebruchs und schröcklicher Verbrechen, ge- gen den Staat und den König beschuldigte. Der Graf Ranzau, wollte sich, ungeachtet er Gewalt gegen die Königin brauchte, doch noch ein Verdienst daraus machen, sie der Wuth des Pöbels entrissen zu haben. Dieses junge Opfer, welches den Haß einer unversöhnlichen Furie geweihet war, bezeigte eine bewundernswürdige Standhaftigkeit in diesem schröcklichen Unglück. Der, durch die listige Königin Wittwe bestochene Senat

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erklärete sie, ohne einige Form des Processes des Ehebruchs und der Vergiftung des Königs, ihres Gemahls, schuldig und würde sie zum Tode verdammt haben, wenn der englische Minister, Herr Reith, nicht aufs feyerlichste gegen alle Gewaltthätigkeiten, womit die Person der Königin bedrohet wurde, protestirt hätte: er untersuchte mit einem seinem Character würgen Muthe, die unterdrückte Unschuld, und widerlegte mit großem Nachdruck ihre Ankläger; wobey er ihnen zum Schluß die Rache seiner Nation und das Bombardement von Kopenhagen ankündigte, wofern sie der Schwester seines Souverains keine Gerechtigkeit widerfahren ließen. Diese Drohungen verhinderten, daß ein so unerhörtes Urtheil nicht alsobald ausgeführt wurde. Wenige Tage nach der Gefangenhaltung der Königin zu Cronenburg, wo sie von den aufgebrachten

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Soldaten aufs verächtlichste begegnet wurde, verwandelte sich die Wuth des Pöbels in Mitleiden, für eine Fürstin, deren unglückliches Schicksal man endlich der grausamen Politik eines bösen Weibes zuschrieb. Ihr Sohn, Friederich, wurde zum Chef des geheimen Raths ernannt.

Der König, der nun von der Willkühr seiner Stiefmutter abhing, übte keine Handlung der Souverainität mehr aus, die Befehle, die er unterschrieb, waren nur dann gültig, wenn sie durch Julianens neuen Staatsrath bekräftiget wurden. Aller Umgangs und Briefwechsel mit seiner unglücklichen Gemahlin, wurde ihm untersagt, und er willigte sogar zu seiner Demüthigung darin, seine Unterthanen zwischen sich und der Königin, zu Richter zu nehmen.

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Die beyden Struensees und der Graf Brandt, wurden dem Gelächter und Beschimpfung des niedrigsten Pöbels blos gestellt, und im Triumph vor das Tribunal ihrer unbarmherzigen Richter geführt. Diese wurden der vergeblichen Fragen müde, und droheten sie mit der schröcklichsten Tortur, deren scheußliche Quaalen sie zum Bekännmiß von Verbrechen brachte, die sie nie begangen hatten. Ein Bösewicht, Namens Groninter, der sich auf Anstiften der verwittweten Königin, bey dem Grafen Struensee eingeschmeichelt hatte, und sein Vertrauen mißbrauchte, wurde, um das Publicum zu hintergehen, eingesetzt und mit Fesseln belegt. Er wies einige verfälschte Briefe vor, die einen strafbaren Umgang des Grafen mit der jungen Königin anzeigten, und hatte sogar die Unverschämtheit, zu behaupten, daß er mehr als einmal ein Augenzeuge ihrer

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ungeziemenden Vertraulichkeiten gewesen sey: sogleich wurde er wieder entlassen, und erhielt eine ansehnliche Summe zur Belohnung seines Betrugs und seiner Treulosigkeit.

Um günstige Vorurtheile für ihre Gnade und für die Gerechtigkeitsliebe der zur Verurtheilung der Verbrecher bestimmten Commissarien zu erwecken, hat die verwittwete Königin verschiedenen Personen, welche im Verdacht waren, dem neuen Ministerio ergeben zu seyn, die Freyheit wieder geben lassen.

Sie ließ in der Hauptstadt einen Brief bekannt machen, und im Reiche ausbreiten, welchen sie dem König vorgeschrieben hatte, des Inhalts, daß er von der Untreue seiner Gemahlin und von dem Struensee aufgebürdeten Verbrechen

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überführt wäre. Da die Geistlichkeit ihr gänzlich ergeben war, so befahl sie denen in der Kanzelberedsamkeit berühmtesten Predigern, gegen die Leichtfertigkeit und Ausschweifungen an Mathildens Hof, loszudonnern und die in Ungnade gefallenen Minister als Bösewichter und Gotteslästerer abzumahlen, dem Allmächtigen aber Dank zu sagen, daß er das Volk unter der glücklichen Anführung der Königin Juliana, von der Unterdrückung dieser Feinde der Religion und des Staats befreyet habe.

Sie war so grausam, des Unglücks der gefangenen Königin zu spotten, indem sie zween Geistliche bestimmte, um wechselsweise vor ihr zu predigen, und sie zu ermahnen den Rest ihrer Tage dazu anzuwenden, ihre Verbrechen und Fehler zu beweinen.

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Seitdem der vernünftige Theil der Nation ihre schwarzen Absichten und strafbare Entwürfe entdeckt hat, hat sie einen großen Schein von Mäßigung und Gleichgültigkeit in Verwaltung der Staatssachen angenommen. Diese Entdeckung hat auch ihre Angriffe auf das Leben der königlichen Familie abgehalten, und die auswärtigen Zeitungen, welche sie dieser Absicht beschuldigten, haben würklich durch Errathung ihrer bösen Endzwecke, deren Erfüllung verhindert.

Sie hat sogar die Heucheley und Verstellung so weit getrieben, daß sie ausbreitete, sie wünschte, daß zur Einrichtung des Processes der Königin, niedergesetzte Gericht, möchte dieselbe frey sprechen; um das Publikum hierin zu hintergehen, gab sie dem König ein,

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den berühmten Advocaten Uldahl in dieser wichtigen Sache zu gebrauchen, und ihn seines Eydes zu erlassen, damit er sie mit aller der ihm eigenen Beredsamkeit, zu ihrem Besten treiben könnte. Dieser Kunstgriff kann niemand irre machen, ein jeder, der die Grundsätze und Absichten des königlichen Advocaten kennet, wird wissen, daß er die Seele des Complots der verwittweten Königin ist. Wenn seine Beredsamkeit und der Nachdruck seiner scheinbaren Gründe die Königin nicht retten könne, so wird die ganze Nation sie für schuldig halten. So urtheilte diese Megäre bey sich selbst.

Wurklich hat auch die ganze schöne Declamation und alle Redekunst des Herrn Uldahl nur dazu genutzet, die der unglücklichen Königin untergescho-

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benen Laster, als wahre auszugeben, und sie mit Schande zu bedecken. Alle Anklage gegen sie sind kaum Vermuthungen, und man hat keinen einzigen Beweis ihrer Untreue gegen den König, sonst würde sie entehret, mit dem Tode bestraft, und ihre Kinder für uneheliche, erklärt worden seyn. Die Furcht der gerechten Ahndung des Königs ihres Bruders, und einer großmüthigen Nation, die allzeit bereit war, der unterdrückten Unschuld, einer in ihrem Schooß gebohrenen und erzogenen Fürstin beyzustehen, nöthigten die grausame verwittwete Königin, ihr erstes Urtheil in eine beständige Gefanschaft an den äußersten Grenzen, der mit Eis bedeckte Wüsten von Jütland zu verändern.

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Der Verfasser dieser Erzählung, kennet schon lange die verwittwete Königin und ihre niederträchtigen Ränke. Er hoffet, es werde in England nicht an Rechtschaffenheit fehlen, sie zur Reue über ihre Verbrechen und Grausamkeiten gegen eine der liebenswürdigsten und vollkommensten Prinzeßinnen Europens, zu bringen, welche in ihrem ein und zwanzigsten Jahre, durch ein erkauftes Complot verurtheilt ist, in einen Kerker zu veralten.

Ich versichere nochmals zum Beschluß, daß die Königin Mathilde unschuldig ist, ohngeachtet des verkehrten Urtheils, das ungerechte, bestochene Richter gesprochen haben.

Die verwittwete Königin fordre ich, so heuchlerisch und verstellt sie auch ist,

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auf, das Gegentheil dessen, was ich zu ihrem Nachtheil bewiesen habe, darzuthun.

Ich verabscheue die verwittwete Königin als ein Ungeheuer, und bin bereit mein Blut zur Rache der Unschuld ihrer Rivalin, zu vergießen. Ich wünschte, daß diese mir von der Wahrheit eingegebene kleine Schrift, bey fremden Nationen Eingang finde, um die verwittwete Königin der entfernsten Nachwelt, zum Gräuel darzustellen, und die Regierung allen denen verhaßt zu machen die fähig sind, Gerechtigkeit und Menschenliebe zu empfinden.

Der Minister des Königs, Freyherr von Diede, wird in der Residenz gefangen gehalten, und verdient die Ausnahme von den allgemeinen Vorurtheil wider Julianens Minister. Er besitzt alle

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Eigenschaften eines großen Staatsmanns, die Grundsätze eines rechtschaffenen Mannes, und die Tugenden eines guten Bürgers. An der jetzigen Revolution hat er keinen Antheil und in der gefährlichen Lage worin er sich jetzt befindet, hat er sich durch sein Betragen Ehrfurcht von einer Nation zu erwerben gewußt, die der seinigen gehäßig ist.

Wenn Englands Rache noch durch einige Ursachen aufgeschoben wird, so rühren solche von den Mächten her, die die Parthey der verwittweten Königin nehmen.

Die Königin Mathilde schrieb folgenden Brief, welcher von dem wachthabenden Officier aufgefangen ward. Da ich kein Englisch verstehe, so habe ich eine getreue Uebersetzung davon bekommen.

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An den Ritter Keith, dem großbrittannischen Gesandten:

„Vom ersten Tage meiner Gefangenschaft an, habe ich es vorausgesehen, die Wuth meiner Feinde würde auf den Verlust meiner Freyheit oder meines Lebens dringen. Ich ergebe mich vollkommen gelassen in einen von beyden Schicksalen. Aber der Gedanke, daß meine Ehre beflecket ist, und meine lieben Kinder der Willkühr eines Volkes, das unbilliger Weise gegen die Rechtmäßigkeit ihrer Geburt eingenommen ist, überlassen sind, überhäuft mich mit dem lebhaftesten Schmerz. Hat der König, mein Bruder, mich denn verlassen? Großer Gott, will denn niemand meine Unschuld und mein Andenken rächen! Ich zweifle, ob dieser Brief meinem unbarmherzigen Ar-

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gus entgehen wird, aber wenn Sie ihn erhalten, so fahren Sie fort, mir die Dienste, die in Ihrer Macht sind, zu leisten. Niemals werde ich den Eifer vergessen, welchen Sie für die Sache der Unschuld bezeiget haben, und sollte der Himmel mich jemals wieder in den Rang und die Vorzüge setzen, woraus ich so ungerecht verstoßen bin, so sollen Sie, sicherer Beweise meiner Erkenntlichkeit haben. O wäre ich doch in England, meinem lieben Vaterlande, wo der geringste Elende den Vorzug hat, durch seines Gleichen gerichtet zu werden. Hat mich denn die ganze Welt vergessen? Ich fange an, mager zu werden, und meine Gesundheit ist seit meiner Einsperrung in diesen Mauern sehr geschwächt. Alle, die um mich sind, sind mir verdächtig, ich zweifle, ob

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ich jemals meine Freyheit wieder erhalte. Um Gottes willen, suchen Sie doch zu mir zu kommen; die Zeit kommt heran, daß mein Proceß gemacht wird, aber mein Urtheil ist schon gesprochen.

Ich bitte Gott, daß er Sie in seinen heiligen Schutz nehme.

Mathilde.

Cronenburg, den 11. April, 1772.

Der englische Minister, dem der König, sein Herr, zum ruhmvollen Belohnung seines Eifers und zum Zeichen der Zufriedenheit mir seinem Betragen, den Orden von Bath gesandt hat, ist durch Julianens Anschläge der Zutritt zum König versagt, aber ihr Ansehen ist doch nicht so groß, daß sie den König hätte verhindern könnet, ihm ein Ba-

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taillon zur Sicherheit seiner Person und Bewachung seines Hauses zuzugeben. Der Ritter Keith ist zurückberufen, und Englands Drohungen, die durch eine ansehnliche Ausrüstung, Nachdruck erhalten haben, haben die dänische Regierung gezwungen, die junge Königin, diesem Minister zu übergeben; er wird sie in das Churfürstenthum Hannover, welches der König, ihr Bruder, zu ihrem Aufenthalt angewiesen hat, begleiten. Ihr Proceß ist ein Gewebe von Widersprüchen, wo sie zu gleicher Zeit unschuldig und strafbar erklärt wird. Den unglücklichen Struensee betreffend, so hat man ihm angekündiget, daß er durch einen gewaltsamen schmerzhaften Tod die Verbrechen büssen soll, deren die verwittwete Königin sich gewiß schuldig gemacht hat.

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Mit einem Wort, alle vorgegebenen Verbrechen der jungen Königin, wider den Staat und den König, sind ohngeachtet der untergeschobenen Zeugen, um sie ihres Rangs und ihrer Vorrechte zu berauben, von allen rechtskräftigen Beweisen entblößt. Der König, der an diesem berüchtigen Proceß den vornehmsten Antheil hat, ist weit entfernt, sie der Untreue und noch schwärzerer Laster zu beschuldigen, sondern hat verschiedentlich erkläret, sie wäre eines Gemahls würdig, der mehr, wie er, geneigt wäre, ihren Reitzen und Tugenden Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Das offenherzige Gestandniß seiner Ausschweifungen und unordentlichen Lebensart, rechtfertiget die Gleichgültigkeit und Abneigung, die sie schon lange gegen ihn bezeiget hat. Hätte sie, während ihres Verhafts eine Unterredung mit dem König haben können, so

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ist außer Zweifel, daß sie ihn genöthiget hätte, ihr, wegen des ansgestandenen Unrechts, Genugthuung zu verschaffen. Aber die verwittwete Königin verhinderte beständig alle Gemeinschaft zwischen ihnen, weil sie überzeugt war, daß die junge Königin durch eine Zusammenkunft mit dem König bald ihre Freyheit würde bewürkt, und ihre Feinde zur Reue über ihre Ungerechtigkeiten, gebracht haben.

Zusätze

des englischen Herausgebers. Da die vorhergehende Schrift zu Hamburg

französisch herauskam, ehe das Schicksal der Grafen, Struensee und Brandt, entschieden war, so glaubte der englische Herausgeber, es seine Schuldigkeit zu seyn, seinen Lesern das, was nachher davon bekannt geworden, vor

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Augen legen zu müssen, um eine so vollkommene Nachricht als möglich, von dem Ursprung und den Folgen dieser außerordentlichen Verhandlung zu geben.

Die große Commißion sprach den 25ten April das Urtheil über diese beyde vornehme Unglückliche; die ihnen zur Last gelegten Verbrechen, welche vorher am Hofe bekannt gemacht waren, sind folgende:

Der Graf Struensee wurde schuldig erklärt, er habe von dem Schatze des Königs den 6 Tonnen Goldes entwendet, er habe verschiedene Cabinetsordres, ohne Vorwissen des Königs ausgefertiget; einen strafbaren Umgang mit der Königin gepflogen; verschiedene Briefe, die dem König hätten sollen vorgelegt

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werden, untergeschlagen; dem König die Abdankung der Garde angerathen; die Münze verfälscht, und verdächtige Anstalten in der Stadt gemacht.

Der Graf Brandt wurde schuldig erklärt, daß er um Struensees strafbaren Umgang, und aller ihm zur Last gelegten Verbrechen gewußt habe, ohne sie anzugeben, wie auch, daß er böse Absichten unmittelbar gegen die Person des Königs gehegt hätte.

Darauf wurde folgendes Urtheil gesprochen:

Johann Friederich Struenfte hat, nach Inhalt des dänischen Gesetzbuchs VI. B. 4. Cap. 1. Art., wegen seiner Verbrechen, seine Ehre, Güter und Leben verwirket: Sein Wappen soll durch

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den Henker zerbrochen, ihm seine rechte Hand und nachher der Kopf abgehauen werden: sein Körper darauf geviertheilt und aufs Rad geflochten, sein Kopf aber und die Hand auf einen Pfahl, beym Thore angenagelt werden.

Gleiches Urtheil wurde über den Grafen Enewold Brandt gefället.

Dieses strenge Urtheil wurde am 28ten desselben Monats, um 8 Uhr des Morgens vor dem Osterthore vor Kopenhagen, auf einem zu diesem Ende auf dem Felde dazu aufgerichtetem Blutgerüste, vollzogen. Der Graf Brandt wurde zuerst hingerichtet, und bewies einen großen Heldenmuth, und eine Standhaftigkeit ohne Beyfpiel. Nach Abhauung der Hand, sagte er mit vieler Ruhe:

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„ich muß gestehen, das schmerzt ein weinig.“ Demohngeachtet überstand er das übrige seines Urtheils mit einer bewundernswürdigen Unerschrockenheit, hielt eine Rede an die Zuschauer, bezeugte seine Unschuld, und erklärete seine Ankläger für erkauft und meineydig. Sein Kopf wurde dem versammleten Volke verschiedenemal vorgezeigt. Er wurde vom Herrn Hee, einem protestantischen Geistlichen, zum Gericht geführt.

Der Graf Struensee gieng mit vielem Widerwillen zum Tode; er beklagete sich noch lange gegen dem Geistlichen, den Doctor Münter, der ihn begleitete, über die Härte seines Schicksals, und schien eine zeitlang auf Aufschub seiner Todesstrafe zu hoffen, wobey er bis auf den letzten Augenblick, seine Unschuld be-

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theuerte'; aber der Doctor Münter bewies ihm mit vielem Nachdruck seine übelgegründete Hoffnung, darauf fing er mit der größesten Inbrunst zu beten an, aber er konnte sein Schicksal nicht mit solcher Standhaftigkeit erwarten als der Gefährte seines Unglückes. Wie ihm die Hand abgehauen war, erhob er sich plötzlich, wurde aber mit Gewalt in seine vorige Stelle gebracht. Sie waren beyde in farbigter Kleidung, der eine grau mit Gold, der andere blau. Das Gerücht, als wenn Brandt dem Geistlichen, der ihm das Abendmahl gereichet, gebeten habe, Gift in den Kelch zu schütten, um einem schimpflichen und schmerzhaften Tode zu entgehen, ist gänzlich ungegründet.

Die Vorstellungen des Ritter Keith, zum Besten der Königin, haben die er-

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wünschte Würkung gethan. Man hat ihr erlaubt auf den Wällen von Cronenburg die freye Luft zu genießen, jede Gesellschaft die ihr gefält bey sich zu haben, und den englischen Minister zu jeder Zeit zu sich kommen zu lassen. Dieser wird sie nach Zelle, im Churfürstenthum Hannover begleiten, wo sie wenigstens eine zeitlang sich aufhalten und ein Jahrgeld von 30000 Rthlr. genießen wird. Weil auch dem Ritter Reith, alle zum Besten der Königin gefoderten Bedinge zugestanden sind; so sind alle Gedanken von Feindseligkeiten auf beyden Seiten aufgerufen, und er wird wahrscheinlich, wenn er vorher nach England gereiset, und einen umständlichen Bericht von diesem wichtigen Vorgang abgestattet hat, in einem öffentlichen Character nach Kopenhagen zurückkehren.

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Das Gerücht einer Heyrath, des Königs von Dännemark mit einer Prinzeßin von Brandenburg-Schwedt, ist nicht allein unwahrscheinlich; sondern verträgt sich auch nicht mit dem zu Kopenhagen jetzt angenommenen Staatssystem: Denn die verwittwete König ist fest entschlossen, wenn es möglich ist, ihren Sohn Friederich, auf den Thron zu setzen, welcher Entwurf mit keiner Heyrath Christian des Siebenden bestehen kann, da eine junge Prinzeßin, der Hauptlinie Erben geben könnte, die ein Recht zur Thronfolge hätten.

Was den jungen Kronprinzen und die Prinzeßin betrifft, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß sie wohl an einer ähnlichen Krankheit als Peter der Dritte vom St. — sterben könnten.

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Zuverläßige

Nachricht

von

der letztern Staatsveränderung

in

Dänemark

von

Ihro Majestät der Königin

Caroline Mathilde

während Ihrer Gefangenschaft auf

dem Schlosse zu Kroonenburg

eigenhändig entworfen und ohnlängst

dem Grafen von ***

zur Prüfung zugesandt.

Nach dem Original abcopirt und

aus dem Englischen übersetzt.

Rotterdam 1772, bey J. F. Ebert.

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An

dem Herrn

Grafen von ***

Mein Herr,

Die unverbrüchliche Treue, so Sie in unzählbaren Fällen meiner Familie erwiesen, und die besondern Merkmale der Achtung und Freundschaft, so Sie mir jederzeit gegeben haben, muntern mich auf, gegenwärtige Rechtfertigung meiner Aufführung wider die falschen und boshaften Beschuldigungen, die man wider mich gemacht und um deren willen ich heute ungerechter weise bin gefangen gesezt worden, Dero Prüfung zu unterwerfen. Der große Ruf von Dero Aufrichtigkeit und Einsicht, mit der Sie Ihr Urtheil zu fällen pflegen, und auf welches sich ein jeder sicher verlassen kann, ist der Bewegungsgrund, warum ich Sie bey dieser Gelegenheit vor allen andern am allerliebsten erwähle. Ich zweifle demnach nicht, daß meine Landsleute, nicht also-

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bald sollten, sobald sie werden erfahren haben, daß Sie vollkommen von meiner Unschuld überzeugt sind (wie ich denn hoffe daß Sie es seyn werden, nachdem Sie den umständlichen Bericht von meinen Unglücksfällen gelesen haben) denjenigen Vorurtheilen entsagen, welche mehr als eine Person, so wie ich vernehme, schon wider mich gefaßt hat, und welches Folgen von demjenigen boshaften Gerüchte sind, die meine Feinde so eyfrigst durchs ganze Königreich ausgesprenget haben. Der Gedanke, daß mein Name unter meinen Landeleuten einen Anstrich bekommen, verdoppelt den Schmerz meines erniedrigenden Zustandes und meiner Gefangenschaft; und wäre ich mir nicht bewußt, daß ich meine gegenwärtigen Leiden auf keinerley Art verdienet habe, so würde ich ohne Zweifel unter der schweren Last meines Unglücks erliegen müßen.

Dieses vorausgesetzt, werde ich mich nun gegen die Beschuldigungen meiner Feinde rechtfertigen.

Die Verbrechen, welcher man mich beschuldiget, und deren Art und Beschaffenheit ich nicht eher als einige Zeit nach meiner Arretirung habe zu wissen bekommen, bestehen darinn: daß ich mich einer Verschwörung gegen den König meinen Gemahl, in der Absicht, um ihm die Krone zu nehmen, soll schuldig gemacht haben; daß ich, in Einverständniß mit den Grafen Struensee, Brandt und andern wirklich eine Renunciations-Acte sollte aufgesetzt haben, welche ich

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wäre Willens gewesen, Se Majestät mit Gewalt unterschreiben zu lassen, wenn wir uns seiner Person würden bemächtiget haben, welches Vorhaben, so wie vorgegeben wird, wir im Begrif stunden, auszuführen, selbst in dem Augenblick, da wir auf dem Befehl des Königs sind arretirt geworden; und endlich, daß ich das Bette des Königs meines Gemahls, durch Untreu mit dem bemeldten Grafen Struensee, sollte entehret haben. Diese Beschuldigungen sind die Anlage zu meiner Arretirung gewesen. Inzwischen werden mir noch verschiedene andere Dinge, wiewol von einer geringern Art, zur Last gelegt, von welchen ich an seinem Orte sprechen werde, um so viel mehr, da sie nicht unter die Staatsverbrechen sind gerechnet worden.

Die gänzliche Unmöglichkeit, um eine Unwahrheit zu beweisen, läßt mich sehr wohl begreifen, wie schwer es mir fallen wird, mich wider diese Beschuldigungen zu vertheidigen; jedoch wenn ich beweisen kann, wie ich es hoffe, daß die ganze Aufführung, welche man in Absicht meiner beobachtet hat, eigenmächtig und ungerecht gewesen ist, und daß der bloße Anschein, wornach meine Feinde glauben, mich schuldig erklärt zu haben, weit entfernt ist, um einen beweisenden Schluß daraus zu ziehen; wenn ich dieses, sage ich, beweisen kann: so werde ich folglich gezeigt haben, wie natürlicher Weise daraus folgen müsse, daß diejenigen, welche meine Aufführung untersucht haben, sind gezwungen worden, jedem

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Punct des Rechts und der Billigkeit Gewalt anzuthun, um ihre böse Absichten zu vollstrecken. Hier werde ich einige Anmerkungen beyfügen, um die Unwahrscheinlichkeit darzuthun, daß ich an bemeldten Verbrechen schuldig seyn sollte.

Erstlich demnach, was die Umstände meines Arrests betrift: so hatte man, da die Ordre dazu gegeben wurde, noch niemand verhört, der eine Beziehung auf dasjenige hat, so mir ist zur Last gelegt worden; folglich versichert man sich meiner, ohne den geringsten Schein einer Ursache dazu zu haben. Man wird mir vielleicht einwenden, daß es nöthig war, sich meiner in der nämlichen Zeit zu versichern, als man die andern Personen in Verhaft nahm, aus Furcht, ich möchte bey der ersten Nachricht von ihrer Gefangennehmung Mittel finden zu entwischen; man kann hinzu fügen, daß ich, weil ich Theil an ihrer Verschwörung gehabt hätte, nicht mehr Höflichkeit fordern müßte als sie in diesem Fall selbsten gefunden hätten. Hierauf antworte ich, daß weil ich eine von den aufgezeichneten Personen war, welche sollten angeklagt werden, meine Feinde ohnedem schon gewußt haben würden, mich so genau zu bewachen, daß es mir unmöglich gewesen wäre, zu entwischen; auch hatten sie um so viel weniger Ursache meine Entwischung zu befürchten, da diejenigen, welche nach ihrem Vorgeben, meine Mitschuldige waren und die mir in der Ausführung eines solchen Plans helfen mußten, selbsten durch die Ketten womit sie

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gefesselt waren, aller Möglichkeit dazu ermangelten. Doch der folgende Umstand wird diesen Punct noch mehr aufklären.

Die Ordre des Königs um mich zu arretiren, wurde ihm durch die verwitwete Königin und durch den Prinz Friedrich mit Gewalt ausgepresset; denn als ihm diese beyden Personen die schriftliche Ordre vorlasen und ihm nöthigten, sie zu unterschreiben: so weigerten sich Se. Majestät schlechterdings, es zu thun, und zwar so lange bis daß die Königin zu ihm sagte, daß wenn Se. Majestät sich nicht dazu bequemen wollten, so würde sie und ihr Sohn diese Ordre unterschreiben. Der unglückliche König, welcher damals ohne Zweifel bemerkte, daß ihm nichts mehr als nur der Schatten von der Königl. Würde noch übrig geblieben war, und daß, indem er unter der Gewalt seiner Mutter und seines Bruders stund, seine eigene Sicherheit Gefahr liefe, woferne er nicht in alles das, was sie forderten, willigte, unterschrieb endlich mit zitternder Hand und mit beklemmten Herzen, die Ordre, mich in die Hände meiner Feinde zu liefern.

Hier muß ich die nothwendige Anmerkung machen, daß der König sich weigerte, die Ordre zu unterschreiben sogar nachdem ihm die Königin und der Prinz versichert hatten, daß die Verschwornen und ich beschlossen hätten, ihn zu zwingen, auf dem Thron Verzicht zu thun, ein augenscheinlicher Beweiß, daß er mich nicht vor fähig hielte, einen solchen Complot zu machen.

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Nachdem also die Ordre durch einen so krummen Weg ist erhalten worden: so wurde sie dem Grafen Ranzau zur Vollstreckung zugestellt. Diese Ordre ist mit Gewalt ausgepreßt, und, ich muß es sagen, auf eine unerlaubte Art vollstreckt worden. Ich behaupte nicht, daß der Graf den Auftrag gehabt, so barbarisch zu handeln, als er gethan hat; ich muß vielmehr bekennen, daß ich besagten Grafen jederzeit vor einen edeldenkenden Mann von seiner Lebensart gehalten habe. Der Graf ließ mir nicht viel Zeit, mich auf mein Gefängniß zu zubereiten, und als die Stunde meiner Abreise vom Schlosse gekommen war: so half er mir oder vielmehr er stieß mich in die Kutsche, die mich nach dem Kastel Kroonenburg, den Ort meines Gefängnisses, bringen sollte. Doch ehe ich noch das Schloß verließ, drang ich mit Standhaftigkeit darauf, daß man mir erlauben möchte, mit dem Könige meinem Gemahl zu sprechen: allein diese Freyheit wurde mir von dem Grafen Ranzau schlechterdings abgeschlagen, und als einige Officiers, die ihn begleiteten, geneigt schienen, mein Ansuchen erfüllt zu sehen: so brachte er sie bald auf andere Gedanken, da er sie versicherte, daß es ihnen unfehlbar den Kopf kosten würde, wenn ich dazu gelangte, den König zu sehen. Diese Worte des Grafen, lassen mich gnugsam vermuthen, daß die Gefangennehmung meiner Person eher geschehen ist, als der König dazu die Ordre unterzeichnet hat, und daß der Graf in der ganzen Sache

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lediglich die Ordres der verwittweten Königin m d des Prinzen Friedrichs, ohne Mitwissen Sr. Majestät befolgt habe; denn es ist gar nicht möglich voraus zu setzen, daß der Graf und die übrigen Officiers sollten bey Vollstreckung der Ordre, die der König selbst gegeben hatte die mindeste Gefahr gelaufen seyn. Zwey andere Umstände bestärken mich in dieser Vermuthung: der erste ist, daß die Ordre mich zu arretiren, nicht eher als einige Zeit hernach, nachdem sie vollzogen worden, vorgezeiget wurde. Der zweyte Umstand ist dieser, daß der Obriste Köller, als er dem Grafen Struensee den Arrest ankündigte, gestund, daß er zwar die Ordre des Königs nicht bey sich habe, allein daß er das was er thäte, bey Verlust seines Kopfes verantworten wolle. Wenn diese Vermuthungen gegründet sind: so folgt nothwendig, daß die Königin und ihr Sohn zuvor beschlossen hatten, des Königes Handzeichnung zu erhalten, es koste was es wolle; oder daß sie, wenn sie sähen, daß ihr Unternehmen fehl schlüge, alsdann den Widerstand Sr. Majestät gegen ihre Maasregeln dadurch fruchtlos machen würden, daß sie ihn in der nämlichen Zeit, als sie sich meiner Person versicherten, des Throns beraubten.

Nachdem ich einige Stunden in dem Palais als eine Gefangene gehalten worden; so wurde ich von dar nach den Kastel Kroonenburg gebracht, und zwar in der Absicht, um zu verhindern, daß ich keine Gelegenheit haben sollte, mich auf

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einige Weise zu dem Könige meinem Gemahl zu verfügen. In der nämlichen Zeit, als man mich aus dem Palais führte: so wurden alle die, welche bey Sr. Majestät etwas vermochten, und die als meine Freunde bekannt waren, arretiret, ohne Zweifel um dadurch zu verhindern, daß mir niemand von ihnen bey Sr. Majestät einigen Dienst leisten möchte. Der König, als er sahe, daß man ihm keine andere Personen zu seiner Aufwartung zuliesse und sich durch mein Exempel nur allzu wohl bewust war, wie sehr er in ihrer Gewalt, und genöthiget sey, sich ihrem Willen zu unterwerfen, fand sich in die Nothwendigkeit versetzt, alle ihre Unternehmungen mit seinem Königlichen Ansehen zu unterstützen. Daß verschiedene Personen nur blos aus obberührten Gründen sind arretirt geworden, erhellet daraus ganz klar, weil sie alle wieder sind los gelassen worden, ohne daß man wider sie nur den geringsten Schein von Beschuldigungen bey dem angeordneten criminal Gerichte, vorgebracht hätte. Einige von diesen Personen haben so gar nachhero Pensiones bekommen, ohne Zweifel um sie dadurch wegen der ungerechten Behandlung und der unverdienten Gefangenschaft, schadlos zu halten. Ich werde nun über das Verfahren der Richter, die dazu ernennt worden, die Personen zu verhören, die man wegen der vermeynten Verschwörung in Verdacht hatte, einige Anmerkungen machen.

Erstlich was die Art der Beweise betrift, worauf sich die Beschuldigungen gründen, ich mey-

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ne nämlich was mich selbst unmittelbar angehet: so haben meine Feinde behauptet, daß die Verbrechen, deren man mich beschuldigte wären sattsam von meinen Richtern bewiesen worden. Daß sich meine Richter bey dem geringsten Schein eines Beweises, um mich schuldig zu erklären, zufrieden gegeben haben, glaube ich sicher; allein ich leugne zugleich schlechterdings, daß sie wären davon überzeugt geworden, und zwar in demselben Sinn, als sie dieser Ueberführung wollen zuschreiben. Der Beweiß, nach welchen ich bin schuldig erklärt, sagen sie, bestehet in dem Bekenntniß der Personen, die man mir als Mitschuldige zugeordnet hat. Dieser Umstand hätte von einigen Gewicht können gewesen seyn, wenn bemeldtes Bekenntniß freywillig geschehen wäre; allein, wenn man bedenkt, daß ihnen diese Bekenntnisse abgepreßt worden sind, und zwar mitten unter der grausamsten Tortur, wovor die Natur blos schon bey der Erzählung erschrickt: so bin ich überzeugt, daß jeder Unpartheyischer bekennen wird, daß man mit Beweisen von einer ganz andern Art hätte müssen vor den Tag kommen, um das Verfahren der Richter wider mich zu rechtfertigen. Das Betragen der Untersuchungs-Commißion läßt sich auf der andern Seite ganz und gar nicht entschuldigen. Sie haben alles in geheim abgehandelt, da doch der geringste Unterthan ein öffentliches Verhör und in gehöriger Form mit Recht fordern kann; ein Recht, das dem Publico überhaupt zukommt, welches jederzeit von den Gründen, wor-

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auf sich eine Beschuldigung von einiger Wichtigkeit, so man gegen jemand vorbringt, gründet, muß unterrichtet werden. Die ganze Dänische Nation war in dem gegenwärtigen Fall ganz besonders intreßiret, sowol in Absicht der Art der Beschuldigung, als in Ansehung des Rangs und der Beziehung der beschuldigten Partheyen. Nichts destoweniger verstattete man nicht, daß eher etwas von demjenigen, was vor diesen Tribunal geschahe, bekannt wurde, als bis alle Gerichtshandlungen zu Ende waren; ja als der Obriste Keith, als Gevollmächtigter von dem Könige meinem Bruder verlangte, bey dem Verhör der Gefangenen gegenwärtig zu styn: so wurde ihm solches rundaus abgeschlagen. Die Bewegursachen eines solchen Betragens sind, wie ich dafür halte, klar genug; derowegen werde ich auch keine fernere Anmerkungen darüber machen, sondern werde vielmehr diesen Theil, der mich allein betrift, mit der Anmerkung schliessen, daß wenn ich reiflich die bekannte Feindschaft erwäge, welche die Glieder dieses Tribunals wider meine Person gefaßt, wie auch derjenigen, die alle ihre Handlungen dirigiret haben, wenn ich mir, sage ich, alle diese Umstände, wieder in mein Gedächtniß zurück bringe, alsdann richte ich mein Herz mit dem innigsten Gefühl der Dankbarkeit zu GOtt, der mir die Gnade verliehen, ihren Händen zu entgehen und mein Leben zu retten; ich erkenne hier gleichfalls die großen Verpflichtungen, welche ich dem Obristen Keith schuldig bin, der meine Vertheidi-

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gung so beherzt über sich genommen hat, und der, wie ich gewiß versichert bin, meine Feinde unter göttlichen Beystand abgehalten hat, ihr barbarisches und böses Vornehmen wider mich, ins Werk zu richten.

Ich habe nun bishero Ihnen, Mylord, die Art und Weise vorstellig gemacht, wie man mich von der Zeit an, als man sich meiner Person versicherte, bis zur Verabschiedung der Untersuchungs-Commißion, tractiret hak, und Sie werden leicht bemerken, daß die Anmerkungen, welche ich in meiner ganzen Erzählung gemacht habe, so beschaffen sind, als die Sache, die vor mir lieget, natürlicher Weise hervor bringt. Ich wiederhole dasjenige nochmahls, was ich Ihnen bereits zu Anfange dieses Briefes vorgetragen habe, nämlich den Nachtheil, so meine Sache wegen der Schwierigkeit, eine Unwahrheit zu beweisen, leidet. Jedoch ich hoffe, daß Sie nach Lesung des obigen umständlichen Berichts, werden überzeugt seyn, daß man mich auf eine grobe Art beleidigte habe, und solcher Vorrechte beraubet, worauf ich mit Recht und zwar unter einen gedoppelten Karakter nämlich als Souverainin des Königreichs und Unterthanin des Königs, Ansprüche machen konnte. Ich werde nun weiter gehen und zeigen, wie unwahrscheinlich es sey, daß ich an den mir zur Last gelegten Missethaten sollte Antheil gehabt haben. Mit der Beschuldigung einer Verschwörung, um den König zu entthronen, will ich demnach den Anfang machen. Niemals

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hätte ich eine stärkere Probe von meiner Schwäche des Verstandes und Verkehrtheit des Willens geben können, als Theil an dergleichen Complot zu nehmen; denn setzen Sie einmal selbst den Fall, daß dieses Unternehmen wäre zu Stande gekommen: so mußten ja die Folgen davon mir äußerst nachtheilig seyn: weil die Dänen gewiß niemals würden verstattet haben, daß ich als eine Ausländerin weder unter dem Titel einer Königin noch einer Regentin, über sie regierte; und in dem Fall würde der entthronte König entweder wieder auf dem Thron gesetzt seyn, oder die Thronfolge würde durch die Erhebung des Prinzen Friedrichs auf den Thron seyn gänzlich verändert worden.

Jedoch wir wollen einmal voraussetzen, daß bemeldte Unternehmung wäre zu Staude gekommen, und daß man mir zugestanden hätte, den Thron zu besteigen; wie hätte ich können vermuthen in diesem Besitz ungestört zu verbleiben? weil die Königin natürlicher Weise würde unter dem scheinbaren Vorwand, den entthronten König wieder einzusetzen, Hülfe und Unterstützung bey auswärtigen Mächten gesucht haben, um mich wieder vom Thron zu stürzen. Frankreich, dessen Einfluß und Ansehen bey diesem Hof wegen der Macht der mir entgegen gesetzten Parthey, sehr groß ist, würde bey der Gelegenheit sehr gerne hülfreiche Hand geleistet haben, während daß England, so nahe es mir auch sonst verwandt ist, mir hätte als einer Person, die sich des Throns

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durch unerlaubte Mittel bemächtiget, allen Beystand, der Billigkeit gemäß versagen müssen. Fügen Sie hier noch bey den starken Widerstand, den ich von einer ansehnlichen Parthey der Eingebohrnen des Landes selbsten, welche der Königin und dem Prinzen Friedrich sehr ergeben sind, würde angetroffen haben.

Umringt von allen, diesen Schwierigkeiten, würde ich bey einem so ungleichen Streit gar bald unten gelegen seyn, und folglich wäre ich von der Höhe, auf die ich so leichtsinnig gestiegen, herabgestürzt worden seyn und zwar mit Verlust der Macht, der Freyheit und wahrscheinlich des Lebens selbst; allein setzen Sie voraus, daß ich meine Augen vor die Gefahr und den Schwierigkeiten, welche eine solche Unternehmung begleiten, hätte verschliessen können, wo sollte ich Hülfe gesucht haben, um es ins Werk zu führen? Das Kriegsvolk hat, durch den Antheil, so es an der letztern Revolution genommen hat, an den Tag geleget, daß es vergeblich würde gewesen seyn, von ihnen Hülfe zu erwarten. Der größte Theil des Adels war für die verwittwete Königin. Das gemeine Volk war gleichfalls zu sehr wider mich durch die falschen und boshaften Gerüchte, die zu dem Ende von meinen Feinden ausgestreuet worden, eingenommen, als daß ich von daher den geringsten Beystand hätte hoffen können. Die Freude, welche der Pöbel blicken ließ, als er meinen Fall vernahm, zeigt klar, in was für Achtung ich bey ihm stund. Noch nie ist eine National-Staats-

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veränderung geschehen oder unternommen worden, woran zumwe nigsten die Truppen oder der Pöbel nicht sollten Antheil gehabt haben. Inzwischen beschuldigt man mich, als ob ich gesucht hätte eine solche Staatsveränderung zu Wege zu bringen und zwar zu einer Zeit, wo es klar erhellet, daß der größte Theil des Adels, alle Truppen, ja selbst der gemeine Mann wider mich verbunden waren. Da ich nun auf diese Weise von mächtigen und zahlreichen Feinden umringet war, wo konnte ich wohl wider ihre bösen Anschläge bessern Schutz suchen, als bey dem Könige meinem Gemahl? und ist es wohl möglich zu gedenken, daß ich so unsinnig sollte gewesen seyn, ihm derjenigen Macht zu berauben, welche allein im Stande war, mich gegen alle Unternehmungen meiner Feinde zu sichern? Gewiß, die Ungereimtheit dieser Beschuldigung kommt der Bosheit gleich mit der sie ist entworfen worden.

Die folgende Beschuldigung ist von noch schwärzerer Farbe als die vorhergehende.

Man sähe sich genöthiget, einige scheinbare Bewegungsgründe vor den Tag zu bringen, die mich zu einer solchen Unternehmung mit so vieler Gefahr und Schwierigkeiten umzäunet, sollten verleitet haben. Mein ganzes Betragen während meines Aufenthalts an dem Copenhagner Hof, beweist daß die Begierde zu herrschen (eine Schwachheit, die sonst meinem Geschlechte eigen ist unter allen Leidenschaften just diejenige war, welche den geringsten Platz bey mir hatte. Nie-

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mals trachtete ich zu meinem Vortheil, eine Faction zu erwecken, selbst zu der Zeit nicht, da ich deutlich genug konnte merken, daß eine starke Parthey wider mich formiret wurde; vielmehr hörte ich, mich auf meine Unschuld und die Gunst des Königs verlassend, ohne Unruhe die geheimen Kabalen, welche seit einiger Zeit wider mich geschmiedet wurden.

Meine Feinde waren daher aus dem Grunde genöthiget, etwas anders auszudenken, als ein bloßes Verlangen, meine Macht zu vergrössern, und zwar durch die Entthronung des Königs; zu dem Ende gaben sie vor, daß ich mit dem Grafen Struensee einen strafbaren und verbothenen Umgang unterhielte, und daß es dem zufolge nothwendig wäre geworden, dem König, sowol wegen meiner als des Grafens Sicherheit, diejenige Macht zu nehmen von der wir die strengste Ahndung befürchteten, wenn unser Verbrechen an den Tag käme. Um nun den Verdacht der bemeldten Beschuldigung desto mehr Gewicht zu geben: so streuten sie aus, daß die Aehnlichkeit mit dem erwehnten Grafen, ganz deutlich auf den Gesichtszügen des unschuldigen Kindes meiner Tochter zu lesen wäre. Sie gründeten diese Beschuldigung auf einen so genannten vertrauten Umgang zwischen mir und dem Grafen, der, wie sie sagen, mit der Würde als Gemahlin des Königs, und die ich in meinem ganzen Betragen beständig hätte vor Augen haben sollen, nicht bestehen könnte.

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Man behauptet, daß der unglückliche Graf sich selbsten bey seinem Verhör, einer solchen strafbaren Gemeinschaft mit mir schuldig erkläret habe; allein ich kann kaum die Möglichkeit begreifen, daß der Graf meinen Namen und seine eigene Ehre sollte durch eine Beschuldigung, die von aller Wahrheit entblößt ist, befleckt haben. Jedoch gesetzt, daß er dieses Bekenntniß gethan hätte: so hätte es gleichwol nicht ohne andere mir zu Schulden kommende Umstände, zu einem hinreichenden Grund gebraucht werden müßen, um mich für schuldig zu erklären; weil man gar nicht in Abrede seyn kann, daß ihm dieses Bekenntniß nicht wäre auf der Tortur durch die grausamsten Folterungen abgepreßt worden. Allein, was soll ich sagen? meine Feinde hatten ja schon vorhero den Entschluß gefaßt, mich zu verdammen und sollte es auch auf Kosten der Billigkeit, des Rechts und der Vernunft geschehen. Dieses Betragen kommt mir nicht fremd vor, wenn ich bedenke, was für Ordres sie haben befolgen müssen; denn ich bin vollkommen überzeugt, daß sowol die Wahl der Glieder bey der Untersuchungs-Commißion, wovon ich schon Erwähnung gethan, als auch gewisse festgesetzte Maaßregeln, nach welchen sie sich richten mußten, einzig und allein auf Antrieb und Befehl derjenigen geschehen sey, welche den König, wie ich bereits oben angeführet habe, gezwungen haben, die Ordre zu meiner Arretirung zu unterschreiben. Es ist sehr merkwürdig, daß man wegen der Rechtmäßigkeit des Prinzen meines

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Sohns, nicht den geringsten Verdacht ausgestreuet hat. Dieser Umstand soll der Gegenstand meiner Anmerkungen in einem andern Theil meines Briefes seyn, wo er an die rechte Stelle kommen wird.

Um nun wieder auf die Beschuldigung zu kommen: so hat ein vermeyntlich vertrauter Umgang zwischen dem Grafen und mir, meinen Feinden schon hinreichend geschienen, mich wegen einer Treulosigkeit anzuklagen. Dieser vertrauliche Umgang, sagen sie, hätte dem ganzen Hof in die Augen geleuchtet. Wenn dieses wirklich so wäre, warum ist denn der König von einem so wesentlichen Umstand unwissend geblieben? Es ist klar, daß er nichts davon gewußt hat, selbst zu der Zeit, als man sich meiner versicherte, sonsten würde er nicht einen Augenblick angestanden haben, den Befehl mich arretiren zu lassen, zu unterschreiben. Ueberdem so würde es eine Probe meiner äußersten Thorheit gewesen seyn, mich an einem Hofe, wo ich sehr wohl wußte, daß eine große Anzahl derer, die täglich um mich waren, zu Auskundschaftern meiner Handlungen gebraucht wurden, so unvorsichtiglich zu betragen.

Ich endige hier meine Anmerkungen wegen der Hauptbeschuldigungen, so man wider mich beygebracht hat, um auf diejenigen Anschuldigungen von geringerer Bedeutung zu kommen, welche meine Feinde die Geschicklichkeit gehabt, auszubreiten und der Nation mit Anspannung aller ihrer Kräfte und Kunstgriffe, deren sie fä-

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hig waren, glaubend zu machen. Die vornehmsten dieser Beschuldigungen, bestehen darinnen: 1) daß ich nicht Zuneigung und Ehrerbiethigkeik genung gegen dem Könige bewiesen; 2) daß ich die Dänen überhaupt mit einer Art von Verachtung behandelt, und endlich 3) daß ich die Schauspiele, Balls, Maskeraden & c. an einem Hofe, der bishero wegen der strengen Beobachtung guter Sitten, in Achtung gestanden, eingeführet habe.

Meine Feinde breiteten täglich diese Beschuldigungen wider mich in dem ganzen Königreich aus, und während der Zeit daß ich alles anwendete, durch mein Betragen die Hochachtung des Königs insbesondere, und der ganzen Nation überhaupt zu verdienen und mir bereits schmeichelte, ihre Gunst zu besitzen: so haben mich meine Feinde durch ihre heimlichen Ränke und niedrigen Kunstgriffe, zum Gegenstand ihrer Verachtung und ihres Hasses gemacht.

Aber um wieder zur Hauptsache zu kommen: so bestehet die erste Beschuldigung, so mir zur Last geleget wird, darinnen, daß ich für den König meinen Gemahl gar zu wenige Liebe und Ehrerbiethigkeit gehabt habe. Diese Beschuldigung ist, in allem Gesichtspuncte betrachtet, falsch. Meine Neigung sowol als Pflicht, haben mich jederzeit angetrieben, mich so zu verhalten, daß ich der Zuneigung und des Vertrauens Sr. Majestät versichert seyn konnte. Mit einer natürlichen Munterkeit richtete ich meine ganze Aufmerksamkeit darauf, wie ich ihm gefällen möchte;

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Se. Majestät haben auch öfters selbst bekennt, daß mein aufgewecktes Gemüth eine Erholung und angenehme Erquickung nach so schweren Regierungssorgen, für Dieselben wäre. Allein meine Feinde haben mir diese Munterkeit, um ihre Bosheit in ihrem ganzen Umfange blicken zu lassen, bey folgender Gelegenheit, zu einem Verbrechen angerechnet, Ich hatte nämlich seit einiger Zeit bemerket, daß der König unruhig und niedergeschlagen wurde; welches von seiner schwächlichen Gesundheit herrührete. So bald ich diese Schwermüthigkeit entdeckte: so suchte ich dieselbe durch Verdoppelung der Lebhaftigkeit, woran der König schon zum öftern ein so lebhaftes Vergnügen fand, zu vertreiben. Allein, alle meine Bemühungen waren vergeblich; denn die Krankheit schien täglich zu zu nehmen. Ob ich gleich die Folgen davon befürchtete und alles empfand, was nur immer bey dergleichen Umständen, eine Pflichtschuldige und getreue Ehegattin natürlicher Weise empfinden kann: so bildete ich mir dennoch ein, daß die Wiedergenesung des Königs, größtentheils von der Sorgfalt abhinge, ihn nicht in eine Muthlosigkeit verfallen zu lassen, als wozu ich ihn sehr stark geneigt fand.

Dem zufolge fuhr ich fort, eine Fröhligkeit blicken zu lassen, woran jedoch mein Herz damals nicht den geringsten Antheil nahm, indem ich durch dieses Bezeigen den König nur blos zu überreden suchte, daß seine Krankheit nicht so gefährlich sey, als sie ihm schiene. Um hierin-

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nen desto glücklicher zu styn: so habe ich zuweilen mit ihm über die gemachten Zweifel wegen seiner Herstellung gespaßet: und während daß andere unter dem Vorwand ihm zu gefallen, seine Beunruhigung vermehrten, indem sie ihm zum Theil in seiner Meynung wegen der Gefahr seiner Krankheit bestärkten: so habe ich meines Theils beständig dahin gearbeitet, ihm dieses aus dem Sinn zu reden und von seinem Zustand günstigere Gedanken zu hegen.

So fremd Ihnen dieses vorkommen möchte: so kann ich Sie Mylord, jedennoch versichern, daß einige Personen gewesen sind, die sich aus Ursachen, die Ihnen sehr wohl bekannt sind, dadurch sehr strafbar gemacht haben; weil die Krankheit des Könige, täglichen Zuwachs, und seine Furcht neue Stärke bekam; ja öfters, wenn ich ihn suchte aufzumuntern und zu überreden, daß seine Gesundheit schiene besser zu werden: so wieß er mich auf eine beissende Art ab, und antwortete mir mit einem harten und ungnädigen Thon.

Meine Feinde, die sich dieses Umstandes zu Nutze machten, beschlossen sich desselben ferner zu meinem Verderben zu bedienen. Zu dem Ende stellten Sie dem König vor, daß meine leichtsinnige und flüchtige Aufführung, wie sie dieselbe nennten, zu einer Zeit, wo alle seine andern Freunde über den schlechten Zustand seiner Gesundheit bestürzt wären, eine sattsame Probe von der wenigen Achtung und Zuneigung, welche ich für seine Person hätte, an den Tag legte. Dies

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Vorgeben suchten sie dadurch zu bestärken, daß sie behaupteten, wie meine Aufführung, wenn ich in Freyheit wäre, viel tadelhafter sey als in seiner Gegenwart, und versicherten Se. Majestät, daß mein Betragen bey dieser Gelegenheit wäre der Stoff der Gespräche des ganzen Hofes gewesen.

Ich habe starke Gründe zu glauben, daß diese boshafte Beschuldigung zu der Zeit diejenige Würkung nicht thate, die man sich davon versprach; weil mir der König nie das geringste Wort dieserwegen sagte. Es ist auch ein großer Trost für mich, versichern zu können, daß diese Beschuldigung nur allein in der Bosheit meiner Feinde gegründet war.

Die zweyte Beschuldigung ist, daß ich die Danen überhaupt jederzeit mit einer Art von Verachtung, die sie sich nicht zugezogen, tractiret habe; um mich hierüber zu rechtfertigen habe ich weiter nichts nöthig, als Ihnen die Aufführung zu erklären, die ich in Absicht ihrer beobachtet habe, und zwar von dem Augenblick an, da ich in Copenhagen angelanget bin. Die Einwohner empfiengen mich Anfangs mit allen Arten der Freudensbezeugungen, und ich schmeichelte mir, daß, wenn ich einige Zeit unter ihnen würde zugebracht haben, ich sie in der guten Meynung die sie von mir gefaßt hatten, bestärken würde. Ich würde auch gewiß meine Wünsche, ohne die Intriguen meiner Feinde (welche ohne Aufhören wider mich solche Lästerungen ausbreite-

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ten, die sie für die bequemsten hielten, mich bey dem gemeinen Volk verhaßt zu machen) erfüllt gesehen haben.

Die Dänen schienen, so wie ich bemerkt habe, sehr leichtgläubig zu seyn, und meine Feinde haben sich dieser Leichtgläubigkeit zur Ausführung ihres Vorhabens zu Nutze gemacht.

Zufolge der Regel, nach welcher ich beschlossen hatte, meine Aufführung zu richten, suchte ich alle Gelegenheit auf, mich dem ganzen Hof angenehm zu machen. Zu dem Ende machte ich Gebrauch von allen nur möglichen Höflichkeitsund Freundschaftsbezeugungen; um auch allen Verdacht zu entfernen, als ob ich suchte, mir einen Anhang zu machen: so vermiede ich sehr sorgfältig, den geringsten Unterschied unter den Personen, die Cour bey mir machten, zu äußern; sondern ich begegnete jedem mit gleicher Höflichkeit und mit gleicher Achtung.

Um dieser Ursachen willen, habe ich mich auch jederzeit gehütet, jemand von meinen Landsleuten dahin zu vermögen, an den dänischen Hof zu kommen, ob mich gleich das Ansehen, so ich bey dem König hatte, ohne Zweifel in den Stand gesetzt hatte, sie wegen Verlassung ihres Vaterlandes hinreichend schadlos zu halten. Ob mir schon diese Maaßregeln einen grossen Vortheil zuwege gebracht hätten; weil ich mir dadurch eine große Anzahl Freunde würde gemacht haben, die jederzeit wären bereit gewesen, sich allen gemachten Entwürfen meiner Fein-

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de zu widersetzen: so wollte ich doch lieber mein einziges Vertrauen auf die Unterthanen meines Gemahls setzen, und mich des Vortheils berauben, den ich daraus hätte ziehen können.

Das Vergnügen, welches der König nothwendig empfinden mußte, mich eben so sehr von seinen Unterthanen als von ihm selbst geliebt zu sehen, war auch ein starker Bewegungsgrund, alles anzuwenden, um mir die Hochachtung des Volks überhaupt zu verschaffen; und die Ueberlegung meines eigenen Intresses, würde allein schon hinreichend gewesen seyn. alles nur mögliche zu thun, um darinnen glücklich zu seyn.

Ich habe über die gegenwärtige Beschuldigung weiter nichts mehr zu sagen, als daß sie, so wie alle übrigen ungegründet ist.

Die letzte Beschuldigung, die mir noch übrig ist, näher zu untersuchen, bestehet darinn, daß ich Bälle, Maskeraden & c. an einem Hofe eingeführet habe, der jederzeit wegen der Entfernung von allen Arten dergleichen Auftritte der Unordnung, wie es meinen Feinden beliebt sie zu nennen, und dessen genaue Beobachtung der Sitten, jederzeit als ein würdiges Muster der Nachfolge ist betrachtet worden, in sonderbarer Achtung gestanden habe.

Diese Beschuldigung hat etwas Sonderbares und Merkwürdiges in sich, nämlich daß es mir zur Last gelegt wird, gefährliche und der Tugend nachtheilige Lustbarkeiten eingeführt zu haben, da doch dieselben an den meisten Höfen von

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Europa begünstiget und angenommen worden, welche, weit entfernt sie für schädlich und nachtheilig zu betrachten, dieselbe vielmehr als die bequemsten Mittel halten, die Künste und Manufacturen dadurch in Aufnahme zu bringen.

Bey dieser Beschuldigung ist noch ein anderer Umstand, der nicht weniger bemerkungswerth ist, nämlich, sie enthält einen gewissen Grad der Wahrheit, die zwar bey allen Beschuldigungen nothwendig ist, die aber bey asien bishero wider mich beygebrachten Beschuldigungen, gänzlich fehlet. Folgende Umstände dieser ganzen Sache, unterwerfe ich Dero Bemerkungen.

Die öffentlichen Lustbarkeiten, welche bey Gelegenheit meiner Vermählung mit dem Könige angestellet wurden, brachten verschiedenen Personen am Hof, unvermerkt einen solchen Geschmack an dergleichen Lustbarkeiten bey, daß ich von einigen bemeldter Personen, nachdem alle Freudensbezeigungen vorbey und alles wieder auf den alten Fuß gesetzt war, ersucht wurde, mein Möglichstes bey dem Könige zu thun, um seine Einwilligung zur Erneurung derselben an gewissen Zeiten und unter gewissen Einschränkungen zu erhalten. Ich versprach ihnen ihr Begehren dem Könige vorzustellen, und einige Tage darauf erfüllte ich mein Versprechen. Der König bewilligte mir meine Bitte auf die allerverbindlichste Art, und von der Zeit an, sind die Lustbarkeiten, worüber man sich beklagt, fast die beständigen Ergötzlichkeiten des größten Theils des Hofes geworden;

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allein ehe ich noch bey dem Könige deswegen Ansuchung that, machte ich der verwittweten Königin mein Vorhaben kund, und zog sie darüber zu Rath; sie hat mir zur Antwort gegeben, daß sie nichts Unanständiges dabey sähe, und sie erbot sich sogleich mein Ansuchen zu unterstützen, im Fall Se. Majestät die geringste Schwierigkeit machen sollten, es mir zu bewilligen. Dieses ist ein Umstand, den ich noch, ehe ich diesen Brief schliesse, näher beleuchten werde.

Aus allem dem, so ich bishero gesagt, erhellet deutlich, daß die bösen Folgen (wenn nämlich dergleichen gewesen) welche durch Einführung bemeldter Lustbarkeiten erfolgt sind, mir mit keinem Grunde zur Last gelegt werden können; weil ich in dieser Sache lediglich auf Ansuchung und Rath anderer gehandelt habe, gänzlich unwissend, was die Dänen von diesen Ergötzlichkeiten dachten. Ich trag inzwischen kein Bedenken zu bekennen, daß ich des Königes Einwilligung bey dieser Gelegenheit eben so sehr zu erhalten wünschte, als jemand von denjenigen, die mich zu diesem Gesuch verleitet hatten.

„Ich endige nun hier die Anmerkungen, die ch mir vorgenommen hatte, zu machen, sowol über die Haupt- und geringeren Beschuldigungen, als auch über die Aufführung, welche man in Absicht meiner Zufolge der Beschuldigungen von der ersten Art, beobachtet hat, und hoffe dadurch bewiesen zu haben (in so ferne eine Unwahrheit kann erwiesen werden) das alle bemeldte Beschuldigun-

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gen, eine einzige ausgenommen, ganz ohne Grund sind, und daß in Absicht der Beschuldigung, die ich einigermaßen gegründet finde, die Schuld davon einzig und allein meiner Unwissenheit und keinesweges einem vorsetzlichen Fehler, beyzumessen sey; auch habe ich bewiesen, daß das Verfahren der Untcrsuchungs-Commißion gänzlich gegen die Gerechtigkeit und Vernunft streite. Nun lasse ich Ihnen, Mylord, zur Beurtheilung über, ob Ihnen meine Beweise, die ich beygebracht, Genungthuung geben könnnen.

Und da sie natürlicher Weise von mir mit Recht erwarten können, daß ich Ihnen einige Bewegursachen des grausamen und ungerechten Verfahrens meiner Feinde anzeige: so will ich Ihnen einige Umstände vorlegen, die Ihnen die Ursache ihrer Aufführung in Absicht meiner, begreiflich machen.

Ich habe mich bishero des allgemeinen Namens: Feinde bedienet, als ich derjenigen Personen Erwähnung thun mußte, welche mir durch ihre List und Kunstgrife dasjenige Unglück zubereitet haben, worunter ich jetzo seufze.

Derowegen muß ich Ihnen melden, daß ich unter dieser Benennung jederzeit die verwittwete Königin, ihren Sohn den Prinzen Friedrich und diejenigen von dem Adel und von den andern Ständen, verstanden habe, welche zur Ausführung der letztern Staatsveränderung hülfreiche Hand geleistet haben. Ich muß Ihnen ferner noch einige Umstände entwickeln, welche die Auf-

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führung dieser Personen betreffen, und die ich bishero noch nicht berühret habe. Ingleichen werde ich auch einige Umstände die ich bishero mit Anmerkungen begleitet habe, wiederholen und meinem oben gethanen Versprechen gemäß, einige nähere Bemerkungen beyfügen.

Das Betragen der verwittweten Königin wird bey dieser Gelegenheit den vornehmsten Stoff meiner Anmerkungen ausmachen; weil ich sie als die vornehmste Triebfeder, die allen andern Theilen ihre Bewegung gegeben, betrachte; doch werde ich auch zu gleicher Zeit nicht unterlassen, einige Anmerkungen über die Aufführung der beyden andern Personen, die sich in dieser Sache haben als Werkzeuge gebrauchen lassen, zu machen.

Um nun den Anfang der Untersuchung wegen der Aufführung der verwittweten Königin zu machen: so wurde ich bey meiner Ankunft am dänischen Hof von Ihrer Majestät mit allen Zeichen der Freundschaft und Zuneigung empfangen. Da aber meine Vermählung mit dem Könige, wahrscheinlicher Weise ihr alle Hoffnung ihren Sohn dereinsten auf dem Thron zu sehen, benehmen mußte: so erwartete ich von ihr eine ganz andere Begegnung. Es wurde eben keine vollkommene Staatskunst erfordert, um zu entdecken, daß mir diese Freundschaftsbezeugungen verdächtig seyn mußten, und zweifelte daher, um dieser Ursachen willen, an der Aufrichtigkeit derselben; jedoch ließ ich endlich alles Mißtrauen fahren und faßte für

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Ihre Majestät eine Zuneigung, die eben so aufrichtig als die ihrige falsch war.

Von diesem Augenblick an überließ ich mich gänzlich der Leitung Ihrer Majestät, indem ich sie bey jeder wichtigen Gelegenheit zu Rathe zog. Die erste wichtige Sache, wobey ich ihren Rath nöthig hatte, war bey Gelegenheit der Bitte, welche einige von den vornehmsten Personen des Hofs an mich ergehen liessen, um durch mein Ansehen es auszuwürken, daß der König seine Einwilligung zur Erneurung gewisser öffentlichen Lustbarkeiten, deren ich schon Erwähnung gethan, geben möchte. Bey dieser Gelegenheit rieth sie mir sehr stark, diese Bitte zu vollziehen, indem sie vorgab, daß ich mir hiedurch unvermerkt diese Personen verbindlich machen würde, mit der Versicherung, daß wenn der König bey dieser Gelegenheit die geringste Schwierigkeit machte, sie alsdann mein Ansuchen durch ihre Bitte unterstützen würde; allein vorbedächclich sagte sie mir nicht ein Wort von der Abneigung, welche die Dänen gegen dergleichen Lustbarkeiten haben.

Durch dieses Betragen erhielte die verwittwete Königin zwey wesentliche Stücke zu ihren Absichten: Auf der einen Seite machte sie mir die Sache an sich selbst je mehr und mehr angenehm, und auf der andern Seite wuste sie, wie unzufrieden die Nation über die Erneurung dieser Lustbarkeiten wäre, und daß man folglich keine Zuneigung zu mir haben würde, wenn man einmal zu wissen bekäme, daß dieselben auf mein Verlangen wären erneuert worden.

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Es war in ihrem Betragen ein Umstand, der mich in großes Erstaunen setzte, als ich den Character der Nation besser hatte kennen gelernt, nämlich der Eifer, mit welchem sie mich antrieb, alle diejenigen Vorschläge, welche die Einführung der Pracht und Kosten zum Gegenstand hatten mit meinem Ansehen zu unterstützen. Diesen Eifer schrieb ich dem Verlangen zu, um meinen Zustand so angenehm zu machen als möglich, und zwar durch Einführung derjenigen Ergötzlichkeiten, zu denen ich jederzeit Geschmack und Neigung bezeuget hatte, und an welchen ich in meinem Vaterlande beständig gewohnt war.

Ich habe nachher wichtige Gründe gehabt, meine Meynung zu ändern, und anjetzt bin ich überzeugt, daß die Bewegungsgründe ihres Betragens in diesem Vorfall so wol als in allen andern, nichts anders gewesen sind, als ein vorgesetzter Plan, mir in den Gemüthern des Volks so vielen Nachtheil als nur möglich, zu wege zu bringen.

Während der Zeit, daß der König mein Gemahl, sich in England aufhielte: so gaben mir Ihre Majestät eine ganz besondere Probe von ihrer Fähigkeit in den Hof-Ränken, durch ihre Erfahrenheit in der Kunst sich zu verstellen. Hier ist die Sache. Als wir alleine waren, machte die Untreue der verheyratheten Mannspersonen in England gegen ihre Frauens, den Gegenstand aller ihrer Gespräche aus; sie machte mir bey der Gelegenheit, wegen meiner Eigenschaften, viele Lob-

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sprüche, und ließ eine feste Hoffnung (die mir aber als eine vollkommene Furcht schien) blicken, daß sich der König nie von der Pest dieses Hofes würde anstecken lassen.

Kurze Zeit hernach fiengen Ihre Majestät an, mir die Aufführung des Königs auf eine verblümte Art verdächtig zu machen, und endlich kam sie so weit, daß sie mir verschiedene Personen in London nahmhaft machte, mit denen der König, ihrem Vorgeben nach, einen vertraulichen Umgang unterhielte.

Hier wurde ich wieder durch ihre Kunstgriffe betrogen; denn als ich in geheim die Unbeständigkeit, deren ich Se. Majestät beschuldigte, beweinte: so floß mein Herz von Dankbarkeit gegen die verwittwete Königin über, wegen der neuen Merkmale der Zuneigung, welche sie mir schiene zu geben. Inzwischen hatten alle die Bemühungen, so sie sich gab, den Saamen der Uneinigkeit zwischen mir und dem König auszustreuen, nicht die Würkung, die sie sich ohne Zweifel davon versprach. Denn als ich reiflich überlegte, daß alle Vorwürfe, die ich dieserwegen dem Könige machen könnte, den nahe ohne Nutzen wären, so beschloß ich eine ganz andere Aufführung anzunehmen, und indem ich vor ihn die Kundschaft, die man mir mit so vieler Sorgfalt beybrachte, von seiner schlechten Aufführung, verbarg; so gab ich mir alle Mühe, sein Herz durch Merkmale meiner gewöhnlichen Zärtlichkeit wieder zu gewinnen.

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Zufolge dieses Entschlusses, bemühete ich mich dem König bey seiner Zurückkunft, eben so sichtbare Beweise meiner Zuneigung zu geben, als ich vor seiner Abreise in der That gehabt hatte.

Seine Majestät, sorgfältig unterrichtet, daß ich von seinen Schwachheiten Kenntniß hätte, und der folglich eine ganz andere Aufnahme von mir erwartete, schien anfänglich an der Aufrichtigkeit meiner Bezeugungen zu zweifeln; allein als er endlich sahe, daß ich nicht den geringsten Schein eines Mißvergnügens wegen seines vergangenen Betragens blicken liesse: so begab er sich des gefaßten Argwohns und von der Zeit an, schien seine Neigung gegen mich täglich zu wachsen.

Kurze Zeit nach der Zurückkunft des Königes wurden mir die Augen zum Theil in Absicht der Kunstgriffe der verwittweten Königin bey folgendem Vorfall geöfnet. Als eine Bedienung von geringer Bedeutung ledig war: so ersucht mich dieselbe, sie mir bey dem Könige für jemand auszubitten, den sie mir nannte. Vergeblich stellte ich ihr vor, daß ich mich seit meiner Ankunft in dies Königreich gar nicht damit befaßt hätte, Bedienungen zu vergeben, theils weil ich nicht Fähigkeit besäße das Verdienst derjenigen, die sich darum bewürben zu beurtheilen, theils, weil ich beschlossen hätte, niemalen dahin zu trachten, mir ein Recht anzumaßen, welches der Person des Königes nur allein zugehöre.

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Alle diese Vorstellungen, die ich als Gründe beybrachte, warum ich wünschte, mich in dieser Sache nicht verwickelt zu sehen, waren Fruchtlos; denn Ihre Majestät drungen so stark in mir, daß ich mich endlich genöthiget sahe, in ihr Begehren zu willigen.

Die Ursache warum sie, wie sie vorgab, so ernstlich darauf bestund, wäre, daß bey dieser Gelegenheit ein Edelmann zum Besten einer andern Person mit ihr gesprochen habe, von der sie sehr wohl wüßte, daß sie gar keine Fähigkeit zu dieser Bedienung hätte; jedoch wagte sie nicht es dem Edelmann, der aus einer alten und mächtigen Familie wäre, und dem sie noch überdem besondere Verpflichtungen schuldig wäre, gerade zu abzuschlagen. Sie bath mich dahero, daß ich mich gegen Niemand wegen der Bitte, so sie an mir gethan, etwas möchte äußern, damit es dieser Edelmann nicht erführe. Zum Beschluß fügte sie die Versicherung bey, daß sie gar keine andere Ursache habe, mir die bemeldte Person zu empfehlen, als weil sie dieselbe für die Tüchtigste am ganzen Hofe zu dieser Bedienung hielte. Um mich kurz zu fassen, ich sprach den König darum an, der ohne Bedenken in mein Gesuch willigte; einige Tage darauf erfuhr ich, daß die verwittwete Königin selbsten besagten Edelmann versicherte, daß die Ursache, weswegen sie bey dieser Gelegenheit mit dem Könige zu seinem Vortheil nicht habe sprechen können, diese wäre, daß nachdem sie von ohnge-

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fähr in meiner Gegenwart dieser Sache wegen gesprochen habe: so hätte ich sogleich eine heftige Begierde bezeiget, mir bemeldten Posten bey dem Könige für die Person, die ihn erhalten, auszubitten; inzwischen müßte sie bekennen, daß ausser Sr. Majestät niemand meine Absichten hiebey einsähe.

Es erhellet hieraus ganz deutlich, daß sie durch dieses Betragen bemeldten Edelmann den Gedanken suchte beyzubringen, daß ich bey dieser ganzen Sache kein ander Absehen gehabt, als ihm seinen Plan zu vereiteln.

Der letzte Umstand des Betragens Ihrer Majestät, ist, daß sie die Beschuldigung wider mich wegen eines strafbaren Umgangs mit dem Grafen Struensee, angesponnen oder vielmehr ausgedacht hat.

Da es eine nothwendige Folge war, daß, wenn ich dieses Verbrechens schuldig erklärt würde, ich auf beständig vom Hofe (im Fall man mir das Leben schenkte) verbannet würde: so ist es nicht schwer die Bewegursachen dieses Betragens zu errathen.

Die Bewegungsgründe, die Ihre Majestät, wahrscheinlicher Weise, zu allen obbemeldten Umständen verleiteten, waren nur (den letztern ausgenommen) von geringen Gewicht; allein das was sie hauptsächlich und am stärksten zu dem Betragen antriebe, war (ich getraue es mir zu behaupten) das Vornehmen, mich auf immer von dem Könige meinem Gemahl zu

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entfernen, und hierinnen hat es ihr nur allzuwohl gelungen.

Ich habe oben versprochen, noch etwas von den wider mich beygebrachten Anschuldigungen zu sprechen, und hauptsächlich von der Beschuldigung, als ob ich mit dem Grafen Struensee in sträflicher Verbindung gestanden wäre. Ich werde nur die einzige Anmerkung darüber machen, daß es ein rechtes Meisterstück der Staatskunst gewesen ist, die Zeit dieser Verbindung nach der Geburt des Prinzen meines Sohns fest zu setzen; denn wenn man etwas wider die Rechtmäßigkeit seiner Geburt beygebracht hätte: so würde man starken Verdacht gefaßt haben, als ob man damit umgienge, die Thronfolge zu verändern, und verschiedene Umstände, die ich in diesem Brief hier und da näher entwickelt habe, beweisen es mit der größten Wahrscheinlichkeit, daß die Absichten meiner Feinde würklich dahin gegangen sind; wenigstens geben das Betragen der verwittweten Königin, des Grafen Ranzau und des Obristen Köller, zur Zeit meines Arrests (worüber ich schon meine Anmerkungen gemacht habe) keine solche Umstände an Handen, woraus man das Gegentheil schliessen könnte.

Nachdem ich nun also meine Erzählung geendiget habe: so hoffe ich Mylord, daß Sie mir die Mühe, so ich Ihnen verursachet, verzeihen werden. Das lebhafte Verlangen, so ich habe, mein Betragen vor Ihren Augen zu rechtfertigen und

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durch Dero Vermittelung meinen Landsleuten meine Unschuld zu erkennen zu geben, ist die Veranlassung, daß ich mir die Freyheit genommen habe, Ihnen diesen Brief zu schreiben. Haben Sie die Geneigtheit und entschuldigen Sie die Fehler der Schreibart, die meinem Geschlechte eigen sind, und seyn Sie der vollkommensten Hochachtung versichert, mit welcher ich bin,

Mylord,

Dero

verpflichtete

Carolina Mathtlda.

Port Scriptum. Als ich dasjenige, was ich oben geschrieben habe, noch einmal überlese: so bin ich sehr bestürzt geworden gewahr zu werden, daß ich nicht die geringste Anmerkung wegen einer anderweitigen Beschuldigung, die meine Feinde wider mich angebracht hatten, und wobey die Bosheit sowol als Falschheit Antheil hat, gemacht habe, ich meyne die Beschuldigung, die man mir macht, als ob ich Seiner Majestät gerathen hätte, die Schweitzergarde abzudanken und sie unter andere Truppen zu stecken.

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Den Ungrund dieser Beschuldigung betreffend, so kann ich dieserwegen den ganzen Hof aufrufen, der sehr wohl weiß, daß diese Einrichtung nicht auf mein, sondern der verwittweten Königin Anstiften geschehen ist. Die Bosheit dieser nämlichen Beschuldigung wird klärlich aus den Bewegungsgründen selbst erhellen, wovon meine Feinde vorgeben, daß sie mich zu diesem Schritt gebracht hätten, nämlich daß, wenn ich die Garde abdanckte, ich um so viel leichter meinen Plan wider den König ausführen könnte; allein zu gleicher Zeit, da ich erkläre nicht den geringsten Antheil an dieser Sache gehabt zu haben: so bekenne ich, baß die Maaßregeln, welche man dieserwegen genommen hatte, meinen völligen Beyfall hatten, und zwar erstlich wegen der schlechten Verfassung, darinnen sich die Schatzkammer befand, von der man mich versicherte, daß sie beynahe leer sey, und zweytens wegen dem Vorzug, von dem ich glaubte, daß er den Eingebohrnen des Landes zukäme, die Person des Königs zu bewachen.

Den Bewegungsgrund betreffend, den meine Feinde beybringen: so ist derselbe sehr schwach und falsch; denn gesetzt ich hätte Theil an bemeldter Veränderung gehabt; weil ich mit keiner Wahrscheinlichkeit einen Beystand der National-Truppen, zu hoffen gehabt: so würde es ungereimt gewesen seyn, eine Abdankung dieser Garde zu veranstalten, von deren Beystand ich

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nur allein einen glücklichen Ausgang meines Unternehmens hätte hoffen können.

Die Folge hat es zum Theil bewiesen, daß dieses die Bewegungsgründe derjenigen mögen gewesen seyn, die dergleichen Maaßregeln genommen haben; allein Sie werden leicht begreifen, daß ich, um der Ursachen wegen, die ich beygebracht habe, keinen Antheil an dieser Sache kann gehabt haben.

ENDE.

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Nachricht

von der

letzten Staatsveränderung in Dännemark

von

Ihro Majestät der Königin

Caroline Mathilde,

eigenhändig entworfen

in Ihrer Gefangenschaft

auf den Schlosse Kroonenburg und den Grafen von *** zugeeignet,

Aus dem Englischen.

Londen 1773.

2
3

An

Dem Herrn Grafen von * * *

Mein Herr,

Die unverbrüchliche Treue, so Sie in unzählbaren Fällen meiner Familie erwiesen, und die besondern Merkmale der Achtung und Freundschaft, so Sie mir jederzeit gegeben haben, muntern mich auf, gegenwärtige Rechtfertigung meiner Aufführung wider die falschen und boshaften Beschuldigungen, die man wider mich gemacht und um deren willen ich heute ungerechter weise bin gefangen gesetzt worden, Dero Prüfung zu unterwerfen. Der große Ruf von Dero Aufrichtigkeit und Einsicht, mit der Sie Ihr Urtheil zu fällen pflegen und auf welches sich ein jeder sicher verlassen kann, ist der

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Bewegungsgrund, warum th Sie bey dreier Gelegenheit vor allen andern am allerliebsten erwähle. Ich zweifle demnach nicht, daß meine Landsleute, nicht alsobald sollten, so bald sie werden erfahren haben, dag Sie vollkommen von meiner Unschuld überzeugt sind (wie ich denn hoffe daß Sie es seyn werden, nachdem Sie den umständlichen Bericht von meinen Unglücksfallen gelesen haben ) denjenigen Vorurtheilen entsagen, welche mehr als eine Person, so wie ich vernehme, schon wider mich gefaßt hat, und welches Folgen von demjenigen boshaften Gerüchte sind, die meine Feinde so eyfrigst durchs ganze Königreich ausgesprenget haben. Der Gedanke, daß mein Name unter meinen Landsleuten einen Anstrich bekommen, verdoppelt den Schmerz meines erniedrigenden Zustandes und meiner Gefangenschaft; und wäre ich mir nicht bewust, daß meine gegenwärtigen Leiden auf keinerley, Art verdienet habe, so würde ich ohne Zweifel unter der schweren Last meines Unglücks erliegen müssen.

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Dieses vorausgesetzt, werde ich mich nun gegen die Beschuldigungen meiner Feinde rechtfertigen.

Die Verbrechen, welcher man mich beschuldiget, und deren Art und Beschaffenheit ich nicht eher als einige Zett meiner Arretirung habe zu wissen bekommen, bestehen darinn: daß ich mich einer Verschwörung gegen den König meinen Gemahl, in der Absicht, um ihm die Krone zu nehmen, soll schuldig gemacht haben; daß ich, in Einverständniß mit den Grafen Struensee, Brandt und andern wirklich eine Renunciations-Acte sollte aufgesetzt haben, weiche ich wäre Willens gewesen, Se. Majestät mit Gewalt unterschreiben zu lassen, wenn wir uns seiner Person würden bemächtiget haben, welches Vorhaben, so wie vorgegeben wird, wir in Begrif stunden, auszuführen, selbst in dem Augenblick, da wir auf dem Befehl des Königs sind arretirt worden; und endlich, daß ich das Bett des Königs meines Gemahls, durch Untreu mit dem gemeldten Grafen Struensee, sollte entehret haben.

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Diese Beschuldigungen sind die Aulage zu meiner Arretirung gewesen. Inzwischen werden mir noch verschiedene andere Dinge, wiewohl von einer gerivgern Art, zur Last gelegt, von welchen ich an seinem Orte sprechen werde, um so viel mehr, da sie nicht unter die Staatsverbrechen sind gerechnet worden.

Die gänzliche Unmöglichkeit, um eine Unwahrheit zu beweisen, läßt mich sehr wohl begreifen, wie schwer es mir fallen wird, mich wider diese Beschuldigungen zu vertheidigen; jedoch wenn ich beweisen kann, wie ich es hoffe, daß die ganze Aufführung, welche man in Absicht meiner beobachtet hat, eigenmächtig und gerecht gewesen ist, und daß der bloße Anschein, wornach meine Feinde glauben, mich schuldig erklärt zu haben, weit entfernt ist, um einen beweisenden Schluß daraus zu ziehen; wenn ich dieses, sage ich, beweisen kann: so werde ich folglich gezeigt haben, wie natürlicher Werse daraus folgen müsse, daß diejenigen, welche meine Aufführung untersucht haben, sind

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gezwungen. worden, jedem Punkt des Rechts und der Billigkeit Gewalt anzuthun, um ihre böse Absichten zu vollstrecken. Hier werde ich einige Anmerkungen beyfügen, um die Unwahrscheinlichkeit darzuthun, daß ich an bemeldten Verbrechen schuldig seyn sollte.

Erstlich demnach, was die Umstande meines Arrests betrift: so hatte man, da die Ordre dazu gegeben wurde, noch niemand verhört, der eine Beziehung auf dasjenige hat, so mir ist zur Last gelegt worden; folglich versicherte man sich meiner, ohne den geringsten Schein einer Ursache dazu zu haben. Man wird mir vielleicht einwenden, daß es nöthig war, sich meiner in der nämlichen Zeit zu versichern, als man die andern Personen in Verhaft nahm, aus Furcht, ich möchte bey der ersten Nachricht von ihrer Gefangennehmung, Mittel finden zu entwischen; man kann hinzu fügen; daß ich, weill ich Theil an ihrer Verschwörung gehabt hätte, nicht mehr Höflichkeit fordern müßte als sie in diesem Fall selbsten gefunden hätten. Hier

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auf antworte ich, daß weil ich eine von den aufgezeichneten Personen war, welche sollten angeklagt werden, meine Feinde ohnedem schon gewußt haben würden, mich so genau zu bewachen, daß es mir unmöglich gewesen wäre, zu entwischen; auch hatten sie um so viel weniger Ursache meine Entwischung zu befürchten, da diejenigen, welche nach ihrem Vorgeben, meine Mitschuldigen waren und die mir in der Ausführung eines solchen Plans helfen musten, selbsten durch die Kette womit sie gefesselt waren, aller Möglichkeit dazu ermangelten. Doch der folgende Umstand wird diesen Punkt noch mehr aufklären.

Die Ordre des Königs um mich zu arretiren, wurde ihm durch die verwitwete Königin und durch den Prinz Friedrich mit Gewalt ausgepresset; denn als ihm diese beyden Personen die schriftliche Ordre vorlasen und ihm nöthigten, sie zu unterschreiben: so weigerte sich Se. Majestät schlechterdings, es zu thun, und zwar so lange bis daß die Königin zu ihm sagte, daß wenn Se. Majestät sich nicht dazu be-

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quemen wollten, so würde sie und ihr Sohn diese Ordre unterschreiben. Der unglückliche König, welcher damals ohne Zweifel bemerkte, daß ihm nichts mehr als nur der Schatten von der Königl. Würde noch übrig geblieben war, und daß, indem er unter der Gewalt seiner Mutter und seines Bruders stund, seine eigene Sicherheit Gefahr liefe, woferne er nicht in alles das, was sie forderten, willigte, unterschrieb endlich mit zitternder Hand auch mit beklemmten Herzen, die Ordre, mich in die Hände meiner Feinde zu liefern.

Hier muß ich die nothwendige Anmerkung machen, daß der König sich weigerte, die Ordre zu unterschreiben sogar nachdem ihn die Königin und der Prinz versichert hatten, daß die Verschwornen und ich beschlossen hätten, ihn zu zwingen, auf dem Thron Verzicht zu thun, ein augenscheinlicher Beweiß, daß er mich nicht vor fähig hielte, einen solchem Complot zu machen.

Nachdem also die Ordre durch einen so

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krummen Weg ist erhalten worden: so wurde sie dem Grafen Ranzau zur Vollstreckung zugestellt. Diese Ordre ist mit Gewalt ausgepreßt, und ich muß es sagen, auf eine unerlaubte Art vollstreckt worden. Ich behaupte nicht daß der Graf den Auftrag gehabt, so barbarisch zu handeln, als er gethan hat; ich muß vielmehr bekennendaß ich besagten Grafen jederzeit vor einen edeldenkenden Mann von feiner Lebensart gehalten habe. Der Graf ließ mir nicht viel Zeit, mich auf mein Gefängniß zu zubereiten und als die Stunde meiner Abreise vom Schlosse gekommen war: so halfer mir oder vielmehr er stieß mich in die Kutsche, die mich nach dem Kastel Kroonenburg, den Ort meines Gefängnisses, bringen sollte. Doch ehe ich noch das Schloß verließ, drang ich mit Standhaftigkeit darauf, daß man mir erlauben möchte, mit dem Könige meinem Gemahl zu sprechen; allein diese Freyheit wurde mir von dem Grafen Ranzau schlechterdings abgeschlagen, und als einige Officiers, ihn begleiteten, geneigt schienen, mein Ansuchen erfüllt zu sehen : so brachte er sie

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bald wieder auf andere Gedanken, da er sie versicherte, daß es ihnen ohnfehlbar den Kopf kosten würde, wenn ich dazu gelangte, dem König zu sehen. Diese Worte des Grafen, lassen mich gnugsam vermuthen, daß die Gefangennehmung meiner Person eher geschehen ist, als der König dazu die Ordre unterzeichnet hat, und daß. der Graf in der ganzen Sache lediglich Die Ordres der verwittweten Königin und des Prinzen Friedrichs, ohne Mitwissen Sr. Majestät befolget habe; denn es ist gar nicht möglich voraus zu setzen, daß der Graf und die übrigen Officiers sollten bey Vollstreckung der Ordre, die der König selbst gegeben hätte, dis mindeste Gefahr gelaufen seyn. Zwey andere Umstände bestärken mich in dieser Vermuthung: der erste ist, daß die Ordre mich zu arretiren, nicht eher als einige Zeit hernach, nachdem sie vollzogen worden, vorgezeiget wurde. Der zweyte Umstand ist dieser, daß der Obriste Köller, als er dem Grafen Struensee den Arrest ankündigte, gestund, daß er zwar die Ordre des Königs nicht bey sich habe, allein daß er das was er thäte,

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bey Verlust seines Kopfes verantworten wolle. Wenn diese Vermuthungen gegründet sind: so folgt nochwendig, daß die Königin und ihr Sohn zuvor beschlossen hatten, des Königes Handzeichnung zu erhalten, es koste was es wolle; oder daß sie, wenn sie sähen daß ihr Unternehmen fehl schlüge, alsdann den Widerstand Sr. Majestät gegen ihre Maasregeln dadurch fruchtlos machen würden, daß sie ihn in der nämlichen Zeit,, als sie sich meiner Person versicherten, des Throns beraubten.

Nachdem ich einige Stunden in dem Palais als eine Gefangene gehalten worden: so wurde ich von dar nach den Kastel Kroonenburg gehracht, und zwar in der Absicht, um zu verhindern, daß ich keine Gelegenheit haben sollte, mich auf einige Weise zu dem Könige meinem Gemahl zu verfügen. In der nämlichen Zeit, als man mich aus Am Palais führte: so wurden alle die, welche bey Sr. Majestät etwas vermochten und die als meine Freunde bekannt wahren, arretiret ohne Zweifel um

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dadurch zu verhindern, daß mir niemand und ihnen bey Sr. Majestät einigen Dienst leisten möchte. Der König, als er sahe, daß man ihm keine andere Personen zu seiner Aufwartung zuließe und sich durch mein Exempel nur allzu wohl bewust war, wie sehr er in ihrer Gewalt und genöthiget sey, sich ihrem Willen zu unterwerfen fand sich in die Nothwendigkeit versetzt, alle ihre Unternehmungen mit seinem Königlichen Ansehen zu unterstützen. Daß Verschiedene Personen nur blos aus obberühmten Gründern sind arretirt geworden, erhellet daher ganz klar, weil sie alle wieder sind los gelassen worden, ohne daß man wider sie nur den geringsten Schein von Beschuldigungen bey dem angeordneten Criminalgerichte, vorgebracht hätte. Einige von diesen Personen haben sogar nachhero Pensions bekommen, ohne Zweifel um sie dadurch wegen der ungerechten Behandlung und der unverdienten Gefangenschaft, schadlos zu halten. Ich werde nun über das Verfahren der Richter, die dazu ernennt worden, die Personen zu verhören, die man wegen der vermeyn-

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ten Verschwörung in Verdacht hatte, einige Anmerkungen machen.

Erstlich was die Art der Beweise betrift, worauf sich die Beschuldigungen gründen, ich meyne nämlich was mich selbst unmittelbar angehet: so haben meine Feinde behauptet, daß die Verbrechen, deren man mich beschuldigte, wären sattsam von meinnen Richtern bewiesen worden. Daß sich meine Richter bey dem geringsten Schein eines Beweises, um mich schuldig zu erklären, zu frieden gegeben haben, glaube ich sicher; allein ich leugne zugleich schlechterdings, daß sie wären davon überzeugt worden, und zwar in demselben Sinn, als sie dieser Ueberführung wollen zuschreiben. Der Beweiß, nah welchen ich bin schuldig erklärt, sagen sie, bestehet in dem Bekenntniß der Personen, die man mir als Mitschuldige zugeordnet hat. Dieser Umstand hätte von einigen Gewicht können gewesen seyn, wenn bemeldtes Bekenntniß freywillig geschehen wäre; allein, wenn man bedenkt, daß ihnen diese Bekenntnisse abgepreßt worden sind, und zwar

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mitten unter der grausamsten Tortur, wovor die Natur blos schon bey. der Erzählung erschrickt: so bin ich überzeugt, daß jeder Unpartheyischer bekennen wird, daß man mit Beweisen von einer ganz andern Art hätte müssen vor den Tag kommen, um das Verfahren der Richter wider mich zu rechtfertigen. Das Bettagen der Untersuchungscommißion läst sich auf der andern Seite ganz und gar nicht entschuldigen. Sie haben alles in geheim abgehandelt, da doch der geringste Unterthan ein öffentliches Verhör und in gehöriger Form mit Recht fordern kann; ein Recht das dem Publico überhaupt zukommt, welches jederzeit von den Gründen, worauf sich eine Beschuldigung von einiger Wichtigkeit, so man gegen jemand vorbringt, gründet, muß unterrichtet werden. Die ganze Dänische Nation war in dem gegenwärtigen Fall ganz besonders intreßiret, sowohl in Absicht der Art der Beschuldigung, als in Ansehung des Rangs und der Beziehung der beschuldigten Partheyen. Nichts destoweniger verstattete man nicht, daß eher etwas von demjenigen, was vor die-

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sen Tribunal geschahe, bekannt wurde, als bis alle Gerichtshandlungen zu Ende waren; ja als der Obriste Keith, als Gevollmächtiger von dem Könige meinem Bruder verlangte, bey dem Verhör der Gefangenen gegenwärtig zu seyn: so wurde ihm solches rundaus abgeschlagen. Die Bewegursachen eines solchen Betragens sind, wie ich dafür halte, klar genug; derowegen werde ich auch keine fernere Anmerkungen darüber machen, sondern werde vielmehr diesen Theil, der mich allein betrifft, mit der Anmerkung schließen, daß wenn ich reiflich die bekannte Feindschaft erwäge, welche die Glieder dieses Tribunals wider meine Person gefaßt, wie auch derjenigen, die alle ihre Handlungen dirigiret haben, wenn ich mir, sage ich, alle diese Umstände, wieder in mein Gedächtniß zurück bringe, alsdann richte ich mein Herz mit dem innigsten Gefühl der Dankbarkeit zu Gott, der mir die Gnade verliehen, ihren Händen zu entgehen und mein Leben zu retten; ich erkenne bier gleichfalls die großen Verpflichtungen, welche ich dem Obristen Keith

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schuldig bin, der meine Vertheidigung so beherzt über sich genommen hat, und der wie ich gewiß versichert bin, meine Feinde unter göttlichen Beystand abgehalten hat, ihr barbarisches und böses Vornehmen wider mich, ins Werk zu richten,

Ich habe nun bishero Ihnen, Mylord, die Art und Weise vorstellig gemacht, wie man mich von der Zeit an, als man sich meiner Person versicherte, bis zur Verabschiedung der Unterfuchungs, Commißion, tractiret hat, und Sie werden leicht bemerken, daß die Anmerkungen, welche ich in meiner ganzen Erzählung gemacht habe so beschaffen sind, als die Sache, die vor mir lieget, natürlicher Weise hervor bringt. Ich wiederhole dasjenige nochmals, was ich Ihnen bereits zu Anfange dieses Briefes vorgetragen habe, nämlich den Nachtheil, so meine Sache wegen der Schwierigkeit, eine Unwahrheit zu beweisen leidet. Jedoch ich hoffe, daß Sie nach Lesung des obigen umständlichen Berichts, werden überzeugt seyn, daß man mich auf eine grobe Art beleidiget ha-

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be, und solcher Vorrechte beraubet, worauf ich mit Recht und zwar unter einen gedoppelten Karakter nemlich als Souverainin des Königsreichs und Unterthanin des Königs, Ansprüche machen konnte. Ich werde nun weiter gehen und zeigen, wie unwahrscheinlich es sey, daß ich an den mir zur Last gelegten Missethaten sollte Antheil gehabt haben. Mit der Beschuldigung einer Veschwörung, um den Königen entthronen, will ich demnach den Anfang machen. Niemals hätte ich eine stärkere Probe von meiner Schwäche des Verstandes und Verkehrtheit des Willens geben können, als Theil an dergleichen Complot zu nehmen: denn setzen Sie einmal selbst den Fall, daß dieses Unternehmen wäre zu Stande gekommen: so mußten ja die Folgen davon mir äußerst nachtheilig seyn; weil die Dänen gewiß niemals würden verstattet haben, daß ich als eine Ausländerin weder unter dem Titul einer Königin noch einer Regentin, über sie regierte; und in dem Fall würde der entthronte König entweder wieder auf denThron gesetzt seyn, oder die Thron-

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folge würde durch die Erhebung des Prinzen Friedrichs auf den Tyron seyn gänzlich verändert worden.

Jedoch wir wollen einmal voraus setzen, das bemeldte Unternehmung wäre zu Stande gekommen, und daß man mir zugestanden hätte, den Thron zu besteigen; wie hätte ich können vermuthen in diesem Besitz ungestört zu verbleiben? weil sie Königin natürlicher Weise würde unter dem scheinbaren Vorwand, den entthronten König wieder einzusetzen, Hülfe und Unterstützung bey auswärtigen Mächten gesucht haben, um mich wieder von Thron zu stürzen. Frankreich, dessen Einfluß und Ansehen bey diesem Hof wegen der Macht der mir entgegen gesetzten Parthey, sehr groß ist, würde bey der Gelegenheit sehr gerne hülfreiche Hand geleistet haben, während daß Engeland, so nahe es mir auch sonst verwandt ist, mir hätte als einer Person, die sich des Throns durch unerlaubte Mittel bemächtiget, allen Beystand, der Billigkeit gemäß, versagen müssen. Fügen Sie hier noch bey den star-

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ken Widerstand, den ich von einer ansehnlichen Parthey der Eingebohrnen des Landes selbsten, welche der Königin und den Prinzen Friedrich sehr ergeben sind, würde angetroffen haben.

Umringt von allen diesen Schwierigkeiten, würde ich bey einem so ungleichen Streit gar bald unten gelegen seyn, und folglich wäre ich von der Höhe, auf der ich so leichtsinnig gestiegen, harabgestürzt worden seyn und zwar mit Verlust der Macht, der Freyhert und wahrscheinlich des Lebens selbst; allein setzen Sie voraus, daß ich meine Augen vor die Gefahr und den Schwierigkeiten, welche eine solche Unternehmung begleiten, hätte verschließen können, wo sollte ich Hülfe gesucht haben, um es ins Werk zu führen? Das Kriegsvolk hat, durch den Antheil, so es an der letztern Revolution genommen hat, an den Tag geleget, daß es vergeblich würde gewesen seyn, von ihnen Hülfe zu erwarten. Der größte Theil des Adels war für die verwittwete Königin. Das gemeine Volk war gleichfals zu sehr wider

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mich durch die falschen und boshaften Gerichte, die zu dem Ende von meinen Feinden ausgestreuet worden, eingenommen, als daß ich von daher den geringsten Beystand hätte hoffen können. Die Freude, welche der Pöbel blicken ließ, als er meinen Fall vernahm, zeigt klar, in was für Achtung ich bey ihm stund. Noch nie ist eine National Staatsveranderung geschehen oder unternommen worden, woran zum wenigsten die Truppen oder der Pöbel nicht sollten Antheil gehabt haben. Inzwischen, beschuldigt man mich, als ob ich gesucht hätte eine solche Staatsveränderung zu Wege zu bringen und zwar zu einer Zeit, wo es klar erhellet, daß der größte Theil des Adels, alle Truppen, ja selbst der gemeine Mann wider mich verbunden waren. Da ich nun auf diese Weise von mächtigen und zahlreichen Feinden umringet war, wo konnte ich wohl wider ihre bösen Anschläge besser Schutz suchen, als bey dem Könige meinem Gemahl? und ist es wohl möglich zu gedenken, das ich so unsinnig sollte gewesen seyn, ihm derjenigen Macht zu berauben, welche allein im Stan-

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de war, mich gegen alle Unternehmungen meiner Feinde zu sichern? Gewiß, die Ungereimtheit dieser Beschuldigung kommt der Bosheit gleich mit der sie ist entworfen worden.

Die folgende Beschuldigung ist von noch schwärzere Farbe als die vorhergehenden.

Man sähe sich genöthiget, einige scheinbare Bewegungsgründe vor den Tag zu bringen, die mich zu einer solchen Unternehmung mit so vieler Gefahr und Schwierigkeiten umzäunet, sollten verleitet haben. Mein ganzes Betragen während meines Aufenthalts an dem Copenhagner Hof, beweist daß die Begierde zu herrschen (eine Schwachheit die sonst meinem Geschlechts eigen ist) unter allen Leidenschaften just diejenige war, welche den geringsten Platz bey mir hatte. Niemals trachtete ich zu meinem Vortheil, eine Faction zu erwecken, selbst zu der Zeit nicht, da ich deutlich genug konnte merken, daß eine starke Parthey wider mich formiret wur-

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de; vielmehr hörte ich, mich auf meine Unschuld und die Gunst des Königs verlassend, ohne Unruhe die geheimen Kabalen, welche seit einiger Zeit wider mich geschmiedet wurden.

Meine Feinde waren daher aus dem Grunde genöthiget, etwas anders aus zu denken, als ein bloßes Verlangen, meine Macht zu vergrößern, und zwar durch die Entthronung des Königs, zu dem Ende gaben sie vor, daß ich mit dem Grafen Struensee einen strafbaren und verbothenen Umgang unterhielte, und daß es dem zufolge nothwendig wäre geworden, dem König sowohl wegen meiner als des Grafens Sicherheit, diejenige Macht zu nehmen von der wir die strengste Ahndung befürchteten, wenn unser Verbrechen an den Tag käme. Um nun den Verdacht der bemelden Beschuldigung desto mehr Gewicht zu geben: so streuten sie aus, daß die Aehnlichkeit mit dem erwehnten Grafen, ganz deutlich auf den Gesichtszügen des unschuldigen Kindes meiner Tochter zu lesen wäre. Sie gründeten diese Be-

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schuldigung auf einen so genannten vertrauten Umgang zwischen mir und dem Grafen, der, wie sie sagen, mit der Würde als Gemahlin des Königs, und die ich in meinem ganzen Betragen beständig hätte vor Augen haben sollen, nicht bestehen könnte.

Man behauptet, daß der unglückliche Graf sich selbsten bey seinem Verhör,, einer solchen strafbaren Gemeinschaft mit mir schuldig erkläret habe; allein ich kann kaum die Möglichkeit begreifen, daß der Graf meinen Namen und seine eigene Ehre sollte durch eine Beschuldigung, die von aller Wahrheit entblößt ist, befleckt haben. Jedoch gesetzt, daß er dieses Bekänntniß gethan hätte: so hätte es gleichwohl nicht ohne andere mir zu Schulden kommende Umstände, zu einem hinreichenden Grund gebraucht werden müssen, um mich für schuldig zu erklären; weil man gar nicht in Abrede seyn kann, daß ihm dieses Bekenntniß nicht wäre auf der Tortur durch che grausamsten Folterungen abgepreßt worden. Allein, was soll ich sagen? meine Feinde hatten ja schon vor-

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hero den Entschluß gefaßt , mich zu verdammen und sollte es auch auf Kosten der Billigkeit, des Rechts und der Vernunft geschehen. Dieses Betragen kommt mir nicht fremd vor, mm ich bedenke, was für Ordres sie haben befolgen müssen; denn ich bin vollkommen, überzeugt, daß sowohl die Wahl der Glieder bey der Untersuchungs-Commißion, wovon ich schon Erwähnung gethan, als auch gewisse vestgesetzte Maasregeln, nach welchen sie sich richten mußten, einzig und allein auf Antrieb und Befehl derjenigen geschehen sey, welche den König, wie ich bereits, oben angeführet habe, gezwungen, haben, die Ordre zu meiner Arretirung zu unterschreiben. Es ist sehr merkwürdig, daß man wegen, den Rechtmäßigkeit des Prinzen meines Sohns, nicht den geringsten Verdacht ausgestreut hat. Diesen Umstand soll der Gegenstand meiner Anmerkungen in einem andern Theil meines Briefes seyn, wo er an die rechte Stelle kommen wird.

Um nun wieder auf die Beschuldigung

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zu kommen: so hat ein vermeyntlich vertrauter Umgang zwischen dem Grafen und mir, meinen Feinden schon hinreichend geschienen, mich wegen einer Treulosigkeit anzuklagen. Dieser vertrauliche Umgang, sagen sie, hätte dem ganzen Hof in die Augen geleuchtet. Wenn dieses würlich so wäre, warum ist denn der König von einem so wesentlichen Umstand unwissend blieben? Es ist klar, daß er nichts davon gewußt hat, selbst zu der Zeit, als man sich meiner versicherte, sonst würde er nicht einen Augenblick angestanden haben den Befehl mich arretiren zu lassen, zu unterschreiben Ueberdem so würde es eine Probe meiner äußresten Thorheit gewesen seyn, mich an einem Hofe, wo ich sehr wohl wuste, daß eine große Anzahl derer, die täglich um mich waren, zu Auskundschaften einer Handlungen gebraucht wurden, so unvorsichtiglich zu betragen.

Ich endige hier meine Anmerkungen wegen der Hauptbeschuldigungen, so man wider mich beygebracht hat, um auf diejenigen Anschuldigungen von geringerer

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Bedertung zu kommen, welche meine Feinde die Geschicklichkeit gehabt, auszubreiten und der Nation mit Anspannung aller ihrer Kräfte und Kunstgriffe, deren sie fähig waren, glaubend zu machen. Die vornehmsten dieser Beschuldigungen, bestehen darinnen: 1) daß ich nicht Zuneigung und Ehrerblethigkert genug gegen dem Könige bewiesen; 2) daß ich die Dänen überhaupt mit einer Art von Verachtung behandelt und endlich 3) daß ich die Schauspiele, Balls, Maskeraden & c. an einem Hofe, der bishero wegen der strengen Beobachtung guter Sitten, in Achtung gestanden, eingeführet habe.

Meine Feinde breiteten taglrch diese Beschuldigungen wider mich in den ganzen Königreich aus, und während der Zeitdaß ich alles anwendete, durch mein Betragen die Hochachtung des Königs insbesondere und der ganzen Nation überhaubt zu verdienen und mir bereits schmeichelte, ihre Gunst zu besitzen: so haben mich meine Feinde durch ihre heimlichen Ränke und niedrigen Kunstgriffe zum Ge-

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genstand ihrer Verachtung und ihres Hasses gemacht.

Aber um wieder zur Hauptsache zu kommen; so bestehet die erste Beschuldigung, so mir zur Last geleget wird, darinnen, daß ich für den König meinen Gemahl gar zu wenige Liebe und Ehrerbiethigkeit gehabt habe. Diese Beschuldigung ist, in allem Gesichtspuncte betrachtet, falsch. Meine Neigung sowohl als Pflicht, haben, mich jederzeit angetrieben, mich so zu verhalten, daß ich der Zuneigung und des Vertrauens Sr. Majestät versichert seyn konnte. Mit einer natürlichen Munterkeit richtete ich meine ganze Aufmerksamkeit darauf, wie ich ihm gefallen möchte;

Sr. Majestät haben auch öfters selbst bekennt, daß mein aufgewecktes Gemüth eine Erholung und angenehme Erquickung nach so schweren Regierungssorgen, für Dieselben, wäre. Allein meine Feinde haben mir diese Munterkeit, um ihre Bosheit in ihrem ganzen Umfange blicken zu

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lassen, bey folgender Gelegenheit, zu einem Verbrechen angerechnet. Ich hatte nämlich seit einiger Zeit bemerket, daß der König unruhig und niedergeschlagen wurde; welches von seiner schwächlichen Gesundheit herrühre. So bald ich diese Schwermüthigkeit entdeckte; so suchte ich dieselbe durch Verdoppelung der Lebhaftigkeit, woran der König schon zum öftern ein so lebhaftes Vergnügen fand, zu vertreiben. Allein alle meine Bemühungen waren vergeblich; denn die Krankheit schien täglich zu zu nehmen. Ob ich gleich die Folgen davon befürchtete und alles empfand, was nur immer bey dergleichen Umständen, eine Pflichtschuldige nnd getreue Ehegattin natürlicher Weise empfinden kann: so bilde ich mir dennoch ein, daß die Wiedergenesung des Königs, gröstentheils von der Sorgfalt abhinge, ihn nicht in eine Muthlosigkeit verfallen zu lassen, als wozu ich ihn sehr stark geneigt fand.

Dem zufolge fuhr ich fort, eine Fröhlichkeit blicken zu lassen, woran jedoch mein

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Herz damals nicht den geringsten Antheil nahm, indem ich durch dieses Bezeigen den König nur blos zu überreden suchte, daß seine Krankheit nicht so gefährlich sey, als sie ihm schiene. Um hierinnen desto glücklicher zu seyn: so habe ich zuweilen mit ihm über die gemachten Zweifel wegen seiner Herstellung gespaset; und während daß andere unter dem Vorwand ihm zu gefallen, seine Beunruhigung vermehrten, indem sie ihm zum Theil in seiner Meynung wegen der Gefahr seiner Krankheit bestärkten: so habe ich meines Theils beständig dahin gearbeitet, ihm dieses aus dem Sinn zu reden und von seinem Zustand günstigere Gedanken zu hegen.

So fremd Ihnen dieses vorkommen möchte: so kann ich Sie Mylord, jedennoch versichern, daß einige Personen gewesen sind, die sich aus Ursachen, die Ihnen sehr wohl bekannt sind, dadurch sehr Strafbar gemacht haben: weil die Krankheit des Königs, täglich Zuwachs und seine Furcht neue Stärke bekam; ja öfters, wenn ich ihn suchte aufzumuntern und zu

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überreden, daß seine Gesundheit schiene besser zu werden: so wieß er mich auf eine beißende Art ab, und antwortete mir mit einem harten und ungnädigen Thon.

Meine Feinde, die sich dieses Umstandes zu Nutzen machten, beschlossen sich desselben ferner zu meinem Verderben zu bedienen. Zu dem Ende stellten Sie dem König vor, daß meine leichtsinnige und flüchtige Aufführung, wie sie dieselbe nennten, zu einer Zeit, wo alle seine andern Freunde über den schlechten Zustand seiner Gesundheit bestürzt wären, eine sattsame Probe von der wenigen Achtung und Zuneigung, welche ich für seine Person hätte, an den Tag legte. Dies Vorgeben suchten sie dadurch zu bestärken, daß sie behaupteten, wie meine Aufführung wenn ich in Freyheit wäre, viel tadelhafter sey als in seiner Gegenwart, und versicherten Se. Majestät, daß mein Betragen bey dieser Gelegenheit wäre der Stoff der Gespräche des ganzen Hofes geworden.

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Ich habe starke Grunde zu glauben, daß diese boshafte Beschuldigungen zu der Zeit diejenige Würkung nicht thate, die man sich davon versprach; weil mir der König nie das geringste Wort dieserwegen sagte. Es ist auch ein großer Trost für mich, versichern zu können, daß diese Beschuldigung nur allein in der Bosheit meiner Feinde gegründet war.

Die zweyte Beschuldigung ist, daß ich die Dänen überhaupt jederzeit mit einer Art von Verachtung, die sie sich nicht zugezogen, tractiret habe; um mich hierüber zu rechtfertigen, habe ich weiter nichts nöthig, als Ihnen die Aufführung zu erklären, die ich in Absicht ihrer beobachtet habe, und zwar von dem Augenblicke an, da ich in Copenhagen angelanget bin. Die Einwohner empfingen mich Anfangs mit allen Arten der Freudensbezeugungen, und ich schmeichelte mir, daß, wenn ich einige Zeit unter ihnen würde zugebracht haben, ich sie in der guten Meynung, die sie von mir gefaßt hatten, bestärken würde. Ich würde auch gewiß meine Wünsche ohne

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die Intriguen meiner Feinde (welche ohne Aufhören wider mich solche Lästerungen ausbreiteten, die sie für die bequemsten hielten, mich bey dem gemeinen Volk verhaßt zu machen) erfüllt gesehen haben.

Die Dänen schienen, so wie ich bemerkt habe, sehr leichtgläubig zu seyn, und meine Feinde haben sich dieser Leichtgläubigkeit zur Ausführung ihres Vorhabens zu Nutze gemacht.

Zufolge der Regel, mnch welcher ich beschlossen hatte, meine Aufführung zu richten, suchte ich alle Gelegenheit auf, mich dem ganzen Hof angenehm zu machen. Zu dem Ende machte ich Gebrauch von allen nur möglichen Höflichkeits- und Freundschaftsbezeugungen; um auch allen Verdacht zu entfernen, als ob ich suchte, mir einen Anhang zu machen: so vermiede ich sehr sorgfältig, den geringsten Unterschied unter den Personen, die Cour bey mir machten, zu äusern; sondern ich begegnete jeden mit gleicher Höflichkeit und mit gleicher Achtung.

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Um dieser Ursachen willen, habe ich mich auch jederzeit gehütet, jemand von meinen Landsleuten dahin zu vermögen, an den dänischen Hof zu kommen, ob mich gleich das ansehen, so ich bey dem König ! hatte, ohne Zweifel in den Stand gesetzt hatte, sie wegen Verlassung ihres Vaterlandes hinreichend schadlos zu halten. Ob mir schon diese Maaßregeln einen großen Vortheil zu Wege gebracht hätten; weil ich mir dadurch eine große Anzahl Freunde würde gemacht haben, die jederzeit wären bereit gewesen, sich allen gemachten Entwürfen meiner Feinde zu wiedersetzen: so wollte ich doch lieber mein einziges Vertrauen auf die Unterthanen meines Gemals setzen, und mich des Vortheils berauben, den ich daraus hätte ziehen können.

Das Vergnügen, welches der König nothwendig empfinden mußte, mich eben so sehr von seinen Unterthanen als von ihm selbst geliebt zu sehen, war auch ein starker Bewegungsgrund, alles anzuwenden, um wir die Hochachtung des Volks überhaubt zu verschaffen; und die Ueber-

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legung meines eigenen Intressens, würde allein schon hinreichend gewesen seyn, alles nur mögliche zu thun, um darinnen glücklich zu seyn.

Ich habe über die gegenwärtige Beschuldigung weiter nichts mehr zu sagen, als das sie, so wie alle übrigen gänzlich ungegründet ist.

Die letzte Beschuldigung, die mir noch übrig ist, näher zu untersuchen bestehet darinn, daß ich Bälle, Maskeraden & c. an einem Hofe eingeführet habe, der jederzeit wegen der Entfernung von allen Arten dergleichen Auftritte der Unordnung wie es meinen Feinden beliebt sie zu nennen und dessen genauen Beobachtung der Sitten, jederzeit als ein würdiges Muster der Nachfolge ist betrachtet worden, in sonderbare Achtung gestanden habe.

Diese Beschuldigung hat etwas Sonderbares und Merkwürdiges in sich, nämlich daß es mir zur Last gelegt wird, gefährliche und der Tugend nachtheilige Lustbar-

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keiten eingeführt zu haben, da doch dieselben an den meisten Höfen von Europa begünstiger und angenommen worden, welche, weit entfernt sie für schädlich und nachtheilig zu betrachten, dieselbe vielmehr als die bequemsten Mittel halten, die Künste und Manufacturen dadurch in Aufnahme zu bringen.

Bey dieser Beschuldigung ist noch ein anderer Umstand, der nicht weniger bemerkungswerth ist, nämlich, sie enthält einen gewissen Grad der Wahrheit, die zwar bey allen Beschuldigungen nothwendig ist, die aber bey allen bishero wider mich beygebrachten Beschuldigungen, gänzlich fehlet. Folgende Umstände dieser ganzen Sache, unterwerfe ich Dero Bemerkungen.

Die öffentlichen Lustbarkeiten, welche bey Gelegenheit meiner Vermählung mit dem Könige angestellet wurden, brachten verschiedene Personen am Hof, unvermerkt einen solchen Geschmak an dergleichen Lustbarkeiten bey, daß ich von einigen bemeldter Personen, nachdem alle Freudensbe-

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zeigungen vorbey und alles wieder auf den alten Fuß gesetzt war, ersucht worde, mein Möglichstes bey dem Könige zu thun, um seine Einwilligung zur Erneurung derselben an gewissen Zeiten und unter gewissen Einschränkungen zu erhalten. Ich versprach ihnen ihr Begehren dem Könige vorzustellen, und einige Tage darauf erfüllte ich mein Versprechen. Der König bewilligte mir meine Bitte auf die aller verbindlichste Art, und von der Zeit an sind die Lustbarkeiten, worüber man sich beklagt, fast die beständigen Ergötzlichkeiten des grösten Theils des Hofes geworden; allein ehe ich noch bey dem Könige, deswegen Ansuchung that, machte ich der verwittweten Königin mein Vorhaben kund und zog sie darüber zu Rath; sie hat mir zur Antwort gegeben, daß sie nichts Unanständiges dabey sähe, und sie erboth sich sogleich, mein Ansuchen zu unterstützen, im Fall Se. Majestät die geringste Schwierigkeit machen sollten, es mir zu bewilligen. Dieses ist ein Umstand, den ich noch ehe ich diesen Brief schließe, näher beleuchten werde.

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Aus allen dem, so ich bishero gesagt, erhellet deutlich, daß die. bösen Folgen (wenn nämlich dergleichen gewesen) welche durch Einführung bemeldter Lustbarkeiten erfolgt sind, mir mit keinem Grunde zur Last gelegt werden können; weil ich in dieser Sache lediglich auf Ansuchung und Rath andere gehandelt habe, gänzlick unwissend was die Dänen von diesen Ergötzlichkeiten dachten. Ich trag inzwischen kein Bedenken zu bekennen, daß ich des Königes Einwilligung bey dieser Gelegenheit eben so sehr zu erhalten wünschte, als jemand von denjenigen, die mich zu diesem Gesuch verleitet hatten.

Ich endige nun hier die Anmerkungen, die ich mir vorgenommen hatte, zu machen, sowohl über die Haupt- und geringeren Beschuldigungen, als auch über die Aufführung, welche man in Absicht meiner Zufolge der Beschuldigungen von der ersten Art, beobachtet hat, und hoffe dadurch bewiesen zu haben (insoferne eine Unwahrheit kann erwiesen werden) daß alle bemeldte Beschuldigungen, eine einzige aus-

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genommen, ganz ohne Grund sind, und daß in Absicht der Beschuldigung, die ich einigermaßen gegründet finde, die Schuld davon einzig und allein meiner Unwisenheit und keineswegens einen vorsetzlichen Fehler, beyzumessen sey: auch habe ich bewiesen, daß das Verfahren der Unterfuchungs-Commißion gänzlich gegen die Gerechtigkeit und Vernunft streite. Nun lasse ich Ihnen, Mylord, zur Beurtheilung über, ob Ihnen meine Beweise, die ich beygebracht, Genugthuung geben können.

Und da sie natürlicher Weise von mir mit Recht erwarten können, daß ich Ihnen einige Bewegursachen des grausamen Und ungerechten Verfahrens meiner Feinde anzeige: so will ich Ihnen einige Umstände vorlegen, die Ihnen die Ursache ihren Aufführung in Absicht meiner, begreiflich machen.

Ich habe mich bishero des allgemeinen Namens: Feinde bedienet, als ich derjenigen Personen Erwähnung thun mu-

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ste, welche mir durch ihre List und Kunstgriffe dasjenige Unglück zubereitet haben, worunter ich jetzo suutze.

Derowegn muß ich ihnen melden, daß ich unter dieser Benennung jederzeit die Verwittwete Königin, ihren Sohn den Prinzen Friedrich und diejenigen von den Adel und von den andern Ständen, verstanden habe, welche der Ausführung der letztern Staatsveränderung hülfreiche Hand geleistet haben. Ich muß Ihnen ferner noch einige Umstände entwickeln, welche die Aufführung dieser Personen betreffen, und die ich bishero noch nicht berühret habe. Ingleichen werde ich auch einige Umstände, die ich bishero mit Anmerkungen begleitet habe, wiederholen und meinem oben gethanen Versprechen gemäß, einige nähere Bemerkungen beyfügen.

Das Betrage der verwittweten Königin wird bey dieser Gelegenheit den vornehmsten Stoff meiner Anmerkungen ausmachen; weil ich sie als die vornehmste Triebfeder, die allen andern Theilen ih-

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re Bewegung gegeben, betrachte; doch werde ich auch zu gleicher Zeit nicht unterlassen, einige Anmerkungen über die Aufführung der beyden andern Personen, die sich in dieser Sache haben als Werkzeuge gebrauchen lassen, zu machen.

Um nun den Anfang der Untersuchung wegen der Aufführung der verwittweten Königin zu machen: so wurde ich bey meiner Ankunft am dänischen Hof von Ihrer Majestät mit allen Zeichen der Freundschaft und Zuneigung empfangen. Da aber meine Vermählung mit dem Könige, wahrscheinlicher Weise ihr alle Hoffnung ihren Sohn dereinsten auf dem Thron zu sehen, benehmen muste: so erwartete ich von ihr eine ganz andere Bewegung. Es wurde eben keine vollkommene Staatskunst erfordert, um zu entdecken, das mir diese Freundschaftsbezeugungen verdächtig seyn musten und zweifelte daher, um dieser Ursachen willen, an der Aufrichtigkeit derselben; jedoch ließ ich endlich alles Mistrauen fahren und faßte für Ihre Majestät eine Zuneigung, die eben so auf-

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richtig als die ihrige falsch war.

Von diesem Augenblick an überließ ich mich gänzlich der Leitung Ihrer Majestät, indem ich sie bey jeder wichtigen Gelegenheit zu Rathe zog. Die erste wichtige Sache, wobey ih ihren Rath nöthig hatte, war bey Gelegenheit der Bitte, welche einige von den vornehmsten Personen des Hofs an mich ergehen ließen, um durch mein Ansehen es auszuwürken, daß der König seine Einwilligung zur Erneurung gewisser öffentlichen Lustbarkeiten, denen ich schon Erwähnung gethan, geben möchte. Von dieser Gelegenheit rieth sie mir sehr stark, diese Bitte zu vollziehen indem sie vorgab, daß ich mir hiedurch unvermerkt diese Personen verbindlich machen würde, mit der Versicherung, daß wenn der König bey dieser Gelegenheit Die geringste Schwierigkeit machte, sie alsdann mein Ansuchen durch ihre Bitte unterstützen würde; allein vorbedächtlich sagte sie mir nicht ein Wort von der Abneigung, welche die Dänen gegen dergleichen Lustbarkeiten haben.

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Durch dieses Betragen erhielte die verwittwete Königin zwey wesentliche Stücke zu ihren Absichten: auf der einen Seite machte sie mir die Sache an sich selbst je mehr und mehr angenehm, und auf der andern Seite wuste sie, wie unzufrieden die Nation über die Erneurung dieser Lustbarkeiten wäre, und daß man folglich keine Zuneigung zu mir haben würde, wenn man einmal zu wissen bekäme, daß dieselben auf mein Verlangen wären erneuert worden.

Es war in ihrem Betragen ein Umstand, der mich in großes Erstaunen setzte, als ich den Character der Nation besser hatte kennen gelernt, nemlich der Eifer, mit welchem sie mich antrieb, alle diejenigen Vorschläge, welche die Einführung der Pracht und Kosten zum Gegenstand halten mit meinem Ansehen zu unterstützen. Diesen Eifer schrieb ich dem Verlangen, um meinen Zustand so angenehm zu machen als möglich, und zwar durch Einführung derjenigen Ergötzlichkeiten, zu denen ich jederzeit Geschmack und Neigung bezeiget hat-

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te und an welchen ich in meinen Vaterlande beständig gewohnet war.

Ich habe nachher wichtige Gründe gehabt, meine Meynung zu ändern, und anjetzt bin ich überzeugt, daß die Bewegungs- gründe ihres Betragens in diesem Vorfall so wol als andern, nichts anders gewesen sind als ein vorgesetzter Plan, mir in den Gemüthern des Volks so vielen Nachtheil als nur möglich, zu wege zu bringen.

Während der Zeit, daß der König mein Gemahl, sich in England aufhielte: so gaben mir Ihre Majestät eine ganz besondere Probe von ihrer Fähigkeit in den Hof-Ränken, durch ihre Erfahrenheit in der Kunst sich zuverstellen. Hier ist die Sache. Als wir alleine waren, machte die Untreue der verheyratheten Mannspersonen in England gegen ihre Frauens, den Gegenstand aller ihrer Gespräche aus; sie machte mir bey der Gelegenheit, wegen meiner Eigenschaften, viele Lobsprüche und ließ eine veste Hoffnung (die mir

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aber als eine vollkommene Furcht schien) blicken, daß sich der König nie von der Pest dieses Hofes würde anstecken lassen.

Kurze Zeit hernach fingen Ihre Majestät an, mir die Aufführung des Königs auf eine verblümte Art verdächtig zu machen, und endlich kam sie so weit, das sie mir verschiedene Personen in London nahmhaft machte, mit denen der König, ihrem Vorgeben nach, einen vertraulichen Umgang unterhielte.

Hier wurde ich wieder durch ihre Kunstgriffe betrogen; denn als ich in geheim die Unbeständigkeit, deren ich Se. Majestät beschuldigte, beweinte; so floß mein Herz von Dankbarkeit gegen die verwittwete Königin über, wegen der neuen Merkmale der Zuneigung, welche sie mir schiene zu geben. Inzwischen hatten alle die Bemühungen, so sie sich gab, den Saamen der Uneinigkeit zwischen mir und dem König auszustreuen nicht die Würkung, die sie sich ohne Zweifel davon versprach. Denn als ich reiflich überlegte, daß alle Vor-

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würfe die ich dieserwegen dem Könige machen könnte bey nahe ohne Nutzen wären (so beschloß ich eine ganz andere Aufführung anzunehmen, und indem ich vor ihn die Kundschaft, die man mir mit so vieler Sorgfalt beybrachte, von seiner schlechten Aufführung verbarg: so gab ich mir alle Mühe, sein Herz durch Merkmale meiner gewöhnlichen Zärtlichkeit wieder zu gewinnen.

Zufolge dieses Entschlusses, bemühete ich mich dem Könige bey seiner Zurückkunft, eben so sichtbare Beweise meiner Zuneigung zu geben, als ich vor seiner Abreise in der That gehabt hatte.

Seine Majestät, sorgfältig unterrichtet, daß ich von seinen Schwachheiten Kennrniß hätte, und der folglich eine ganz andere Aufnahme von mir erwartete, schien anfänglich an der Aufrichtigkeit meiner Bezeugungen zu zweifeln; allein als er endlich sahe, daß ich nicht den geringsten Schein eines Misvergnügens wegen seines vergangenen Betragens blicken liesse: so gab er sich des ge-

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faßten Argwohns und von der Zeit an schien seine Neigung gegen mich täglich zu wachsen.

Kurze Zeit nach der Zurückkunft des Königes wurden mir die Augen zum Theil in Absicht der Kunstgriffe der verwittweten Königin bey folgenden Vorfall geöffnet. Als eine Bedienung von geringer Bedeutung ledig war: so ersucht mich dieselbe, sie mir bey dem Könige für jemand auszubitten, den sie mir nannte. Vergeblich stellte ich ihr vor, daß ich mich seit meiner Ankunft in dies Königreich gar nicht damit befaßt hätte Bedienungen zu vergeben, theils weil ich nicht Fähigkeit besäße das Verdienst derjenigen, die sich darum bewürben zu beurtheilen, theils, weil ich beschlossen hätte, niemalen dahin zu trachten, mir ein Recht anzumaßen, welches der Person des Königes nur allein zugehöre.

Alle diese Vorstellungen, die ich als Gründe betrachte, warum ich wünschte, mich in dieser Sache nicht verwickelt zu sehen, waren fruchtlos; denn Ihre Majestät

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drungen so stark in mir, daß ich mich endlich genöthiget sahe, in ihr Begehren zu willigen.

Die Ursachen warum sie, wie sie vorgab, so ernstlich darauf bestund, wäre, daß bey dieser Gelegenheit ein Edelmann zum Besten einer andern Person mir ihr gesprochen habe, von der sie sehr wohl wüste, daß sie gar keine Fähigkeit zu dieser Bedienung hätte; jedoch wagte sie nicht es dem Edelmann, der aus einer alten und mächtigen Familie wäre, und dem sie noch überdem besondere Verpflichtungen schuldig wäre, gerade abzuschlagen. Sie bath mich dahero, daß ich mich gegen Niemand wegen der Bitte, so sie an mir gethan, etwas möchte äußern, damit es dieser Edelmann nicht erführe. Zum Beschluß fügte sie die Versicherung bey, daß sie gar keine andere Ursache habe, mir die bemeldte Person zu empfehlen, als weil sie dieselbe für die Tüchtigste am ganzen Hofe zu dieser Bedienung hielte. Um mich kurz zu fassen, ich sprach den König darum an, der ohne Bedenken in mein Gesuch willigte; einige Tage darauf erfuhr ich, daß die verwittwete Königin selb-

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sten besagten Edelmann Versicherte, daß die Ursache, weswegen sie bey dieser Gelegenheit mit dem Könige zu seinem Vortheil nicht habe sprechen können, diese wäre, daß nachdem sie von ohngefehr in meiner Gegenwart dieser Sache wegen gesprochen habe: so hätte ich sogleich eine heftige Begierde gezeiget mir bemeldten Posten bey dem Könige für die Person, die ihn erhalten, auszubitten; inzwischen müste sie bekennen, daß außer Sr. Majestät niemand meine Absichten hiebey einsähe.

Es erhellet hieraus ganz deutlich, daß sie durch dieses Betragen, bemeldten Edelmann den Gedanken suchte beyzubringen, daß ich bey dieser ganzen Sache kein ander Absehen, als ihm seinen Plan zu vereiteln.

Der letzte Umstand des Betragens Ihrer Majestät, ist, daß sie die Beschuldigung wider mich wegen eines strafbaren Umgangs mit dem Grafen Struensee, angesponnen oder vielmehr ausgedacht hat.

Da es eine nothwendige Folge war,

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daß, wenn ich dieses Verbrechen schuldig erklärt würde, ich auf beständig vom Hofe (im Fall man mir das Leben schenkte) ver- bannen würde: so ist es nicht schwer die Bewegursachen dieses Betragens zu errathen.

Die Bewegungsgründe, die Ihre Majestät, wahrscheinlicher Weise, zu allen obbemeldten Umständen verleiteten, waren nur (den letztern ausgenommen) von geringen Gewicht; allein das was sie hauptsächlich und am stärksten zu dem Betragen antriebe, war (ich getraue es mir zu behaupten) das Vornehmen, mich auf immer von dem Könige meinem Gemahl zu entfernen und hierinnen hat es ihr nur allzu wohl gelungen.

Ich habe oben versprochen, noch etwas von den wider mich beygebrachten Anschuldigungen zu sprechen, und hauptsächlich von der Beschuldigung, als ob ich mit dem Grafen Struensee in sträfliche Verbindung gestanden wäre. Ich werde nur die einzige Anmerkung darüber machen, daß

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es ein rechtes Meisterstück der Staatskunst gewesen ist, die Zeit dieser Verbindung nach der Geburt des Prinzen meines Sohns vest zu setzen; denn wenn man etwas wider die Rechtmäßigkeit seiner Geburt beygebracht hätte: so würde man starken Verdacht gefaßt haben, als ob man damit umgienge, die Thronfolge zu Verändern, und verschiedene Umstände, die ich in diesem Brief hier und da näher entwickelt habe, bewiesen es mit der grösten Wahrscheinlichkeit, daß die Absichten meiner Feinde wörtlich dahin gegangen sind; wenigstens geben das Betragen der verwittweten Königin, des Grafen Ranzau und des Obristen Köller, zur Zeit meines Arrests (worüber ich schon meine Anmerkung gemacht habe) keine solche Umstände an Handen, woraus man das Gegentheil schließen könnte.

Nachdem ich nun also meine Erzehlung beendiget habe: so hoffe ich Mylord, daß Sie mir die Mühe, so ich Ihnen verursachet, verzeihen werden. Das lebhafte Verlangen, so ich habe, mein Betragen vor Ihren

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Augen zu rechtfertigen und durch Dero Vermittelung meinen Landsleuten meine Unschuld zu erkennen zu geben, ist die Veranlassung, daß ich mir die Freyheit genommen habe, Ihnen diesen Brief zu schreiben. Haben sie die Geneigheit und entschuldigen Sie die Fehler der Schreibart, die meinen Geschlechts eigen sind, und seyn Sie der vollkommensten Hochachtung versichert, mit welcher ich bin

Mylord

Dero

verpflichtete

Carolina Mathilde.

1

HISTOIRE

de la derniere révolution arrivée en DANEMARK,

écrite de la propre main de sa

Majesté la Reine

CAROLINE MATHILDE

pendant sa détention au Château de Kroonenbourg ;

Envoyée de peus peu au Comte de ***

Copié sur l’ Original,

Traduite de l’Anglois,

A ROTTERDAM, Chez J. F. EBERT, Libraire sur le Steiger. MDCCLXXII.

2

L'Editeur ne reconnoit point d’autres Exemplairespour autentique, que ceux qui sont signés de sa main.

3

A MONSIEUR

LE COMTE DE ***.

Monsieur,

I' atachement que vous avez nombre de fois témoinné à ma famille, & les marques particulières d’estime & d’amitié que vous m’avez toujours données, m’encouragent à soumettre à votre jugement la justification, que j’entreprends, de ma conduite, contre les fausses & malignes accusations qu’on a intentées contre moi, & én conséquence desquelles je suis aujourd'hui détenue injustement prisonniere. La reputation que vous avez d’être un homme d’une droiture reconnue & à talents, sur le sentiment duquel chacun se repose, est aussi le motif qui me porte, dans la circonstance présente, à vous choisir par préférence à tout autre. Lorsque mes compatriotes sauront combien vous êtes convaincu de mon innocence, comme j'espére que vous le serez après la lecture de ce détail de mes malheurs, je ne doute point qu’ils ne renoncent aussitôt aux préjugés que plus d’une personne, comme je l’apprends, à déjà formés contre moi, & qui sont suivis de ces discours malins que mes ennemis ont répandus avec ardeur dans le Royaume. La pensée que ma réputation est flétrie parmi mes compatriotes, redouble la douleur de mon état humiliant &

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de ma prison; & si je n’étois pas convaincue que je n’ai aucunement mérité mes souffrances présentes, je succomberois sans doute sous le poids accablant de mes malheurs.

Après ce peu de mots, je vais me justifier contre les accusations dont mes ennemis me chargent.

Voici en quoi consistent les crimes dont on m'accuse, & dont je n’ai connu la nature que quelque temps après avoir été arrêtée. On prétend que je me suis rendu coupable d’une conjuration contre le Roi mon époux, dans l’intention de lui ôter la couronne; que, d’intelligence avec les Comtes STRUENSEE, BRANDT & autres, j'aurois réellement dressé un acte de renonciation, que j’étois résolue de fairé signer par force à sa Majesté, lorsque nous nous serions rendus maitres de sa personne, lequel dessein, à ce qu’on prétend, nous étions sur le point d’exécuter, dans le moment même où nous avons été arrêtées par ordre du Roi; & enfin, que j’ai des honoré le lit du Roi mon époux, par mon infidélité avec le fusdit Comte Struensee. Ces accusations sont le fondement sur lequel on m’a arrêtée! cependant on me charge encore de plusieurs autres choses, quoique d’une nature plus frivole, dont je parlerais dans son lieu, d’autant plus que ces dernieres ne font pas mises au rang des crimes d’état.

L’impossibilité absolue de prouver un désaveu, me fait, assez comprendre combien il me sera difficile de me de£fendre contre ces accusations! cependant si je puis prouver, comme je l’espere, que toute la conduite que l'on a tenue à mon égard a été arbitraire & injuste, & que l’evidence sur laquelle mes ennemis prêtendent m’avoir déclarée coupable, est bien éloignée de fournir une conclusion satisfaisante, j’aurai par conséquent démontré qu'il doit naturellement s’en suivre, que ceux qui ont recherché ma conduite, ont été contraints de faire violence à chaque point du droit & de l’équité pour exécuter leurs mauvais desseins. J’ajouterai quelques remarques pour faires voir le peu de vraisemblance qu’il y a que j’aye été coupable des crimes que l’on m’impute.

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Premierement pour ce qui regarde les circonstances de mon arrêt, lorsque l’ordre en fut donné, on n'avoit encore écouté personne relativement aux griefs dont ons charperoit; par conséquent on se saisit de moi, sans avoir la moindre apparance de raison pour me mettre en sureté. On me dira peut-être qu’il étoit nécessaire de s’assûrer de moi dans le même temps qu’on arrêtoit les autres personnes, de peur qu’à la premiére nouvelle qu’e j’aurois eu de leur détension, je ne cherchasse â m’échapper; on peut ajouter qu’ayant eu part à leur conspiration, je ne devois pas exiger plus de complaisance qu’ils n’en ont éprouvé eux mêmés. A cela je réponds, que puisque j'étois une des personnes spécifiées qui dévoient être accusées, mes ennemis auroient bien sû faire autour de moi une garde si exacte, qu’il ne m’auroit pas été possible de m’échapper. Aussi avoient-ils d’autant moins de raison de craindre mon évasion, que ceux qui, comme ils le prétendent, étoient mes complices, & qui devoient m’aider dans l’exécution d’un tel projet, manquoient eux mêmes de toutes les facilités imaginables, par les chaînes dont ils étoient chargés. La circonstance suivante éclaircira encore ce point d’avantage.

L’ordre du Roi pour m’arrêter lui fut extorqué par la Reine Douairiere & par le Prince FRIEDERIC; Car lorsque ces deux personnes lui firent la lecture de l’ordre par écrir qu’ils le pressoient de signer, Sa Majesté refusa absolument dé le faire & elle persista dans son refus jusqu’à ce que la Reine lui dit que si Sa Majesté ne vouloir pas condescendre à leur volonté, elle & son fils signeroient l’ordre. Le malheureux Roi, qui remarqua sans doute alors qu’il ne lui restoit plus que l’ombre de la dignité Royale, & qu’étant sous la puissance de sa mere & de son frere, sa propre sûreté couroit toute forte de risques, â moins qu’il ne consentît à tout ce qu’ils exigeoint, signa, d’une main tremblante & le cœur serré, l’ordre de me livrer entre les mains de mes ennemis.

On doit remarquer ici que le Roi refusa de signer l’ordre, même après que la Reine & le Prince leurent assuré que les conjurés & moi nous avions résolu de le

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forcer à renoncer au trône, preuve évidente qu'il ne me reconnoissoit pas capable de forger un pareil complot.

L’ordre ayant été obtenu par une voye aussi oblique, il fut remis au Comte RANTZAU pour l’exécuter lui même. Cet ordre avoit été extorqué par la violence, ce il fut, je dois le dire, exécuté d’une maniéré brutale. Je ne prétends pas que le Comte fut chargé de me traiter avec autant de barbarie qu’il le fit! je dois aussi avouër que jusque là je n’avois regardé le Comte que comme un homme poli & généreux. Le Comte ne me laissa pas beaucoup de temps pour me préparer à ma prison, & lorsque l’heure de mon départ du palais fut venue, il m’aida à monter, ou plutôt, il me poussa dans le carrosse qui me conduisit au chàteau de Kroonenburg, lieu de ma prison.

Avant que de quitter le palais, j’insistai avec fermeté pour qu’il me fût permis de dire un mot au Roi mon époux! mais cette liberté me fut absolument refusée par le Comte RANTZAU! & comme quelqesuns des officiers qui l’accompagnoient paroissoient disposés a voir exécuter ma demande, il les fit changer de sentiment en les assûrant qu’il leur en coûteroit infailliblement la tête, si je parvenois à voir le Roi. Ces paroles du Comte me donnent grande raison de soupçonner que 1arrêt de ma personne a eu lieu avant que le Roi en eût signé l’ordre, & que le Comte, dans toute cette affaire, n’a fait que suivre les ordres de la Reine Douairiere & du Prince FRIDERIC sans la participation de fa Majesté; car il n’est pas possible de supposer que le Comte & les autres officiers courussent le moindre risque en exécutant des ordres que le Roi lui même auroit donnés. Deux circonstances me confirment fortement dans ce soupçon! La premiere est que l’ordre de m’arrêter ne fut montré que quelque temps après qu’il eût été exécuté. La seconde est que lorsque le Colonel KÖLLER signifia l’arrêt au Comte STRUENSEE, il avoua qu’il n’avoit pas sur lui l’ordre du Roi; mais qu’il repondoit sur sa téte de ce qu’il faisoit. Si ces soupçons sont fondes, il s’en suit

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nécessairement que la Reine & fon fils avoîent précédement résolu d’obtenir l’ordre du Roi, quelque chose qu’il én pût coûter! ou que, s’ils voyoient manquer leur entreprise, alors ils rendroient inutile l’opposition de sa Majesté, en la privant du trône dans le meme temps qu’ils s’assûroient de ma personne.

Apres avoir été gardée quelques heures prisonnière dans le palais, je fus transportée au château de Kroonenburg, à déssein d’empêcher que j’eusse la moindre occasion d’approcher du Roi mon époux, de quelque maniére que ce fût. Dans le meme temps que lon me faisoit sortir du palais, tous ceux qui avoient quelque crédit auprès de fa Majesté, & qui étoient connus pour mes amis furent arrétés, sans doute pour empêcher qu’aucun d’eux ne put me rendre quelque service auprès de Sa Majesté qui, voyant qu’on ne lui laissoit point d’autres personnes pour sa garde, & ne comprenant que trop per mon exemple jusqu’à quel point il étoit soumis à leur puissance, & obligé de souscrire à toutes leurs volontés, se trouva forcé d’appuyer de son autorité toutes leurs entreprises. Que plusieurs personnes ayent été arêtées pour les raisons que je viens d’expliquer, cela paroît de la maniére la plus claire, en ce quelles ont toutes été relàchées, sans qu’on produisit contr’elles la moindre apparence d'accusation, au tribunal établi pour interroger les criminels. Quelques-unes de ces personnes ont obtenu depuis des pensions, pour les dédommager sans doute du traitement injuste quelles avoient souffert, & de la prison qu’elles n’avoient pas méritée. Je ferai maintenant quelques observations sur la conduite des juges nommés pour examiner les personnes que l’on suppose avoir en part à la prétendue conspiration.

Premierement quant à la nature de l’evidence sur laquelle les accusations étoient appurées, j’entends pour ce qui me concerne, mes ennemis ont soutenu que les crimes dont ont m’accusoit avoient été prouvés à l’entiere satisfaction de mes juges. Je crois bien certainement que mes juges se sont contentés de la moindre apparence

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d'une preuve pour me déclarer coupable! mais en méme temps je nie absolument qu’ils ayent été convaincus, dans le sens qu’ils veulent attribuer à cette conviction. Levidence, disent-ils, sur laquelle j'ai été déclarée coupable, consiste dans l’aveu des personnes qu’on m’a supposées pour complices. Cette circonstance auroit pu être de quelque poids, si cet aveu été fait librement; mais quand on pense que ces avex leur ont été arrachés au milieu des plus cruelles tortures, dont le seul récit fait frémir la nature, je suis convaincue que toute personne impartiale avenera qu’on auroit dû produire des preùves d’une toute autre nature pour appuyer les procedures de juges contre moi. D’un autre côte la conduite de la chambre de justice a êté tout à fait inexcusable: j’ai ici en vuë le secret avec le quel ils ont voilé toutes leurs procedures. Le moindre sujet devoit jouïr du privilège d’exiger une interrogation en forme & publique; c’est un droit qui appartient en général au public, qui devroit toujours être instruit des raisont sur les quelles est fondée une accusation de quelqu' importance intentée à qui que ce soit. Toute la nation Danoise étoit, dans le cas présent particulièrement affectée, tant par rapport à la nature de l'accusation, que par rapport au rang & aux liaisons des parles accusées! cependant on ne souffrit pas quil transpirât la moindre particularité de ce qui se possoit devant ce tribunal, que lorsque toutes les procédures furent terminées, & quand le Colonel KEITH, comme autorisé par le Roi, mon frere, demanda d’assister à l’interrogatoire des prisonniers, on le lui refusa positivement. Les motifs d’une telle conduite sont assez clairs, je pense; c'est pourquoi je ne m’arrêterai point à y faire de réflexions, & je finirai cette partie de mon sujet en remarquant que, quand je pese mûrement l’inimitié connue que les membres de ce tribunal avoient conçue pour ma personne, aussibien que ceux qui ont dirigé toutes leurs démarches, quand, dis-je, je me rappelle toutes ces circonstances, alors je tourne avec reconnoissance mon cœur vers Dieu, qui a permis que j’échappasse de

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leurs mains, & que je conservasse ma vie, je reconnøisicx pareillement les obligations que j’ai au Colonel KEITH qui a pris si couragement ma défense, & qui, j’en suis sure, sous la protection divine, a empêché mes ennemis de réaliser leurs barbaros & pervers projets.

Jusqu’ici, Mylord, je vous ai exposé la maniere dont on m’a traitée, depuis le temps qu’on se saisit de moi, jusqu’à la separation de la chambre de justice, & vous observerez aisement que les remarques que j’ai faites dans le cours de mon récit, coulent naturellement de la cause que j’ai devant les yeux, je répete encore une fois ce que je vous ai représenté au commencement de cette lettre, savoir le dommage que souffre ma cause par rapport à la difficulte de prouver un désaveu; mais j'espere qu'après la lecture du détail ci-dessus, vous serez convaincu que son m’a outragée d’une manniere grossiere, & que j’ai été privée de certains droits, aux quels j’avois droit de prétendre, sous le double caractere de Souveraine du Royaume & de sujette du Roi, je vais poursuivre en apportant quelqes preuves du défaut de vraisemblance qu’il y avoit que j’eusse eu part aux crimes dont on me charge, & je commencerai par l’accusation. touchant ma conspiration pour détrôner le Roi. Je n’aurois jamais pu donner de plus forte preuve de ma foiblesse & de ma perversïté, que de prendre part à un tel complot: car supposez vous meme qu’un tel projet eût été exécuté, les suites en devoien être tres funestes pour moi, puisque les Danois n’auroient certainement jamais souffert que moi, qui suis une étrangère, je regnasse sur eux, soit sous le titre de Reine, soit sous celui de Régente! & dans ce cas le Prince détrôné auroit été rétabli, ou la succession auroit été totalement changée par l’élévation du Prince FRIEDERIC au trône.

Mais supposons que l'éntreprise eût réussi, & que l’on m’eût accordé de monter sur le trône; comment auroisje pû m’attendre à demeurer dans cette possession, sans être troublée, puisquil est naturel de penser que la Reine, sous le prétexte plausible de rétablir le Roi détrôné, au-

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roit cherché du secours & de l’appui chez les puissances étrangères, afin de m’enlever l’autorité dont je me ferois emparée. La France dont l’influence & le crédit sont considérables à cette cour, par le pouvoir du parti qui m'est opposé, auroit très volontiers prêté son secours dans cette occasion, tandis que l’Angleterre, selon l’équité, auroit dû refuser tous soutien & tout secours à une usurpatrice, quelque proche & attachée qu’elle lui fût d’ailleurs. Ajoutez ici la forte résistance que j’aurois rencontrée dans un parti considérable formé par les naturels du païs même, qui sons très attachés à la Reine & au Prince FRIEDERIC.

Environnée de toutes ces difficultés, j’aurois eu très promptement le dessous dans un combat aussi inégal, & par conséquent j’eusse été précipitée de l’élévation où j’étois si légèrement montée, avec perte des forces, de liberté, & très probablement de la vie meme; mais supposez que j’eusse pu fermer les yeux sur les dangers & les difficultés qui accompagnent une pareille entreprise, où aurois-je cherché du secours pour l’exécuter? Les Militaires, par la part qu’ils ont prisé à la derniere révolution, ont fait voir qu’il m’auroit été inutile d’attendre du secours de leur part. La plus grande partie de la noblesse étoit dans les intérets de la Reine Douairiere. Le Public étoit trop prévenu contre moi par de fausses & de malignes suggestions, répandués à ce dessein par mes ennemis, pour que je pusse espérer le moindre soutien de ce côté la. La joje que ce même Public fît paroître, lorsqu’il apprit ma chute, montre clairement l’estime qu’il avoit pour moi. Jamais il ne s’est fait, jamais il ne s'est entrepris une révolution nationale, qu’il n’y ait eu au moins la plus grande partie des Troupes ou du peuple qui s’en soit mêlée: cependant on m’aceuse d’avoir cherché à occasionner une révolution, dans un temps où il paroit clairement que la plus grande partie de la noblesse, toutes les Troupes, & le Public étaient lignés contre moi. Etant ainsi environnée d’ennemis aussi puissants que nombreux, où pouvois-je chercher quelque pro-

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tection contre leurs complots & leurs machinations, qu’auprés du Roi mon Epoux? Et-il possible de concevoir que j’eusse été assez insensée que de vouloir le priver d’une autorité qui seule étoit capable de me protéger, contre toutes les entreprises de mes ennemis? En vérité l'absurdité de cette accusation ne peut être égalée que par la malignité avec laquelle elle a été conçue.

L’imputation suivante est encore d’une couleur plus noire que la précédente.

On se crut obligé de produite au grand jour quelque motif apparent qui m’eut engagé dans une entreprise environnée de tant de dangers & de difficultés. Toute ma conduite, pendant mon séjour à la Cour de Copenhague, prouve que le desir de commander, foible assez propre à mon Sexe, étoit précisément de toutes les passions celle qui avoir le moins de place chez moi. Jamais je n’ai cherché à former la moindre faction à mon avantage, même lorsque je pouvois clairement remarquer qu’il s'élevoit un fort parti contre moi; mais mettant toute ma constance dans mon innocence, & dans la faveur du Roi mon Epoux, j’entendois sans inquiétude le bruit des sourdes cabales qui se formoient depuis quelque temps.

C'est pour cette raison que mes ennemis furent obligés d’imaginer quelqu’autre motif que le seul desir d’augmenter mon autorité, avec dessein de détrôner le Roi; en conséquence ils supposèrent que j’entretenois un commerce criminel avec le Comte STRUENSEE & qu’il étoit devenu nécessaire, tant pour la sureté du Comte que pour la mienne propre, de priver le Roi d’une autorité dont nous étions sûrs qu’il étoit prêt à se servir très sévèrement contre nous, si notre crime venoit à paroitre au grand jour. Pour donner plus de force au soupçon qui me supposoit coupable, ils répandirent que la ressemblance avec le Susdit Comte étoit visiblement rcconnoissable dans les traits de l’innocente fille à la quelle j’ai donné le jour Ils fondoient cette accusation sur une prétendue familiarité entre moi & le Comte, qui, disoient-ils, n'étoit

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pas compatible avec la dignité que j’aurois du garder dans toute ma conduite, en qualité d’Epouse du Roi.

On soutient que le malheureux Comte; dans son interrogatoire, s’est reconnu lui même coupable d’une pareille familiarité criminelle avec moi; mais je puis à peine concevoir que le Comte ai pu deshonnorer mon nom, & souiller son propre honneur par une accusation dépourvue de toute vérité. Toutefois en supposant qu’il ait fait cet aveu il ne devroit cependant pas, sans d’autres circonstances aggravantes, servir de raison suffisante pour me declairer coupable, puisqu’on ne peut pas nier que cet aveu ne lui ait été extorqué à la question par les plus cruelles tortures; mais mes ennemis avoient déja pris la résolution de me condamner, même aux dépens de l’Equite, de la droiture & de la raison. Cette conduite ne me surprend pas lors que je penfse aux ordres qu’ils avoient à suivre, Je suis pleinement convaincue que le choix des membres de la Chambre de Justice, dont j’ai déjà parlé, aussi bien que certains arangements fixes, sur lesquels ils devoient se régler, que tout cela disje a été déterminé par l’autorité de ceux qui forcerent le Roi, comme je l’ai dit plus haut, â signer l'ordre de m’arrêter. Il est tres remarquable qu’on nait pas répandu le moindre soupçon sur la légitimitié du Prince mon fils; mais cette circonstance fera le sujet de mes observation; dans un autre partie de mon discours, ou elle viendra plus à propos.

Pour revenir à l'accusation, une prétendue familiarité entre le Comte & moi; comme je l’ai déjà dit, a servi de fondement à mes ennemis pour m’accuser d’infidélité, & cette familiarité, soutiennent-ils étoit visible à toute la Cour. Si cela étoit réellement ainsi, pourquoi donc le Roi a-t-il ignoré une circonstance si essentielle? Il est clair qu’il n’en a rien su, même lorsqu’on se saisit de moi, autrement il n’auroit pas hésité un instant à signer l’ordre pour me faire arrêter. D’ailleurs d’auroit été en moi une preuve de la plus haute folie, de tenir une conduite si imprudente à une Cour, où je sa-

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vois tres bien qu’un grand nombre de ceux qui m’environnoient étoient autant d’espions de ma conduite. Je finis ici mes remarques sur les principales accusarions intentées contre moi, pour passer à des griefs de moindre consequence, que mes ennemis ont eu l’addresse de répandre & de faire croire à la Nation, en rassemblant pour cela toutes les forces dont ils étoient capables. Les principaux de ces griefs sont 2) que je n’ai point témoigne au Roi assez d'affection ni de respect. 2) qu’engénéral j’ai traité le Danois avec une sorte de mépris. 3) enfin que j'ai introduit le Spectacles, les Bals, les Mascarades &c. a une Cour qui jusqu’ici avoit été recommandable par la sevérité de ses mœurs.

Mes ennemis répandoient journellement ces accusations contre moi dans tout le Royaume; & pendant que je faisois les derniers efforts pour mérites par ma conduite l’estime du Roi en particulier, & celle de la Nation en général, me flattant de posséder déjà leur affection, mes ennemis par leurs basses menées & leurs lâches artifices m’ont rendu l’objet de leur mépris & de leur haine.

Mais pour revenir, le premier chef dont on m’accuse est d’avoir eu trop peu d’amour & de respect pour le Roi mon Epoux: Je m’inseris absolument en faux contre cette accusation. Mon inclination aussi bien que mon devoir m’ont toujours portée à me conduire de façon que je pusse m’assurer de l’affection & de la confiance de Sa Majesté. Une gaieté naturelle me portoit à mettre toute mon application à lui plaire; aussi Sa Majesté a-t-elle souvent déclaré que mon humeur enjouée étoit pour elle un délassement, & une recréation assûrée, après les soins attachés à la dignité Royale. Mais pour faire voir jusqu’où peut aller la force de la malignité, voici ce qui a donne lieu à mes ennemis de me reprocher comme un crime cette gaieté & cet enjouement mêmes: j’avois remarqué depuis quelque temps, que le Roi devenoit inquiet & abbattu, ce qui provenoit de la foiblesse de sa santé.

Aussitôt que je m’apperçus de cette mélancolie, je

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cherchai à la dissiper en redoublant cette vivacité à laquelle le Roi avoit tant de fois témoigné prendre un plaisir si vif; mais tous mes efforts furent inutiles, car la maladie sembloit augumenter de jour en jour. Quoique je craignisse les suites de ce mal, & que je ressentisse tout ce qu’on peut naturellement attendre, dans une pareille circonstance, d’une épouse respectueuse, & affectionée, je m’imaginai cependant que le retablissement du Roi dépendoit en grande partie des soins que l'on se donneroit pour l’empêcher de tomber dans un découragement, pour lequel je nelui voyois déjà que trop de disposition.

En consequence je continuai à témoigner une joie à laquelle, pour lors; mon cœur étoit bien éloigné de prendre la moindre part, cherchant par cette conduite ai faire croire au Roi que son mal n’étoit pas aussi dangereux qu’il le lui parroissoit. Pour réussir dans ce dessein j’ai plaisanté quelquesfois avec lui sur les doutes qu’il formoit de ion rétablissement; & pendant que d’autres personnes, sous prétexte de lui plaire, augmentoient ses inquiétudes, en le fortifiant en partie dans ses sentiments sur le danger de sa maladie, j’ai travaillé fans relâche à détruire ces mêmes inquiétudes, en affectant de penser favorablement de son etat.

Quelqu’étrange qu’une pareille conduite puisse vous paroître, je puis vous assûret, Mylord, que certaines personnes, pour des raisons qui leur sont très bien connues, s’en sont rendues coupables, à mesure que la maladie du Roi augmentoit, ses craintes prenoient aussi de nouvelles forces: souvent même lors que je cherchois à l’encourager & à lui prouver que sa santé sembloit se rétablir, il me rébutoit d’une maniere chagrine & me répondoit d’un ton en quelque forte aigre & disgracieux.

Mes ennemis saisisant cette occasion résolurent de s’en servir pour me perdre: aussi inspirerent-ils au Roi que ma conduite légère & volage, comme ils l’appelloient, dans un temps où tous ses autres amis étoient consternés du mauvais état de sa santé, fournissoit une preuve

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du peu d’estime & d’affection que j’avois pour sa personne, ils chercherent à fortifier ces discours, en soute-, nant que ma conduite en sa presence n’étoit pas à beaucoup prés aussi répréhensible que celle que j’avois coutume de tenir lorsque je me trouvois en liberté; ils finissoient par assûrer Sa Majeste que ma conduite dans la circonstance présente etoit devenue le sujet des entretiens de toute la cour.

J’ai de fortes raisons pour penser que cette maligne accusation n’eut pas dans ce temps-lá tout le succes qu'on s’en promettoit, puisque le Roi ne m’a jamais dit le moindre moi sur cet article; c’est aussi une grande consolation pour moi de pouvoir assûrer. que cette accusation n’avoit d’autre fondement que la malignité des mes ennemis.

Le sécond chef d'accusation porte qu’en général j’ai toujours traité les Danois avec une aspece de mépris qu’ils ne s’étoiènt jamais attiré de ma part, pour me justifier je n’ai besoin que de vous exposer la conduite que j’ai tenue à leur egard, depuis le moment où je suis arrivée à Copenhague. Les habitans me reçurent au commencement avec toutes fortes de témoignages de joie, & je me flattois, qu’après avoir vécu quelque temps parmi eux, je les confirmerois dans tous les bons sentiments qu'ils avoient conçus pour moi, seulement, à ce qu’il sembloit, sur le rapport de la renommée, j’aurois vu certainement mes vœux remplis, sans les intrigues de mes ennemis, qui répandoient sans cesse contre moi des calomnies qu'ils connoissoient le plus propres à me nuire dans l’esprit du public.

Les Danois, a ce que j’ai remarqué, paroissent très crédules; & mes ennemis ont profite de cette crédulité pour l’avancement de leurs desseins.

En conséquence de la regle sur laquelle j’avois résolu de dirriger ma conduite, je cherchois toutes les occasions de me rendre agréable à toute la Cour, mettant en usage les politesses & les marques d’amitié de toute espece; pour écarter tout soupçon que je cherchasse

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à me faire un parti, j’évitois de faire jamais la moidre difféqrence entre les Personnes qui venoient faire leur Cour; mais je traitois chacun avec une égale politesse & avec la même consideration.

Pour cette raison je me suis bien gardé d’engager aucun

de mes Compatriotes à venir a la Cour de Danemarc, quoique le crédit que j’avois auprès du Roi m’eût sans doute mise en état de les récompenser largement d’avoir abandonné leur patrie, & quoique ces mesures m’eussent aussi procuré un grand avantage, puisque parla je me ferois fait un grand nombre d’amis, qui auroient toujours été prêtes à s’opposer à tous les projets que mes ennemis pouvoient former contre moi: je préférai de mettre ma seule confiance dans les sujets de mon Epoux & de me priver de l’avantage & de la satisfaction que j’aurois pu tirer d’une pareille démarche.

Le plaisir que le Roi devoit naturellement ressentir en me vovant autant aimée des ses sujets que de lui même, doit aussi un puissant motif pour me porter â mettre tout en œuvre pour gagner l’estime pu peuple en général; & la considération même de mon propre interêt, auroit seule suffi pour me faire employer tous mes efforts pour y réussir.

Je n’ai plus rien a dire sur la présente accusation, sinon qu’elle est dépourvue de tout fondement aussi bien que toutes les autres.

Le Grief, qui me reste à examiner, porte que j’ai introduit les Bals & les Mascarades à une Cour qui a toujours été célebre par son éloignement pour toute sorte de pareils spectacles de déreglement, comme il plait à mes ennemis de les appeller, & dont la pureté des mœurs a toujours été regardêe comme un modele digne d’étre suivi.

Cette accusation a quelque chose de particulier & de remarquable, en ce qu’elle me charge d’avoir introduit plaisirs dangereux & prejudiciables à la vertu, quoique ces divertissements soient favorisés & encouragés dans la plus part pes cours de l’Europe, qui loin de les regarder comme pernicieux & nuisibles, les croyent au con-

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traire très propres à favoriser les arts & les manufactures.

Dans cette accusation il y a encore une autre circonstace qui ne mérite pas moins d'attention, c'est qu’elle contient un certain dégré de vérité, condition qui, quoique nécessaire dans toutes les accusation, manque absolument dans toutes celles qui ont été faites contre moi. Je soumets à vos reflexions l’état suivant des circonstances de toute cette affaire.

Les divertissements publics qui eurent lieu à l'occasion de mon mariage avec le Roi, avoient insensiblement donné, à différentes Personnes de la Cour, du gout pour de semblables divertissements, & lorsque toutes ces démonstrations de joie furent finies & que tout fut rétabli fur l’ancien pied, je fus priée par quelques unes de susdites Personnes de faire mon possible auprès du Roi, pour obtenir qu’il consentît à renouveller, dans de temps merqués & sous certaines limites, ces mêmes ivertissements.

Je leur promis de proposer au Roi leur demande, & dans peu de jours je remplis, ma promesse. Le Roi m’accorda ma demande de la maniére la plus obligeante & depuis ce temps là les divertissements, dont on se plaint, ont fait le continuel délaissement de la plus grande partie de la Cour ; mais avant que de faire la moindre demande au Roi, j’avois fait part de ma résolution à la Reine Douairiere, & je l'avois consulté sur cette démarche elle m’avoit répondu qu’elle n’y voyait rien d’indécent, & elle m’offrit sur le champ d’apuyer ma demande, en cas que Sa Majesté fit la moindre difficulté de l’accorder; mais ceci est une circonstance que j’aurai occafîon d’examiner plus au long avant que de finir cette lettre.

Par tout ce que j’ai dit, il paroit clairement que les mauvaises suites, s’il y en a eu de telles, qui venoient de l'introduction des susdits divertissements, ne peuvent avec aucune raison être mises à ma chargé, puisque, dans cette affaire, je n’ai agi qu’à la réquisition & d’après les

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conseils d’autrui, ignorant absolûment ce que les Danois pensoient de ces divertissements; je ne fais cependant aucune difficulté de reconnoitre que dans cette occasion je desirois le consentement du Roi avec autant d’ardeur qu’aucun de ceux qui m’avoient portée à le demander.

Je termine ici les remarques que ja’vois dessein de faire tant sur les accusations graves & de peu d’importance portées contre moi, que sur la conduite que l’on àtenue à mon égard en conséquence des accusations du premier genre & par ce moyen je pense avoir prouvé, autant qu’un désaveu peut l’être, que toutes les susdites accusations, excepté une seule, font entièrement deslituées de tout fondement; que par rapport à l’accusation que je regarde comme en quelque sorte fondée, toute la faute, s’il y en a, ne peut être attribuée qu’à mon ignorance, & non à un dessein prémédité de ma part; j’ai aussi prouvé que les procédures, faites contre moi par la Cour de Justice, étoient dépourvuës de la moindre apparence de justice & de raison; maintenant je vous laisse à juger, Mylord, si les preuves que j’ai apportées sont satisfaisantes.

Comme vous pouvez naturellement attendre de moi que je vous indigue quelques motifs du traitement cruel & injuste de mes ennemis, je vais vons detailler un nombre de circonstiances qui vous feront comprendre la cause de leur conduite à mon egard.

Je me suis servi jusqu’ici du nom commun d' Ennemis; lorsque je devois faire mention de Personnes qui par leurs ruses & leurs artifices ont ouvri la trame du malheur sous lequel je gémis aujourd’hui.

Cest pourquoi je dois vous dire que, sous cette dénomination, j’ai toujours entendu la Reine Douairière, son fils de Prince FREDERIC, & ceux de la Noblesse & des autres Etats qui ont prêté la main pour faire réussir la derniere révolution; je dois de plus vous détailler certaines circonstances, auxquelles jusqu’ici je n’ai point touche, & qui regardent la conduite de ces Personnes : je vous rappellari de même quelques unes de celles qui ont fait le fujet de mes réflexions, & sur les quelles je

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vous ai promis plus haut de faire des observations plus particulieres.

La conduite de la Reine Douairiere fournira dans cette occasion la principale matiere de mes remarques, puisque je la regarde comme le principal ressort qui a donné le mouvement à toutes les autres parties; mais en même temps je negligerai pas de faire quelques remarques sur la conduite de deux autres Personnes qui ont prête leur ministere dans cette affaire.

Pour commencer l'examen que je veux faire de la conduite de la Reine Douairiere: à mon arrivée à la Cour de Danemarc, je fus reçuë de Sa Majesté avec toutes fortesde témoignages d’amitié & d'affection; mais comme mon mariage avec le Roi devoir, selon toute apparence, lui ôter toutes les esperances qu’elle avoit conçues de voir fon fils succéder au trône ; j’attendois de sa part un tout autre traitement; il n’étoit pas nécessaire d’être consommée dans Part de la Politique pour soupçonner que ces témoignages d’amitié me dévoient être suspects; ce furent aussi ces raisons qui me firent douter de leur sincérité; mais enfin je renonçai à toute sorte de défiance, & je pris pour Sa Majefté une affection qui étoit aussi sincere que la sîenne étoit fausse.

Dès ce moment je me mis entièrement sous la conduite de Sa Majesté, lui demandant constament conseil sur chaque circonstance de quelque importance.

La premiere affaire de conséquence pour la quelle j’eus besoin de son conseil, fut au sujet de la priere que me firent quelques unes des principales Personnes de la Cour, pour obtenir, par mon crédit, que le Roi consentit au renouvellement des certains divertissements puplics dont j’ai déjà parlé; à cette occasion elle me conseilla fortement de poursuivre cette demande, alléguant pour raison que par là j’obligerais sensiblement ces Personnes, & m’assûrant que si le Roi faisoit la moindre difficulté à ce sujet, alors elle joindroit ses Sollicitations aux miennes; mais, de dessein prémédité, elle ne me dit pas un seul mot de l’aversion que les Danois ont pour ces sortes de divertilfements.

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Par cette conduite la Reine Douairiere obtint deux choses essentielles à ses vues: d’un côté elle me rendoit l’affaire en elle même de plus en plus agréable, & de l’autre côté elle savoit combien la Nation seroit mécoutente du renouvellement des ces divertissements, que par consequent on ne me voudroit que du mal, lors qu’on viondroit à savoir qu’ils n’avoient été renouvelles qu’a ma priere.

Il y eut dans la conduite de Sa Majesté une circonstance qui me surprit extrêmement, lors que j’eus appris à mieux connoître le caractere de la Nation: ce fut l’ardeur avec laquelle elle me pressa d’appuyer mon crédit toutes les propositions qui tendoient à introduire la pompe & la dépense; j’attribuai cet empressement au dessir qu’elle avoit de rendre mon état aussi agréable qu’il étoit possible, en introisant les divertiffements pour les quels j’avois toujours témoigné du gut & de l’inclination, & aux quels j’avois toujours été accoutumée dans ma patrie.

J’ai eu depuis de fortes raisons pour changer de sentiment, & maintenant je suis convaincue que les motifs de sa conduite, dans cette occasion aussi bien que dans les autres, n’étoient qu’un plan formé de .me nuire alitant qu’il étoit possible dans l' esprit du peuple.

Pendant tout le sejour que le. Roi mon Epoux fît en Angleterre, Sa Majesté me donna une preuve extraordinaire de la capacité dans le ruses de Cour, par son expérience dans l’art de feindre, voici le fait.

Lorsque nous étions seules, l’infidélité des hommes mariés envers, leurs femmes, qui n’est que trop à la mode en Angleterre, faisoit ordinairement le sujet de ses discours, & dans ces conversations elle prodigoitn les louanges fur mes qualités, & faisoit paroitre une ferme espérence (ce qui me paroissoit aqpen près une crainte complette) que le Roi ne se laisseroit jamais corrompre par l'air empesté de cette Cour.

Peu de temps aprés Sa Majesté commença, dune maniéré indirecte, à me rendre suspecte la conduite du Roi,

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& enfin elle en vint au point de me nommer plusieurs Personnes à Londres avec qui, à ce qu’elle prétendoit, elle étoit instruite que le Roi entretenait une familiarité scandaleuse.

je fus alors trompée par ses artifices; car pendant que je déplorois en secret l'inconstance dont j’accusois Sa Majesté, mon cœur se répandoit en actions de graces à la Reine Douairiere, pour les nouvelles marques d’affection qu’il me sembloit qu’elle me donnoit. Cependant tous les efforts, qu’elle fit pour semer la division & la dissention entre le Roi & moi, n’eurent pas l’effet qu’elle s’en étoit sans doute promis. Car lorsque je fis réflexion que tous les reproches que je pourois faire au Roi fur ce sujet seroient presque sans fruit je résolus de tenir une toute autre conduite, & cachant devant lui la connoissance qu’on avoit eu soin de me donner de sa mauvaise conduite, je m’efforçai par les témoignages de ma tendresse ordinaire de regagner son amour.

En consequence de cette resolution, je m’efforçai au retour du Roi, de lui donner autant de marques apparentes d’affection que j’en avois eu réellement avant son depart.

Sa Majesté qu’on avoit eu grand soin de prévenir que j’avois connoissance de ses foiblesses & qui eu conséquence d’attendoit de moi une toute autre reception, parut douter de la sincérité de mes démonstrations; mais voyant enfin que je ne laissois pas échapper la plus légere apparence de mécontentement de sa conduite passée, il se défît de ses soupçons, & depuis ce moment son affection pour moi parut augmenter à chaque infiant.

Peu de temps apres le retour du Roi, mes yeux s’ouvrirent en pertie sur les artifices de la Reine Donairiere à l’occasion de l’avanture suivante: une place de peu de conséquence étant venue à vaquer, Sa Majesté me pria de la demander au Roi pour quelqu’un qu’elle me nomma. En vain je lui représentai que depuis mon entrée dans le Rayaume je ne m’étois point encore mêlée de faire donner des Charges, & cela à raison de mon incapacité pour juger du mérite de personnes qui y aspiroient, & aussi parce que j’avois resolu de ne ja-

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mais travailler à m’emparer d’un droit qui appartenoit si particulierement à la personne du Roi.

Toutes ces considérations, que j’aportois comme autant de raisons qui me faisoient souhaiter de ne me point voir impliquée dans cette affaire, furent inutiles; car Sa Majesté insista si fort sur ce sujet, qu'a la fin je me vis obligée de consentir à ses desirs.

La raison, à ce qu'elle me dit que lui faisoit tant insister sur ce point, étoit, qu’à cette occasîon, un Gentilhomme lui avoit parlé en faveur d'une personne, qu’elle savoit très bien n’avoir aucune capacité pour cette charge; que de plus elle n’osoit refuser positivément le Gentilhomme, qui étoit d’une famille ancienne & puissante, & que d’ailleurs elle lui avois des obligations particulieres. Elle me pria donc de ne rien témoigner à Perfonne de la demande qu’elle me faissoit à se sujet, afin qu’il n’en parvint rien aux oreilles de ce Gentilhomme, & elle finit en m’assûrant qu’elle n’avoit point d’autre raison de me recommander la Personne en question si non qu’elle la connoissoit pour celle de toute la Cour qui avoir le plus de capacité pour cet emploi. Pour abbréger, j’en parlai au Roi, qui sans balancer, m’accorda ma demande, & quelques jours après j’appris que la Reine Douairiere elle même avoir assûré ce Gentilhomme que ce qui l'avoit empêché de parler au Roi en sa faveur dans cette occasion, étoit qu’ayand par hazard parlé devant moi de cette affaire, j'avois témoigné sur le champ un violent défit de demander au Roi le susdit poste pour la personne qui l'avoit obtenu depuis, reconnoissant cependant, qu’excepté Sa Majesté, personne ne connoissoit mes vuës à ce sujet.

Il paroit de la manniere la plus claire que, par une pareille conduite, elle cherchoit à inspirer à ce Gentilhomme la pensée que, dans toute cette affaire, je n’avois cherché qu’à traverser ses desseins.

La derniere circonstance de la conduite de Sa Majesté est d’avoir soutenu, ou plutôt imaginé l'accusation qui me charge d’avoir eu des familiarités criminelles avec le Comte

Struensee.

Comme c’étoit une conséquence nécessaire, si je venois à être déclarée coupable de ce crime, que je fusse bannie à per¬

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pétuita de la Cour, en casqu' on me fit grace de la vie, il n'est pas difficile de deviner les motifs de sa conduite.

Les raisons qui engagerent probablement Sa Majesté dans toutes les circonstances susdites, excepté la derniere, étoient simplement d'une moindre sorte; mais ce qui lanimoit principalement & le plus vivement à la conduite qu’elle a ten e étoit, j ose lassûrer, le dessein qu’elle avoit formé de m'éloigner pour toujours de la présence du Roi mon Epoux, & elle n a que trop bien réussi dans cette entreprise.

J’ai promis plus haut de parler plus au long d’un de griefs portés contre moi, j’entends l'accusation d’avoir eu avec le Comte STRUENSEE des liaisons criminelles; surquoi je remarquerai seulement, que ça été un chef d’œuvre de politique de fixer la date de ces liaisons après la naissance du Prince mon fils: car si l’on avoit avancé quelque chose contre la légitimitié de sa naissance, on auroit été fortement soupçonné de chercher à changer la succession trône, & les différentes circonstances détaillées dans le cours de cette lettre prouvent avec la plus grande vraisemblance, que tels ont été en effet les intentions des mes ennemis; au moins la Conduite de la Reine Douairiere, celle du Comte RANTZAU & du Colonel KÖLLER dans le temps de mon arrêt, sur les quelles j’ai déja fait mes réflexions, ne fournissent point de circonstances d’où l’on puisse conclurer le le contraire.

Après avoir ainfi mis fin à mon récit, J'espere, Mylord, que vous me pardonnerez la peine que je vous ai donnée. Le vif desfir que j’ai de justifier ma conduite à vos yeux, & par votre moyen de faire connoitre mon innocence à tous mes Compatriotes, est cause que j’ai pri la liberté des vous écrire cette lettre. Ayez la bonté d’excuser les défauts de style naturels à mon sexe, & soyez assùré de la parfaite estime avec la quelle je suis.

Mylord,

Votre très obligée CAROLINE MATHILDE

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Post-Scriptum. En refisant ce que j’ai écrit ci-dessus, je suis extremement surprise de n’avoir pas fait la moindre remarque sur une autre accusation intentée contre moi par mes ennemis, & dans la quelle la malignité ne se manifeste pas moins que la fausseté, j’ai en vue l’imputation qu’on me fait d’avoir conseillé à Sa Majelté de rem ercier la Garde de Suisse, & de l’incorporer dans les autres troupes.

Touchant la fausseté de cette accusation, je puis en appeler à toute la Cour, qui sait très bien que cet arangement n’a pas été fait à mon instigation, mais à celle de la Reine Douairiere. La malignité de cette même accusation paroitra clairement par les raisons mêmes que mes ennemis supposent m’avoir portée à faire cette démarche, savoir qu’en remericant la Garde du Corps, je pouvois d’autant plus aisément exécuter mes projets eontre le Roi; mais en même temps que je déclare n’avoir pas eu la moindre part à cette affaire, je reconnois que les mesures que l’on avoit prises avoient entierement mon approbation: premierement à cause du mauvais Etat où se trouvoit la caisse du trésor, que Ion m’assûroit être presque vuide: secondement à caufe de la préférence que je croyois duë aux naturels du païs de garder la personne du Roi.

Pour le motif que mes ennemis me supposent, il est foible & faux; car quand même j’aurois eu part au susdit changement, puisque je ne pouvois avec aucune vraisemblance esperer aucun secours des Troupes Nationales, il auroit été absurde de procurer le déplacement des ces Gardes, de l'assaistance des quels je pouvois seulement attendre le bon succès de mon entreprise.

La suite a prouvé en parti que ce doivent avoir été là les motifs de ceux qui ont fait prendre de pareilles mesures; meis vous comprendrez aisement que, pour les raisons que j’ai apportées, je ne pouvois prendre aucune part dans cette affaire.

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Sittliche Frage:

Warum mußten

die Königin von Dännemark

Carolina Mathildis

und die Grafen

Johann Friedrich

von Struensee

und

Enewold

von Brandt

in Kopenhagen

arretiret, erstere von ihrem Gemahle geschieden, und letztere zum Tode verurtheilet und hingerichtet werden?

von

einem dänischen Zuschauer

gründlich beantwortet.

Elisäum, beym Grafen von Struensee und Brandt 5 7 7 7.

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Si singula narrem,

Ante diem clauso componet Vesper Olym- po.

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Eine tiefdenkende Vernunft und die Geschichte die Esra aus den Handschriften Mosis zusammen getragen, leren, daß der majestätische Gott die Welt durch sein heiligstes Almachtswort: Es werde eine Veränderung, ein Himmel, eine Erde, und darin sollen Engel und Menschen glükllch feyn, erschaffen

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Vorrede.

hat. Diese Schöpfung mußte volkommen und gut seyn, da er nichts Unvolkommenes verrichten kan. Um sie aber noch mehr auszuzieren, trug er der Natur das Oberbefehlungsamt auf, die Welt mit Manigfaltigkeiten zu verwalten, wodurch sie sich erhält. Denn nicht umsonst verändern die großen Lichter des Himmels den Erdkreis; nicht umsonst windet sich derselbe auf seiner Angel, und erwecken die Zeiten des Jahres und der Tage.

Das unvernünftige Geschöpf, dem wir nach unsrer Einbildung die Vernunft absprechen, lebt nach den Pflichten der Natur, uselten trift man es ausschweifend an, wodurch es sich vor dem vernünftigen, das seine Grenzen gar zu oft mit Mutwillen übertrit, Vorzüge erwirbt. Es bedienet sich seiner Naturkräfte regelmäsig und bleibt gestärket; dieses hingegen ohne Ziel und schwächt sich.

Eine ganz besondre Veränderung aber, die im Reiche der Seelenthiere gemeinschaftlich angetroffen wird, ist die Erhebung seiner selbst, das eigene Zutrauen, der Stolz auf eigene Kräfte, das Trachten nach Herrschaft.

Der Mensch, den wir weiblichen Geschlechts Eva, und mänlichen Adam nennen wollen, stolz auf seine Leibeskräfte, misbrauchte seine Natur. Eva reizte den Adam

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Vorrede.

durch listige Stellungen und Gebärden, den Liebesapfel zu brechen und auf den Palmbaum zu steigen. Und beide genasen zuviel davon. Sie veränderten ire Natur, schwächten und raubten sich die Lebenslänge*), die man auch in einer gewissen Bedeutung die Unsterblichkeit nent.

* Daß diß der Sinn jenes hyberbolischen Ausdrucks sei, haben schon vor mir viele gründliche gelehrte Männer, indem sie dergleichen Redearten verglichen, mit genugsamen Gründen an den Tag geleget. Nichts kan mehr die Kräfte des Körpers abnehmen, als das krampfigte Zucken der ungemäsigten Ausübung der Liebestriebe. Man nehme Leute beiderlei Geschlechts, in und auser dem zugelassenen Leben der Liebe, werden nicht allemal, die sich zuviel anstrengen, älter, vor der Zeit alt aussehen, als die sich nur dieses Werks der Gesundheit wegen bedienen?-- Hierher ist besonders das Galanteriefrauenzimmer zu rechnen, das oft die Falten alter Grosmütter an sich trägt.

Hatten sich aber Adam und Eva vergangen und geschwächt; war es ihnen unmöglich, wieder neue Kräfte zu bekommen: So mußten auch ihre Abkömlinge, so wie ein schwacher Baum geringe Früchte bringt, schwach und kraftlos erscheinen; und daher ihre Lebenssäfte eher austroknen, eher sterben als wenn das ganze Menschengeschlecht nach Regeln gelebet hätte. Geschwächt also arbeiteten die Menschen, daß es ihnen sauer wurde; oder anders genommen: sie muß-

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6 Vorrede.

ten im Schweife ihres Angesichts ihr Brod essen.

Der Fleisige hatte Lust zur Arbeit, bauete die Erde, wartete das Vieh mit Gelassenheit und Sorgfalt, und hatte Segen.

Der Faule hingegen arbeitete mit Verdruß und schwizte vor Mattigkeit. Cain baute das Land und fand die Aussaat nicht so ergiebig, als es sein Geiz wünschte. Abel sein Bruder, hütete die Schafe in gesunden Auen, und bekam herlichere Ausbeute. Neidisch darüber, ergrimte der erstere und entschloß sich, an dem leztern unbedachtsam zu rächen.-- Es trug sich hernach zu, daß bede zusammen kamen, und mit einander in einen Wortwechsel gerieten, der den Cain ausgelassen machte und in solche Wuth, in solchen Eifer sezte, daß er dem Abel die Hirnschale zerschlug.

Ein andrer Müßiggänger zwang andre vor ihn zu arbeiten und ihm Nahrung zu erbauen, wie Nimrod, der ein Schrecken der damaligen Weit, ein gewaltiger Man war. Dergleichen fanden sich mehrere. Und so entsprangen nach und nach die Regentschaften und die Reiche. Das eine erschien im Glanze, das andre, ihm gleich gros, fiel, daß man noch kaum dessen Entstand weiß.

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Vorrede. 7

Selbst die Monarchen rieben einander auf und ihre Räthe waren nicht viel besser.

Eie Fürst also fiel und der andre bestieg nur dessen Trohn, um auf demselben so lange Figur zu machen, bis ein dritter vermögend wurde, diesen gleichfals zu überwältigen.

Ein Minister, gering von Geburt, doch aber erhaben an Einsichten, stieg von einer Ehrenstaffel zur andern, wie jener jakobitische Joseph am Hofe des Königs in Egipten, und beschloß sein Ende in Ruhe. Ein andrer hingegen mußte, aus Liebesabsichten, sich den Lebensfaden, ehe es die Natur verlangte, abschneiden lassen, wie es jenen Urias betraf. Das können uns auch Stambul, Moskau, England und das alte Rom klagend darlegen. Und was vor Zeiten so war, das trägt sich auch noch izt zu.

Ich ende diese Einleitung mit den Worten, die uns Nahum hinterlassen hat, weñ er spricht: Ich will dir dein Gebräme aufdecken unter dein Gesicht; und will den Heiden deine Blösse und den Königreichen deine Schande zeigen. Ich will och ganz gräulich machen und dich schänden und einen Scheusal aus dir machen: weil du deine Gewaltigen in Retten und Fesseln gelegt und mit dem Schwerd ge-

tödet. Niemand wird um deinen Schaden trauren, noch sich um deine Plage

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8 Vorrede.

kränken: Sondern alle, die solches von dir hören werden mit ihren Händen über dich klappen. Nirgendheim, am ersten April 1773

Johann Friedrich von Nichts.

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Neue

Dänische

Geschichte.

Ein merkwürdiges Werk.

Sunt duo deleti comites ex lumine vitae In Dania, lictor queis rapuit capita;

Queis fregit clypeos ut et intestina, Struenses

Ac BRANDTI posuit pallida membra rotis.

AVTOR.

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Excidat illa dies aevo: nec postera credant Saecula: nos certe taceamus, et obruta

multa

Nocte tegi nostrae patiamur crimina gentis.

STATIVS.

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Wer solte es glauben, daß das sonst fromme Dännemark ein so groses Aufsehen, vergleichen man niemals von diesem nordischen Herschreiche erwarten konte, und wobei die ganze Natur zittert, machen würde, als man in jenem 1772sten Jahre hat erfahren müssen? Nächst andern kleinen und grosen Königreichen gibt es uns das deutliche Merkmal, daß auch an dem Hofe der Grosen der Neid herscht und Männer bald steigen, aber auch eiligst wieder gestürzet werden können.

Wem ist es wol noch verborgen, daß der Graf von Struensee königlichdänischer geheimer Cabinets, und erster Staatsminister war, dessen hernach unglükliches Schiksal ihn nun zum Vorwurf aller Rede gemacht hat: Sein Vater, Adam Struensee, ist ein Theolog und zwar königlichdänischer Generalsuperintendent der Herzogthümer Schleßwig und Holstein, ein rechtschaffener Mann in Rensburg und sei,ne Mutter wird uns auch herausgestrichen.

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Dieser ihr erstgebohrner Sohn erhielt, nach der gewönlichen Weise, als er zu Halle im Magdeburgischen am 5ten August 1737 die Welt erblicket hatte, den Unterscheidungsnamen: Johann Friedrich,

Schon bei der ersten Entwickelung ließ er groses Versprechen von sich hoffen, daß er dereinst mir vielen Talenten ausgerüstet und dem Staate keine unnüze Last werden würde.

Diß gab also seinen frommen Helfern die Veranlassung, ihn dem Studiren auszusetzen. Er lernte auch alles nach ihrem Wunsche und wurde mit heranwachsenden Jahren vermögend, die Landesschule zu besuchen, worin er soviel begriff, daß er hernach, auf Anrathen seiner Privatlehrer und mit der Erlaubnis seiner Aeltern, die hohe Schule, gleichfals zu Halle im Magdeburgischen, um sich in den höhern Wissenschaften umzusehen und die Grundsäulen seines künftigen Wandels vestzustellen, besuchen konte. Daselbst aber gefiel ihm vor andern Wissenschaften, das Studium der Artzneilehre, der er alle seine Verstandkräfte und äuserliche Bemühungen widmete. Dann erwarb er sich durch öffentliches gelehrtes Redewechseln den Dokterhut und praktizirte glüklich.

Er erlangte in Altona, wohin sein Vater gerufen wurde, im Jahr 1757 das Physikat und erwarb sich, durch glükliche Kuren, und besondre Höflichkeiten, die Liebe und das Zutrauen eines Jeden, dem er nur helfen muste; oder mit dem er umging.

Durch einen besondern Zufall aber trug es sich zu, daß er ein Freund des Edelmans, Enewold von

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Brand wurde, der damals Hof junker war und bei dem Könige viel galt, auf dessen Anraten er nach Kopenhagen kam und sich daselbst bei einer Krankheit des damals herschenden Königs im Jahr 1758 hülfreich bewies und vorzüglich herfür that. Dadurch erlangte er die Gnade des Königs und wurde in Kopenhagen berühmt.

Nicht allein aber erwarb er sich die Gnade des Königs: sondern auch die Liebe des Kronprinzens. Denn als dieser, nachdem er, durch den Tod seines Herrn Vaters, das königliche Amt ererbet hatte, auch sehen wolte, wie es in der Weit aussieht, so fiel es ihm ein, auf Reisen zu gehen; wozu er sich den Dokter Struensee zu seinen Reiseleibmedikus wählte und bestimte.

Der neue König also verließ die Grenzen seines Reichs. Er durchreißte einige Nord- Abend- und Mittägigen Königreiche; welche Reise sich der Dokter Struensee zu Nutze machte, der alles genau bemerkte, wodurch er sich [wer hatte es glauben sollen?] die Fähigkeit, ein künftiger Reichsredner zu werden, erwarb.

Der König, nachdem er sich genug in der galanten Welt umgesehen hatte, reißte dann wieder zurük und gelangte gar bald in seiner Residenz, in den Schlössern Kopenhagens an.

Hier nun gab es neue Auftritte. Hatte der König, der ein biegsames Temperament besitzet und leicht seinen Eindrücken folgt, als er das Ruder ergriffen, viele Veränderung bei Hofe und unter den

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Ministern, die unter der Regirung seines Herrn Vaters gegolten hatten, gemacht; so gab es izt noch mehrere, als er von der Reise zurükgekommen war. Sein Herz und Sinn wünschte jene Dame vol Geist, eine unvergleichliche Prinzeßin, Caroline Mathildis von Grosbrittannien. Es wurde also Ihrenthalben nachgesucht und England willigte in diese Vermählung und nähere Blutsverbindung zweier ansehnlichen Reiche in Europa. Die Vermählung also gieng vor sich und die neue Königin gelangte hernach zum Vergnügen des Königs und der Nation in Kopenhagen an.

Gleichwie es aber unter bürgerlichen Eheleuten nicht allemal friedlich zugeht, sondern sich hier und da Zwistigkeiten mit einschleichen: So findet sich diß eben auch so und zuweilen bei hohen Herrschaften. Es trug sich also zu, daß der König seine Gemalin einem weiblichen Eifer aussezte, und wodurch beede höchste Personen uneinig wurden.

Uiber diesen Vorfall aber betrübte sich der König dergestalt, daß er eine Gemütskrankheit bekam. Struensee suchte ihm mit Arzneien beizustehen. Er schlug ihm Lustbarkeiten für. Der König aber blieb immer niedergeschlagen und nahm ab. (Gemütskrankheiten sind auch gefährliche Krankheiten.) Da also gar nichts helfen wolte; so faßte Struensee ein Herz, und fragte den König: Ihre Majestät, ent-

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decken mir es doch, woher es komt, daß sie so nider geschlagen sind? Arzneien helfen hier nichts. Da sagte der König: Kanst du mich mit meiner Gemalin versöhnen? (Denn diese habe ich beleidiget) so will ich dir alle meine königliche Gnade versichern. Struensee versöhnte beide höchsten

Häupter und genoß neue königliche Gnade, daßdaher, als sich beide wieder zusammen gaben, der König seine Gemalin also anredete: Sehen sie es, Ihr Liebden, das ist der Mann, der uns wieder vereiniget. Er ist nun mein Freund. Ich habe ihn begnadiget. Thun sie desgleichen. Ich empfehle ihn ihnen. Sie begnadigte ihn auch. Und der Leibmedikus Struensee hatte nnn das Herz des Königs und der Königin.

Durch diese neue königliche Verbindung liebte die Königin ihren Gemahl noch mehr, daß sie sichs hernach angelegen seyn ließ, nachdem sie das Genie desselben, der sich mehr auser der Regirung aufhalten will, erprüfet hatte, ihn auf alle mögliche Weise tu belustigen.

Liebte der König den Struensee, hatte er solchen seiner Gemahlin besonders empfohlen, so sprach diese nun auch bei demselben vor ihn. Und durch ihre Fürsprache also geschahe es, daß sich der König des Dokter Struensees bediente, ihn wegen seiner geleisteten Treue, unschuldigen Umgangs, Freundschafts-

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stiftung und guten Einsichten, mit höchsten Gnaden erblikte und von einer Stufe der Ehre zur andern hinauf führte, bis er endlich Graf und geheimer Cabinets und erster Staatsminister wurde.

Hier nun gedachte der Graf von Struensee an seinen Freund, den von Brandt und brachte es bei dem Könige zu wege, daß dieser auch Graf und der andre Staatsminister wurde.

Beede Grafen also waren die neue Rathgeber des Königs. Die vorigen aber wurden ihrer erhabenen Stelle, mit dem Rathe, ihre Güther zu beziehen entlassen, durch deren Einziehung des Gehalts dem Staate eine beträchtliche Summe zuwuchs.

Eine solche Verändrung wolte nun freilich solchen Herrn misfallen. Und selbst der verwittibten Königin, einer Juliana Maria, war es empfindsam, sich von aller Theilnemung des Ruders entlassen zu sehen, da sie vorher, bei Lebzeiten ihres Gemals, eine der fürnemsten Stelle im geheimen Rathe eingenommen hatte. Auch so aufgebracht wurde der Prinz Friedrich, deren gebobrner Sohn und Halbbruder des itzigen Königs, der mit dem Könige zugleich zu regiren gedachte.

Ferner, um den Uiberfluß zu mäsigen, fand es die neue Regirung nötig, einige Guarderegimenter (im Sold stehende Schweitzer, Ausländer,) da dergleichen so nur müßige Bewarer des Pallasts sind, abzudanken. Die fand es dienlich, da man, tagtäglich

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vom Kindermorden hören mußte, ein Mittel zu erwählen, wodurch man das Land von einem solchen Blutvergiesen befreien könte; und schafte die Kirchenbuse und andre Strafen, die man sonst dem sich vergangenen Galanteriefrauenzimmer auflegte und abnahm, einsichtsvoll ab. Sie hielte es heilsam, zu verstatten, daß man hinfort alle Bücher, ohne vorher gegangene Durchsicht und dazu erbetene Erlaubnis, drucken möchte, da sie einsahe, daß man dadurch hinter gar grose Warheiten kommen kan, die dieser und jener im Lande bemerkt, die er aber, da er frei schreiben muß, wegen einer scharfen Censur ligen läßt: und daß sich eine hinkende Schrift, ohne solche zu verrufen, selbst verruft. (Das will ich aber von meiner nicht hoffen: Sie hinkt ja nicht.) Sie hielt es rathsam, -- Doch, ich würde viele Bogen voll schreiben, wenn ich von den guten Ordnungen, die man anrichtete, nutz auch darüber hielte, alles melden wolte. Uiberall gab es die schönsten Gesetze und das Land hätte glüklich regiret werden können, wenn sich nicht viele Misvergnügte des alten Ruders, die Aufwiegelungen anspannen, gefunden hätten.

Die erste Trennung gieng mit dem Frauenzim mer vort, wodurch schon vieles Unheil entsprossen ist Eva, Bathseba, Delila, Hesiona, Helena, Cleopatra, und andre, wären, wenn wir weitläuftig seyn wolten, diejenigen Personen, von denen wir alles Un

Glük in der Welt herschreiben könten.

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Das königlichdänische Frauenzimmer also gab, vermuthlich aus Misgunst und wegen einer Herrschsucht, bie diesem Geschlcchte eigen sind, den ersten Anlaß einer Spaltung, die aus die betrübtesten Folgen hinaus lief. Es trente sich und die verwittibte Königin fand gar bald ein hinreichendes Mittel, den Thron ihres Herrn Halbsohns, des itzigen Königs, anzugreifen- Und nun kamen diejenigen, die man ihrer Aemter entsetzet hatte, und bliesen die wütende Rache noch mehr an, daß es bald eine Hauptrevolution gegeben haben würde, wenn nicht die neuen Ministers behutsam vorgebeuget hätten.

Nun erhandelte die misvergnügte Seite die See- und Landessoldaten zum Aufstand, und brachte auch den geringen Pöbel durch Pasquille an sich, die gar leicht zu einer schändlichen That, wenn sie nur Beute erhalten sollen, anzulocken sind.

Die Erhandlung aber geschahe, da man fürgab: Es wolte der Graf von Struensee und die Königin binfort ein gemeinschaftliches Ruder füren uns sie ganze königliche Familie vertilgen.

In der That aber machte man auf der Gegenseite Mine, den König zu stürzen und dem Prinz Fridrich, der mehrern Geist als der König besitzen soll, die Krone zuzuspielen.

Dieses Vorhaben, diese Thronesverändervng, wurde den neuen königlichen Ministern, einem Gra-

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fen von Struensee und einem Grafen von Brandt hinterbracht. Und es ist fast nicht zu glauben, wie sehr sich diese brave Männer bemühten, dieses Vorhaben auf eine zum Frieden abzielende Weise zu verbitten.

Unmöglich aber konten sie alles diß dem Könige verhälen. Ihre Pflicht war es, dieses drohende Uibel zu eröfnen. Der Graf von Brandt also wolte vor den König; dem sich aber der Graf von Struensee widersetzte und ihn also bedeutete: Nein, Here Bruder, das ist noch zu frühe. Lassen sie mich dafür sorgen. Ich kenne den König. Melden wir ihm izt diß Unglük, wie leicht kan er sich so darüber eutsetze u , daß er, da er so ungesund ist, in eine schwere Krankheit verfält! Wir wollen es nur erst der Königin berichten. Vielleicht gibt sich diese Verschwörung wider den König, die Königin und uns wieder auseinander.

Beede Herren also wurden einig, vor die Königin zu gehen, und ihr zu eröfnen, was zum Nachtheil des Königs gegenseitig vorgehen solte.

Wie erschrak aber nicht diese Prinzeßin! Sie sank in eine Ohnmacht, da sie sich den Vorfall gar zu sinnlich vorgestellet hatte. Nach der Wiederherstellung derselben verdoppelte Sie ihren Muth und ihre Rede war diese:

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Ich danke ihnen, meine Herren, vor die Nachricht. Schon längst habe ich einen solchen Aufstand vorhergesehen. Glük uns, daß wir solchen entdecket haben! Sagen sie meinem Gemale, um ihn nicht in noch mehreres Schreckenn, als mich zu setzen, nichts von der Sache. Nehmen sie aber meinen Befehl, alle Sorgfalt, denselben zu sichern, willig an. Ich versichere sie meine königliche Gnade. Es wird ja dieses Wette er vorüber gehen, welches ich nächst GOtt durch sie zu vertilgen hoffe. Ich beurlaube sie.

Eine so bedenkliche Dache aber erforderte das scharfsichtigste Nachdenken. Und dazu waren beede Grafen aufgelegt. Sie hielten auf das strengste bei den Landes- und neulich gegebenen Gesetzen, nnd richteten alles nach den Regeln der ununterdrükten Gerechtigkeit, daß also niemand mit Recht klagen konte. Nur Misvergnügte, die deshalben misvergnügt waren, weil sie nicht mehr Geld einstreichen und ihre Kasten beladen durften; nur jene Feinde, denen die Regirung abgenommen worden war, beklagten sich, und wiegelten die Leute noch mehr zum Aufstand auf.

Davon gesichert, sorgten diese beede Minister nun auch den König vor den Anfall zu sichern. Es wurden also auf deren Befehl die Wachten verdoppelt und die Canonen, dem Feinde mit tödendem Donner entgegen laurend, aufgepflanzet. Giengen ihrer etli-

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che auf der Strase zusammen, so mußten solche, um den Zusammenlauf zu verhindern, aus einander geteilet werden. Niemand, die Person unangesehen, durfte bei Hofe kommen, wenn sie nicht von zween die Wacht habenden Soldaten begleitet wurde. Alles Anbringen mußte man, wie es auch bei andern Höfen gewöhnlich ist, schriftlich eingeben, worauf auch die Resolution schriftlich erfolgte. Audienz bekam niemand. Auch die Speisen, der Trank, die Kleider und alles, was nur der König bekommen solte, wurden wohl untersucht, um allen Giftverderbungen, wovon uns die Geschichte gar traurige Beispiele meldet, vorzukommen. Ritte oder fuhr endlich der König aus, so bekam derselbe eine verstärkte Begleitung. Und so war er auch hier gesichert.

Diese Obacht aber machte die abanaschirte Familie, und die ihres Amts entlassene, die sich zu derselben gesellet hatten, aufmerksam. Sie ersannen eine Handlung, die, sich von allem Verdachte zu befreien, mit unschuldigem Blute beflecket werden solte.

Da nun also die Sache gar zu übel wurde, so besprach sich der Graf von Struensee, mit der Erlaubnis der Königin und dem Gutbefinden des Grafen von Brandt, nach aufgehobener Tafel, mit dem Generalmajor von Eichstedt, dieses Umstands wegen, und redete ihn also an:

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Herr Generalmajor, ick habe mit sie einige Worte besonders und in geheim zu reden. Es gehet die Rede, ja, es soll gewiß seyn, daß der Prinz Friedrich, statt unsers Königs, König und viele vom Hofe auf die Seite geschaft werden sollen. Mein Leben, der Königin Wolfart, und die Vesthaltung unsers Monarchen sind in Gefar. Wie also, wenn sie auch mit uns alle Sorgfalt, den König zu retten, und das Wol des Staats aufrecht zu erhalten, anwendeten: Und würden sie wol die Gegenparthei ergreifen, da sie beständig unsern Konig geliebet haben? Worauf dann dieser Officier, bei solchen Anmuthungen gedrungen, allen Beistand mit den unter seinem Commando stehenden Truppen, zum Besten der Regirung zu leisten versicherte, zum Schein versicherte. Eben so geschahe auch der Antrag an den Obristen von Köller.

Beede Officiers aber waren schon zum Aufstand erhandelt worden und gehörten also zur Nebenlinie.

Wer ist hier, der nicht bei sich selbst vermutet, daß durch diese Anredung des Grafen von Struensees an die beede Herrn, die Sache wider ihn und dessen Freund, den Grafen von Brandt, sehr übel ausfallen mußte? Denn nun, da man mündliche Nachricht hatte, daß der Graf von Struensee das Geheimnis der Revolte erfahren, mußte wahr wer-

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den, was Wolf, der Philosoph, spricht: mala sunt eligenda, ut inde eveniant bona, das ist: man muste, um ein Scheingut zu erlangen, ein Uibel erwählen. Und dieses bestand hier darin: Allen

schon offenbaren verdacht, daß man nach der Krone trachte, von sich abzulehnen.

Und dieser wegen wurde von dem von Eichsted, Köller, von Ranzau, und von der Osten, von dem Prinz Friedrich und der verwittibten Königin, Juliana Maria-Rath gehalten und sie beschlossen (welch eine unerhörte That!) den Arrest einer regirenden Königin, deren glükliches Genie, deren muntre Entschlossenheit von allen Rechtrednern gepriesen wird, die alle ihre Sorgfalt anwendete, ihren Gemahl zu ermuntern; Sie beschlossen den Arrest eines Grafen von Struensee, eines Grafen von Brandt, eines Justizrath Struensees, und eines Professor Bergers; Männer, die die Nachwelt loben wird; Sie beschlossen den Arrest der Generale Gäler und Gude, eines Obristen Falkenschiold, eines Obristlieutenants von Hasselberg, eines Legationsrath und Postdirektor Sturz, eines Stalmeisters, Baron von Bülow, eines Contre-Admirals Hansen, eines Etatraths willebrand, und Lieutenant Alboe, die mit noch einigen andern nicht aus die Seite der Dißidenten treten wolten. Und diesen Zug solte der unschuldige Lieutenant Struensee beschliesen.

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Man schrieb also die Arrestbefele so künstlich auf, daß man solche noch dazu vom Könige, wie unten gemeldet wird, Unterschreiben ließ.

Lasset uns aber hören, wie sich diß wol zugetragen. Am sechszehnten Jenner wurde bal masque en domino ist dem Schauspielpallaste von Frankreich gehalten. Auf diesem Bal machte sich die Hauptperson des dänischen Reichs, wie es allemal ihre Art ist, sich mit den Frölichen zu freuen, recht lustig, daß solche, vom Tanz und Weine ermüdet, noch vor dem Schlusse ins königliche Ruhegemach zurük gebracht werden mußte.

Diese Ermüdung nun war geschikt, die Absicht, nach der man trachtete, zu erreichen. Nach geendetem Bal also verlohr sich der Generalmajor von Eichstedt, kleidete sich um und schlich, ohne einige Aufsichter, zum Reichsgrafeb von Rauzau zu Aschenberg: dann verfügten sich beede zur verwittibten Königin, der Juliana Maria, und zum Prinz Friedrich, wobei der erstere das Wort führte: Nun ist es Zeit, unsern Anschlag zu volführren. Der König ist berauscht. Er wird uns also alles zusagen, worum wir nur anhalten. Er wird unterschreiben, was wir wünschen. Befelen Ihre Majestäten, so soll auch der im Schlosse die wachthabende Officier der Obriste Köller und der geheime Rath, Graf von der Osten sogleich, welche nötig sind, erscheinen.

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Sie kamen, und Feder und Dinte und eine zitternde Hand des alten Greises, Grafen von Ranzau schrieb die nötigen Befele, die sich auf die bevorstehende Veränderung bezogen, auf. Nach deren Verfertigung aber redete derselbe also:

Auf höchste und hohe Versamlung! Auf mit wie zum König, daß er unser Vorhaben, durch seinen königlichen Namen unterzeichnet, bekräftige! Auser dieser Bekräftigung können wie nichts Ausrichten.

Unangemeldet und also unaufgehalten, weil der die Wachthabende Officier selbst dabei war, traten sie in das königliche Schlafzimmer.

Mit was für Entsetzen der König einen so unvermuthteten Zuspruch, als man den Vorhang vom Bette zurük geschoben und ihn ein wenig ermuntert hatte, erblikte, daß er dabei angstvoll: Mein GOtt, was wollen sie? ausrief, kan man sich, wenn man sich in eine solche Verfassung mit seinen Gedanken setzen will, leicht vorstellen. Mancher würde für Schrecken des Todes gewesen seyn.

Wie liebreich, wie rührend ihn aber dessen Frau Halbmutter angeredet, wie sie ihn nach frauenzimmerlicher Weise einnemend angeredet, das wird man nicht leicht glauben. Sie weinte ihm aber folgendes für:

Ihre Majestät, mein Sohn, lassen sie alle Furcht fahren. Niemand als ihre Freunde, kei-

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ne Feinde, sehen sie hier für sich versamlet. Wir kommen, Sie, uns und das ganze Land von einer bösen Rotte zu retten und mit der Hülfe GOttes die drohende Gefahr abzuwenden. Wir bitten Sie also — Hier schwamm sie in Trähnen. Und ihr Sohn, der Prinz Friedrich, und mit unter der Graf von Ranzau, redeten fort und eröfneten den Plan:

Ihr Liebden, Herr Bruder, sprach der erstere, Sie wissen, mit was für Liebe ich mich den Ihrigen nenne. Mein Leben trete vor das Ihrige. Wir sind in groser Gefahr. Sie haben Feinde. Und Ihre Majestät, so sprach der

Greis, Sie wissen, mit was für Eifer ich mich bei Lebzeiten Ihres Herrn Vaters, der Sache der königlichen Familie und des wols des Reichs allemal angenommen: daß ich Ihr Gefährde in Ihrer zarten Kindheit gewesen; und können es glauben: Noch immer wallet mein Blut vor Ihre Majestät, ungeachtet ich meiner vorher verwalteten Stelle entlassen worden bin. Ich will Sie retten von einem Unglücke, dem Sie ohne mich und ohne die Bemühung unsrer nicht entrinnen würden. Was das aber für ein Unglük, wer die personen, die solches volführen wollen, das achten wir insgesamt nicht rathsam, Ihnen, allergnädigster König, vor der Hand zu eröfnen. Unterdessen (Hier grif er in die Tasche und zog die

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ausgefertigten Ordres herfür.) geruhen Ihre Majestät, diese Schriften gnädigst zu unterschreiben. Es betrift, eilen, eilen Sie, Ihr, Unser und des Landes Wol.

Der König, von dieser Versamlung gedrängt, rufte aus: Mein GOtt, was wird das für

Blutvergiesen geben! Getrost, getrost, Ihre Majestät, so sprach der Graf, Ich nehme alle Gefahr auf mich und werde Sie mit meinem eigenen Blute zu retten suchen. Unterschreiben, unterschreiben Sie nur!

Es waren aber drei Briefe über einander geschoben. Und der König schrieb so wol auf den weisen, als auf den geschriebenen, Bogen seinen königlichen Namen.

Aber der Prinz Friedrich unterschrieb sich auch mit. Und warum denn diß, da derselbe nichts, als abanaschirter Herr, in die Regirung reden durfte? Da urtheile die Welt! Wird man nicht dadurch dessen Begierde nach dem Ruder erblicken? Wird man nicht hier gewahr werden, daß man den Plan umgekehret, um nicht selbst eines Hochverraths beschuldiget zu werden, und daß man vorher willens gewesen war, die neue Regirung umzustosen.? Allemal aber wird doch bei unsern bösen Handlungen, die wir verdecken wollen, noch so etwas vom Minderguten herfür

schimmern. Das traf auch hier zu. Diese Un-

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terschrift war zu voreilig angebracht. Sie bewies den ersten Eingrif in die Rechte der Majestät, den man zum Glücke nicht bemerkte.

Nachdem man also einen noch ungeschriebenen Bogen vom Könige selbst unterschrieben, besas, so schrieb man darüber: Daß die Grafen von Struensee und Brand, und andre, derer Namen wir oben erwehnet haben, gefänglich eingezogen werden solten.

Das hieß aber sich noch immer nicht sicher gestellt. Die Hauptgegenperson, die Königin, solte auch verdächtig gemacht werden. GIeichwol wagte es keins. Eine untergeschobene Ordre wäre zu viel erkühnt gewesen. Endlich sprach die Juliana

Maria:

Ich bitte mit noch eine Gnade von Ihre Majestät aus. Was sie vorhin unterschrieben hatgen, betraf den : den : und die : Ihre Gemalin ist auch ihre Feindin. Lassen Sie solche arretiren. Schreiben Sie dazu selbst die Ordre. Nur heute in Sicherheit. Morgen wird sichs geben.

Das wollte aber der König nicht thun ‚ bis er endlich gedrungen und bedroht, unter einer Trähnenfluth, schrieb -

Nun fieng der Arrest gegen Morgen um drei Uhr an und dauerte bis sechs Uhr. Der Generalmajor von Gude, der der Commendant von Kopenhagen war, mußte zuerst springen, an dessen Stelle

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der von Eichstedt trat. Nach ihm folgten die andern.

Der Graf von Ranzau nötigte die Königin mit unvergebender Unverschämtheit aus dem Bette, die sich nichts Böses vermuthete: Sondern ihn mit einer königlichen Freimildigkeit fragte:

Was wollen sie, Monsieur Ranzau: Warum so späte: So unangemeldet: Doch, wie ists, lebt der König noch: Er hatte sick zu viel erhitzet. (Sehet, so liebte diese redlichste Königin ihren Gemahl, baß sie auch beim ersten Erwachen an denselben dachte und doch trente man sie von ihm!) Ist der Bal vorbei: Wo ist Graf Struensee und Brandt? Ist alles glüklich vorbei; Doch morgen werde ich mich besser darnach erkundigen können. Izt muß ich schlaffen: Ich bin müde. Schlaffen sie also wol! Nicht also, sprach der Graf, ich komme aus einer andern Ursache zu Sie, ich will Sie keinen Nachricht vom Bal abstatten — Im Namen Ihrer Majestät, meines

allergnädigsten Königs und Herrn, kündige ich Ihnen den Arrest an. Hier lesen Sie die Ordre. Was: fuhr sie auf, mich zu arretiren: Das soll ihm seinen Kopf kosten. Lasset mir den

Grafen Struensee und Brandt herbei rufen! —

Was? mich zu arretiren? — Diese, sprach

Ranzau, sitzen schon in der Citadelle in sicherer Verwarung, Uns noch einmal kündige ich Ihnen

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im Namen Ihrer Majestät, meines allergnädigsten Königs und Herrn, den Arrest an.

Sie wurde noch hitziger; mußte sichs aber gefallen lassen, daß Sie von zwoen Damen mit einem Rocke und einer Salupe angezogen wurde, wobei Sie ohnmächtig auf einen Langstul hinfiel. Nach Ihrem Wiederznsichselbstkommen verlangte Sie Ihre Prinzeßin, die man auch ankleidete. Dann aber sagte der Graf: Nun, Madame, gehen Sie, eilen Sie, geschwind, geschwind! ergrif Sie bei der Hand, seinen Hut unterm Arm haltend, und in der andern Hand den blosen Degen; und zog Sie bis an den Wagen: Da Sie abermal zu ihm mit königlicher Miene sprach: Das wird ihm seinen Kopf kosten. Er verließ Sie, und der Major Carstenschiold nahm Sie mit Ihrer Prinzeßin und dem Fraulein Mösting in Empfang, der Sie, mit einer Verwahrung von dreisig Reutern, mach Cronenburg in die unterste Etasche des Schlosses, deren Fenster mit starken eisernen Stangen versehen sind, mit gleichfals gezuktem Degen begleitete.

Dort sas Sie in einem solchen Zustande, aß und trank wenig und rufte: Ach, ich unglükliche Mutter! und zur Prinzeßin: Ach, du unglükliches Kind! unaufhörlich mit Weinen aus.

Majestätbeleidigendes Verfahren! Schon der Arrest im Residenzschlosse wäre vor diese höchste Person hart gewesen, wenn man sie als eine Staats-

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verbrecherin hätte ansehen können; Eisenbegitterte Kerker aber sind die Behälter der Missethäter, der Leute vom niedrigen Auszuge. Wird also nicht die Welt ausrufen: Das war zn hart, alter Greis, harte Inquisition, das war zn hart?

Da wir nun die Geschichte der Gefangennehmung der Königin geendet haben; so wollen wir auch erfaren, was sich mit dem Grafen von Struensee zugetragen hat.

Der Oberste Köller kündigte ihm den Arrest an. Unmöglich, Herr Oberster, sprach der Graf, kan diß wahr seyn. Das wied der König nicht haben wollen. Er kan mir ja keine Untreue vorrücken. Es muß hier ein Irtum vorgegangen seyn. Ich habe ja alleweile den König ins Nachtzimmer begleitet. Herr Graf, sprach dieser, ich hafte allenfals mit meinem Leben dafür, es ist des Königs Ordre. (Bede Grafen wurden zu eben der Zeit, da man den Koenig zur Unterschrift noetigen wolte, und folglich ohne Erlaubnis, arretiret. Wenigstens hat Struensee nichts schriftliches gesehen.) Was: erwiederte jener, so soll derjenige, der den König beschützen will, der alle Gefahr bisher von ihm abgewendet hat, der sein treuer Reisegefährde, sein wachsamer Gehülfe und Rathgeber, ein Arzt in den gefährlichsten Krankheiten; ich soll unterdrükt werden? Hat man mich so verleumdet? Habe ich das in Vene-

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dig mit meiner Lebensgefahr verdienet, daß mir nun der König ungnädig seyn will? Wer? Wer? Wo ist? Wo find meine Verläumder? Ach, Himmel, gerechter Himmel, hilf; gib Rache! ich habe nichts begangen; ich bin unschuldig: wolan aber, Hert Oberster, sie gehören nun zu meinen Feinden; oder thun dieses auf an sie dazu besonders ergangene Befele, ich werde mich, da sie mir den willen des Königs nicht schriftlich vorlegen können, nicht geben. Da sezte ihm der Oberste den Degen auf die Brust und sprach: Ich habe den Befehl, sie lebendig oder todt zu liefern. (Da sagte er nicht, von wem er den Befehl hatte, Man macht einen auch nicht sogleich todt, wenn es recht zugeht.) Der Graf verlohr sich vor Schrecken und fiel in eine Ohnmacht, worin er lange zubrachte: dann bat er um eine Schale Schokolade, die man ihm aber weigerte. Fort, fort, sprach Kölker, ehe es taget, wenn sie die Wuth des Pöbels nicht ergreifen soll! und zog ihn mit sich, wie ein Stockmeister, zum Zimmer hinaus. Man band und fuhr ihn in einer Miethkutsche nach der Citadelle in das Loschie, worin der berümte Norccros lange Zeit gewonet hatte, und sich weiter nichts, als ein alter hölzerner Stul befand.

Muß das einen solchen Mann nicht verdrossen und in Wuth gesetzet haben: da er sich von allen

Bedienten, von allen Hausbequemlichkeiten, so auf

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einmal entblöset sehen, das Kleid eines Missethäters und Ketten anlegen lassen, und die Worte: Mein Her, hier ist nichts zu ihren Diensten, als mit Erlaubnis, ein Kammergeschirr, von demjenigen, dem er sonsten befehlen konte, hören mußte! Redete er laut, so bekam er Rippenstöse, daß er mit Recht ausrufen mußte: Man traktirt mich als eine Canalge.

Er bekam, wie leicht zu erachten, wegen dieser Alteration, heftiges Zahnwehe; und bat um ein in seinem Cabinet liegendes schmerzstillendes Pulver, man fand aber den stärksten Gift. Das kan zwar möglich sein; wer weiß, ob nicht auch das Zahnpulver daselbst gelegen: Und ist denn das nun so etwas Verdächtiges, wenn man bei einem Arzte Gift antrift? Mit Gift wird ja Gift vertrieben. Wie viele Arzneien werden, nicht mit Gift gemacht oder

gänzlich aus Gift (Mercurio vivo, & c.) bereitet? Werden nicht vergiftete Wunden mit solchen giftfüren, den Thieren, um den Gift wieder heraus zu ziehen, durch deren Auflegung, geheilet? Es ist daher etwas bei einer Sache schädlich, das bei der andern nüzlich sein kan. Und das will ich noch aus meinem eigenen Haushalte beweisen: Wenn meine, GOtt tröste sie seelige Frau den Gift hatte, so bekam sie Prügel: da verließ sie derselbe: war sie aber ohne Gift; ey nun, so war sie mein liebes Weibchen.

Er aß und trank nicht. Da hieß es: Er hätte sich aushungern wollen. O. Tohrheiten; ver-

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nunftloses Urtheil! Habe ich Zahnwehe, bin ich krank, werde ich wol zur gewönlichen Zeit essen und trinken können? Es lehret ja die Erfarung, daß oft kranke Leute blos und allein mit Arznei erhalten werden und daß man zuweilen hungern muß, wenn man bald wieder gesund werden will.

Was? aushungern? Daran dachte der Graf gewiß nicht. Demungeachtet aber kam der unübersonnene Befehl: Er solte essen und trinken, fals er nicht mit gutem wolte, so sollen sie ihn so lange prügeln, bis er Appetit bekäme. Den hat gewiß kein Arzt, sondern ein Stutenmeister, gegeben. Mit Gewalt muß der Esel ---

Die Dritte Hauptperson, die man gefangen nahm, war der Graf von Brandt, der sich anfangs mit dem Degen vertheidigen wolte, und also mehrern Muth als der erstere besas; da er aber die Uibergewalt erblikte, den Degen von sich legte und sprach: Meine Herren, sie gehen hier unrecht, ich bin ein Staatsminister, ich weiß nicht, daß ich etwas verbrochen habe, worüber man mich arretiren kan. Und die Antwort war: Sie giengen recht, er solte nur mir gehen: das übrige würde sich schon finden. Und so kann auch dieser nach der Citadelle, in ein ziemlich dunkles Zimmer, worin er sich vergnügt bezeigte und bei allem Trübsal, noch ausrufte: Was ist es? Einem kleinen Geiste komt es zu, sich Durch Kleinigkeiten demütigen zu lassen: aber ein groser hebt sein Haupt weit über sein Schiksal empor.

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Denen übrigen Herren, die in die Gefangenhaft und Sicherheit gebracht wurden, begegnete man erleidlicher. Auf diese war auch die Sache nicht gemünzet. Man hielt sie nur so lange veste, bis man das Unternehmen völlig zu Werke gerichtet hatte, auser daß man den Lieutenant Struensee, weil er Struensee hieß, zwei hundert Thaler gab und in alle Welt zu gehen, ankündigte. Das wiederfuhr auch dem Etatsrath Reverdil, der mit tausend Thalern nach Hause, in die Schweiz, reisen durfte.

Das wäre so etwas vor mich gewesen. Bliz, wie hätte ich aus Dännemark mit der Extrapost ziehen wollen, ohne mich, wie dort Loths Weib umzusehen und ohne eine Salzsäule, (wenn ein Mensch vermöge des in ihm sich befindenden Salzes, zur Salzsäule werden kan); ohne dieß zu werden. Schon zwei hundert Thaler ist ein schönes Reisegeld; geschweige, wenn einem tausend Thaler ausgezalet werden. Bald möchte ick mich entschliesen, vom Pontus Euxinus, meiner Wohngegend, da es so izt kriegerisch aussieht. nach Norden zu reisen. Vielleicht gibt es in Zukunft noch so etwas, wovon man schon in England laut redet, da könten mir wol auch, wenn mir das Glücke wol wolte, tausend Thaler ausgezalet werden. Nur die Conföderirten und der in den türkischen und rußischen Landen unsichere Weg hindern mich daran.

Niemand aber von den Hohen konte mehrern Nutzen dabei haben, als der Graf von Ranzau, der ihn auch, da ich unter dessen Commando gestanden, brauchte.

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Hingegen das Volk bekam nun, was es wünschte; es durfte hier und da plündern, welches man nur hernach bei der Welt von berüchtigten Häusern verstanden wissen wolte; in der That aber diejegen Personen, denen man nicht gut war, angieng. Freilich mußte dabei fast alles, was der Graf von Struensee zum Vergnügen des Königs hatte anbauen lassen, beraubet werden, da man diesen Herrn höchst verhaßt gemacht hatte.

Bei Hofe gab es wie leicht zu vermuthen, viele Veränderung und Austheilungen von Ehrenstellen an diejenigen, die nun glüklich das Vorhaben mit angefangen hatten.

Endlich am dritten Sonntage nach Epiphanias hielte man ein Dankfest, wobei zu erinnern, daß der Pastor an der Peterskirche, der vor einigen Jahren, da er dem Trunk, Ritt, Scherz und der Karte ergeben, abgesezt worden, sich aber doch wieder eingeschmeichelt hatte, daß der Dokter Münter mit einer wagenden Freiheit schon die Königin, da Ihr noch nicht der Prozeß gemacht worden war, aus dem Kirchengebäte weg ließ, welches ihm viele Dänen verdacht haben, ihm, dem 28tündlichen Bekehrer eines gewesen seyn sollenden Heiden. Wie aber, Herr Pastor, wenn das Ding schief gegangen! Wo wäre Ihr Kopf?

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Das Gericht.

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Nachdem wir nun wieder einen Abschnitt beschlossen haben: So kommen wir zur Sache, warum man die Königin, und die gemeldeten Grafen arretiret, erstere von ihrem Gemale geschieden, und leztere zum Tode verurtheilet und hingerichtet hatte.

Da man also nun seiner vermeinten Feinde Meister geworden war, und deren Endurtheil man schon vorher bestimt hatte, welches man aus der Figur eines Galgens, Rades, Beils und abgehauenen Hand ersehen konte, die dem Gespräche, das die beeden Grafen, die doch getrennet verwaret wurden, gehalten haben solten, beigefüget worden ist); So mußte man doch, um den Schein der Partheilichkeit zu heben, Verhör halten.

Die feindliche Parthei hielt also Gericht. War das wol recht? Nimmermehr. Sonsten ist ein Richter, der den kleinsten Verdacht wider sich hat, verwerflich; und derjenige, der von einem solchen beurteilet werden soll, kan allemal excipiren und

bitten, daß seine Sache einem andern, zu dem man mehreres Zutrauen hat, übergeben werden möge: In Dännemark aber, wie es scheinet, nicht.

Es war also Gerichtstag und der Graf von Struensee und Brandt wurden vor Gericht gezogen. Ob sie in dem Gcfängnishabite, in dem Geschmeide des Vulkanus, oder wie sie erschienen; das soll uns izt gleich viel gelten. Wir wollen vielmehr auf dasjenige, was man sie beschuldigte, sehen, solches mit einigen Anmerkungen begleiten, und die Welt unpartheiisch darüber richten lassen.

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Beschuldigungen

Des

Grafen v. Struensees.

I.

Er hätte die Landeseinkünfte an sich gezogen und das Reich in

Schulden gesetzt.

Sein Vermögen, und es fragt sich, ob es wahr ist? soll sich auf vier mal hundert tausend Thaler belaufen haben. War das auch wol ein Vermögen vor den ersten dänischen Staatsminister? Und wer konte denn dasselbe so geschwinde zählen? Hatte er etwa alles, was in den herrschaftlichen Rechnungen fehlte, auf seine Rechnung schreiben lassen müssen? Ei, da kann er noch mehreres besessen haben. Da ist es eben kein Wunder. Beschuldigungen aufzusuchen, dazu braucht man keine grose Geschiklichkeit. Aber Warheiten fürzutragen, das zeigt Kunst.

Will man aber nun, da man dessen Effekten am 19ten Oktober öffentlich versteigert hat, und Jederman etwas von dessen Reliquien haben wolte; folglich alles über den Preis bezalet wurde; will man nun das Facit machen: So wäre es auch wol mög-

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lich, daß sich so vieles hätte zusammen lesen lassen. Wurde doch die alte irdene Oellampe jenes stoischen Philosophen, des Epiktets, auch nach dessen Tode von einem um drei tausend Drachmen gekauft. Und vielleicht kaufte auch hier mancher etwas, ich will es eben nicht sagen, wodurch er sich, wenn er durch einen Zufal blaß geworden und einen neuen Gang angenommen, selbst befreien will, sehr theuer. Was thut man nicht, wenn man sich besonders schämet! Da bezalt man gerne vieles.

Alleweile, da ich diese Geschichte abfasse, legt mir meine Tochter das Leben des Grafen von Brühls, der auch erster geheimer Staatsminister am königlich pohlnischen und kuhrsächßischen Hofe war, vor Augen und spricht: Papa, lesen sie doch einmal diese Stelle! Ich sehe solche an und finde folgendes:

"Er soll, nach der Ausrechnung eines Raths, da der lezte schlesische Krieg angegangen, über 39 Millionen auser Landes geschaft haben. Die preusischen Soldaten hätten in dessen Pallaste 2000 Paar Shue, 1500 Paar Stiefeln, 1500 Perrücken und 800 reiche Schlafröcke, alles in Paris gemacht, auser, was er noch an grössern Mobilien mit nach Pohlen genommen, mit größtem Erstaunen angetroffen.” Und dennoch blieb der Graf von Brühl in allen seinen Ehrenstellen und bei allen seinen Güthern bis an sein seeliges Ende.

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Ließ doch wol der Graf von Gotter am Winerischen Hofe eine Schlittenfahrt, die ihm 36000 Gulden gekostet hatte, anstellen. Der kostete dem Kaiser und verthat soviel, daß der Monarch sagen mußte: "Und wenn ich dem Graf von Gotter

täglich eine Tonne Goldes gäbe, so brächte er sie doch durch.” Dennoch blieb er in Gnaden.

Was? Die Landeseinkünfte an sich

gezogen? Und nur 400000 Taler? Ei, ei, so erstrecken sich die dänischen Einkünfte nur so hoch? Lügner, Lügner sind es, die dergleichen ausschreiben. Ja, wenn nicht auch andre Leute rechnen könten!

Noch mehr! Das Reich in Schulden

gesezt? Wie lange war denn der Graf von Struensee erster Staatsminister am dänschen Hofe? Vom 23sten Jenner 1771 bis zum 17tcn Jenner 1772. Und da hätte dieser Mann das Reich in Schulden gesezt? -- Man beliebe doch seine offenbare

Unwahrheiten zu revociren. Das war ja nicht wahr.

Ja, er hat ja erst nichts gehabt.

Diesen Einwurf wollen wir auch beleuchten. Es ist wol zu glauben, daß er wenig vorher besessen haben wird; was er aber hernach besessen; das hat ihm der König geschenket. Das mußte ja geschehen, um sich als Graf, ob er gleich auch seine Besoldung hatte, auffüren zu können und ihn in seinem Dienste

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anzufeuern. (So thut auch die Kaiserin von Rußland dem General von Bauer und andern, die sich um den Staat verdient machen.) Was mir aber einer schenkt, das habe ich mit Recht, darum betrüge ich, ob ich gleich einen zur Schenkgasche perswadire, nemanden.

Aus allen diesen Umständen also erhellet, daß

der Graf von Struensee die Landeseinkünfte weder an sich gezogen, noch das Reich in Schulden gesezt hat; und unverdamlich gewesen ist.

II.

Er hätte es dabin gebracht, daß die besten Ministers ihres Amtes entlassen worden, um keine Beobachter seiner Griffe neben sich zu haben.

Dieser Saz begreift zwei Stücke in sich:

1.) Er hätte es dahin gebracht, daß die besten

Minsters ihres Amts entlassen worden. Mit Nichten! Er war es nicht. Das bestand in der Wilkühr des Königs. Der König, die Grafen von Struensee und von Brandt, und noch einige andre waren u. sollen genug seyn, den geheimen Rath zu formiren. Die Uiberflüßigen bekamen ei-

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nen guten Rath, ihre Güther zu beziehen. Und das von Rechtswegen: Sind wenige, eine Absicht zu erreichen, hinlänglich, was braucht man viele?

2.) Er hatte keine Beobachter seiner Griffe neben sich haben wollen. Was sind denn das für Griffe gewesen? Man wird gewiß grose Mühe anzuwenden haben, wenn ihm so etwas einem Griffe ähnliches in den Tod nachgeredet werden soll.

III.

Er hätte sich in den Grafenstand erheben lassen und gar Herzog von Holstein Plön werden wollen.

1.) Graf. Das gieng ganz ordentlich zu. Vom Dokter wurde er 1757 zu Altona Phyitkus; 58. Leibmedikus des verstorbenen Königs; bei dem Neuen Reiseleibmedikus, hernach beständiger Leibmedikus; 69. den 12ten Mai Staatsrath; 70. den 14mten Mai, Conferenzrath; im December Maitre des Requetes; 71. im Julio, geheimer

Cabinetsminister; Ritter des

Mathildenordens und am 15ten des nämlichen Monats dänischer Graf.

Dieses Glük, ob es gleich selten geschicht, ist schon mehrern vor ihm, an andern Höfen, begegnet. Und es ist zu loben, wenn Könige und

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Fürsten ihre treuen Diener mit einer erhabenen Stelle nach der andern begnadigen. Dadurch

werden dergleichen Männer noch mehr angestammt, ihre Kräfte dem Staate zu widmen. Und woher sind denn alle unsre Grafen, unsre Freiherrn, unsre Edlen, alle erhabene und Gebieter entstanden? Von der Natur hergerechnet, sind wir alle einerlei. Verdienste aber, Heldenmuth und Gewaltsamkeiten haben diese und jene Unterschiede zuwegegebracht. Graf wird auch: grav, welches die Alten: grau aussprachen, geschrieben, und bedeutet: einen alten grauen Greis, der sich um den Staat verdient gemacht, und den der Regent, seiner Verdienste halber, diese und jene Güther schenkte, um auf denselben seine lezten Lebenstage in Ruhe zu beschliesen. Und so könten wir von Jedem eine Grundbedeutung, wenn selbige hier nötig wäre, angeben.

2.) Herzog von Holstein-Plön. Das

war, mit Erlaubnis, nicht wahr. Gehört nicht dieses Herzogtuhm, ob es gleich an das Königreich Dännemark gekommen, noch immer zum römischen Reiche? Wer aber kan in dem römischen Reiche Herzöge und Fürsten machen? Gehört diß nicht zu den Rechten des Reichsbeherschers, des Kaisers? Aber, es beißt ja nur:

Er Hätte sich durch eine Akta das

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Herzogtuhm Plön von Sr. Königl. Majestät versichern lassen, welches aber nicht zum Vorschein gekommen.

Ist diese Versicherung nicht zum Vorschein gekommen, woher konte man es wissen, daß ihm das Herzogtuhm Plön versichert worden? Und konte denn der König, ob derselbe gleich Herzog von Holstein-Plön ist, diesen Charakter und dieses Land sohin einem Fremden abtreten? Dergleichen angeerbte, oder auch durch besondre Reichsverträge erhaltene, eroberte, oder angekaufte Länder gehören selbst mir zur Krone, deren Verwalter nur der König ist. Kein Fürst kan etwas zum Nachteil seiner Nachkommen und Erben vergeben, wenn die Landesstände nicht drein willigen. Also auch hier hätte diese Abtretung des Herzogtuhms Plön an den Graf von Struensee mit Bewilligung der Landesstände vor sich gehen, und dann die Confirmation aus dem Reichstage ausgefertiget werden müssen, wenn diese Verlassung hätte gültig gewesen seyn sollen. Das konte aber nicht angehen, da der Graf die Landesstände wider sich hatte, die nimmermehr in diese Forderung würden gewilliget haben.

IV.

Er hätte die ganze königliche Familie, auser der kleinen Prinzeßin

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und her Königin, hinrichten, sich dann mit derselben vermälen und neben ihr als Protektor regiren, u sich durch Feuer und Schwerd, fals sich ihm Jemand widersetzen wurde, den Weg zum königlichen Trohn bahnen wollen.

Wem hat er denn

1.) diesen Plan entdekt? 2.) Als Arzt konte er wol die königliche Familie, one Verdacht, hinrichten, da man Arzneien antrift, die einen langsamen Tod befördern, (v. g. sacharum Saturni.) wenn er hätte an seinen Woltätern untreu werden wollen und nicht merere Ehrfurcht gegen den königlichen Stamm besessen hätte, 3.) Wer muß denn tol ersonnen haben, daß er hätte Protektor werden und sich mit der Königin vermälen wollen? Er gewiß nicht. War er wol ein Cronwel, den die Engländer verlangten? Jener konte getrost König werden; dieser aber nicht. Waren hier nicht schon zwo Parteien? Der dann neue König würde kurze Zeit regiret haben. 4.) Sich den

Weg zum Trohn mit Feuer u. Schwerd

banen. Das gab man so für, weil er die Waffen, den König wider die drohenden Anfälle zu verteidigen, bereit halten ließ. Wie doch aber eine gute Absicht, auf der bösen Seite betrachtet, so ü-

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bel hinausgekläret werden kan. Das sind Griffe, deren Beobachter Struensee war, den man daher nicht leiden konte und hinrichtete

Kein rechtschaffner Minister würde die Bosheit unterstützen, welches er, da er die Kirchenbuse aufgehoben, gethan hätte. V.

Nur den Kirchenstand in Ruhe gelassen! Dadurch sind schon viele umgekommen. Wie gieng es nicht dem letzten rußischen Kaiser? Wolte er nicht die Lutherische Religion in Rußland einführen? Grif er nicht die Geistlichkeit an, da er dem Archimandrit den Bart abschnitt und solchen über dem Lichte verbrante, daß die dabei waren, lachen mußten? Brachte nicht diese, aus Eifer zu ihrer Religion, den Pöbel, einige Minister und die Armee wider ihn auf, daß er gefangen, des Trohnes entsezt und dessen Gemalin das Ruder bekam? Hingegen dieser ließ die Kirchenbule nicht zur Verachtung der Religion, die in, Dänemark herscht, nicht zur Entehrung der Geistlichkeit; Sondern, aus folgendem Gesichtspunkte betrachtet, aufheben:

Wenn die Seesoldaten, da sie lange Zeit den Umgang mit dem Frauenzimmer missen mußten,

aufs Land kommen, so sind sie nun eine Geisel des-

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selben. Sie greifen es auf der Strase, oder wo sie es nur finden, an und nötigen es zu einer Sache, woran der Wolstand einen Misfallen hat. Das auf solche Weise angeführte Frauenzimmer soll hernach die Frucht seiner heimlich begangenen Lust, in die es gezwungen gewilliget, der Welt, sich zur Schande, vorlegen; und Jederman will ihm nachweisen: das ist auch eine; die hat auch eins gehabt, u. s. w.; Es soll, stat Jungfer, einen andern Namen hören, den die Welt auf die Wage der Verachtung bringt; Es soll seine gebrauchten Leibeskräfte bezalen, da es doch sich blos und keinem andern schadet; da es den Staat, wozu wir da sind, nach allen Gesetzen bevölkert, eben als wenn man die Fehler mit Geld ausputzen könte. Es soll in den Kirchenbann gethan werden, bis es gebüset. Ja, wenn noch die Zeiten der Alten wären, da sich jeder Christ betrübte, wenn eins unter ihnen den HErrn vorzüglich beleidiget hatte; da man nach dem Spruche: waschet euch, u. s. w. handelte und eine solche Person flehendlich bat: daß

man sie doch wieder annehmen und auch vor sie bei GOtt um die Aussönung

bitten möchte; wenn noch jene Zeiten wären, so wäre auch noch der Kirchenbann schiklich. Von Geldbezalungen aber bei GOtt findet man in seinem Worte nichts ausgezeichnet: hingegen lesen wir, daß

er selbst die Hurer und Ehebrecher richten

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will. In unsern Zeiten denkt man ganz anders. Der Zuschauer spottet die Gefehlte. Wer läßt sich aber spotten, ohne dabei unempfindlich zu bleiben? Komt noch der falsche Begrif von der Ehre hinzu; stellt sich die schwangere Person die Schande, der man sie künftig aussetzen will, lebhaft für; hat sie kein Vermögen, den Kranz und die Sünde zu bezalen und soll daher am Leibe büsen und öffentlich abgelesen werden: So wird sie vielleicht tiefsinnig und verliert die Gedanken, daß sie daher, von den Gesetzen

verfolgt, ihr dann gebornes Kind tödet.

Soll man aber ein solches Uibel nicht hemmen? Sonst war die Kirchenbuse schiklich, izt aber nicht. Die Abschaffung also des auf den Liebesfeher laurenden Banns ist gewiß das ächte Mittel, den Kindermord zu tilgen; Welchen Liebesfehler man, da wir alle Fleisch und Blut besitzen, und uns nicht alle verheiraten dürfen, noch können, auch das Frauenzimmer warten muß, bis einer komt; niemals abschaffen wird, und wenn man auch selbst Galgen und Rad, Brand und Feuerzange, und allen Verlust zur Strafe darauf sezte: Die Natur zwingt man nicht.

Das wußte jener grose Monarch, der in seinen Ländern diesen Bann und alle dabei verkommende Geldstrafen aufhob, der noch überdiß dem Frauenzimmer, wenn es, auser dem verbundenen Stande, einen Knaben zeugt, eine Prämie von zehn Thalern

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auszahlen läßt. Dadurch wird sein Reich bevölkert und mit Völkern furchtbar gemacht; dadurch wird der Kindermord aufgehoben; dadurch werden dem Staate die muntersten Leute Hergestellt, die ohne Sor- gen herfürgebracht werden. Ein muntres Genie aber kan zu allem gebraucht werden, es hat das beste Glük, da es sich in alles finden kan; und wird also hieraus das Sprüchwort wahr: Hurkinder haben das beste Glück.

Da nnn diß auch der Graf von Streunsee in Vortrag brachte; da es der König billigte und daher die Verordnung unter dessen königlichen Namen herauskam: Daß in Zukunft auch in Dänemark, um dem Kindermorden Einhalt zu thun, die Kirchenbuse und alle darvon sonst gewönlichen gewesene Abgaben aufgehoben; hingegen aber die liederlichen Hurenhändel nachdrüklichst bezüchtiget werden solten: Sö war diß Gesez gar wol zu biligen; es war nach der Beschaffenheit der Zeit, des Orts; der Personen und Umstände wol eingerichtet und also unverwerflich; und zeigt noch immer, daß der Graf von Struensee Gott und der Welt nuzbar gewesen ist.

VI.

Er hätte das gräflich-schulinische Haus kaufen, zum Öffentlichen

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Hurenhause einrichten lassen und Geld dazu vorgeschossen.

Daß es sich wol zugetragen, daß dieses Haus Zu einem Kaffeehause gemacht worden, worin sich der König und die Noblesse erfrischet; ist wol zu glauben; Daß es aber ein Hurenhaus hat abgeben sollen, völlig zu läugnen.

Freilich finden sich bei dergleichen Zusammenkünften auch leichte Frauenzimmer ein, die Gelegenheiten zum Ausschweifen geben.

Und wenn man darauf sehen will, so dürfte kein

Gasthaus seyn. Wer will, der will, und keret sich nicht an das Haus.

Was ist aber die Hurerei?

Die Kräfte der Natur im Liebeswerke übertrieben anstrengen und dabei dem Zeugungsgeschäfte zuwider leben, wodurch allerhand Krankheiten, die ein guter Arzt heilen muß, entspringen.

Findet man aber diesen Misbrauch nur bei dem ehelosen Stande? Wolte und könte man das Betragen mancher Eheleute untersuchen, so würde man finden, daß diese den häufigsten Misbrauch begehen. Aber diese find privilegirt.

Doch hier ist blos die Rede von dem Galanteriefrauenzimmer, das sich mit Fürsaz zu dergleichen Unsitlichkeiten, vor einen gewissen Werth, denen Manspersonen, denen das Gewissen aufwacht, und

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ein Pfahl ins Fleisch gesezt ist, den sie nicht überwinden können, Preis stellt. Dieses solte gestraft und die Bordels verstöret, an deren stat aber Bäthäuser vor die im Bordel haltbar gewesene Nymphen, ihre

Galanterie und verstaltete Schönheiten zu betrauen, aufgebauet werden.

VII.

Er hätte die Feiertage abgeschaft.

Das ist schon an andern Orten etwas Altes und selbst vom Pabste verwilliget worden, von dessen Vorfahren die vielen Festtage ursprünglich waren.

Das war aber eine magere Beschuldigung und man kan bas böse Herz jenes Dichters satsam erblikken, wenn er singt:

Die Feiertage sind ein Dorn in deinen Augen, Die tolle Freude soll nur blos dein Labsal seyn. Was Gott und göttlich ist, das kan für dich nicht

(taugen.

Du haßt die Ehrbarkeit und führst den Teufel (ein.

Nun, so habt doch Mitleiden mit einem solchen erbärmlichen Poesel, dessen Verstand dem Bruder Langohr ebenmäsig ist! Also: Wer die Feiertage abschaft, der haßt die Ehrbarkeit und führt den Teufel ein? Was das für ein Schluß ist! O der dumme Esel!

Und der muß helle Augen gehabt haben, der den Graf von Struensee den Teufel einfürend, ge-

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sehen hat. Ei, wenn doch ein solcher so wol getahn,

(und wenn er es auch noch thäte!) zu melden, wie er den Teufel gesehen? Die Welt würde ihm grosen Dank sagen. Jederman, glaube ich, würde den braven Herrn gerne sehen wollen. Er muß aber doch sehr furchtsam ausgesehen haben: Weil er sast bei allen Versicherungen als Zeuge; bei Wein und Bier zu Gast und beim Schlagen zum Sekundanten eingeladen wird, und doch niemals erscheinet. Der furchtsame und höfliche Teufel! Daß er doch niemanden, da er gebeten wird, holen will! Er könte ja manchen - - Braten bekommen. Und Struensee solte ihn gepackt und eingeführet haben? Nun, das gefält mir.

Nochmals. Wie sähe denn der Teufel aus? Hatte er auch einen Pferdefus; eine Hahnskralle, Hörner, wie ein Ziegenbock (wie ihn die Mahler abbilden)? Erschien er in einem rothen Kleide? Im Gesichte etwa blaß, wie die Dichter den Pluto schildern, den nur ein seine Eurydice aus dem Höllenschlunde herausholenwollender Herkules gesehen haben soll? Oder, schwarz, wie der Teufel? Oder wie sahe er sonst aus?

Vermuthlich aber ist er nicht alleine gewesen. Wo war denn seine Grosmutter? Da diese sonst allemal bei ihm seyn soll, so wird sie gewiß auch nicht weit von ihm gewesen seyn. Und diese sahe wol

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aus, wie man die Hexen beschneibt,; wie ein altes,

garstiges, triefäugigtes und runzlichtes

Weib? Was das für ein Zug gewesen seyn muß!

VIII.

Es wäre durch ihn dem Königreiche Norwegen

das Münzrecht abgenommen und der Hauptkrone einverleibet worden.

Und das war recht. Dergleichen Rechte gehören ad regalia principis und wo solche noch davon getrennt sind, so tuht man wol, wenn man sie hinzubringt. Denn kein König, kein Fürst, wenn solche das Münzen selbst bestreiten lassen, liefern schlechtes Geld; welches aber im vorigen Kriege von den Münzrechtssabpachtern, leider, GOtt erbarms! geschehen ist und noch verschiedentlich geschicht.

Endlich und auch die größte Lüge und unsitlichste Beschuldigung:

VIIII.

Er hätte ein geheimes Verständnis mit

der Königin gehabt und dieserhalben wäre er des Todes schuldig.

Wie aber, wenn schon vor einigen Jahren der irdische grose Gesezgeber, nach dessen Einrichtungen sich Jederman richtet, in einem solchen wahren Falle das Gegenteil bewiesen hätte? Hieß es daals nicht: Madame, sie heisen Prinzessin von

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* *; und du, Mosge, fort, geniest meine gnade mit andern Staatsverbrechern in * *! Und da war alles vorbei. Hat aber sonst Jemand etwas von diesem Vorfalle erfaren? Schrieb man auch die Wochenblätter davon voll? Gab man auch den Buchdruckern und Buchhändlern etwas dabei zu verdienen? Wurde wol auch so, wie izt durch diese dänische Conspiration, die Welt gebrandschatzet: Alles nicht. Es blieb alles verborgen. Und das war

weise gehandelt.

Nemen wir nun beede Geschichten zusammen, und man nimt an, daß die dänische die nämliche gewesen; so war der Graf von Struensee zwar strafbar,

nimmermehr aber des Todes schuldig.

Beschuldigungen

des

Grafen von Brandt.

Ehe wir mit diesem Graf, dessen Vater ehemals dänischer Edelman und Conferenzrath war, ins Verhör treten, wollen wir erstlich etwas besoederes vorausschicken

Man muß es wissen: Er wurde 1755. Hofjunker,

hernach Kammerjunker und endich

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Kammerherr 1769., und der itzige König konte

ihn so leiden, daß er denselben überall begleiten mußte; dem man auch daher, dessen Person gänzlich anver trauet hatte. Das Leben also, die Gesundheit und Wolfahrt des Königs waren in seinen Händen. Er bewies es aber auch, daß ihm die Ehre seines Herrn und alles, was demselben heilsam, lieb war. Er bewies es zur Zeit durch ein Unternehmen, das sich auf Eifer und Treue gründete und wobei ihm damals der größte Haufe edle und uneigennützige Absichten zutraute. Es wurde nämlich der Graf von H **, da dieser Brandt dessen falsches Spiel eröfnet hatte, seines Dienstes entlassen. Diese geöfnete Stelle trug man hernach ihm an, da er noch Hofjunker war und er verbat sie. Das brachte ihm aber die größte Liebe des Königs zu ihn zuwege, daß derselbe ihn zum Kammerherrn ernente, worauf er dann 1771. von der Königin den Mathildenorden erhielt; von dem Könige aber zum Oberschauspielaufseher gemacht wurde. Und da er sich in diesen Aemtern

die Gnade des Königs noch mehr erwarb; So wurde er mit dem Graf von Struensee zugleich in den Grafenstand erhoben und erhielt folgenden Titel:

Enewold Graf von Brandt,

königlicher dänischer geheimer Rath, Kammer-

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herr, Beisitzer ves höchsten Gerichts, Oberschauspielsaufseher und Ritter des Mathildenordens.

Diese Stellen also begleitete er mit Recht, ohne dazu durch Einschmeichelungen gelangt zu seyn. Seine Treue und Scharfsichtigkeit erhoben ihn.

Man beschuldigte ihn aber folgender Verbrechen:

I.

Er hatte dem Graf von Struensee mehrere Anleitung gegeben, seine Absichten, die königliche Familie zu fällen auszuführen.

Nimr mau seine dem Könige und Staate bewiesene Treue dazu; hält man beides gegen einander; So wird gar bald der Verdacht, daß dieser erste Beschuldigungspunkt fälschlich angebracht worden, erkläret. II.

Er hätte auf Befehl des Grafen von Struensee

und der Königin einen Meuchelmord am

Könige verüben wollen, da er aber Widerstand gefunden, den König in den Hals u. Finger

gebissen.

Höre es, o Welt! und vernim es, Erde! Muß der Graf nicht ein Maul gemacht haben! Ein Maul, wie ein Elephant.

Wer hatte ihm denn aber wol vorher die Zähne geschärft? Das mußte ja geschehen, wenn er hätte beisen, einen Hals, eines Menschen Hals abbeisen sollen. Den Zahnschleifer möchte ich doch kennen.

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Gewiß, der Erdichter dieses Meuchelmords war

ein Jude.

Beweis.

Das andre Jahrtausend der Welt soll antworten. Als Esau dem Jakob dort den Hals abbeisen wolte, machte er ein groses Maul, und doch bis er vergeblich. Der sonst fleischerne Hals des Jakobs, der, wenn man der Abbildung unsrer alten Mahler glauben kan, ein starknervigter Riese gewesen seyn muß, dessen Gurgel wenigstens 6 Zoll im Durchschnitt; der Hals wurde zum Beine, woran sich Esan 6 Zähne ausbis, da dann sein boshaftes Herz beschämet wurde, daß er sogleich in sich gieng und seinen Bruder freundschaftlich küßte.

Das findet man in dem wahrheitsvollen Talmud ausfürlich beschrieben; und in der Hebraischen Bibel finden sich auch über dem Worte:

וישמהו und er küßte ihn, 6 besondre Punkte, die die Masorethen mit besonderem Fleise um den Leser an diesen bisvollen Kus zu erinnern, als eine merkwürdige Sache angemerket haben.

III.

Warum er denn nicht den guten Vermanungen, die ihm ein Freund am 8ten Julius und am 19ten Sepremher 71. zugeschrieben, nachgekommen?

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nach welchen er hätte den König, der damals

schon In Gefahr gewesen, retten sollen, da man

ihm gemeldet: man würde, wenn er die bösen Anschläge des Struensees nicht hemte, dermaleinst das Leben und die Freiheit dieses Prinzen von ihm fodern, da er um ihn wäre und alles sähe und

wisse. Man hätte ihn dieserhalben beschworen und ihm vorgestelt: wie ihn der König aus Erkentlichkeit mit Güthern und Ehre überhäufen, und ihm diß der Unterthan verdanken würde. Er solte dock nicht länger der Sklav eines Elenden bleiben, der ihn, wenn er ihn nicht weiter brauchte, in den Staub treten würde. Man hätte ihm ja auch in diesen Schreiben den Anschlag, wie er es anfangen solte, gemeldet. Allem aber hätte er kein Gehör gegeben. Daher würde nun auf ihn mit Recht die Schuld geschoben. Er wäre im höchsten Grade des Todes schuldig.

Beede Briefe sind, wenn man solche mit dem, den der Conferenzrath Pe. F. Suhm, nach der Gefangennemung der beeden Grafen, geschrieben haben soll, zusammen hält, von einem Verfasser geschrieben worden. Man vermuthet aber: sie waren disfals an den Graf von Brandt gesendet worden, um ihn auch auf die Seite zu ziehen. Da er sich aber nicht zur Un-

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treue wider den König, ob man ihn gleich zur Treue ermunterte, bewegen ließ; da er nicht zu der Partei, die ein groses Verbrechen noch grösser machen wolte, trat: So mußte er, da sein Freund, Struensee verdamt wurde, auch ex falso & injusto titalo verdamt werden.

(Der Graf von Struensee wird hier ein Elender genent, weil ihn kein Edelman gemacht hatte. Wie viele würden das von, wenn ihr rechter Vater bekant wäre, entbehren müssen! das sie ohne Verdienst beischreiben.)

IV.

Er hätte, gleich dem Grafen von Struensee, mit der

Königin vertraut gelebt.

Ein Lügner muß ein gutes Gedächtnis haben, wenn er seine Lüge, die er vor eine Wahrheit ausgibt, nicht selbst zur Lüge machen will. Oben gab man vor: Der Graf von Struensee hätte sich mit der Königin vermälen und dann Protektor von Dännemark werden wollen und daß er schon ein Verständnis mit der Königin gehabt. Hier soll auch der Graf von Brandt ihr Galan gewesen seyn. Kerl, hätte ich dich, sogleich soltest du sterben, vorher aber die verstümmelten Glieder beeder Grafen vom Rad und Stock reisen and ehrlich begraben.

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Eine so vornehmste Dame so anzüglich zu beleidigen, das muß gerochen werden.

Dadurch aber fält 1.) weg, daß sich der Graf von Struensee mit der Königin habe vermälen wollen: Sonst würde kein Nebenbuler statgefunden haben. Es wird 2.) dessen protektoramt unwahr, und 3.) überhaupt die ganze Sache zur Lüge, daß er eine so schändliche Taht, die königliche Familie zu stürzen und sich dann zu erheben, im Sinne gehabt.

Wie man doch einen Lügner ertappen kan, Warheiten gemeldet! Diese bleiben wahr, gleich solche oft, wie die Warheiten und guten Absichten der beeden Grafen, unwahr gemacht werden.

Das waren also die Hauptartickel, wornach man

die beeden Grafen richtete und öffentlich zum Tode verdamte.

Sie festen zwar ihre Unschuldigungsvertheidigungen selbst auf und liessen solche durch Advokaten übergeben, die man aber bei Seite legte. Man schob vielmehr Briefe zu ihrer Verdächtigmachung unter und

erhandelte falsche Zeugen wieder sie. Weil sie aber, dasjenige, was man sie beschuldigte, unmöglich bejahen konten: So ergrif man die Tortur, wodurch schon viele zur Bekennung eines Lasters, das sie niemals begangen, genötiget und hernach unschuldig hingerichtet worden sind: Und Heede Grafen, die die Pein nicht ausstehen konten, antworteten auf alles, was man sie fragte mit: Ja!

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Todesurtheil.

Die Inquisition also machte ihnen den Prozeß, deren Todesurteil zwar der König unterschrieben, aber nicht gelesen hatte. Sie sprach ihnen Ehre, Leben Und Guth ab.

Und als der schwarze Tag des Gerichts herbeikam, so fuhr man sie an den Ort der Verdammnis. Daselbst zerbrach ihnen der Liktor die gräflichen Wappen, hieb ihnen die rechte Hand, dann den Kopf mit dem Beile ab, schmiedete die Hände an Pfähle und durchnagelte

die Köpfe auf dergleichen Stämme. Er vierteilte ihre Körper und legte solche stükweise auf Räder.

Wie heftig man aber gegen den von Struensee aufgebracht war, das kan man an dem wüthenden Messer des Liktors erbliken. Er schnitt nämlich von dessen hernach unempfindlichen Körper den Anhang mit schäumender Wuth ab und zeigte das arme stükchen Fleisch dem Pöbel. Das war zu übertrieben. Von deren oder dessen Geschlechte müsse niemand überbleiben, der an die Wand bisset!

Muß das nicht geschmerzet haben, wenn so zween unschuldige Herren, die die vertrautesten Freunde waren, mit einander in den Tod, in einen so schändenden Tod, gehen mußten!

Der Graf von Brandt bemalete seinem Freunde mir seinem Blute den Weg zum Tode. Er war

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dabei so gelassen, daß er, als ihm die Hand abgehanen worden war, noch sagte: Ich gestehe es, das schmerzt mich ein wenig. Und sogleich reichte er auch den Hals dar. Er starb und sein Blut röchelte dem noch lebenden Graf zu: Auf, Freund, nach der Ewigkeit, wo schon von neuen und unvergehend derjenige Graf, der izt ermordet worden, lebet! Er trägt die himlische Krone der Ehre, da man ihm auf der Welt die irdische, aus Misgunst, geraubet hatte.

Und der Graf von Struensee bestieg, sich auf GOtt und die gute Sache verlassend, auch das Gerüst, worauf sein Freund zerhauen worden war, und sahe, indem er ausrufte: Ich bin unschuldig, sich um nach königlicher Gnade; da diese aber ausblieb, so suchte er nochmals die göttliche, betete, entblößte sich, legte Hand und Hals auf den Stock und erwartete

die lezten Streiche...... Nun war er auch

bei seinem Freunde, der ihm entgegen kam mit dem frölichen Zurufe: Freund, hier ist gut seyn; hier gilt die Gerechtigkeit.

Und beede ruften (mein Genius hat es gehöret); sie ruften: Heilig ist GOtt und die ihn lieben, sind ihm angenem! Sie ruften: Es lebe der König in Dännemark dem wir rechtschaffen dieneten! Er lasse seinen Thron bevestigen, wenn er nicht auch das Schicksal des Todes, dem unsre irdische Hütte ausgesezt seyn mußte, durch menschliche Gewalt erfahren will. Einer in seinem Stamme will ihn stürzen. Und da wir ihn retten wolten, mußten wir ihn in der Ewigkeit anmelden.

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Beschuldigungen der Königin.

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Hier werde ich zwischen Gnade und Ungnade, da ich die Frage: Weißt du nicht, daß die Könige lange Hände haben? antreffe, hinwischen müssen. Doch wird man mir es nicht übel nehmen, wenn ich hier und da frei schreibe. Die Sache selbst ist frei. Also mit Gunst, daß ich fragen mag:

Warum wurde die Königin arretiret?

I.

Man beschuldigte sie:

Sie hätte mit den beeden Grafen ein

Liebesverständnis gehabt.

Wer hat es denn gesehen? Ranzau? Der Kläger solte provoziret werden.

Woher will man denn das beweisen? Und zwar

1.) Vom Struensee.

Daß dieser Leibmedikus des Königs und also auch, auf Anraten desselben, der Königin war, ist bekant genug. Ist er also zur Königin alleine gegangen, so haben es vielleicht frauenzimmerliche Umstände so verlangt, die sie nur ihrem Leibarzte anvertrauen

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wolte, den sie auch in seinen höchsten Ehrenstellen noch konsultirte.

Soll aber ein solcher Antritt verdächtig feyn, und ein Leibmedikus deswegen mit dem Tode bestraft werden, o wehe, ihr Fürsten! wer wird euch beistehen, wenn ihr krank werdet?

2.) Vom Brandt.

Gleichwie dieser ein beständiger Gefährde des Königs bis an das Schlafzimmer war und ihn der König leiden konte, so stand er auch bei der Königin gut angeschrieben. Hat diese mit ihm zuweilen einen scherzhaften Spas getrieben, so geschahe es doch alzeit in Geselschaft. Spas aber ist noch lange kein Ernst. Und hohe Herrschaften sind frei. Womit wollen denn auch dergleichen Personen sich die Zeit verkürzen, wenn sie, nach einem Spiele, nach einer Musik, nach einem Bal, nach einer Oper und Comödie, nach einer Ausfahrt und andern Belustigungen, nicht auch in Geselschaften einen scherzhaften Spas treiben könten? Wer das Hofleben versteht, der wird hier nicht stille stehen, sondern gebükt und, ohne sich umzusehen, vorbei gehen.

Indessen, da auch die Königin, nach dem einmal in Collision angenommenen Plane, verdächtig gemacht werden mußte, so war dieser Fal pfifig genug ausgesonnen. Wäre diß nicht geschehen, so hätten gewiß beede Grafen nicht sterben müssen und würden wieder in ihre Aemter eingewiesen worden seyn, Die Königin würde ihrem Gemale die ganze Verhandlung

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bei guter Laune erzälet haben: Daß man die beeden Grafen, um nicht mehr seine Rathgeber zu seyn, und keine Verräther von dem, was man wider das Ruder habe vornemen wollen, zu werden, arretiret hätte und ihnen daher den Prozeß machen wolte. Dadurch aber würde es auf der Gegenseite übel ausgesehen haben. Doch gieng man zu weit.

Man beschuldigte die Königin:

II.

Sie hätte an dem Könige eine Meuchelmörderin werden wollen, und zwar

1.) Selbst.

2.) Da ihn der Graf von Struensee mit

Gift vergeben und

3.) Der Graf von Brandt tödten sollen.

Diese Beschuldigung ist nicht einmal einer Antwort Werth, welches noch izt die Königin in Hannöverisch-Zelle spricht: Man hat mich eine Meuchelmörderin genennet: ich weiß es aber am besten, warum: Doch es bleibe bei mir verborgen. Bei mir aber soll es nicht verborgen bleiben. Man kehre die Sache um, so ist die Antwort da. Man wolle alles vom Hofe, um hernach alleine zu regiren, hinweg schaffen.

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III.

Sie wäre die Ursache an allen Unglücke gewesen, da sie den Dokter Struensee und den Edelman von Brandt habe von dem Könige erheben lassen, daß hernach diese beede alle Unordnungen eingeführet hätten.

Wenn ein Bürgerlicher hochsteigt und ein Edelman vor andern eine vorzügliche Stelle bekomt, so finden sich viele Feinde, die sie wieder zu stürzen trachten. Eben so gieng es auch hier.

Gesezt aber die Königin hatte vor beede gebeten (wie es ihr auch erlaubt war); und beede hätten sich dann als üble Verwalter der königlichen Rechte und der Einkünfte bewiesen: So folgt doch nimmermehr, daß die Königin disfals strafbar gewesen. Was kan man denn dafür, wenn einer, Absichten zu erreichen, sich bükt und, wenn er sie erreicht hat, anders verfährt. Man urteilt vom Gegenwärtigen. Artet sich das Künftige aus, so konte man selbiges nicht voraus sehen.

IV.

Sie hätte, nach der Hinrichtung der königlichen

Familie den Trohn besteigen und sich als Monarchin zeigen wollen.

Obgleich seit 1660. auch in Dänemark, nach Erlöschung des mänlichen Stams, Königinnen regie-

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ren können; So konte eine Caroline Mathilde dagegen ausrufen: Habt ihr nicht meine Gedanken gesehen! Voreilige Eröfnung! An dem Schreibepult kan man vieles aufs Papier ätzen, unbekümmert, ob es wahr, wahrscheinend oder erlogen ist.

V.

Sie hätte sich dann mit dem Grafen von Struensee

vermälen und ihn hernach zum Protektor erwälen wollen.

Wer hat denn das dem Anbringer gesagt? Hat er es etwa blos vom Hörensagen? Selbiges wird, wie bekant, allemal in dem dritten Munde zur Wahrheit, d. i., es wird hernach als eine reine Wahrheit fortgesagt. Das findet man oft. Und wenn es drauf ankommen solte, ich wolte wol etwas erfinden und ausreden, daß es, wer es nur hört und den Autor davon nicht weiß, als eine reine Wahrheit fortgesagt werden soll. Merket auf und denket nach!

"Es gehet die Rede, der König in Dännemark soll dethronisirt und der Prinz Friedrich König werden. Das will, ich weiß nicht, wer? haben."

Das glaube, wer da will. Ich glaube es nicht. Gewiß, gewiß, komt einer, es ist gewiß wahr, ich habe es von dem Herrn --- gehört. Und eben jenem hatte ich es erstlich gesagt.

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der satyrische Zeitungsschreiber und er schrieb es, GOtt behüte! ins Wochenblatt. Nun liest es die Welt und ist gewißlich wahr.

Doch, es sei! es wäre eine Vermälung vorgegangen. Konte wol aus dieser Ehe ein Trohnfolger, fähig das Reich zu regiren, gezeuget werden? Selbst der Graf von Struensee nicht. Das hätten weder die Stände, noch die auswärtigen Mächte zugegeben; Er würde auch nicht haben Protektor werden dürfen. Schweden würde schon gesprochen haben.

Das war also auch das der Königin angethane

Anrecht, welches der Hof von England unmöglich

so hingehen lassen konte. Es erhielt daher der am

dänischen Hofe residirende englische Gesande, der

Minister Keith, den Befehl, schriftlich um

die Ehescheidung anzuhalten.

Er bat sich folglich Audienz bei dem Könige aus, stat dessen aber fand er die nun wieder neuen Räthe, die verwittibte Königin, und den geheimen Rathspräsident, Prinz Friedrich, die sämtlich verlangten: Er solte seinen An- und Vortrag thun. Dieser aber sprach: Ich habe

mit dem Könige sprechen wollen; und mit dieser Versamlung habe ich nichts

zu thun; und trat zurük.

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Dann ließ er sich nochmals beim Könige anmelden und kam vor denselben.

Er legte ihm den Ehescheidungsbrief zur Unterschrift vor, den er auch Uneingesehen unterschreiben wolte.

Nein, nein, Ihre Majestät, sprach

der Gesande, lesen Sie doch erst! Es geht Sie an. Es betrift die Ehescheidung mit ihrer Frau Gemalin, worum der Hof von England, aus angeführten Gründen anhält.

Da rufte der König ganz bestürzt aus: Was?

Ich solte meine Gemalin lassen? Dieses gar schriftlich von mir geben? Das kan ich nicht. Ich liebe und verlange sie wieder. -- Wo ist Struensee und Brandt? Ich verlange sie auch wieder.

Ihre Majestät, erwiederte Keith, diese sind gevierteilet worden. Ihre Majt. haben ja selbst deren Todesurteil unterschrieben. Und da man die Königin auch eben als jene unglükliche Grafen zum Tode verdammen will; So verlangt solche mein Hof zurük.

Da wolte sich der König folgends nicht trösten lassen. Er verlangte die Königin und seine beeden Grafen; und ließ den Gesanden von sich.

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Noch desselbigen Tages aber, da man die gute Gesinnung des Königs gegen die in Kronenburg verschlossene Königin hörte, mußte der König betäubet werden, daß solche eine ewige Staatsgefangene seyn, ja hernach gar zum schleunigen Tode verurteilt werden solte.

Gotlob aber, daß der Minister Keith durchgesezt!

Er donnerte schon in seinen Reden mit brittischen Kanonen auf den Gewässern Dänemarks. Er drang verfolgend auf die Ehescheidung, und der König fand sich genötiget, wenn er mit England in Friede leben und von den Seinen nicht verfolgt seyn wolte, die Ehescheidung einzugehen.

Daß man dem dänischen Hofe, von Seiten Englands, wichtige Punkte zu erfüllen, aufgelegt haben muß, und daß man sich alle Genugthuung, wegen des der regirenden Königin zugefügten Streichs, bedungen hat, erhellet daher: weil sich die Königin noch immer Königin von Dänemark nent und auch so selbst vom dänischen Hofe benent wirb; daß man ihre mit dem Könige gezeigten Kinder königlich aufzieht nnd solche den Kronprinzen des dänischen Reichs vnd die Tochter des Königs nent; und daß man Ihr, als Sie von Cronenburg nach Hannöve-

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risch-Zelle abreiste, alle königliche Ehre

anthat (welches, wenn jenes rabulistischersonnene Verständnis wahr gewesen, nicht geschehen, noch zugestanden worden wäre,) und Ihr noch jährlich eine Pension von 30,000 Talern auszahlt.

Was aber das Eingebrachte der Königin belangt, die gar schwer nach Kiobmandshavn kam; Solten solche wieder herausgegeben werden: oder ist es schon geschehen, so wird es dem Beutel wehe genug gethan haben und wehe thun. Es war etliche mal mehr, als der Wagen des Grafen von Struensee, der 6000 Taler gekostet haben soll; etliche mal mehr, als dessen Vermögen von 400,000 Talern; etliche mal mehr, als das Vermögen des Grafen von Brandt; es betrug viel.

Dem sei aber, wie ihm wolle, man hat es herausgegeben oder nicht, man wird es herausgeben, oder nicht; So kan es mir gleich viel gelten: Ich bekomme doch nichts davon. Und gewiß, 6000 Taler hätte ich mit diesem Buche verdient.

Nun lebt der König ganz betrübt. Ganz tiefsinnig verlängern sich seine Tage. Noch immer ruft

er aus: Meine Gemalin, meine Gemalin! man hat sie mir entrissen. Ich verlange sie wieder----. Meine Mini-

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ster, mein Struensee und Brandt, wo sind sie? Man hat sie zum Tode verdamt. Sie sind hinüber in die Ewigkeit. Man hat mich verwaist.

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Urtheil einiger Exulanten.

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Hierher, hierher, ihr Verbrecher! höret

euer Urteil! Ihr seid mit jenen unglüklichen Grafen in gleicher Verdamnis. Ihr waret auch mit ihnen. Ihr habt sie in ihrem Unterfangen stützen wollen. Sterbet! nein, lebet zu eurer Schmach! Verschwöret aber alles das, was in diesen Tagen in Dänemark vorgegangen ist; und so euch Jemand darum fragen wird, so saget: Wir wissen es nicht. Schwöret; nehmet Pensions an und verlasset das dänische Ufer! Einer lebe da; der andere dort! Dieser in dieser Stadt; jener unter jenem Volke! Du Bruder aber Struensees, du hier gewesener Justizrath, sei unglüklich; verlasse unsre Ufer und Lande; eile und fliehe zu deinem Bruder, dem Lieutenant, der auch nicht wieder kommen darf. Gehet; ziehet! Und so wurde es auf einmal ganz leer; Und ich verliere mich a-u-ch auch-',;:!? Anhang

Der vom Obersten zum Generallieutenant erhobene

Herr Köller-Banner, der in der bekanten Revolution vom 17ten Jenner Morgens frühe dem Grafen Struensee den Arrest verkündigte, ist nach Rendsburg, um vom Superintendent

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Struensee die Moral gelesen zu bekommen,

entfernet worden. So schreibet die freitägige Frankfurther kaiserliche Reichs Ober-Post-Amts-Zeitung vom 27sten November, Nummer 189. 1772.

Da steht ja, was wir haben wolten. Hat also der Anfänger der Revolution falsch gespielt;

So ist es gewiß, daß die ganze Revolution falsch unternommen, die Inquisition falsch verfahren, die Beschuldigungen falsch angegeben und das Urteil falsch gefället worden.

Gehabt euch wohl!

1

Entdecktes Geheimnis

der fürgegangenen

Staatsveränderung

Dännemarks.

De Struensee, comes, manibus tu hostiliter pravis Mortuus, ast celsis vivis qui in ætheris arvis:

Discite justitiam, clamas, non temnite divos.

VIRGIL.

1772.

2
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Die Dänische grosse Staatsveränderung gibt uns das richtigste Beyspiel, daß Ministers bald steigen, aber auch eiligst gestürzet werden können. Wem ist es nicht bekannt, was der Graf von Struensee vor ein Minister am Dänischen Hofe war, wie er vom Bürgerlichen, bis zum Grafenstande, aber so erhaben war, er auch so bedaurend wieder erniedriget und auf eine verabscheuende Art hingerichtet wurde? — Den Geburtsstand, die Erziehung und Studien des Johann Friedrich Struense'es betreffend, so finden wir zwar dabey die größten Veränderungen, doch auch die schönste Ordnung. Vom Blute eines braven rechtschaffenen Mannes und Geistlichen und einer belobten Kindermutter, entsprossen, zeigte er bey der ersten Entwickelung, daß er grosse Talente besaß, die ihn geschickt machten, zum Studiren angehalten zu werden. Dazu half Mutter, Vater und der besondere Lehrer, den beyde Aeltern ihren Kindern hielten. Johann Friedrich und seine Brüder lernten, und setzten die Aeltern in Freude, daß sie einstmals geschickte Männer werden würden. Sie lernten und wurden so ausgefeinert, daß sie höhere Wissenschaften treiben durften. Unserer von dem wir besonders handeln, also bezog nachdem er die Anfangswissenschaften begriffen

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die hohe Schule und widmete sich der Heilungskunst, die er auch so erlernte, daß er mit Ehren den Doctorhut, nach Vorherprüfung feiner Verftandskräfte und Einsichten, erhielt. Worauf er dann wieder zu den Seinen kehrte, und die Erlaubnis, das Heilungsgcschäfte zu treiben, in dem Platze seines Aufenthalts erlangte. Seine glückliche Heilungsarten, der Ruf davon erscholl gar bald bis an dem Dänischen Hof. Man untersuchte ihn von neuen und fand bey ihm, was von ihm gerühmet worden war. Doctor Struensee erhielt die Gnade des vorigen Königs und erwarb sich auch durch einen rechtmäßigen Zugang die Liebe dss Thronfolgers; denn als dieser König geworden war, so fiel es ihm ein, Länder zu besehen, und der Doctor Struensee wurde Reiseleibmedicus.

Der neue König also der Dänischen Staaten verließ die Gränzen seines Vaterlandes und lernte nun auch Nationen persönlich kennen, die er nur aus Erzehlung und durch den Untericht kannte. Er durchreiste die Nord- Abend- und Mittägigen Königreiche, und der Doctor Struensee konnte alle Hofgebräuche beobachten und sich zu einem geschickten Reichsgehülfen bilden, Christian der siebende dieses Namens, König in Dänemark eilte hernach wieder zu seinen Staaten, und gelangte gesund in seiner neuen Residenz an, da er sogleich den Struensee erhob.

Dieser neue König ist ein Herr von sehr biegsamen Naturel, und folgt leicht seinen Eindrücken. Auf den Thron also gestiegen, sobald er das Ruder ergriff, machte er viele Veränderungen bey Hofe, und unter den Ministern, die unter der vorigen Regierung gegolten hatten. Die erste Veränderung im Reiche veranlaßte die Vermählung des Königs mit einer Eng-

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ländischen Prinzeßin. Diese neue Königin, eine Dame voll Geist, glaubte, da sie das Genie ihres Gemals erprüfet hatte, Antheil an der Verwaltung des Staats nehmen zu müssen. Sie sahe es ein, daß das Land in vielem, wenn es blühender werden sollte, verbessert werden müsse, und wurde eine gute Rathgeberin. Durch ihre Anempfehlung auch geschahe es, daß sich der König hauptsächlich des Doctor Struensee’s bediente, der von einer Ehrenstuffe zur andern und endlich, ein fast seltenes Wunder, vom Bürgerlichen zum Grafenstande erhoben wurde, der uneigennützig, bedacht für das Wol des Reichs und unermüdet im Dienste seines Herrn war.

Struensee, Graf von Struensee also, und Graf von Brandt waren die neuen Rathgeber des Königs, die übrigen aber wurden ihres Rathgeberamts entlassen, durch deren Entlassung dem Staate jährlich eine beträchtliche Geldsumme, die sie zum Gehalt bekommen hatten, zuwuchs. Das wollte nun freylich vielen nicht gefallen. Selbst der verwittweten Königin, Juliana Maria, war es empfindlich, daß sie nun nicht mehr wie vorher bey Lebzeiten ihres Gemals, im geheimen Rathe sitzen durfte, sondern der nun neuen Königin diese Stelle überlassen mußte, so wie sich auch ihr Prinz Friedrich ungern von aller Theilnehmung des Ruders entfernet sahe. Sie machte sich daher aus den alten vom Hofe entfernten Ministern und aus allen Unzufriedenen ihren Anhang. Die neue Regierung fande es für gut einige Garderegimenter ihres Dienstes zu entlassen; sie schafte die Kirchenbusse des ledigen Frauenzimmers ab, um dem überhäuften Kindermorde zu steuren; sie erlaubte Bücher ohne vorhergegangene Durchsicht und dazu erbetene

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Erlaubniß zu drucken, da sie einsahe, daß Warheit Warheit bleibt, daß Warheit nicht unterdrückt werden kann, und daß eine hinkende Schrift sich selbst tadelt; — überall gab es die schönste Veränderung, die nach allen Umständen gut war, wodurch Struensee groß, aber auch sehr gefeindet wurde.

Diese Spaltung aber des neuen und alten Hofes erweckte bey dem letztern gar bald eine Zusammenverbindung wieder diejenigen, die ihm im Wege standen, und die neue Königin zerfiel mit der Wittwe. Der Anhang vermehrte sich und mit der Vermehrung desselben, wuchs auch der Haß gegen das neue Ruder. Matrosen und der geringe Pöbel mußten sich, mit List auf die Seite gelockt, indem man ihnen Unwarheiten einflößte, überreden lassen, als wenn der König und dessen gänzliche Familie zernichtet werden solte, und Struensee sich des Reichs bemächtigen wolle: sie mußten einen Aufstand, eine unvermuhtete Bewegung erregen. Man ließ in die Hände des Pöbels unsittliche Pasquille wieder die am Ruder sitzende Herrschaft und deren Ministers aus, wodurch der Gegentheil gar bald verachtet werden mußte.

Da die herrschende Familie nun verdächtig gemacht, trachtete man hierauf, den Erbprinz Friedrich von Norwegen als König einzusetzen und den rechten Regenten vom Throne zu stossen. Diesen schändlichen als bösen Anschlag erfuhr der Graf von Struensee, der sich sogleich bey der regierenden Königin melden ließ, selbiger das bevorstehende Unglück zu eröfnen. Voll Muth verbot es diese Dame, ja nichts davon dem Könige zu berichten, sondern solche Obsicht zu halten, wodurch die Gegenpartei beschämet und zurückgehalten werden könnte. Man regierte das Land

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mit Ordnung. Nur Misvergnügte nennten es Unordnung. Man verwaltete das Recht, und die Gerechtigkeit regirte mit offenen Augen. —

Um aber doch den König zu sichern, so rüstete man sich mit Canonen. Man verdoppelte die Wachten, und ließ die dem etwa ankommenden Feinde, geladen, entgegen stellen. Es wurden die Leute, wenn

ihrer etliche zusammen giengen, zertheilet, um den

Aufstand zu hindern. Niemand, ohne Ansehen der Person, durfte das Schloß betreten, wenn er nicht von zween Soldaten begleitet wurde. Alles Anbringen mußte man schriftlich eingeben, und erhielt auch darauf eine schriftliche Anwort. Dadurch suchte man allen Gistverderbungen zuvor zukommen, wollte der König ausreiten oder fahren, so bekam derselbe eine verstärkte Begleitung. —

Diese Obacht machte die apanagirte Familie, und

die ihres Amts entlassene aufmerksam, und trachteten darnach, das Ziel ihres Unterfangens zu erreichen.

Struensee, als die Sache gar zu übel wurde, redete mit dem Generalmajor von Eichstedt,

nach aufgehobener Tafel ganz fein von diesem vorstehenden Uebel; er redete ihn in Gegenwart der regierenden Königin also an:

“Mein lieber Herr Generalmajor! Die Sache des Staats, des Königs, der Königin und meiner soll, (ich weiß es gewiß,) mir einem Unglücke, mit dem Sturze vom Throne und meiner Absetzung verbunden werden. Ich erfahre es, die verwittwete, Königin (die Stiefmutter unsers Monarchen,) will ihren gebohrnen Prinzen als König ausgerufen und unsern König dethronisirt wissen. Mein

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Leben, der Königin Wolfart und des Königs Vesthaltung sind in Gefahr. Seyen Sie also auf der Huth; und wenn es zum Aufstand kommt, so stehen sie unserm Regenten bey und helfen mit ihren Völkern, die Rotte der Verschworenen dämpfen.,, — Das war aber einer von denen, die zum Aufstand erhandelt worden waren. Was konnte dies also anders, als eine heftige Verbitterung wieder die neuen Ministers und wieder den Hof erwecken? — Die Politik, im üblen Sinne genommen, verarbeitete, nachdem der Graf von Struensee das Geheimniß erfahren und so zum Generalmajor geredet hatte, einen neuen Plan, wornach man, um nicht selbst verrathen zu werden, dem Struensee zuvor kam. Der Graf von Ranzau, der alte Greis, konnte hierbey das Beste ausrichten. Seine Hülfsversicherungen wurden das Lösegeld seiner Schulden. Der Oberste von Köller wurde zwar auch gebeten, den Verschwörungen entgegen zu treten. Aber auch dieser gehörte zum Misvergnügten. Die Köller, Grafen von Ranzau, und Osten hielten es mit dem Erbprinz und der Juliana Maria Rath, und beschlossen, o eine schändliche That! den Arrest einer Königin, die ihren Gemahl liebte, eines Grafen von Struensee's, Brandt, eines Justitzraths Struensee's, der Generale, eines Gähler und Gude und eines Professor Bergers, u. s. w. Sie theilten dazu die Befehle aus, und schrieben die Ordres auf, die der König, im Schlafe gestöret, vom Balle und Weine ermüdet, in der Mitternacht, ohne daß er solche vorher lesen konte, unterschreiben mußte, wobey

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man ihm alle süsse Vorspiele einflößte. Und siehe, er unterschrieb, was er nicht hätte unterschreiben sollen. Aber auch der Erbprinz von Norwegen unterschrieb seinen Namen zugleich mit. — Ist es möglich? Ja, ja, so war es. Leuchtet hier nicht schon, ich frage, die Theiluehmung am Staatsruder herfür? das war also der erste Eingriff in die Rechte der Majestät. —

Die Königin wurde mit unzuvergebender Unverschämtheit aus dem Bette genöthiget; man legte ihr geringe Kleider an, der Graf von Ranzau, mit blossem Degen, kündigte ihr den Arrest an, den er vom König unterschrieben, vorzeigte, den sich diese großmüthige Dame zwar gefallen ließ, ihm aber auch, das wird dir deinen Kopf kosten, zur Antwort gab. Er begleitete sie bis an einen vor sie bestimmten Wagen, worein sie sich setzen mußte, und worin schon der Major Carstenschiold, gleichfals mit gezuktem Degen saß, der sie, mit 30. Reutern begleitet, nach Cronenburg in ein Zimmer, dessen Fenster mit Eisen verwahret waren, brachte.

Majestatbeleidigendes Verfahren! Schon der Arrest im Zimmer, im Schlosse, wäre, wenn sich die Königin vergangen gehabt, hart gewesen. Eisenbegitterte Kerker aber gehören vor Leute, die das Leben verwirkt, die eine schwere Leibesstrafe auf sich gezogen, haben. Gehet man so mit den Regenten, mit Thron besitzendem Frauenzimmer um? —

Ein Gefängniß, ein Klotz mit Ketten, wurde vor die beyden Grafen, die man dem Könige mit Gewalt von der Seite riß, bestimmt; und sie

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trugen auch wirklich das Zeichen der Missethäter an ihren Händen und Füssen; worüber sich der von Struensee mit einem: Man tractirt mich als eine Canaille, beklagte; der andere hingegen nicht aufgebracht bewieß, sondern ausrufte: Einem kleinen Geiste kommt es zu, sich durch Kleinigkeiten demütigen zu lassen; aber ein Grosser hebt sein Haupt weit über seine Schicksals empor.

An der That auch hatten die Königin, Srruensee und Brand sich über diesen Vorfall empfindlich zu beklagen, da derselbe ganz ihren Stand entehrte. Solche Personen bleiben sonst immer Staatsgefangene, ihr Verbrechen sey auch der größten Moralität ausgesetzt, ohne sie so zu mißhandeln. Man beobachtet sie als Standespersonen. Wer will aber eine Königin einkerkern? wer einen Grafen binden? wer ihm Ketten anschmieden und den Anzug der Bösewichter anlegen. Ketten anlegen ist blos die Sache der Barbaren, nicht aber der Christen. Was spricht wol hievon die peinliche Halsgerichtsordnung Kayser Carl des fünften: Wird nicht das in Ketten legen verboten? werden nicht die Gefängnisse, die oft eher Rattenlöcher, als Behälter vor Menschen abgeben, gänzlich untersagt? —

Nun wird von der feindlichen Seite Gericht gehalten. Ist das wol recht? sonsten ist ein Richter, der den kleinsten Verdacht wieder sich hat, verwerflich: in Dännemark aber, wie es scheint, nicht. Die Inquisition hätte von Unparteyischen vorgenommen werden sollen. Was beschuldigte man aber den von Struensee: er hätte die Landes-

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einkünft an sich gezogen und das Reich in Schulden gesetzt. Nicht also meine Herren Richter, er war erster Staatsminister und hinterließ nur 400000 Thaler. War das auch wol ein Vermögen vor einen solchen Herrn? er har ja aber vorher nichts gehabt. Gut. Hat ihn aber nicht der König damit beschenket? das muste ja geschehen, nur sich als Graf aufführen zu können. Was mir aber einer schenkt, das ziehe ich nicht an mich, dabey betrüge ich niemanden und habe es mit Recht. Der Graf von Struensee also war disfals unverdammlich.

2) Er hätte es dahin gebracht, daß die besten Ministers ihrer Aemter entlassen wurden, um keine Beobachter seiner Griffe neben sich zu dulden. Das geschahe, um die Einkünfte durch dergleichen viele Besoldungen nicht zu verringern, sondern zu vermehren. Sind wenige, eine Absicht zu erreichen hinlänglich, was braucht man viele? —

3) Er hätte sich in den Grafenstand erheben lassen und gar Herzog von Holstein Plön werden wollen. Das erste ist unverwerflich. Ich kann mich ja, ohne den Schaden eines andern, so, wie es nur möglich ist, verbessern; ja, ich bin verbunden dazu. Das letzte aber wäre unvernünftig gehandelt gewesen, da er nach einer Sache getrachtet und solche vom Könige gebeten, die nicht in dessen Gewalt stand.

4) Er hätte den bösen Vorsatz gehabt, den König vom Throne zu stossen, die Königliche Familie zu vergeben, die Königin allein zu erheben und sich als Mitregent nennen zu lassen. Deswegen hätte er die Waffen wie-

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der den Monarchen ergreifen wollen, und würde auch alles, wenn man ihm nicht Einhalt gethan hätte, zu Stande gebracht haben. Falsch. War wol der Graf von Struensee ein Cronwel, der die ganze Nation auf seiner Seite hatte? — Jener konnte bald König werden, da ihm sogleich alles Volk zutrat. Dieser aber nicht. Waren nicht schon zwo Partheien unter der königlichen Familie? was für Nebenverschwörungen muß es nicht noch über dies gegeben haben? verge- ben? das hätte er als Leibarzt, ohne dieses Verbrechens überwiesen zu werden, längstens vollführen können, da man Arzneyen antrift, die einen langsamen Tod verursachen, wenn er nicht mehrere Ehrfurcht gegen den König und dessen Stamm besessen hätte. Die Königin erheben? noch niemals hat Dännemark sich von einer Dame regieren gesehen. Mitregent zu werden? das fey! wäre er aber wol versichert gewesen, daß das dann erfolgte neue Ruder gegründet geblieben wäre? wäre er bey seiner Selbsterhebung nicht der grösten Gefahr ausgefetzt gewesen? — das mochte also wol wieder ein falsches, Zeugniß seyn. Die Waffen wieder den Monarchen ergreiffen? Just umgekehrt. Er ergriff die Waffen, um dadurch den König wieder die drohenden Anfälle der feindlichen Seite vertheidigen zu können. Und das war seine Pflicht.

5) Er wäre kein rechtschaffener Minister gewesen, da er die Kirchenbuse abgeschaft, wodurch man der Bosheit allen Vorschub gethan? wie? wenn er dabey die besten Absichten geheget, die auch schon mit gutem Erfolge erschienen? — Copenhagen ist eine Seestadt, die we-

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gen der ankommenden Seessoldaten eine Geisel vor das

Frauenzimmer ist, welches also daselbst gar oft zu etwas genöthiget wird, woran der Wolstand, ob es gleich die Natur erlaubt, ein Mißfallen hat. Wider den Wolstand gelebt, soll es ein Kind gebähren, das es schändet, und es will doch gerne fort und fort Jungfer heissen. Und noch über dies vor der christlichen Gemeine einer heimlich begangenen Lust halber, getadelt und dabey ausgelacht werden. Dis kränket. Und wer weiß es nicht, daß dis ein Hauptgrund eines Kindermords ist? es zeuge eine ledige Person, ein Kind, sie bleibe aber so geehrer, als eine Verbundene. Das erlaubte die Natur und soll auch nun im Dänischen erlaubt seyn. Das eröfnete der von Struensee; und hatte er wol Unrecht? —

6) Er hätte ein geheimes Verständnis mir - - gehabt. Man erlaube: soll ich nicht das, was mir jemand anbietet, annehmen, besonders wenn dieses Angebotene eine Art einer Gunst, eines Geschenks ist? Ich selbst schlage dergleichen nicht aus. Und glaube, es werden sich noch mehrere einfinden, die mir beypflichten. Ja, wird man sagen, man lasse einem jeden das Seine. Wie aber, wenn ich etwa dazu genöthiget werden sollte? — denn das kann man von den Fingern abzählen, daß, wenn etwas vorgegangen ist, sich Struensee gewiß nicht angeboten hat. Er hätte ja besorgen müssen, daß dieser Antrag auf eine Ungnade hinauslaufen würde. Gesetzt auch, es wäre ein geheimer Vertrag vorgegangen, so war es kein Wunder. Es konnte ja derjenige, eines Umstandes halber, seinen Pflichten nicht gemäß leben. Dadurch aber be-

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kam der Gedult haben fallende Theil, der etwa nicht die Gabe der Enthaltsamkeit besaß, Gelegenheit, auszuschweifen. Aerzte gehören vor Kranke, und ein Kranker will gesund werden. — Doch, was halten wir uns bey einer Materie auf, die zu beleidigend ist. Tugend auf der einen Seite und Ehrfurcht auf der andern versichern das Gegentheil. Indessen mußte es so heissen, um die Strafe mit Nachdruck Volziehen zu können und allen Verdacht wegen der Krone von sich abzulehnen. Die Königin mußte nach dem einmal in Collision angenommenen Plane auch verdächtig gemacht werden, um dem Hochverrathe zu wiederstehen und sich davon los zu wickeln. Und aus diesem Grunde zwangen die Juliana Maria und deren Räthe den König zween Befehle zu unterschreiben, einen für die öffentliche Ehescheidung, und den andern, daß die Königin eine ewige Staatsgefangene bleiben solte. Ja, wäre es nicht vom Minister Keith vermittelt worden, man hätte diese beste Gemalin gar zum schleunigen Tode verdamt.

Auch dieser fälschlich angegebene heimliche Umgang war keines Todes werth, welches eine andre Nordische Geschichte gleichen Inhalts beweisen könnte. Demohngeachtet aber sprach man dem Struensee, Ehre, Leben und Gut ab, zerbrach sein Wappen, hieb ihm die rechte Hand, dann den Kopf mit dem Beil ab, stekte beyde Theile auf Pfäle, viertheilte den Körper und legte ihn aufs Rad.

Und das nemliche Todesschicksal wiederfuhr dem Graf von Brandt, den man weiter nichts beschuldigen konnte, als daß er von allem, was den

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Graf von Struensee itzt verdammen mußte, Wissenschaft gehabt hätte.

Beyde Herren hatten zwar ihre Advocaten; sie setzten auch ihre Vertheidigung selbst auf; man sahe aber nicht aufs Recht, und verdammte sie zum Tode, der ihnen nun einmal bestimmt war.

Was können daher nicht Bosheit und Arglist unsrer Feinde ausrichten! Sie die beste Königin wird von der Seite ihres Gemals gerissen; sie, die besten Ministers, Struensee, ein gelehrter, ein einsichtsvoller Mann, und, wie itzt viele seiner Feinde gestehen, ein grosses für Affären geschaffenes Genie und andre riß man dahin, um nicht mehr die Rathgeber des Königs zu seyn; um das Regierungsgeschäfte von neuen an sich zu bringen. Besonders wird es dem siebenzigjährigen Greis, dem Grafen von Ranzau, lieb seyn, daß er sich hierbey Geld machen und sein Schuldwesen berichtigen kann. Wie werden sich die Schmeichler bücken, blos, um den Staat von Einkünften zu erschöpfen und doch, noch den König in Untergang zu bringen! denn das lehret der Zusammenhang, daß, so lange der Erbprinz Friedrich von Norwegen seyn wird, es immer Spaltungen im Reiche giebt. Er macht nun bey allen Gelegenheiten Mine, König zu werden.

Der Hof zu England nahm sich, bey so gestallten Sachen, der Königin an und ließ dem Minister Keith eine Schrift zusenden, worin man um die Ehescheidung anhielt. Dieser bat sich daher Audienz beym Könige aus; statt dessen aber fand er die Räthe und dessen Frau Stiefmutter, die von ihm verlangten; er sollte seinen Vortrag thun. Keith aber sprach: ich habe mit dem Könige sprechen

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wollen. Und mit dieser Versamlung habe ich nichts zu thun; und gieng aus dem Zimmer. -- Dann ließ er sich nochmals beym Könige melden, und kam vor denselben. Er legte ihm den Ehescheidungsbrief zur Unterschrift vor, den er auch uneingesehen unterschreiben wollte. Nein, Ihro Majestät, sprach der Gesandte, lesen sie doch erst. Ach da rufte der König aus: das geht nicht an. wo ist Struensee? wo ist Brandt?

Da kann man sehen, daß der König zwar beyder Todesurtheil unterschrieben, aber nicht einmal gelesen, noch davon Kundschaft eingezogen hatte, was er unterschreiben solte. In die Ewigkeit waren sie.

Die Beleidigung auf der Seite der Königin, die man ihr anthat, war zu groß, daß sie hätte Gemahlin bleiben sollen. Die Scheidung gieng vor sich. Sie verließ Dänemark, und bezog die Hannövrischen Staaten.

Wer siehet also hieraus nicht, daß der Graf von Struensee und Brandt Opfer fürs Vaterland werden mußten? -- --

Merkwürdig ist es, daß der Justitzrath und Lieutenant Struensee, vor ihrer Dienstsentlassung, schwören mußten, um nichts von diesem Zufalle der Welt zu melden. Da kan man sehen, wie man verfahren hatte. Bisher zwar haben sie den Schwur gehalten, wie es aber noch in Zukunft gehen wird, das wird die Erfahrung zeigen. Da müßten rechte Griffe an den Tag kommen. Und das solten sie

melden, um die Königin frey zu schreiben und ihren Bruder zu retten.

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Entwurf zu einer Vertheidigung für die regierende Königinn

von Dänemark

Carolina Mathilda.

Homines enim intelligimus ad justitiam natos esse, neque opinione, sed natura, jus esse constitutum.

Cicero de Legibus, L. I. C. 10.

1 7 7 3.

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Vorbericht. Quis talia fundo,

Temperet a Lacrymis? VIRGILIVS.

In meiner Einsamkeit habe ich die traurige Geschichte der Königinn von Dänemark, Carolina Mathilda, durchgedacht, und gegenwärtigen Entwurf zu einer Vertheidigung aufgesetzet. Es scheint mir dem endlichen Wesen des Menschen nichts angemessener zu seyn, als, daß er durch den Unfall

eines andern empfindlich gerühret und zum

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Vorbericht.

Mitleiden bewogen wird. Die gemeinschaftliche Masse, woraus die Menschen gemacht worden, und die Einförmigkeit, welche die Natur dabey beobachtet hat, hat unter sie eine Sympathie gestiftet, welche die beste Verbindung zur Vollkommenheit des ganzen Geschlechtes ausmacht. Eine jede Unempfindlichkeit, bey dem Unglücke unsers Nächsten, ist eine Abweichung von der ersten Einrichtung unserer Seele. So lange sie sich ihren wesentlichen Eigenschaften überläßt und keinem Einreden der falschen Weisheit Gehör giebt, ist sie nicht allein empfindsam, sondern auch begierig den Nothleidenden zu unterstüßen, und selten ist jemand so unfähig, daß er solches auf keinerley Weise thun könnte. Kann der Mitleidige den Gedruckten nicht auf

eine reelle Art aufrichten, so wird er ihm doch auf

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Vorbericht.

eine intellectuelle Weise helfen können, und diese Beyhülfe ist ihm zuweilen nothwendiger, als jene. Mein Gewissen giebt mir das Zeugniß, daß mein Herz Mitleidens voll gewesen ist, wie ich die traurige Geschichte der unglücklichen Königinn gelesen, und, daß es mir in die Feder dictiret hat, was auf diesen Blättern steht. Ich habe keine Belohnung, keinen Vortheil von der einen Partey zu hoffen, aber ich fürchte auch nicht den Zorn der andern, denn ich habe einen mächtigen Beystand an der Wahrheit, die uns nimmer im Stich läßt. Dieser Aufsatz wird der Königinn, deren Schicksal mein Herz beweinet, vieleicht nimmer zu Gesichte kommen, und, wenn es geschieht, so wird Sie doch nicht erfahren, daß ich der Verfasser sey. Das erste würde mir leid seyn, weil

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Vorbericht.

er vieleicht einen Trostgrund enthält, den ihr eigenes beklemmtes Herz nicht hat zeugen können, aber das andere soll mich nicht bekümmern. Die Zufriedenheit mit sich selbst, welche mit dem Bewußtseyn einer erfüllten Pflicht unauflöslich verknüpft ist, nimmt unsere ganze Seele ein, daher ein Verlangen nach einer andern Belohnung in ihr nicht Plaß ergreifen kann.

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Entwurf

zu einer Vertheidigung

für

die regierende Königinn

von Dänemark

Carolina Mathilda.

§. 1.

Die regierende Königinn von Dänemark, Carolina Mathilda, ist eine geborne Prinzessinn von England.

Ehe sie Königinn ward, war Sie eine Fürstinn, welche von Dänemark auf keinerley Weise abhieng.

Durch die Vermählung mit dem Könige von Dänemark ist Sie keine Unterthaninn von demselben geworden, weil durch eine jede Verehelichung die Ehefrau dem Ehemanne nur in so weit subordinirt wird, als der Endzweck der Ehe, die Vermehrung des Ge-

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8 Entwurf zu einer Vertheidigung schlechtes und die Erziehung der Kinder *), solches erfordert.

Es gilt auch hier, was die Philosophen sagen: „Keine Ordnung laßt sich ohne einer Beziehung auf ein erstes Eins gedenken.,, Aber es ist ein großer Unterscheid zwischen der Subjection und Subordination **).

Die Königinn hat die Würde ihres hohen Hauses nicht abgeleget, wie sie die dänische Krone aufgesetzet, es würde sonst ein schlechter Tausch für eine freygeborne Prinzessinn aus einem königlichen Hause in Ansehung der drückenden Folgen gewesen seyn, welche aus dem Rechte der Souverainetät entstehen sollen.

Wenn eine Prinzessinn aus einem königlichen Hause an einen Fürsten vermählet wird, der nicht honores regios genießet, so behält Sie den Titel Königliche Hoheiten und die damit verknüpfte Immunität. Diese Erfahrung ist ein einleuchtendes Beyspiel für meinen Lehrsatz.

Die Ehe weiß von keinem Herrn und Diener.

Die Königinn blieb, ihrer hohen Geburt wegen, als Königinn eine Prinzessinn, die in der Welt Nie-

*) Finis secundarius, sive mutuum adjutorium, ist

eine Erfindung der römischen Kirche.

**) Hugo Grotius de Jure Belli & Pacis, Lib. II.

C. V. §. 26. L. I. C. IV. §. 6.

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für die Königinn von Dänemark. 9

manden anders unterworfen war, als den Grundgesehen Ihres Vaterlandes, und der König von Dänemark hatte über Sie keine andere Macht, als ein jeder Ehemann über seine Ehefrau hat. Als Ehefrau würde Sie dem Foro Ihres Ehemannes unterworfen gewesen seyn, wenn Er selbst unter einer weltlichen Obrigkeit gestanden hätte.

Aber die königlichen Kinder, wird man vieleicht sagen, gehören dem Staate, und als Mutter müßte die Königinn demselben doch wegen der Erziehung verantwortlich seyn, mithin steht Sie unter den positiven Gesetzen desselben. Das erste ist wahr, das andere ist falsch, und die Folge ist unrichtig. Als Mutter ist Sie dem Vater subordinirt, dieser ist Niemanden in der Welt Rechenschaft zu geben schuldig, und Sie erkennet Ihn nur als Ihren Ehemann für den Ersten in der Ordnung, folglich ist Sie auch nicht einmal in diesem Falle als eine Unterthaninn anzusehen.

Hugo von Grote schreibt: Egimus de his,

qui sunt sui juris: sunt alii in conditione parendi positi, aut filii familiarum, servi, subditi & etiam cives, si cum civitatis suæ corpore comparentur *).

Kein einziger von den Begriffen, zu welchen jene Na-

*) Hugo Grotius de Jure Belli & Pacis, L. II. C. XXVI. §. l.

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10 Entwurf zu einer Vertheidigung

men die Vehicula sind, passet sich auf die Königinn, von welcher die Rede ist.

Es mag hingegen nicht eingewendet werden, daß in einem souverainen Staate auch die königliche Familie dem regierenden Herrn unterworfen ist, denn Sie ist demselben durch die Souverainetätsrechte, unter welchen Sie gezeuget ist, unterthänig geworden.

Eben so wenig kann man behaupten, daß die Königinn von Dänemark durch ein Pactum ante nuptiale Ihrer persönlichen Exemtion entsaget habe.

Ein Vertrag von dieser Art geht nur auf die Aussteuer, den Witwengehalt, die Ansprüche, welche die Braut dermaleins auf die Verlassenschaft des Bräutigams machen könnte, und kurz: auf Dinge, welche außer Ihrer Person sind, ja er enthält wohl gar noch gewisse persönliche Immunitäten.

Und, daferne eine Prinzessinn aus einem ganz unabhängigen königlichen Hause auch bey Ihrer Vermählung an einem Souverainen auf Ihre Independenz Verzicht thun, und sich den willkührlichen Gesehen Ihres künstigen Gemahles unterwerfen wollte, so würde diese Acte doch ungültig seyn, weil die Jurisdiction nicht die Sache eines Unterthanen, sondern des Landesherrn ist.

Allein, dürfte man einwenden, da die Königinn keine Unterthaninn vom Könige von Dänemark seyn

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für die Königinn von Dänemark.

kann, und der Staat aus dem Herrn und seinen Dienern doch nur besteht, so müßte die Königinn einen Theil an der Regierung haben, welches aber mit der Natur der Souverainetät streitet.

Der Schluß ist unrichtig. Die Königinn hat keinen Theil an der Regierung, vielmehr ist Sie verbunden, die Civilcontracte, welche Sie landüblich schließen möchte, gleich den Bürgern zu erfüllen, und, im Verweigerungsfalle könnten Ihre Effecten, welche der local Autorität unterworfen sind, in Beschlag genommen werden, aber für Ihre höchste Person bleibt Sie gleichwohl exemt.

Ist dieses doch auch schon Rechtens in Ansehung der Gesandten, ohne Unterscheid der Regierungsformen dieses und jenen Hofes, an welchem Sie sich befinden. Man kann hierüber Wikefort, Barbeyrac und Binkershoek nachlesen.

Nach diesen unstreitigen Grundsätzen des Völkerrechts ist das Verfahren gegen die Königinn nicht allein gewaltsam, sondern es beleidiget auch den König von England.

Und, wenn man es mit den bürgerlichen Gesetzen vergleicht, so ist es verkehrt und übertrieben. Die Königinn ist arretiret worden, ohne, daß man Sie flagrante delicto angetroffen, und, ohne daß man Sie gehöret hat, da der Arrest doch species pœnæ,

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12 Entwurf zu einer Vertheidigung

zumal in Ansehung einer Person, die summæ dignitatis ist, und da die bürgerlichen Gesetze, welche mit entschuldbaren Vergehungen viel Nachsicht haben, diejenigen doch besonders schonen, welche wohl gehorchen müssen, aber nicht in allen Stücken *).

Man hat eine specielle Inquisition gegen die Königinn angestellet, da doch einer Privatperson bey dieser Lage der Sachen schon eine Defensio pro avertenda Inquisitione hätte nachgegeben werden müssen.

Noch nicht genug. Das Kirchengebeth hat Sie vom Könige gleich anfänglich implicite geschieden, indem es Dieselbe von der Vorbitte zu Gott ausgeschlossen hat. Mithin hat die Kanzel ein Urtheil, oder doch einen Theil derselben ausgesprochen, ehe der Richterstuhl einmal die Untersuchung angefangen hatte.

Man hat die Königinn gezwungen (man betrachte nur recht eine arretirte Königinn) sich über Aussagen des Inquisiten zu erklären, so den Inquisiten selbst wohl graviren, aber nicht der Person zur Last kommen konnten, wider welche Sie in einem harten Arrest gemacht worden, der respectu personæ (wie weichlich ist nicht ein Sanguineus, ein Höf-

*) Hugo Grotius de J. B. & P. L. II. C. XXVI §. 3.

not. 3.

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für die Königinn von Dänemark. 13

ling?) der Tortur ähnlich war. Lauter Nullitäten. Es tritt noch ein besonderer Umstand ein, der in den ordinairen Inquisitionsprocessen verkehrt einschlägt. Ein gemeiner Missethäter schonet seinen Spiesgesellen in seinem Bekenntnisse, weil er befürchtet, derselbe möchte sonst mit zur Haft kommen, und entweder aus Rache, oder aus Mangel des Gedächtnisses, der mit dem Unglücke verbunden ist, alles entdecken. Aber ein Staatsverbrecher ist öfters so leichtsinnig, daß er hohe Personen fälschlich angiebt, welche nicht unter den bürgerlichen Gesetzen stehen, weil er sich einbildet, auf solche Weise einer genauen Untersuchung vorzubeugen und der Strenge der Gesetze zu entgehen.

§. II.

Man hat den König überredet, oder besser gesagt, man hat Ihn gezwungen, den Befehl zur Arretirung der Königinn zu unterschreiben, ohne Ihm Zeit zu lassen, die Beschuldigungen zu untersuchen, weil man befürchtete, Seine Majestät möchten beym Nachdenken hinter den Ungrund derselben kommen. Es läßt sich zu der gesetzwidrigen Eilfertigkeit keine andere Ursache ersinnen. Und wozu war es denn wohl anders nöthig, daß der Prinz Friedrich den Befehl mit unterschrieb, als, daß der König dadurch möchte abgehalten werden, seine Verordnung aufzuheben, und die Königinn in Freyheit zu setzen. Das Ansehen des Prinzen beym Volke und seine Partey am

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14 Entwurf zu einer Vertheidigung Hofe machten seine Unterschrift so gültig, daß der König sich nicht unterstehen durfte gegen sie zu handeln, wie viel es seinem Herzen auch gekostet haben mag, nachdem Er den Gegenstand aus dem rechten Gesichtspunkte betrachtet und mit sich selbst zu Rathe gegangen ist. Wenn man die Königinn bloß der Untreue beschuldiget hätte, so möchte solches von Ihrem Gemahl, der in Sie noch verliebt war, nicht geglaubet worden seyn; man mußte jene Beymessung also mit einer andern verbinden, die den König an der empfindlichsten Seite angriff, der sein Bewußtseyn nichts entgegen setzen konnte, die Ihn sogleich erhißte. Hierzu war nun keine geschickter, als die Beschuldigung, daß die Königinn ihren Gemahl habe dethronisiren wollen. Aber gerades Weges durfte man dieses auch nicht sagen, sondern man mußte es nur für ein Hülfsmittel angeben, weil die Königinn nicht nach solchen Grundsäßen erzogen worden, die in Ihrem Herzen hätten eine Herrschsucht erzeugen können. Eine sich selbst gelassene Vernunst sieht diese Sophisterey leicht ein, aber findet sich solche auch wohl bey jemand, in dessem Gemüthe Liebe und Haß, Furcht und Hoffnung mit einander streiten? Die Dethronisirung ist unstreitig die größte Beschuldigung, weil dieses Verbrechen gegen den König, als König würde begangen worden seyn. Was wäre also der Eigenschaft der Sache gleichförmiger gewesen, als, daß man beym Processe seyn Augenmerk

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für die Königinn von Dänemark. 15

vornehmlich auf die Dethronisirung gerichtet hätte? Aber man findet von Ihr in den Akten kein Wort. Was kann man hieraus nach den Regeln, die der Verstand beobachten muß, wenn er die Wahrheit finden will, anders schließen, als, daß zu der größten Beschuldigung nicht der geringste Grund vorhanden gewesen sey. In welcher Beziehung man die angebliche Dethronisirung auch betrachtet, so hat sie keinen Schatten der Wahrscheinlichkeit *). Die Königinn ist aus kei-

*) Warburton, ein berühmter, englischer Schriftsteller wünschet, daß die mathematischen Wissenschaften nicht in moralischen Dingen den Werth der Wahrscheinlichkeit verringerte, und dem Verstand der Fertigkeit beraubte dieselbe nach ihren Stufen zu schäßen. Siehe desselben Julian, or à Discourse concerning the Earth quake and fiery Eruption, weih defeated that Emperers attempt to rebuild the temple of Jerusalem; und vergleiche damit: Pensées fur l’interpretation de la Nature par Mr. Diderot, p. 3. wie auch des Herrn von Maupertuis Avant propos de l’Essai de Cosinologie p. 12.

Dieser Wunsch ist in Ansehung dererjenigen Mathematiker gegründet, welche alles verachten, was nicht als Maaß und Zahlen aussieht, aber die mathematischen Wissenschaften an sich selbst betrachtet, bewahren uns für das Labyrinth der Unwahrscheinlichkeiten; ja ich glaube, daß ein mathematischer Kopf, der zugleich die Menschen kennet, am geschick-

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nem Hause, das unumschränkt regieret, Sie hat in demselben kein Exempel der Eigengewalt gesehen, das Sie hätte verführen können, Sie kamen

testen sey eine Logik der Wahrscheinlichkeiten zu Stande zu bringen, die uns in der Moral und Politik große Dienste leisten würde. Der Hert von Leibnitz, dessen durchdringender Verstand die Wissenschaften nach ihrem ganzen Umfange gekannt und ihre Gränzen erweitert hat, sagte: „daß der Kunst noch der Theil fehlte, welcher das Gewicht der Wahrscheinlichkeiten reguliren und den Anschein vom Wahren und Falschen wägen lehrte.„ Bis jeßo ist man in demselben noch nicht weit gekommen, und es steht auch nicht zu hoffen, daß er in den nächsten Zeiten werde vollkommener werden, weil dieser Theil der Kunst erfordert, daß man sich erst an gewisse Grundsäße gewöhnet und dann den Menschen ausstudieret, welches beydes aber für unsere heutige Gelehrten zu mühsam ist. Es scheint ihnen der Bestimmung des Menschen angemessener zu seyn, ihre Zeit den Vergnügungen und Zärtlichkeiten zu widmen, als sich den Kopf mit mathematischen und metaphysischen Wahrheiten zu zerbrechen; sie halten dafür, daß ein Atheist durch eine malerische Beschreibung der Schönheit ihrer Phillis ehe zu bekehren sey, als durch Newtons erhabene Betrachtungen über die Gleichförmigkeit, welche man in den Bewegungen der sinnlichen Körper wahrnimmt. Siehe Newton's Optiks III. Book Query 31.

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jung nach Dänemark, hatte keine Engländer mit dahin gebracht, oder sich eine Faction bey ihren Unterthanen gemacht, wie laßt es sich denn mit einem freyen Verstande begreifen, daß die Königinn eine Revolution vorgehabt habe? Selbst Ihre Feinde haben nicht gesagt, daß Sie eine Partey unterhalten, und womit hätte Sie solches thun sollen, da Sie nach dem Geständnisse derselben kein ander Geld gehabt, als, was Sie vom Könige bekommen, das zur Anrichtung einer Revolution lange nicht hinreichend gewesen ist; zumal gegen einen König, der kein Tyrann, der von einem alten Stamme ist, und der einen Vater gehabt hat, welcher von der Nation fast angebethet worden, und dessen Asche noch von Ihr verehret wird *). Nach aller Wahrscheinlichkeit würden viele Millionen nicht zugereichet haben, die Vortheile zu überwägen, welche der König auf seiner Seite hatte.

Dieses veyläufig. Ich wende mich wieder zu dem Gegenstande des Textes, und sage noch so viel, daß diejenigen, welche gegen die Königinn ein Urtheil fällen, nicht das geringste von der Kunst, den Anschein vom Wahren und Falschen zu wägen, verstehen.

*) Wie die Königinn Christina sich in der Uhlfeldschen Sache wunderlich bezeiget hatte, und der dänische Bothschafter sich darüber bey dem Reichskanzler Oxenstiern beschwerte, so antwortete dieser weise Staatsminister: „Lassen sie uns es Ihr verzeihen,

weil Sie des großen Gustavs Tochter ist.„

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18 Entwurf zu einer Vertheidigung Es ist noch nie eine Nationalrevolution ausgeführet, oder nur versuchet worden, an welcher nicht ein ansehnlicher Theil des Heeres, oder des Volkes Theil genommen hätte. Und gleichwohl, soll die Königinn eine dergleichen Revolution vorgehabt haben,

und zwar zu einer Zeit, da, wie es der Augenschein gegeben, der größte Theil des Adels, die Armee und das Volk gegen Sie in Verbindung stunden. Auf Englands Beystand durfte Sie sich in einer so ungerechten Sache nicht verlassen, dagegen hatte Sie zu befürchten, daß eine große Macht, welche vielen Einfluß am dänischen Hofe hat, die Partey des Königes genommen, und Ihr den Zepter wieder entrissen haben würde, dafern die Revolution auch glücklich für Ihr abgelaufen wäre. Und welcher Beystand würde dann für Ihr wider so viele mächtige Feinde übrig geblieben seyn? Sie selbst, stark genug zur Formirung des Plans, aber viel zu schwach zur Ausführung desselben; und der Graf Struensee, die verhaßteste Person im ganzen Reiche, dessen Name die gerechteste Sache verdächtig machen konnte.

Die Koniginn müßte sehr einfältig gewesen seyn, wenn Sie dieses alles nicht eingesehen hätte. Von einer Prinzessinn, die einer Verschwörung beschuldiget wird, und die unstreitig wohl erzogen worden ist, läßt sich aber eine solche Einfalt nicht gedenken.

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Es ist unleugbar, daß die Königinn eine liebreiche Mutter ist, läßt es sich denn mit dieser zärtlichen Gesinnung zusammen reimen; daß Sie Ihren Prinzen durch eine Revolution sollte der Gefahr bloß gestellet haben, daß Er der Thronfolge könne verloren gehen? Wir haben in der römischen Geschichte ein Exempel, daß eine Mutter ihrem Stiefsohne das Leben geraubet, damit ihr leiblicher Sohn möge zur Regierung kommen *), aber wir haben so wenig in dieser, als in der alten Historie ein Beyspiel, daß eine Mutter die Thronfolge ihres leiblichen, viel geliebten Sohnes sollte aufs Spiel gesetzet haben, um beym glücklichen Ausgange eines sehr gefährlichen Unternehmens, allenfalls einige Jahre selbst regieren zu können. Hatte die Königinn so vielen Einfluß in die Reichsgeschäffte, als von Ihren Feinden vorgegeben wird, so war Sie ja wenigstens Mitregentinn, oder regierte wohl gar als eine Souveraininn, nur, daß es nicht unter Ihrem Namen geschähe. Sollte Sie aber wohl gewaget haben jenen reellen Vorzug der eitelen Einbildung des Titels aufzuopfern?

Das gesetzlose Procedere, die harte Behandlung der Königinn, die Gleichgültigkeit gegen die Ehre der Krone, die Einschränkung der absoluten Gewalt des Königes und die wenige Achtung fürs

*) Tacitus, Annal, Lib.XIII. Cap. 15.

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Publikum verrathen die Herrschsucht, von welcher die Feinde der Königinn beseelet werden. Ich würde dieses weiter ausführen, wenn ich nicht befürchtete, man möchte die Entwickelung für eine Gegenbeschuldigung ansehen, welche meine gute Sache verdächtig machen könnte. Einen Widerspruch, den die neue Administration begangen hat, kann ich aber doch nicht ungerüget lassen, weil er den Vorwand, daß es ihr um die Ausrechthaltung der Souverainetät des Königes vornehmlich zu thun sey, offenbar zur Lüge macht. Es ist eine Verordnung publiciret worden, welche alle Unterschriften des Königes, die sich nicht auf ein Bedenken des einen, oder des andern Collegiums gründen, ungültig macht. Kommt diese Verordnung vom Könige selbst her, so gilt sie nicht länger, als sie Ihm gefällt, und es wäre besser gewesen, wenn Seine Majestät Ihre Cabinetsorders in einzelnen Fällen wiederrufen, als, daß Sie ein, Ihre höchste Würde kränkendes Gesetz darüber gemacht. Ist jene Verordnung aber ein Werk des Ministeriums, und soll sie durch dasselbe bewerkstelliget werden, so ist die gesetzgebende und ausübende Macht in denselben verbunden, und der König ist nicht weniger, als ein Souverain.

Eben so unwahrscheinlich ist die Beschuldigung der Untreue. Die Königinn hatte ihren Gemahl noch nicht lange gehabt. Sie hatte mit Ihm einen Prinzen gezeuget, der König war eine Zeitlang ver-

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reiset gewesen *), Er begegnete seiner Gemahlinn recht wohl und war Ihr sehr gefällig.

Schon Gründe genug, welche das Vorgeben höchst unwahrscheinlich machen. Aber man setze noch hinzu, die gute Erziehung der Königinn, die Unschuld, mit welcher Sie nach Dänemark kam, die Achtung für sich selbst, den Begriff von ihrer Geburt, der mit Ihr ausgewachsen ist, und an der andern Seite die Ehrerbiethigkeit und die Furcht, und urtheile dann, ob die Beschuldigung Glauben verdiene. Der Graf Struensee soll im höchsten Grade sanguinisch gewesen seyn, folglich ist er auch sehr furchtsam gewesen, er hat kein zukünstiges Leben geglaubt, folglich wird er das gegenwärtige für das größte Gut gehalten, und solches für eine unordentliche Liebe, die er bey hundert andern Personen, ohne alle Gefahr befriedigen konnte, nicht aufs Spiel gesetzet haben.

Es wird für einen Beweis von der Vergehung der Königinn angegeben, daß Sie bey der Traurigkeit ihres Gemahles gutes Muthes gewesen sey. Ein ungemein schwacher Beweis in einer Sache von die-

*) Lord Schaftesbury der vortreffliche Moralist schreibet: „Glaubt ihr wohl, daß Verliebte ihren Nußen verstünden, wenn sie immer beysammen bleiben wollten. Würde sich die Freundschaft auf diese Art unterhalten können?,, Siehe The moralists, pag. 36. in den Characteristiks, Vol. II.

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ser Natur. Eine zärtliche Gemahlinn verbirget vor ihren Gemahl den Schmerz, welchen Sie wegen seiner Leiden empfindet, damit seine Gegenliebe ihn nicht noch tiefer beugen möge. Freude ist auf dem Angesichte der Königinn gewesen, aber Ihr Herz wird getrauret und heimlich wird Sie geweinet haben. Die unschuldigste, ja die edelste Handlung läßt sich dem Scheine nach aus einer unreinen Quelle herleiten *).

Hätte das Gewissen der Königinn bey der Traurigkeit ihres Gemahles einen Vorwurf gemacht, Sie würde gewiß nicht haben Farbe halten können; Reue und Furcht würden den Zurücklauf des Blutes zum Herzen verhindert und Ihr Angesicht roth gefärbet haben. Es muß ein ausgelernter Bösewicht seyn, der diesem Mechanismo wiederstehen kann.

Noch seichter ist der Beweis, welcher von der Aehnlichkeit hergenommen wird, die sich zwischen den Gesichtszügen der Prinzessinn und des Grafen Struensee finden soll. Alle Menschen sind sich einander in Ansehung des einen, oder des andern Liniaments ähnlich. Wie kann man also von dieser

*) Montaigne, ein großer Kenner der Menschen und ein aufrichtiger Schriftsteller sagt: Qu’on me donne l'action la plus excellente & pure; je m’en vais y fournir vraisamblablement cinquante vicieuses intentions. Essais, L. I. C. 36.

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Aehnlichkeit auf den Vater schließen? Es geht dieses am wenigsten bey einem Kinde an, dessen Liniamenten noch nicht fest sind. Und zu dem beruhet die Aehnlichkeit nicht bloß auf die Objecte, sondern auch mit auf die Subjecte.

Der freye Zutritt des Grafen Struensee ins Schlafgemach der Königinn kann nur denenjenigen anstößig scheinen, welche nicht wissen, daß dieser Graf der Leibmedicus der Königinn geblieben ist, ob er gleich Staatsminister geworden war. Er kannte einmal die Natur derselben, und wußte, welche Arzeney Ihr in dieser, oder jener Krankheit gute Dienste geleistet hatte.

Die Verleßung des ehelichen Gelübdes, eine Handlung, deren idealische Wollust in der Heimlichkeit steckt, soll so öffentlich geschehen seyn, daß sie nicht allein dem ganzen Hofe, sondern auch vielen Einwohnern der Stadt bekannt geworden sey, aber der König hat nicht ehe, als in der unglücklichen Nacht *), das geringste von ihr erfahren. Ein Widerspruch in sich selbst, oder, wenigstens doch eine Verbindung sehr weit von einander entfernter

*) . . . Pulchra Laverna

Da mihi fallere, da justum sanctumque videri;

Noctem peccatis, & fraudibus objice nubem.

HORATIVS, Epist. L. I. Ep. 16. v. 60. sequ.

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Dinge, die so lange unbegreiflich bleiben, bis man die weggelassenen Zwischenideen kennet, die vermuthlich ihren Grund nicht in einem abstracten Verstande haben, sondern Erfindungen der Arglistigkeit sind. Es läßt sich so wenig mit der Weisheit des Schöpfers, als mit dem Vorzuge unserer Seele zusammen gedenken, daß der materielle Genuß der Liebe der hauptsächliche Theil desselben sey, wohl aber ist es begreiflich, daß er nur ein Ausfluß von dem intellectuellen, der zur animalischen Fortpflanzung nothwendig ist. Hieraus scheint zu folgen, daß die Verliebten ihre Neigung verbergen werden, weil das Mitwissen eines jeden Dritten ihrer idealischen Wollust nachtheilig werden kann, ja ich glaube, daß die Vorstellung einer bloß möglichen Entdeckung sie schon beym geistigen Genusse der Liebe hinderlich seyn wird, wie ist es dann zu glauben, daß die Königinn und der Graf Struensee sich so unbedachtsam aufgeführet haben sollten, als vom Gegentheile vorgegeben wird; vornehmlich, da auf der einen Seite noch die Majestät und auf der andern die tiefe Ehrerbiethung mit eintritt. So lange die Seele den Leib regieren wird, eben so lange werden die Begriffe der Menschen Einfluß auf ihr Betragen haben, zumal diejenigen, welche in der Jugend schon Wurzel gefasset, oder hiernächst durch die eine, oder die andere Passion sind befestiget worden. Beydes trifft hier ein. Ueber dieses alles war es der Königinn gar wohl bekannt, daß man wider Sie gern etwas ausspähen wollte, daß

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den König kaltsinnig machen, und Ihr die Vortheile entziehen sollte, über welche man eifersüchtig war. Die Königinn müßte also Ihr eigenes Interesse gar nicht Ungesehen und das menschliche Herz so wenig, gekannt haben, daß Sie nicht gewußt, es sey in demselben eine Zuneigung niemals so wohl befestiget, daß sie nicht durch scheinbare Vorspiegelungen könnte wankend gemacht werden; ich sage: die Königinn müßte sich in diesem Stande der gröbsten Unwissenheit befunden haben, wenn Sie nicht den geringsten bösen Schein vermieden hätte. Der schwankende Charakter des Königes, welcher der Königinn nicht Unbekannt seyn konnte, streuet hierauf noch mehr Licht.

Selbst die tumultuarische Weise, nach welcher man zu Werk gegangen ist, machet die Beschuldigung sehr unwahrscheinlich. Hätte das Vergehen der Königinn seine Richtigkeit gehabt, und hätte Sie so wenig den bösen Schein vermieden, als man vorgiebt, so würde Sie desselben gar leicht zu überführen gewesen seyn, und, wäre dieses, warum hat man dann dem Könige nicht Zeit gelassen die Sache selbst zu untersuchen, und solche Maaßregeln zu wählen, welche sein Reich der wenigsten Gefahr ausgesetzet, seine Liebe geschonet und sein majestätisches Ansehen bewahret hätten, anstatt, daß man die härtesten Mittel ergriffen, welche viel geschickter sind Privatabsichten zu befriedigen, als einen Staatsfehler ohne Verleßung der vollkommenen Theile zu heben. Den

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irrenden Pöbel *), für welchen man sich dem Vorgeben nach, gefürchtet hat, würde die Zeit schon zurecht gebracht haben.

Und wenn man endlich auch annehmen wollte, welches das Alleräußerste wäre, daß die Königinn das Bekenntniß des Grafen Struensee, welches ihn bey allen edel denkenden verächtlich macht, auf seinen Werth und Unwerth habe beruhen lassen, so müßte man nach der Liebe des Nächsten doch nur dieses daraus schließen, daß die Königinn durch eine falsche Berechnung des Erbarmens seiner Richter sey verleitet worden in ihrem Mitleiden, mit Hintanseßung der Achtung, die Sie sich selbst schuldig war, zu weit zu gehen. Diejenigen irren sich, welche von der Entfernung der Königinn Anlas zum Argwohn nehmen. Ist es denn schon ausgemacht, daß solche von Ihrem freyen Willen abgehangen habe? Es giebt Menschen (dafern sie diesen edlen Namen verdienen), welche nicht allein unversöhnlich sind, sondern, welche auch diejenigen haßen und gern von sich entfernen, die sie beleidiget haben, weil ihnen die bloße Gegenwart derselben schon einen verdrießlichen

*) Ein grundlichdenkender Schriftsteller sagt: „Man kann immer zum voraus versichert seyn, daß das, was die Menge glaubet, falsch ist.„

Siehe des Herrn D. Zimmermanns Betrachtungen über die Einsamkeit, S. 11. Zürich 1756.

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Vorwurf macht. So wenig man aber von sich selbst wegfliehen kann *), eben so wenig ist man vermögend die beleidigte Person aus seinem Gedächtnisse zu verbannen. Fürchterliche Gegenwart, die ein Schloß sowohl enger macht, als eine Hütte, welche die Freude aus dem einen, wie aus dem andern verdrenget! Richtig denkende Leser werden von mir keine Demonstration fordern, da ich in dieser Sache nur Wahrscheinlichkeiten habe erhalten können. Diese glaube ich aber durch die Enumeration der Particularideen und Elemente, woraus sie bestehen, figiret, und so genau bezeichnet zu haben, daß diese Beschreibung einer Definition nahe kommt. Und da die Feinde der Königinn die angegebenen Facta nicht ausgemacht, und die Gegenstände nicht mit Präcision beschrieben haben, so ist es auch nicht nöthig gewesen ihnen Facta entgegen zu setzen, sondern ich habe mit Raisonnemens zukommen können. Wenn ich die theologischen Streitigkeiten nicht für eine Schande der Religion und Vernunft, für eine Geißel der Staaten und der nüßlichen Wissenschaften hielte, so würde ich mich über die Fragen erklären: 1. ob der

*) . . patriæ quis exsul

Se quoque fugit?

Scandit æratas vitiosa naves Cura; nec turmas equitum relinquit,

Ocyor cervis, & agente nimbos Ocyor Euro.

HORATIVS, Carm. L. 2. Ode 16. v. 19. sequ.

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28 Entw. zu einer Vertheid. für die K. v. D.

Graf Struensee vieleicht nicht mehr bekannt, als er sich schuldig gewußt hat, um für seine Seele den sichersten Weg zu gehen? Sein unphilosophischer Kopf und sein mit der ewigen Verdammniß beschwertes Herz, lassen solches vermuthen. Heinrich der VIII. schaffte die römischkatholische Religion ab, und setzte in seinem Testamente doch ansehnliche Summen zu Seelenmessen aus. II. Ob derjenige, welcher dem Graf Struensee die Hölle so heiß gemacht, daß er das unglaubliche Bekenntniß gethan, nicht ein größeres Unheil angerichtet hat, als das Factum selbst? Das leßte würde nur in der Einbildung bestehen, oder doch nur einer Familie interessant seyn, das erste erstrecket sich aber über die ganze Nation, und kann für ihr die allertraurigsten Folgen haben.

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Leben, Begebenheiten und unglückliches Ende der beyden

Dänischen Grafen

Struensee und Brand;

aus zuverläßigen Nachrichten gezogen, und von einem Freunde der Wahrheit aufgesetzet. 1772.

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Vorbericht.

Es sind zwar, seit der am 17ten Januar d. I. in Dännemark vorgefallenen, großen Staatsveränderung, viele Nachrichten von dieser wichtigen Begebenheit, mit welcher sich in der dänischen Geschichte eine merkwürdige Epoche ansängt, und von denen Personen, welche dieselbe veranlasset haben, unter dem Publico, verbreitet worden; da aber dieselben teils unvollständig, teils parteiisch, teils ganz falsch sind, teils auch die Sprache der Erbitterung reden, und das bekannte Sprüchwort des Tacitus: Ruente quercu ligna quinis colligit, bestättigen: so hat ein Freund der Wahrheit, welcher den gewesenen Grafen Struensee, in seiner Jugend, gekannt hat, und ein Schüler seines verehrungswürdigen Vaters, als derselbe noch in Halle theologische Vorle-

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sungen hielte, gewesen ist, der also viele, bisher nicht bekannt gewordene Lebensumstände dieses unglücklichen Sohnes eines frommen rechtschaffenen, und berühmten Gottesgelehrten weiß, und besonders den Character desselben, wenigestens die Anlage zu seinem Character, aus einem öfteren jugendlichen Umgange, kennen gelernt hat, das Leben, und das traurige Ende desselben, und seines Mitverbrechers, des gewesenen Grafen Brand, mit der einem jeden Geschichtschreiber nötigen Unparteylichkeit, zu beschreiben; und dabey die von manchem Menschenfeinde vergessene Regel: Man lasse auch dem Unglücklichen Gerechtigkeit wiederfahren, genau zu beobachten. — Zu was für schrecklichen Schicksalen, muß sticht mancher Jüngling, durch seine Schuld, das männliche Alter erleben! Hätte es Struensee damals, als der Verfasser dieser Nachricht noch sein Mitschüler war, wohl geglaubet, daß er einst, als ein Staatsverbrecher, auf einem öffentlichen Blutgerüste, sterben würde?

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Der unglückliche, gewesene Graf Struensee hat, durch sein trauriges Beispiel, die Wahrheit des Sprichwortes: wer hoch steigt, der fällt hoch, von neuem bestättiget. Aus dem Staube der Niedrigkeit schwang er sich bis zu der erhabenen Würde eines geheimen Cabinetsministers hinan. Ein Sohn bürgerlicher Eltern wurde in den Grafenstand erhoben; und von diesem Gipfel der Ehre, stürzete er, schwindelend, bis zu den lezten Stuffen der Schande hinab. Sein hochachtungswerter Vater, der jezt noch, in Rendsburg lebende Doctor der Gottesgelehrsamkeit, königl. dänischer Oberconsistorialrath, und Generalsuperintendent über die Herzogtümer Schleswig, und Holstein, Adam Struensee, ein Mann, welcher, in Dännemark, und in der ganzen gelehrten Welt, in großem Ansehen stehet, ist 1708. am 8ten September zu Neuruppin geboh-

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ren; er gehöret also, nebst seinen Söhnen, eigentlich zu den preußischen Untertanen. In seiner Jugend erwarb er sich, auf den Schulen zu Ruppin, und Brandenburg, eine schöne Kentniß in den Sprachen, und Wissenschaften; widmete sich hierauf der Gottesgelehrsamkeit; bezog 1727 die hohe Schule in Halle; und gieng 1728 auf die Jenaische Universität. An beiden Orten war er ein lehrbegieriger Zuhörer der berühmtesten Männer. Er schöpfete, mit dem rühmlichesten Fleisse, aus den Quellen der Weisheit, diejenige Gelehrsamkeit, welche er, in der folgenden Zeit, in seinem Predigtamte, in seinen Vorlesungen, und Schriften, mit so vielem Beyfalle an den Tag gelegt hat. In Jena erhielt er nicht nur einen doppelten Beruf zum Predigtamte; sondern es wurde ihm auch die Stelle eines Schullehrers angetragen. Nach sorgfältigen Prüfungen nahm er die Stelle eines Hofdiaconus, bey der regierenden Reichsgräfin von Sayn, und Wittgenstein, an; verließ 1730 Jena; und gieng nach Berleburg, um sein Amt daselbst anzutreten. Er blieb aber nicht lange in Berleburg: denn 1731 wurde er, an die Stelle des verstorbenen Pastors John, zum Prediger bey der Gemeine des Neumarkts zu Halle im Magdeburgischen berufen; woselbst er auch, am Sonntage Exaudi 1732, seine Antrittspredigt hielt. Diese Gemeine genoß nur einige Monate seinen Unter-

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richt; weil er noch in eben demselben Jahre zum Pastor der Morißkirche in Halle erwählet wurde. Nachdem er dieses Pastorat bis 1739 mit vielem Seegen verwaltet hatte, wurde er Pastor bey der Ulrichskirche zu Halle. An dieser seiner dritten Hallischen Gemeine arbeitete er 17 Jahr mit aller Treue eines gewissenhaften Seelensorgers; und wurde, wegen seiner vorzüglichen Canzelgaben, und wegen des allgemeinen Ruhmes, welchen er sich, durch seine rührende Beredsamkeit, erworben hatte, als königlicher dänischer Consistorialrath, Probst des Altonaischen, und Pinnebergischen Consistorii, und Hauptpastor der evangelisch-lutherischen Gemeine nach Altona berufen. Als man in Dännemarck seine besonderen Verdienste näher kennen lernete, war man darauf bedacht, daß man diesem großen Gottesgelehrten ein seinen Verdiensten gemäßes Amt gehen möchte. Er wurde zum Oberconsistorialrath, Generalsuperintendenten in den Herzogtümern Schleswig, und Hollstein, auch Probst in den Aemtern Gottorf, Rendsburg, Husum, Schwabstedt, und in den Districten des Domcapitels, ernennet, und muste seinen beständigen Aufenthalt zu Rendsburg nehmen. Seine Gattin, welche ihm der Tod, schon in dem vergangenen Jahre, entrissen, die also nicht, wie man in einigen Zeitungen ganz falsch berichtet hat, an ihren Sohn, den Grafen

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Struensee, als derselbe noch im Gefängnisse saß, geschrieben haben kann, war eine Tochter des königlichen dänischen Justizrathes, und ersten Leibmedici, Doctors Johann Samuel Carl — eine sehr vernünftige, wohlerzogene, und tugendhafte Gattin, mit welcher er von 1732 bis 1771 in einer vergnügten Ehe gelebet, und 5 Söhne, und 3 Töchter gezeuget hat.

Von einem so berühmten Vater, von einer so würdigen Mutter stammt der gewesene königliche dänische Cabinetsminister, und Ritter des Mathildenordens, Johann Friedrich Graf von Struensee, her, von dessen Leben, und unglücklichem Ende ich hier eine zuverläßige Nachricht geben will. Er wurde am 5ten August 1737 zu Halle im Magdeburgischen gebohren, und besuchete, in seinen jüngeren Jahren, die Schule des dasigen Waisenhauses. Wer hätte damals von ihm kühne Unternehmungen, und ehrsüchtige Anschläge, zur Erkletterung einer glänzenden Höhe, erwartet? Er schien, gegen alle Ehre, die man nicht, ohne Mühe, und Gefahr, erlangen kan, ganz gleichgültig; und aus seinen Handlungen konte man gewis nicht schließen, daß er einst ein berühmter Gelehrter, oder ein großer Staatsmann werden würde: denn er gab sich (wenn ich die Wahrheit sagen soll) eben nicht viel Mühe um

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eine weitläuftige, und gründliche Gelehrsamkeit. Daher widmete er sich auch, um sich nicht mit der griechischen, und hebräischen Sprache plagen zu dürfen, der Arzeneygelehrsamkeit; ob gleich sein Vater gern gesehen hätte, wenn er sich, wie sein ältester Bruder, aus die Gottesgelehrsamkeit geleget hätte. Sein Genie war mehr langsam, als munter, und feurig; und es schien, als wenn die Musen nicht Lust gehabt hätten, ihn zu ihrem Lieblinge zu wählen. — Von der Schule des Waisenhauses, in welcher er die meisten Claßen durchgegangen war, und sich eine ziemliche Fertigkeit in der lateinischen Sprache erworben hatte, gieng er auf die dasige Universität, und nahm, nachdem er sich ein Paar Jahre auf derselben aufgehalten hatte, die Würde eines Doctors der Arzeneygelehrsamkeit an. Als sein Vater 1757 von Halle nach Altona zog, reisete er mit demselben; und wurde, kurz nach seiner Ankunft in Altona, Physicus in der Herrschaft Pinneberg, und in der Grafschaft Ranzau; und lebete daselbst, von der fleifligen Ausübung seiner Kunst, sehr bequem. Er war auch zugleich Professor der Arzeneygelehrsamkeit in Altona. Das Glück war ihm günstig. Er heilete verschiedene Kranken, an deren Wiederherstellung jeder zweifelete; und machete sich dadurch so berühmt, daß der König in Dännemarck bewogen wurde, ihn nicht nur 1768, den

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5ten April, zu seinem Leibmedicus, sondern auch zu seinem Begleiter, auf der Reise nach Teutschland, England, und Frankreich, zu ernennen. Dieses war der erste Schritt zu denen Ehrenstuffen, auf welchen er hernach so hoch stieg. Der junge Monarch lernete ihn genau kennen; und würdigere ihn seiner Gnade so vorzüglich, daß er fast beständig bey ihm seyn muste. Er wurde des Königes Vorleser. In dem folgenden Jahre, am 12ten May, 1769. ernennete der Monarch ihn zum wirklichen Etatsrathe; am 14ten May 1770, zum Conferenzrathe; und im December eben desselben Jahres, zum Requetenmeister. Hier fieng sich eigentlich der wichtige Einfluß an, welchen Struensee in das dänische Staatswesen gehabt hat. Ich will diejenigen merkwürdigen Veränderungen, welche, durch ihn, in demselben, entstanden, so genau, als ich selbige habe erfahren können, anführen; damit man, aus denselben, seinen plößlichen, und fürchterlichen Fall begreifen könne.

Im December 1770. und folglich in eben demselben Monate, in welchem Struensee zum Requetenmeister ernennet worden war, wurde, nachdem schon am 15ten September, desselben Jahres, der erste Minister, Graf von Bernsdorf, ein königliches Handschreiben erhalten hatte,

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in welchem der König ihm, für seine Dienste, dankete, und ihn, mit einem jährlichen Gehalte von 6000 Thalern, der Bedienung eines Ministers der auswärtigen Angelegenheiten, und Obersecretairs der teutschen Kanzeley, in Gnaden entließ, das ganze geheime Conseil aufgehoben; und die vier Ministers, aus welchen dasselbe bestand, nemlich die Grafen von Moltke, von Thott, von Reventlau, und von Rosenkranz erhielten einen gnädigen Abschied. Dieses geschahe, durch folgende öffentlich bekannt gemachte königliche Acte:

Wir Christian der siebente, von Gottes Gnaden, König in Dännemarck, Norwegen, der Wenden, und Gothen, Herzog zu Schleswig, Hollstein, Stormarn, und der Dittmarschen, Graf zu Oldenburg, und Delmenhorst & c. urkunden, und erklären hiermit. Weil die Staatsangelegenheiten bey einer souverainen Regierungsform durch die Vielheit der daran Teil nehmenden Personen von einem hohen Range, und durch das Ansehen, welches sie mit der Länge der Zeit erlangen, nur schwerer gemachet, und verwirret werden, und ihre Ausführung verzögeret wird: Wir aber, denen nichts so sehr am Herzen lieget, als eine eiferige Beförderung des allgemeinen Wohls, uns durch nichts in denen Maaßregeln, und Verfü-

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gungen, die zu diesem Zwecke führen, aufhalten, oder behindern lassen wollen, daß Wir derowegen für gut befunden, unser bisheriges geheimes Staatsconseil gänzlich auszuheben, und eingehen zu lassen, und zwar in der Absicht, der Form, und Verfassung Unserer Regierung ihre natürliche, und wesentliche Lauterkeit zu geben, und sie darin zu erhalten. Wie denn besagte Regierungsform in allen Stücken so, wie sie Unseren Vorfahren glorreichen Gedächtnisses von der Nation übertragen ist, seyn und bleiben, und auch nicht der geringste Schein übrig gelassen werden soll, als ob Wir uns von dem Sinne, und der Absicht, worin das Volck sich Unseren Vorfahren übergeben hat, entfernen wolten. Zu mehrerer Bekräftigung des obigen haben Wir darüber zwey gleichlautende Acten, die eine in dänischer, die andere in teutscher Sprache ausfertigen lassen, und soll jene im Archiv der dänischen Kanzeley, diese hergegen im Archiv der teutschen Kanzeley hingeleget, und verwahret werden. Urkundlich unter Unserm königlichen Handzeichen, und vorgedrücktem Insiegel. Gegeben auf Unserm Schlosse Friederichsburg den 27sten December 1770.

Christian.

Fabricius. A. G. Carstens.

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Die verabschiedeten Minister empfiengen jeder ein königliches Handschreiben, in welchem der Monarch ihnen, für ihre treuen Dienste, in den gnädigesten Ausdrücken, dankete. Sie verließen Copenhagen, und reiseten auf ihre Landgüter. An die Stelle des geheimen Staatsconseil wurde eine so genannte geheime Conferenz eingeführet. Diese bestand aus dem Schaßmeister, und geheimen Rathe, Freyherren von Schimmelmann, dem Generallieutenant von Gähler, dem Generallieutenant, Grafen von Rantzau Ascheberg, dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Grasen von der Osten, dem geheimen Rath, Grafen, von Haxthausen, und dem Stiftsamtmann von Scheel. Sie hielt am 7ten Januar 1771, auf dem königlichen Residenzschlosse, in dem Zimmer, in welchem sich sonst das geheime Staatsconseil zu versammelen pflegete, ihre erste Sißzung; die Besorgung der auswärtigen Angelegenheiten aber blieb dem Grafen von der Osten allein überlassen. Diese erste Veränderung zog immer mehrere nach sich. Ich will nur die merkwürdigesten, nemlich diejenigen, welche zu der am 17ten Januar zu Copenhagen erfolgeten großen Begebenheit, und besonders zu dem Unglücke des Grafen Struensee, Gelegenheit gegeben haben, ganz kurz anzeigen. — Die teutsche Kanzeley empfieng einen Cabinetsbefehl, welcher folgendes

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enthielt: Meine Departements und Collegia müssen nicht das ganze Detail der Geschäfte an sich ziehen: ihnen gebühret nur die allgemeine Aufsicht. Die Führung, und Entscheidung dererjenigen Angelegenheiten, die durch die Gesetze, und Verordnungen, bestimmt sind, ist das Geschäfte derer, welchen die Oberaufsicht in den verschiedenen Districten anvertrauet ist, und denen müssen sie solche überlassen. Ihre Obliegenheit ist es also, darüber zu halten, daß den Verordnungen nachgelebet werde; sie haben desfalls Rede und Antwort zu geben, und müssen solche nach aller Strenge, und ohne Nachsicht, in Ausübung bringen. Von dieser meiner Willensmeinung hat die teutsche Kanzelen alle diejenigen, welche es angehet, und mit welchen sie, in Absicht auf die Geschäfte, in Verbindung stehet, zu benachrichtigen, und sie zugleich zu erinneren, keine Sachen bey sich liegen zu lassen, sondern alles in gehöriger Ordnung, und ohne unnötigen Auffenthalt zur Endschaft zu bringen, und auszufertigen. Am Schlusse des Jahres erwarte ich von meiner teutschen Kanzeley einen Bericht, wer von den ihr Untergeordneten einen besonderen Eifer und Fleiß in meinem Dienste erwiesen hat, und wer sich etwan eine Nachläßigkeit wird haben zu Schulden kommen lassen, & c. & c. & c. Ferner ergieng, wegen Einschränkung der Characters, an alle Collegia folgender Befehl:

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Da die Zahl dererjenigen, welche teils bey den in einiger Jahre Zeit vorgefallenen Feyerlichkeiten, teils auch sonst auf verschiedene Vorstellungen mit Rang, und Titeln begnadiget worden sind, dergestalt angewachsen, daß die Charactere aufhöreten, Belohnungen für wahre Verdienste, oder ein Kennzeichen Unserer königlichen Gnade, und besonderen Wohlgefallens zu seyn: so haben Wir den Vorsatz gefasset, selbige hinführo desto sparsamer, und blos nach deren weislichen Absicht auszutheilen; daher dabey lediglich auf Fleiß, Treue und Beeiferung im Dienste, desgleichen auf besondere Einsichten, Tüchtigkeit und Verdienste, nicht aber auf die Jahre der Dienste und Anciennität zu sehen, und nur diejenigen mit Ehrenvorzügen zu belohnen; welche sich zu denselben auf irgend eine würdige Weise verdient gemacht haben. Wir wollen derowegen, daß von nun an für niemanden ein Character, und höherer Rang gesucht werden soll, der nicht vor dem Collegio, oder Departement, unter welchem er stehet, wegen seiner ruhmwürdigen Diensteiferung, guten Aufführung, und besonderen Verdienste, sattsam bekannt ist, so, daß das Collegium sich zutrauen möge, denselben mit vollkommener Ueberzeugung und Zuverläßigkeit einer besonderen Gnade zu empfehlen, und Uns deshalb allemal zur Rede und Antwort zu stehen: Und gleichwie Wir un-

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ter dem heutigen Dato diese Unsere Entschliessung allen Unfern Collegien, und Departements zu erkennen gegeben Haben, so geben Wir selbige hiermit auch in Gnaden Unseren Collegien zur Rachachtung zu wissen. Friederichsburg den 4ten September 1770.

Christian.

Zu den Folgen her neuen Einrichtung gehöret auch noch die Freiheit der Presse, daß nemlich, ohne Censur, gedruckt werden sollte; die Einrichtung eines genuesischen Lotto, oder königlichen dänischen Zahlenlotterie; und die Veranstaltung in dem Hebeammenhause zu Copenhagen, daß unglückliche Mütter ihre neugeborenen Kinder, zur Verhütung der Ermordung, oder Wegsetzung derselben, in einen besonders dazu eingerichteten Kasten legen konnten. Bey der dänischen, und teutschen Kanzeley wurde ebenfalls eine wichtige Veränderung gemacht. An statt, daß jede derselben, bis dahin unter der Aufsicht eines Obersecretaire, ber zugleich ein Mitglied des geheimen Conseil war, gestanden, wurde die dänische Kanzeley in vier, die teutsche aber in drey Departements geteilet, und jedem Departement ein Deputirter mit dem Rang eines Conferenz- oder Justizrathes, vorgesetzet.

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Bey dem Hofstaate wurde eine große Veränderung vorgenommen. Der Oberhofmarschall, Graf von Moltke, der Oberkammerjunker von der Lühe, und noch andere wurden ihrer Dienste entlassen. Die Amtmänner in Norwegen wurden, in Absicht auf ihre Einkünfte, auf einen gleichen Fuß gesetzet. Der bisherige Magistrat zu Copenhagen wurde, am 3ten April 1771, gänzlich aufgehoben, und ein neuer Rath eingesetzet, bey welchem der Graf, Ulrich von Hollstein, die Stelle eines Oberpräsidenten erhielt. Mit diesem Rathscollegio wurde eine ganz neue Einrichtung gemacht. Seine Geschäfte erstrecketen sich blos auf die Policey. Alle Streitsachen wurden an das Hofgericht verwiesen. Die Bürger erhielten die Erlaubniß, zwey Repräsentanten im Rathe zu haben; und dem Rathscollegio wurde ein besonderer Befehl erteilet, für die Aufnahme der Handlung; für die Einrichtung der Preise der Lebensmittel, ohne unbilligen Wucher; für die Reinigkeit der Gassen, und für die Erhaltung guter Ordnung, vorzüglich zu sorgen.

Für 100 neugebohrene Kinder wurde, zu Copenhagen, ein Erziehungshaus errichtet; zu welchem von jedem zur Pracht, oder zum Vergnügen gehaltenen Pferde jährlich zwey Thaler, von jedem Miethskutschpferde ein Thaler, und von je-

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dem fremden Pferde zehen Thaler entrichtet werden müßen. Das Seeetatscollegium wurde, am 28sten März 1771, mit dem Namen eines Admiralitäts- und Commißariatscollegii beleget; und vier Deputirte, nemlich der geheime Rath, Graf von Haxthausen, die Contreadmirals, Hansen, und Fischer, und der Etatsrath Willebrand, bekamen, als Deputirte, die Geschäfte dieses Departement zu besorgen.

Das Generalposiamt litte ebenfalls eine merkliche Veränderung. Es wurde in so weit aufgehoben, daß nur die drey jüngsten Directors, die Justizrathe, Pauli und Lange, nebst dem Legationsrathe Stur; beybehalten wurden; welche zugleich den Befehl erhielten, alle ihre Vorstellungen unmittelbar an den König gelangen zu lassen. Alle übrige bey dem Generalpostamte stehende Personen, als, die geheimen Räthe, Graf von Danneskiold, und Graf von Hollstein, die Conferenzräthe von Rheder, und von Schrödersee, wurden nebst dem Etatsrathe Holm, ihrer Dienste entlassen.

Die freye Tafel bey Hofe, an welcher sonst viele hohe, und niedrige Hofbedienten gespeiset

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hatten, wurde eingezogen, und der Oberstlieutenant Wegner mit dem Auftrage zum Hofintendanten gemachet, daß er alle mögliche zur Einführung einer besseren Sparsamkeit gereichende Veränderungen machen sollte.

Der Gouverneur von Copenhagen, Graf von Ahlefeld bekam seinen Abschied; und diese einträgliche Stelle blieb unbesetzet. Die ansehnliche, aus der Mastung im ganzen Lande, und aus der Hälfte der Strafgelder von Jagdverbrechen fliessenden Einkünfte des Oberjägermeisters wurden zur königlichen Casse gezogen; und dem Oberjägermeister, zu seiner Entschädigung, eiu stehendes Gehalt von 3000 Thalern angewiesen.

Bey den an den König, und an die Collegia einzureichenden Bittschriften wurde der Gebrauch des Stempelpapiers durchgehends befohlen; und eine gewisse Vorschrift gegeben, nach welcher solche Bittschriften eingerichtet werden solten.

Allen Soldaten wurde das Heyrathen, mit der Bedingung, verstattet, daß sie ihre Kinder den Fündlingsanstalt überlassen müssen, welche diese Kinder bey Landleuten unterzubringen sucht, denen sie, bis in das 25ste Jahr, als Knechte, und Mägde dienen, hernach aber frey seyn sollen.

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Da auch die häufige Anwartschaften auf Bedienungen, welche der König erteilet hatte, dem Dienste schädlich waren: so wurden dieselben eingeschränkt; und es ergieng, dieser Cache wegen, folgender merkwürdiger Befehl: Da ich ungern bemerke, welchergestalt ein großer Teil von den manchem bisher gegebenen Expretanzen eine strafwürdige Nachläßigkeit im Dienste verursachet, und an statt den Fleiß und Eifer dererjenigen, welchen sie verliehen worden sind, zu ermunteren, bey den mehresten eine dawieder streitende Wirkung gehabt hat, meine Absicht bey sothanen besonderen Gnadenbeweisungen aber nicht gewesen seyn kann, die ledig werdenden Dienste mit untauglichen Subjectis zu besetzen, so ist in Hinsicht auf die unter meinen Collegiis sortirende Bedienungen meine ernstliche Willensmeinung, daß bey der Vergebung der mit Expretanzen beschwerten Dienste zwar vornemlich auf diejenigen gesehen werden soll, welchen die Succeßionsbestellung auf selbige erteilet worden ist, jedoch daß zugleich die Tüchtigkeit und Aufführung des Candidaten genau untersuchet werden, und diejenigen dieses Beneficii gänzlich verlustig gehen sollen, bey welchen die erforderliche Tüchtigkeit und Wissenschaften nicht gefunden werden, oder welche durch eine schlechte Aufführung sich dazu unwürdig gemacht haben solten. Wornach sich meine Collegia in sothanen

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Fällen genau zu richten, und diese meine Vorschrift pünctlich zu erfüllen haben. Gegeben auf Hirschholm den 26sten October 1770.

Christian.

Sonst hatten, in Dännemarck, die Dispensationes in Heyrachen zwischen Verwandten viel eingebracht, aber auch viele Schwierigkeiten verursachet. Der König hob also, unter dem 3ten April 1771, alle Dispensationes, bey Heyrathen zwischen Bluts- und Schwägerschaftsverwandten,

welche nicht ausdrücklich in dem göttlichen Gesetze verbothen sind, gänzlich auf; und feßete fest, daß solche Heyrathen hinfähro ohne Dispensation zugelassen werden solten. Ein anderer königlicher Befehl verordenete, daß in Geldsachen die Justiz, ohne Betrachtung des Standes des Gläubigers, oder dessen persönlichen Ansehens, genau verwaltet, und nach Beschaffenheit der Sache, und Vorschrift der Rechte mit Beschlag, Immißion, und anderen vorgeschriebenen Zwangsmitteln verfahren werden solle.

Um eben diese Zeit wurde Copenpagen in zwölf gleich große Quartiere geleitet; jedem zu besserer Handhabung der Policey ein Quartierscommissarius vorgesetzet; das Thorgeld verpach-

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tet, und jedes Haus in der Stadt mit einer Nummer bezeichenet,

Eine andere königliche Verordenung feßete fest, daß die auf einen begangenen großen Diebstahl gesetzete Todesstrafe abgeschaffet, dagegen die Verbrecher am Pranger gegeißelet, an der Stirne gebrandmarket, und auf Lebenslang in Fesseln geschmiedet werden sollten.

Die Garde zu Pferde, deren Unterhaltung jährlich ansehnliche Summen gekostet hatte, wurde verabschiedet; die Officiers bekamen Wartegeld, und den Gemeinen ward freygestellet, bey der Garde zu Fuß Dienste zu nehmen. An deren Stelle aber wurde eine leichte königliche Garde von drey Escadrons Dragoner, unter dem Oberstlieutenant von Numsen, errichtet. Den Officiers von den Landcadets, von der Garde, von dem Artilleriecorps, und von den Leibregimentern ward ihr bis dahin gehabter höherer Rang zwar, für die dabey stehenden, noch so lange gelassen, bis sie eine Stufe höher steigen würden; für die Zukunft aber ganz abgeschaffet. Die Hoftrauer wurde, in allen Fällen, zum höchsten auf vier Wochen festgesetzet.

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Bey der königlichen Rentenkammer erfolgete die wichtige Veränderung, daß, an statt derselben ein in drey Departements, nemlich in die nordische, dänische und teutsche Kammer, verteiletes Finanzcollegium, welches aus vier Departements bestand, errichtet wurde.

In Ansehung der unehelichen Kinder kam, unter dem 13ten Junius 1771, eine merkwürdige Verordnung heraus, deren Inhalt dahin gieng, daß, da ledige Personen, welche, ausser der Ehe, zusammen Kinder erzeuget, durch die in den Gesetzen fest gestelleten Bußen, und Strafen, oft gehinderet worden, die ihnen, als Eltern, obliegenden Pflichten zu erfüllen, dergleichen Bußen sowohl, als andere, auf solche Vergehungen gesetzte Strafen, besonders die vom 8ten Junius 1767 festgesetzte Strafe, bey Wasser, und Brod zu sißen, aufgehoben wurde. Zugleich ward verordenet, daß bey der Lause unehelicher Kinder, auf keine Weise, weder in Ansehung der Zeit, noch des dein Priester, und anderen Kircenbedienteu zu bezahlenden Laufgeldes, oder anderer Umstände ein Unterschied zwischen den ehelichen, und unehelichen, gemacht; daß ihnen ihre ausser der Ehe geschehene Geburt nicht, als ein Flecken, angerechenet; und ihnen deshalb nie ein Vorwurf gemachct werden solle. Wegen des Ehebruches wurde, in eben dieser Ver-

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ordnung festgesetzt, daß es lediglich dem unschuldigen, und gekränkcten Teile frei) stehen solle, zu klagen; und so lange dieser sich nicht deshalb rege, solle niemand davon sprechen.

Unter dem 15ten Junius fuhrete der König ein neues Copenhagensches Hof- und Stadtgericht ein, welches am igten Julius den Anfang nahm, und vorzüglich die Abkürzung der Processe zur Absicht hatte. An statt, daß sonst Rechtssachen, lange aufgehalten, und durch drei) Instanzen geführet werden konnten, hatte cs nunmehr, den dem von diesem Stadtgerichte ausgesprochenen Urteile, sein unveränderliches Bewenden. Alle Einwohner von Copenhagen, Herrschaften, und Gesinde, Bürger, und königliche Bediente, mit und ohne Rang, Geistliche, und Weltliche, vom Civil- und Militarstande, Professores, Studens ten, und Universikatshediente, wurden der Gerichtsbarkeit dieses neuen Gerichtes, in allen bürgerlichen, und peinlichen Sachen unterworfen; und alle andere bisher in Copenhagen gewesene Obers und Untergerichte aufgehoben; jedoch mit der Erklärung, daß die besonders privilegirten Sachen ausgenommen wurden, und daß die königlichen Bedienten, in den ihr Amt betreffenden Sachen, lediglich unter dem Collegio, zuwelchem sie gehören, stehen sollen.

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Da auch die zu weit ausgedehneke Postfreyheit den königlichen Einkünften sehr nachteilig gewesen: so wurde, durch eine am 17ten Junius 1771 gezeichenete königliche Verordnung, die bisherige

Pystfreyheit eingeschranket, und die Verfügung getroffen, daß nur die Briefe der Personen des königlichen Hauses, die Berichte der Collégien in Amtssachcn, die Armenjachen, die Zollpachtsachen, und die Mrlikardicnstsachen von der Erledigung des Posiporto fretz seyn, alles übrige aber bezahlet werden solle.

Dieses waren die Veränderungen, welche bis zu der Feit vorfielen, da der damalige Requetenmeister, und Confetenzrath, Scruensee, zum geheimen Cabinetsminister ernennet, und in den Grafenstand erhöben wurde. Die Erhebung zum geheimen Cabinetsmnnster erfolgete aur 15ten Julius 1771; und bey dieser Gelegenheit kam eine königliche Verordnung zum Vorscheine, welche dem neuen Minister beynahe eine ungefchrankrte Gewalt in die Havde gab. Er erhielt nemlich den Befehl, alle von dem Könige mündlich erteis ieke Befehle nach Sr. Majestät Sinne schriftlich abzufassen, und denenstlben solche nachher entweder paraphirt zur Unterschrift vorzulegen, oder auch in höchsidrro Namen, unter dem geheimen Cabinetssiegel auszufertigen. Es wurde überdem

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noch in derselben befohlen, daß alle Ausfertigungen und Verordnungen, die auf Vorstellung eines Collegii an ein anderes Collegium zu erteilen sind, nicht mehr in dem Collegio selbst, oder durch Communication, sondern durch diesen Minister geschehen solle. Druer: daß derselbe dem Könige wöchentlich einen Auszug der von ihm ausgefeiligten Cabineêsbefehle, zur Genehmigung, vorlegen solle; und daß diese alsdenn eben so gültig styn sotten, als wenn sie von dem Monarchen selbst unterzeichnet waren.

Die erste anmerkenswerte Veränderung, welche, nach dieser Ernennung eines Cabiuetsmiuisiers, vorgieng, war die Aufhebung des General» commerzcollegü. Sie geschähe durch eine am 15ten Julius unterschriebene königliche Verordnung. Die Verrichtungen, welche sonst zu diestm Collez gio gehöret hatten, wurden dem Finauzcollegio, und der Kanutter übertragen, so daß alle das Commerz- und Fabriquenwesen betreffende allgemeine Berichte, und Vorschläge dem Finauzcollegio, die einzelnen Vorschläge; und Privatgesuche der Kammer zugetheilet, auch alle unter dem Generalcommerzcollegio gestandene dänische, norwegische und teutche Brau-daßccuranzconrptoirs, nebst der Revision der Oldenburgischen Vrandeassenrechmmgen, der Kammer uMrgebcn wurden. Hiernachst wur-

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den, durch einen Cabinetsbefehl, viele Sachen den Kanzeleyen abgenommen, und dem Finanzcollegio hepgeleget. Der Befehl selbst lautet, vom 19ten August 1771, also:

Nachdem Se. Majestät, zu desto besserer Bes förderung Dero Dienstes, und zu grösserer Ordnung in den öffentlichen Sachen, für gut befunden haben, die Verrichtungen, welche Dero ersten Collegiis, und Departements obliegen, dergestalt zu bestimmen, daß ein jedes insonderheit diejenigen Sachen, und Angelegenheiten besorgen soll, welche dessen wesentlichen Gegenstand ausmachen, oder mit demselben in Verbindung stehen st und da Sie bemerket, wie einige bisher den Kanzeleyen zugelegte Verrichtungen eigentlich zu den Departements ses Finanzcollegii hingehören: so haben Aller dchskdieselben nach genauer Unterftichung- beschlossen, folgendes festzusetzen: Erstlich verbleiben bey den beyden Kaiizeieycollcgiis, und sollen hlnführo zu ihrem Reßort gehören, die Expeditionen von allem dem, was angehet Cr. Majestät königlichen Hauses, und dessen Erb- Regierungs und Hvhei.'sgerechtsame; ungleichen die Bekantmachung der Gesetze, und deren Auslegung; wie auch der Untertanen persönliche Gerechtsame, und Vorzüge: folglich alle Lehnsbriefe, Naturalisationsbriefe, Standes- und Rangserhöhungen, und

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alle darüber auszuftrtigende Diplomata, Patente und Bestallungen. 2. Alle geistliche Kirchen- und Schulsachen, nebst der Aufsicht über die geistlichen Personen, wie auch pis Funda, und deren Verwaltung. 3, Die Justizverwaltung in Cmlibus, Ecclcfiafticus, und Criminalibus, sowohl überhaupt, als in denen Zwistigkeiten, welche in Cameral-Policey- ökonomischen, und Commercialsachen aufkommeli, nachdem solche vorher vor der beykommenden Jurisdiction sind ventilirt worden, und durch die Gesetze nicht entschieden werden können; imgleichen alle Extrajudicialsachen, das Erb- und Succeßionswesen in den Städten, und auf dem Lande; nicht weniger die Succeßionen in den festen Gütern; alle Testamente, Contracte, und Hypotheken, nebst dem Vormundswestn., Das gegen soll zweitens hinführo von dem Finanza collegio besorget, und mithin von den Kanzeleyen dahin übertragen worden: alles was der Kaufstädte innere Einrichtung angehet und zu den ecclefiafticis jurisdietionalibus, oder ein igen anderen vbbemeldeten OhjoLis nicht gehöret, folglich die Haushaltungen, und alle Nahrung in den Städten, und auf dem Lande; der Kaufstädte, Contributions- und Rechruurgswcsen; die ganze ökonomische, und Commercialpolicey; sie Ausfertigung der Reisepass, und Seepasse; nicht minder auch die Medicinal- und Hebammen- samt Pest-

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und anderen Gesundheitsanstalten. Auch befassen Sr. Majestät Kanzeleyen in Zukunft sich nicht weiter mit Handlungs- Fabriken- Innungs-Handwerks- und Marktsachen; auch nicht mit der Frucht- und Kornpvlicey; nicht weniger mit Maaß, Elle und Gewicht; nicht mit Marsch - Einquartierungs - Recruten- Landmilitz- oder See-Enrollirungsfachen; nicht mit Leich- und Dammungsanstalten; imgleichcn nicht mit der ökonomischen Verfassung der Zuchthäuser; nicht mit Anordnungen wegen des Dienstvolkes und Gesindes; nicht mit irgend einem Aßistenz- oder Leihehause, noch Lotterien; eben so wenig mit Wege- Drukken- oder Wasscrlritungssachen; auch nicht mit Wittwencassen, die für die Predigerwittwen allein ausgenommen; und überall nicht mit irgend einem Dinge, daß die Policen, und die ökonomische Verfassung in den Kaufstadten, und auf dem Lande angehet, so lange von allen diesen kein Proceß entstehet. Diese neue Einrichtung, und der Affair ren Unterscheidung sollen ihren Anfang mit dem ersten October dieses Jahres nehmen, bis zu welcher Zeit diese Sachen ferner abgemachet, und ausgeferkigèt werden sollen, wo sie bisher sind ausgefertiget worden. Vom angeführten Tage an aber hat sich ein jeder in diesen Sachen mit seinen Vorstellungen, Ansuchungen, und Berichten an das Collegium zu wenden, nach welchem Sr.

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Majestät selbige durch dieses Reglement hingeleget haben, wovon er Resolution gewärtigen kann.

Mit dem Gottorfischen Obergerichte wurde die Veränderung gemacher, daß die Stellen eines Kanzlers und Vicekanzlers eingiengcn; nur 6 Räthe bestellet wurden, wovon jeder einen District bekam; alle Sporteln der königlichen Caske berechenet werden musten; und dagegen jeder aus derselben ein verhaltnißmäßigs Gehalt bekam.

Zur Besorgung dev Handelungsangelegenhev ten wurde eine eigene Commerzdexulation, für die Bausachen aber eine Oberdirection niedergesetzet. Die Direction der vresunbischen Wollkämmer wurde der Kammer übertragen; und dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Grafen von der Osten, welcher dieselbe bis dahin gehabt Hatte, sein jährliches Gehalt von vier tausend Lhalera Lis auf acht tausend vermehret.

Die Einfuhr der in den wutschen Landern des Königes verfertigten Manufacturwaaren wurde, gegen einen Zoll von sieben, und einem halben pro Cent, durch einen Befehl von dem Finanzcollegio kn die norwegischen, und dänischen Lander verstattet.

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Die Mährischen Bruder, oder so genannten Herrnhuter, erhielten, vermittelst eines königlichen Befehls vom 23sten December 1771, die Erlaubniß, sich in dein Herzogthum Schleswig, und zwar in dein Amte Hadrrsleben, niederzulassen. Es wurde ihnen auch die Erlaubniß gegeben, einzig und allein unter der Aussicht ihres Bischoses zu stehen, und keinen Eid zu leisten: alle gegen sie ergangene Verordnungen aber wurden aufgehoben.

Wegen der Armen zu Copenhagen wurde, unter dem i6ten November 1771, eine allgemeine Verpflegungsanstalt, zur Unterhaltung der Stadtarmen in gedachter Residenh, errichtet. Der dazu verordeneten Commißion wurden alle dem Armeuwesen, dem Waysen- und Erziehungshause bis dahin zugeteilete Einkünfte, und alle von den Lotterien fallende Vorteil angewiesen. Sie erhielt auch die Oberaufsicht über alle fromme Stiftungcu, deren Einkünfte gleichfalls zu diesem Zwecke angewendet werden sollten, daß allen Nothleidenden, ohne Unterschied, besonders den Hausarmen

geholfen; und der Müßiggang, und die Bettelei,auf alle mögliche Art, gehindert werde.

Eine andere Cabinetsordre, vom 4ten November 1771, setzete fest: daß bey den Departe-

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ments kein Collegium einem anderen Collegio, oder auch nuk einer unter ihm nicht stehenden Person einen Befehl, zur Nachlebung, erteilen; sondern deshalb unmittelbar an das Cabinet berichten sollte, welches allein die nötigen Befehle an die Behörde ergehen lassen werde. — Wer diesen Befehl, mit einigem Nachdenken, liefet, der wird leicht einsehen, daß durch denselben die Gewalt des damaligen Cabittetsministers, Grafen von Struensee, ungemein àusgêdehnet wurde. — Endlich wurden, bey dein Militärstande, solche Veränderungen vorgenommen, welche demselben zu einem nicht geringen Mißvergnügen gercichetrn; und in den Vorfall, vom 17ten Januar 1772, einen großen Einfluß hatten. Es wurde nemlich befohlen, daß kein Officier eher Urlaub bekommen sollte, als bis er ein Jahr bey dem Regimente Dienste gethan habe. Alle Chefs bey dem Kriegesrtat zu Wasser, und zu Lande erhielten den Befehl, daß jeder für die Tüchtigkeit derer Personen, welche er zur Beförderung Vorschlägen werde, stehen; und wenn sich solche fanden, die nicht fähig wären, ihrem Posten vorzustehen, solches berichten; auch von den Fehlern, und Vergehungen der unter ihm stehenden Officiers, und Gemeinen Rechenschaft geben solle. Ferner: daß alle Officiers, welche, wegen ihrer schlechten Aufführung, ihres Dienstes entlassen werden müste,

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ihre Abschiede, nur von dem Regimentschef unterschrieben, erhalten selten. Die Garde zu Fuße wurde abgedancket, und den Soldaten derer fünf Compagnien, aus welchen solche bestand, freygestellet, bey andern Regimentern Dienste zu nehmen; welches sie aber nicht thaten. Diese leztere zur Ersparung der Kosten gemachete Einrichtung gab zu einem Auflaufe der mißvergnügten Soldaten Gelegenheit; und man muske, um demselben zu steueren, Gewalt gebrauchen. — Zum Beschluß, dieser neuen Einrichtungen, will ich noch einige neue das Polyceyweftn betreffende Anstalten berühren. Alle Einwohner in Copenhagen musten die hervorragenden Dachrinnen abschaffen. Die Feyer des dritten Festtages in Weyhnachren, Ostern, und Pfingsten, des Tages dr drei-Könige, der Reinigung Maria, Johannis, der Heimsuchung Maria, Michälis, und aller Heiligen wurde eingestellet; und zugleich verordenet, daß alle diejenigen, welche öffentliche Schulen besuchen, nicht anders, als frei-willig, und mit ausdrücklichen Einwilligung ihrer Elfern, und Vormünder, unter die Soldaten genommen werden solte,

Dieses, ist nur eine ganz kurze Beschreibung dererjenigen Veränderungen, welche in Dannemark, teils kurz vor der Erhebung des unglücklichen Struensee, teils nach derselben, vorfielen;

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und von welchem man ihn fast ganz allein, als den Urheber, betrachten kann; ob man gleich zugeben muß, daß sein vertraueter Freund, der mit ihm gesturzete Graf von Brand einen großen Anteil an selbigen hatte. Denn man saget nicht zu viel, wenn man behauptet, daß Struensee, und Brand die machkigesten in Dännemark waren. Es wird daher meinen Lesern nicht unangenehm seyn, wenn ich ihnen eine kurze Nachricht von dem gewesenen Grafen von Brand — dem Mitgenoßen des Srruenseeschen Schicksales — zu leseil gebe.

Envold, oder Ewald Graf von Brand, gewesener königlicher dänischer geheimer Rath, Oberkleiderverwahrer, und Ritter des Mathiidenordens, war ein Sohn des verstorbenen königlichen bairischen Conferenzrathes von Brand. Er hat sein Gluck in Hofbedienungen gemacht. Am 15fen Junius 1755 wurde er Hofjunker; hernach Kammerjunker; und den 22sten Junius 1769 Kammerhert. Die regierende Königin gab ihm 1771 den Mathildenorden; der König aber (auf des damaligen Grafen von Struensee Empfehlung) die Aufsicht über die Schauspiele. In diesem Posten erwarb er sich des Monarchen vorzügliche Gnade; und wurde im Julius 1771, mit dem Struensee zugleich, in den Grafenstand

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erhoben, auch zum Ovenleiderbewahrer, und geheimen Rache, mit Beylegung des Titels; Excellenz, erkläret. Die Freundschaft dieser beyden Unglücklichen, gegen einander, war so groß, daß der eine nicht, ohne den anderen, leben konte. Doch ich komme wieder zu den Folgen, derer neuen Einrichtungen, zu welchen die Anschläge in diesen Leyden Köpfen waren geschmiedet worden. Da es aber teils zu weiklauftig; teils zu meiner Absicht nicht dienlich seyn würde, alles zu erzählen, was, als eine Folge so großer Staatsverande, rungen, angesehen werden fonte: so will ich mich hierüber nur mit wenigen Worten erklären.

Der König hatte, seitdem er zur Regierung gekommen war, die meisten Minister, welche, unter dem vorigen Könige, den größesten Anteil an der Staats, Verwaltung gehabt hatten, entfernet. Der neue Cabinetsininister äuderete die ganze Verfassung des geheimen Conseil, und ließ nur die auswärtigen Angelegenheiten, für welche er sich zu schwach fühlete, in den Händen des Grafen von der Osten. Das Cabinet hatte also alle Gewalt an sich gezogen; und es war natürlich, daß die alten vom Hofe entferneten Ministers, mit dieser neuen Einrichtung, die ihnen Ansehen, und Einkünfte nahm, unzufrieden seyn wüsten.

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Der Militärstand mumle ebenfalls ganz laut über die den Soldatendrenst, und andere Sachen betreffenden neuen Verordnungen; denn der Cabinetsnunisier dankete die Regimenter ab, deren Erhaltung ansehnliche Summen kostete. Er nahm den Garderegimenrern ihren gehabten Rang; und diese wiedàsetzeten sich ihrer im December 1771 vollzogenen Abdankung mit Ausübung verschiedener Thätlichkeiten. Sie zogen auf Las Schloß; wollen durchaus die Person ihres Königes bewachen; und musten, mit Gewalt, in die Castrmen zurück gebracht, und verwahret werden.

Die Abschaffung der Feyertage; die, wegen der Heyrathen zwischen Verwandten, aufgehobene Dffpensationes; und die, wegen des Ehebruches, ergangene Verordnung erweclete in einem Lande, welches den geistlichen Stand sehr hochschatzet, und unter einem an dergleichen Freyheiten nicht gewöhneten Volke, ein allgemeines Mißvergnügen: welches man aus den häufig an das Licht getretenen Schmaheschriften deutlich genug abnehmen kvilte. Unter dem gemeinen Volke, und besonders unter den Matrosen, entstand eine Gahrnng, welche einen Aufruhr befürchten ließ; und bey der Garde brach die Unzufriedenheit öffentlich ans.— Vielleicht mochte der damalige Graf von Struensee, bey vielen neuen Einrichtungen, die besten

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Absichten haben: aber die von ihm eingefuhreten Veränderungen waren nicht Mir gehöriger Klugheit eingefädelt. Sie folgeren zu geschwinde auf einander; und wurden nicht behutsam genug ausgeführek. Bey der schon auf sich gezogenen Mißgunst derer entferneten Minister, welche sämtlich aus alten dänischen Familien herstammeten, und also einen großen Anhang im Lande hatten, unterließ er noch, sich die Liebe des Militarstandcs zu erwerben — eines Standes, ohne dessen Unterstützung nicht leicht große Entwürfe ausgeführet werden. Man durfte demnach eben nicht der Scharfsichtigesie seyn, um eine große Veränderung schon in der Nahe zu entdecken. Alles verküudigete die wichtige Begebenheit, welche am 17ten Januar 1772 obgleich auf eine fehlgeschlagene Art, und wieder alles Vermuthm der beyden Hauptpersonen) auch würcklich erfolgete. Schon einige Wochen vorher wurden die Wachen, und die Bedeckung des königlichen Hauses verstärket. Der Artillerie wurde befohlen, beständig zehen scharf geladene Stücke in Bereitschaft zu hallen. Ja, Gtrucufte ließ die größesten Kanonen aus dem Zeughause auf die Walle, vor die Wachhäuser, und au die Stadtthore fuhren, und scharf Mit Kartätschen laden. Die Kanonen auf den Wällen wurden alle Abende, nach dein Zapfenstreich, so gegen die Stadt gerichtet, daß man die Sassen mit den-

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selben bestreichen fonte. Jeder Soldat empfieng 36 Patronen, und man sähe Tag, und Nacht Patrouilles auf den Gassen. Selbst auf dem Schloße wurden scharf geladene Kanonen hingcpsianztt. Diese fürchterliche Anstalten erregeten, bey allen Einwohnern in Copenhagen, ein nicht geringes Erstaunen. Einer fürchtete sich, vor dem anderen; und jeder gieng mit Furcht auf der Gasse, und legete sich mit banger Angst zu Bette. Den König selbst, zu welchem jeder, der ihn sprechen wolte, Mit einer Wache von zwey Soldaten geführt wurde, befremdeten diese ungewöhnliche Anstalten. Er fragete den Grafen Struensee (denn sonst war Niemand bey ihm) wozu alle diese fürchterliche Vorkehrungen dienen selten? — und dieser antwortete ihn: „Es geschähe alles zur Beschutzung der teueren Person des Königes. Denn alle Untcrthanen waren gegen Se. Majestät aufgebracht. Man befürchte daher, es möchte Sr. Majestät das Schicksal des unglücklichen Derer des gren, in Rußland begegenen." — Als der König dieses

horete, schlug er die Hande zusanrmen, und tief aus: „Mein Gott! was habe ich denn Bokses gethan, daß mich meine lieben, und getreuen Untertanen so hassen?" — Struensee führete verschiedenes an. Besonders (sagete er) gefalle dem Volke die ausserordentliche Steuer nicht, welche doch vor der Hand nicht geanderet wer-

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den könne. Der Monarch war hierüber sehr betrübt. — Indessen versageten Struensee, und Brand jedem Patrioten den Zutritt zu deur Könige; und wenn jemand vor denselben gelassen werden müsse: so war derselbe auch gezwungen, seine Cache kurz zu fassen, und sich sogleich wieder zu entfernen. Zulezt müsse jeder sein Anbringen schriftlich eingeben, und erhielt auch eine schriftliche Antwort. Alle Briefe an den König mußten an den Grafen Struensee abgegeben werden; und von diesem wurden sie dem Könige entsiegelt eingehändiget. Struensee und Brand waren beständig um den König. Jener gieng schon zu Sr. Majestät, ehe Dieselben noch ausgeschlafen hatten, und verließ den König nicht eher, als bis er zur Ruhe war. In wahrender Zeit, daß Struensee den dem Könige war, hielt sich Brand im Vorzimmer auf; und wenn etwa» einer von ihnen abwesend styn musse: so wurde der Wache, und den Bedienten, bey Vermeidung der höchsten Ungnade, verbothen, niemanden, wer er auch fen, sich dem Zimmer des Königes nähern zu lassen; weil Sr. Majestät sich nicht wohl befänden. Wollte der König ausfahren, oder reiten, und Struensee, und Brand fanden es nicht für rathsam; so wüsten sie dem Könige Ärzeneyen beyzubnttgen, nach welchen er sich übel befinden, und zu Hause bleiben muste.

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Man saget, daß des Königes Gesundheit dadurch merklich gefchwachet worden sey. Konten sie es aber nicht verhüten, daß der König ausfuhr, oder sich mit dein Reiten eine Bewegung inachete: so waren sie doch an seiner Seite; und eine starke Escorte hatte den König umringet, daß Niemand zu ihm treten konte. Dieses Verfahren fetzeten sie so lange fort, bis sie endlich, nachdem sie sich schon, in zweyen Nachten, vergebens bemühet hatten, ihre Anschläge zu vollziehen, die merkwürdige, für Dannemarck unvergeßliche Nacht, vom 16ken auf den 17ten Januar 1772, zur Ausführung ihres Vorhabens bcstinnneten; und solches einigen zu ihrer Unterstützung nötigen Herrn (den Generalmajor von Eichstädt, und den Obersten von Köller ausgenommen) entdekketen. Am i4ten Januar wurde demnach der Generalmajor von Eichstädt zur königlichen Tafel eingeladen; und er erschien auch. Nach aufgehobener Tafel rief ihn der Graf Struensee in «in Nebenzimmer, legete ihm, in Gegenwart einer hohen Person, den ganzen Plan vor; erklarete ihm denselben; forderte ihn, und sein Regiment, juin Beystande auf; und gab ihm Len Auftrag, dem Obersten von Roller, im Namen einer hohen Person, und in seinem Namen, eben denselben Plan, und Befehl mitzuteilen: damit derselbe sich ebenfalls mit seinem Regiment, zur bestimme-

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ten Zeit, bereit halten fonte, um, wenn man an Len König die letzte Hand geleget hatte, und etwan die Einwohner von, und ausserhalb Copenhagen, der Königin Carolina Maehilva, als regierenden Königin, und ihm, dem Grafen Struensee, als Mitregeutett, nicht sogleich huldigen, oder eine Empörung erregen Wolken, ihnen Mit gewaffeneter Hand beyzustehen; über welches alles die anderen Officiers nähere Verhaltungsbefehle empfangen wurden. Zugleich wurde dem Generalmajor von Eichstädt befohlen, nicht eher, als nach erhaltener Erlaubniß, vom Schlosse zu gehen. Dieser rechtschaffene Officier muste versprechen, jene Befehle auf das genaueste zu erfüllen; und er nahm dabey den Schein der aufrichtigesten Treue an. Dieses gereichete dem Struensee, welcher seine kühnen Entwürfe schon für vollzogen hielt, zu einem ausserordentlichen Vergnügen.

Am 16ten Januar, des Abends, wurde in dem französischen Comödienhause ein Ball en Domino gehalten, und mit demselben der Anfang zu den Winterlustbarkeiten in Copenhagen gemachet, wohin sich der König, nebst der Königin, am 9ten Januar begeben hatte. Die Gesellschaft war sehr zahlreich. Der König erlustigete sich einige Zeit mit Tanzen. Hierauf spieleten Se. Majestät mit dent Generallieutenant von Gähler, mit dessen

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Gemahlin, und mit dem Justizrathe Struensee, alteren Bruder des Cabinetsmmistcrs, Quadrille. Um Mitternacht horete der König auf, zu spielen; und erhob sich in sein Schlafzimmer; worauf auch die übrige Gesellschaft auseinander gicng.

Nunmehr solte die lezte Hand an ein Werk geleget werden, welches, wenn es gelungen wäre, die Welt in ein Erstaunen gesetzet haben würde. Die Nacht vom 16ten, zum 17ten Januar, war zur Vollendung desselben vorzüglich bequem, weil, wegen des Balles, die Wachen des Schloßes ohnedies verdoppelt waren, und das Falstersche Regiment zu Fuß, dessen Chef der Oberste von Röller war, an diesem Tage die Wache auf dem Schloße, und auf allen Posten, in der Stadt, hatte. Die Vorsehung aber hatte es sich Vorbehalten, alle dabey gebrauchte Vorsicht zu vereitelen. Ihr erstes Werkzeug hierzu war der Generalmajor von Eichstät. Dieser würdige Patriot, dem Vielleicht noch die Enkel der jetzigen Danen Ehrensäulen bauen werden, erhielt den Befehl, unter wahrendem Ball zu Hause zu fahren, und die nötigen Ordres zu erteilen. Er war aber kaum in sein Zimmer getreten, als er alle seine Bedienten von sich schickete, sich heimlich umkleidete/ unvermerkt aus seinem Hause schlich, sich zu dem Generallieutenant, Reichsgrafen von Ranrau zu Aschberg, verfüge-

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te, und demselben das ganze Geheimnis entdeckete. Dieser gerieth darüber in die großeste Bestürzung; er faßete sich aber sogleich Wieder, und begab sich, mit dem Generalmajor von Eichstädt unverzüglich zu der verwiftweten Königin Juliana Maria, Und zu dem Erbprinzen Friederich, um diesen beydn hohen Personen den schwarzen Anschlag des Struensee zu verrathen. Es wurde auch zu dem Obersten von Rätter, und zu dem Grafen von Oer Osten geschickt, um selbige rufen zu lassen. Als diese vier ruhmwürdige Männer, der Genes ralticutenant, Reichsgraf von Ranrgn zu Aschberg, der Generalmajor von Eichstädt, der Oberste von Köller, und der geheime Rath, Graf von der Osten, beysammen waren, und der verw itweten Königin, wie auch dem Erbprinzen, welche beyde, durch die ihnen Hinterbrachte Nachricht, in ein Schrecken gesetzet waren, nicht nur Muth zugefprochen, sondern auch die Möglichkeit, den ganzen abscheulichen Plan des Srruecsce auf einmal zu zerreißen, gezeiget hatten, bath sich der Graf von Ranzau Papier, Dinte, und Feder aus, und schrieb die nötigen, auf die bevorsieheirde Veränderung sich beziehenden Befehle. Gegen vier Uhr, des Morgens, waren diese Befehle, bis zur Unterschrift des Königes, fertig. Hierauf begaben sich die verwittwcte Königin, Julian» Maria, Stiefmutter des Königes, und der Erbprinz Frie-

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drich, Halbbruder des Königes, von obengenenneten vier Patrioten begleitet, nach dem Zimmer des Königes, und befahlen dem Kammerdiener Burghell, den König aufzuwecken. Als sie in das königliche Zimmer traten, schlug der König den Vorhang von seinem Bette weg, und sagete! „Mein Gott! was wollen Sie?" — Die ver wittwete Königin antwortete ihm: „Ihre Majestät, mein Sohn! fürchten Sie Sich nicht. Sie sehen uns hier nicht, als Feinde, sondern als Ihre

wahre Freunde; und wir kommen — —" Hier

fieng sie an, häufige Thränen zu vergießen. Der Erbprinz Friederich, und der Graf von Ranrau nahmen das Work; Pind erzahleten dem Könige die ganze Sache. Der Graf von Ranzau zog, nachdem er dem Könige mit Vieler Bescheidenheit, und mit einem lebhaften Eifer für die Erhaltung Sr. Majestät, zu verstehen gegeben hatte, daß kein Augenblick zu versäumen sey, die ausgescrtigeten Befehle aus der Tasche hervor, und legete selbige dem Könige zur Unterschrift hin. Se. Majestät schienen, Sich noch zu bedencken; und sageten: „Mein Gott! dies wird ganze Ströme von Blut kosten." — Der Graf von Ranzau versicheretc den König, daß er alle Gefahr auf sich nehmen, und dem Blutvergießen, auf alle mögliche Art, Vorbeugen wolle. Die verwittwete Königin, der Erbprinz Friederich, und die übri-

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gen Anwesenden, bathen ebenfalls den König, keine Zeit zu verliehren: worauf der König sich entschloß, die ihm vorgelegeten Befehle zu unterschreiben; obgleich die dem Monarchen angebohrene Menschenliebe ihm die Hand zurück zu halten schien.

Die von dem Könige unterschriebene Befehle wurden also an verschiedene Officiers von dem Erchstädtlschen und Röllerschen Regiment, zur Befolgung, ausgeteilet; und es war nur noch der einzige Befehl notig, vermöge dessen eine hohe Person in Sicherheit gebracht werden sollte. Man überließ es dem Könige, denselben eigenhändig auszufertigen. Der Monarch ließ dabey einige Rührungen merken, und trug die Ausführung des von ihm geschriebenen Befehles dem Reichsgrafen von Rantzau auf. Der Generalmajor von Eichstädt, Chef des in Copenhagen stehenden Seclandischen Dragoncrregimenks, wurde, an die Stelle des Generalmajor von Gude, durch einen vom Könige eigenhändig unterzeicheneten Befehl zum Commendanten von Copenhagen ers nennet, und demselben zugleich befohlen, zur Gefangennehmung der ihm bewußten Personen solche Anstalten zu tressen, daß derselben keine Hinderniß in den Weg geleget werden könne. Dieser General fetzete sich sogleich an die Spitze

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eines Detachement Dragoner von dem Seelandischen Regiment; machete allen die Wache habenden Officiers seine Ernennung zum Commendanten bekannt; schickte hinlängliche Patrouilles, zur Sicherheit der Straßen, aus; verstärkte die Schloßwache mit 40 Mann von der Artillerie; und ließ alle Hauptthüren, und Zugänge, besonders zu des Königes Zimmer, mit Wachen besezzen. Als dieses geschehen war, wurden der Graf Struensee, und sein Bruder der Justizrath, der Graf Brand, der Generalmajor von Gude, gewesener Commendant, nebst seiner Gemahlin, und der Generallieurenant von Gähler, mit seiner Gemahlin, in Verhaft genommen, und jeder an einen besonderen Ort auf die Citadelle gebracht. Die Gefaugennehmung des Grafen Srruenscr wurde dem Obersten, und Chef des Falsterschen Regiments, von Roller, aufgetragen. Er gieng daher, von den Hauptleuten von iNalville, von Franck, und von Eiben begleitet, nach dem Pallaste des Grafen Struensee, und kundigere demselben alt, daß er von dem Könige bei, Befehl erhalten habe, ihn in Verhaft zu nehmen. Struensee fragete ihn: ob er wohl wisse, was er spreche; und wem er diesen Befehl ankändige? Der Oberste antwortete ihm: „Ja, ich weiß es wohl, wer Sie sind. Sie waren Graf, und Cabmetsminister, über jetzt sind Sie mein Gefange-

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ner." — Der Graf Struensee, welcher nur Zeit zu gewinnen sucheke, wollte den schriftlichen Befehl des Königes sehen; da es aber dem Obersten von Böller nur mündlich befohlen worden war, den Grafen Struensee gefänglich einzuziehen: so gab dieser dem Struensee zur Antwort: „Ich kann Ihnen zwar keine schriftliche Ordre vorzeigen: aber ich siehe mit meinem Kopfe davor, daß mir der Befehl vom Könige gegeben worden, Sie zu arretiren." — Der Graf wollte sich dennoch nicht ergeben. Der Oberste setzte ihm den Degen auf die Brust, und sagete in einem sehr ernsthaften Tone zu ihm: „Ich habe Ordre, Eie entweder lebendig, oder todt, zu bringen." — Struensee sanck ohnmächtig auf seinen Sofa nieder. Als er sich wieder erholet hatte, verlängere er eine Schaale Chocolate; sie wurde ihm aber abgeschlagen. Hierauf forderete er sein Etuis, welches ihm ebenfalls versaget wurde. Der Oberste rieth ihm, sich nicht lange aufzuhalten, sondern zu eilen, daß er noch, vor dem Anbruche des Tages, aus seinem Pallast komme; weil er ihn sonst, vor der Wuth des erbittereten Pöbels, nicht wurde beschützen können. Er bequemere sich also, dem Nathe des Obersten zu folgen; und sein Zimmer, nachdem er sich noch einige mal in demselben, besonders nach einem gewissen Gemälde, umgesehen hatte, zu ver-

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lassen. Im Weggehen fluchete er liber seinen Cammerdieuer, daß derselbe vergessen habe, ihm seinen Peis mitzugeben; stieg mit den Zähnen knirschend in die zu feiner Hinwegbringung herbcygeholcte Miethskutsche; und wurde nach der Citadelle gebracht. Als er aus dem Wagen stieg, bath er, man möchte dem Kutscher ein Trinkgeld geben. Der Oberste von Köller gab demselben einen Thaler. Der Miethskutscher bedankete sich, und sagete, auf gut Dänisch: "Ich hakte es auch wohl umsonst gethan,“ — Struensee wurde hierauf zu dem Commendanten der Festung gebracht, um bey demselben gemeldet zu werden. Er fiuchete, als er bey demselben ankam, entsetzlich: der Commendant aber hieß ihn schweigen. Don dem Coinmendanten wurde er auf die Citadelle, in das fur ihn bestimmete Gefangniß, in welchem der bekannte Norcros so lange gesessen hat, gebracht. Er machete, bey dem Eintritte in dasselbe, große Augen, und fragete den ihn begleitenden Officier: „Wo sind meine Bedienten?" — Der Officier antwortete ihm: „Ich habe nicht gesehen, daß Ihnen einer von Ihren Bedienten gefolget fey.“ — „Aber mein Secrétaire?"— „Der ist auch nicht hier." — „Meisten Pelz muß ich haben. Zum Hencker, es ist hier ja kalt! — und ich habe nicht Lust, zu ers frieren,“ — Bey der Erblickung eines schlech-

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lett hölzernen Stuhles sagete er: „Was soll dieser elende Stuhl hier? Man bringe mir melonen Sofa her!" — Der Officier erwiederete mit einer frostigen Mine: „Mein Hert! hier ist nichts zu Ihren Diensten, als ein Nachtgeschirt." — Durch diese Antwort gerieth er in die äußerste Wuth; schlug beyde Arme zusammen; und lief mit dem Kopfe gegen die Wand, um sich die Hirnschale zu zerschmetteren: aber die Wache eis lete Herbey, und hinderete ihn an seinem vers ziveifelungsvollen Vorhaben. Der Officier, welcher die Wache bey ihm Hatte, berichtete fein Betragen, welches ihm die Unbequemlichkeit zuzog, daß er, mitten in dem Gefängnisse, an Handen, und Füßen, auf dem Fußboden, angeschlosisen wurde, damit er sich keinen Schadenzufügen fonte, Dieses verdroß ihn mehr, als alle übrige Vegegenungen; und er rief zornig aus: „Man tractirt mich ja en Canaille."

Der Graf Brand mochte vielleicht, durch seine Leute/benachrichtiget worden seyn, daß ein Officier mit einer Wache im Hause sey: denn er verschloß sich in seinem Zimmer. Als der Officier, welcher von dem Seelandischen Dragoner? regimente war, die Thüre verschlossen fand, rief er dem Grafen Brand zu: er möchte sich, wie rin vernünftiger Mann, betragen, und die Thüre

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aufmache; sonst müste er sie erbrechen lassen. Hierauf öffenete er die Thürc, und weite sich mit dem Degen in der Hand, verteidigen. Als ihn aber die Wache anfiel, um ihn zu entwaffeneu, warf er den Degen von sich, turd sagete: „Das muß ein Mißverständniß seyn. Ich bin ein Staatsminister; und ich habe nichts verbrochen, weshalb man mich arretireu könte." — Der Officier zeigere ihm in dem bey sich habenden Befehl, seinen Vornamen; und antwortete ihm: ,,Es ist kein Mißverstand,iiß. Kommen „Sie nur mit. Das Uebrige wird sich wohl finden." — Er beugete sich unter sein Schicksal, und wurde auf die Citadelle Fciedcrichshafen gebracht. Als er daselbst in des Commendanten, des General von -Howen, Behausung abgetreten war, machete er dem Commendanten ein besonderes Compliment: „Mein Hert! (sagete er zu demselben) nehmen. Sie es nicht übel, daß ich Sie schon so früh incommodire." — „Gar nicht, mein Hert! (antwortete der Commendant) man hat Sie hier schon laugst erwartet." — Hierauf gieng der Graf Brand in dem Zimmer auf und nieder; sähe sich überall um; sang eine italienische Arie, und sagete endlich: „Hier sind, bey meiner Seele! hübsche Zimmer im Casteel." — „Ja, mein Hert! (erwiederete der Commendant) Sie werden aber

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noch schönere Zimmer zu sehen bekommen.“ — Nach einigen Augenblicken wurde ihm sein Gefängniß angewiesen. Es war ziemlich dunkel. Als er in dasselbe hineintrat, fieng er in einem scherzhaften Tone zu seinen Begleitern an: „Bey meiner Treue! der Commendant hat wargesaget." —

Unterdessen hatte der Oberste von Köller sich auch zu dem Generallieutenant von Gähler verfüget, um demselben, und seiner Gemahlin, den königlichen Befehl vorzuzeigen, und beyde in Verhaft zu nehmen. Die Gemahlin des Generallieutenant, weiche im bloßen Hemde aus dem Bette gesprungen war, wolte durch eine Hinterthüre entfliehen; sie fand aber selbige mit zwey Dragonern besetzet; und wurde, nebst ihrem Gemahl, auf die Citadelle gebracht. Sie ist aber nachher, weil man sie unschuldig gefunden hat, wieder loßgelassen worden. — Der Cammerherr, und Oberste von Falkenskiold, der Contreadmiral Hansen, der Etatsrath Willebrand, der Justizrath Struensee, der Lieutenant Struensee, Brüder des Grafen, der Leibmedicns, und Professor Berger, der Stallmeister/ Freyherr von Bülow, der Oberstlieutenant Haßelberg, und der Lieutenant vom Seestaat Abor wurden teils auf die Citadelle Friederichshafen, teils nach dem Schifsholm, teils auf die Hauptwache, teils nach ande-

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ren Verwahrungsplätzen gebracht. Der gewesene Commendant von Copenhagen, und Generalmajor Gude, einige Cabinetssecretairs, und andere mehr, wurden in ihren Häusern bewachet. Alles dieses wurde mit so großer Geschwindigkeit vollzogen, daß schon um fünf Uhr des Morgens alle Staatsgefangene in sicherer Verwahrung waren.

Dem Generallieutenant, Grafen von Rantzau Ascheberg, war aufgetragen worden, sich zu der regierenden Königin zu begeben, und sie bis an den Wagen zu begleiten, in welchem sie nach dem Schlosse Kronenburg, bey Helsingör, fahren sollte. Er gieng daher mit dem von dem Könige eigenhändig geschriebenen Befehle, von dem geheimen Rathe, Grafen von der Osten, und von drey Officiers begleitet, unangemeldet in das Zimmer dieser hohen Person, welche im Bette lag. Sie schlug den Vorhang ihres Bettes zurück, und fragete: „Wer ist da? Ha, sind Sie es doch, Monsieur Rantzau! Wir stehen die Sachen? Wo sind Struensee, und Brand?" Ohne ihr auf diese Fragen zu antworten, übergab ihr der Generallieutenaut, im Namen des Königes, den bey sich habenden Befehl. Sie las denselben, mit großer Bestürtzung, und sagete zu dem Grafen von Rantzau: „Was? Er will mich arretiren? Das soll ihm den Kopf kosten. Wo

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find Struensee, und Brand?" — "Sie sitzen schon (antwortete der Graf) in sicherer Verwahrung auf der Citadelle." — Als er ihr hierauf im Namen des Königes, nochmals den Arrest ankündigete, sprang sie erbost aus dem Bette, und lief unangekleidet in dem Zimmer auf und nieder. Der Graf hielt den Hut vor die Augen, und bath sie, sich ankleiden zu lassen; weil er sonst gezwungen wäre, Anstalten zu ihrem Ankleiden zu machen. Er rief auch einige Kammerfrauens herein, von welchen die eine ihr einen Rock überwarf. Die Königin hieng sich selbst eine Enveloppe um, und wollte, eine verborgene Treppe hinab, die Flucht ergreifen. Aber die Treppe war mir einer Wache von zwey Dragonern besetzet. Sie muste also wieder in das Zimmer zurückgehen: und der Graf führete sie, nachdem man ihr noch einige Kleidungsstücke angeleget hatte, in Begleitung der Lieutenants Bay, Pech und Oldenburg, bis an den auf sie schon wartenden Wagen. Die Königin nahm die am 11ten Julius 1771 gebohrene Prinzeßin, Louise Auguste, welche sie noch stillete, und die Hofdame, das Fräulein von Mösting, mit in den Wagen. Die Hofdame setzete sich neben die Königin, und hatte die Prinzeßin auf dem Schooße. Der Oberwachtmeister von dem seeländischen Dragonerregimente, Holte von Karstenschiold, setzete sich mit

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entblößetem Degen, rückwerts, und brachte die Königin, unter einer Bedeckung von 30 Dragonern, nach Kronenburg.

Das Bolk erfuhr diese ausserordentlichen Begebenheiten, welche sich, in einer Zeit von ohngefehr zwey Stunden, angefangen, und auch geendiget hatten, erst mit dem Anbruche des Tages. Denn obgleich schon gegen 6 Uhr die ganze Begebenheit vorbey war; und obgleich die meisten Einwohner in Copenhagen durch das viele Fahren, und Reiten munter, und aufmerksam gemachet worden: so wagete es doch niemand, vor Tage aus dem Hause zu gehen. So bald aber der Tag anbrach, und das Gerücht von einem so unerwarteten Vorfalle sich in der Stadt ausbreitete, stürzeten die Menschen häufig aus den Hausern hervor; und jeder gab seine Freude, auf die lebhafteste Art, zu erkennen. Mitten unter diesen allgemeinen Freudenbezeugungen erfüllete eine Nachricht, welche ein wildes Schrecken verursachete, die ganze Stadt. Es hieß: dem Könige sey ein unangenemer Zufall begegenet. Das Volck, welches seinen König recht patriotisch liebet, versammelete sich, in zahlreicher Menge, auf dem Schloßplatze; und es wurde nicht eher wieder ruhig, als bis sich der König, von der verwittweten Königin Juliana Maria, und von dem Erbprinzen

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Friederich begleitet, auf dem Balcon des Schlosses sehen ließ. Bey dem Anblicke des Monarchen rief das Volck, in weitumherschallenden Jubeltönen: Es lebe der König! — Was sonst noch an diesem merkwürdigen Tage, vorgieng — die ausschweifende Freude des Volkes, die aus selbiger entstandene Zerstöhrung einiger Häuser, und die dagegen vom Hofe vorgekehrten Anstalten, übergehe ich mit Stillschweigen; und wende mich wieder zu den beyden Hauptgegenständen dieser Beschreibung — zu den Grafen Struensee, und Brand.

Struensee muß vermuthlich in seinem Gewissen überzeuget gewesen seyn, daß er ein schweres Verbrechen begangen habe, und daß man ihm eine empfindliche Strafe zuerkennen werde: denn er hat verschiedene Versuche gemacht, sich, durch einen heimlichen Selbstmord, die Schande, und den Schmerz einer öffentlichen Hinrichtung zu ersparen. Er war kaum eine halbe Stunde in seinem Gefängnisse, als er sich stellete, als wenn er heftige Zahnschmerzen hätte, und recht beweglich bath, jemanden auf sein ehemaliges Cabinet zu schicken, und ihm ein daselbst vor dem Fenster liegendes, die Zahnschmerzen stillendes Pulver hohlen zu lassen. Man ließ das Pulver hohlen; der Etatsrath, und Leibmedicus Berger aber, welcher

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es untersuchen muste, fand, daß es ein starkes Gift war. Daher ihm weder dieses, noch ein anderes Zahnpulver, gegeben wurde. Als ihm dieser Versuch mißgelungen war, wolte er sich sein Leben, durch den Hunger, verkürzen. Er nahm weder Speise, noch Tranck, zu sich. Einige Tage ließ man ihm seinen Willen, weil man glaubete, er hätte keinen Appetit, und der Mangel des Appetits wäre eine natürliche Folge des ihm begegeneten unangenehmen Zufalles. Sobald man aber seine Absicht merkete, wurde er mit Gewalt zum Essen, und Trincken gezwungen. Man gab ihm aber weder Löffel, noch Messer, noch Gabel; sondern das Essen wurde ihm geschnitten, und in den Mund gegeben. Dieses ließ er sich ein Paar Tage gefallen. Endlich versprach er, sich vernünftiger aufzuführen; und ließ um ein gelinderes Verfahren bitten. Seine Bitte wurde auch in so weit erhöret, daß er kreuzweise geschloffen, ihm eine an die Wand befestigere drey Ellen lange Kette an das Bette geleget, auch ein Bette, auf welchem er ganz bequem liegen konte, gegeben wurde. Uebrigens hatte er, wie ein gemeiner Missetäter, ein Camisol von blauem Frieß, ohne Knöpfe, anlegen müssen. Es waren ihm auch von seinen übrigen Kleidungsstücken die Knöpfo abgeschnitten worden, weil er einige davon abgedrehet, und, um seinen Todt zu beförderen, ver-

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schlucket hatte. In dem Etuis um welches er, bey seiner Gefangennehmung, so sehr gebeten hatte, wurden drey kleine Kügelchen gefunden, welche, nach dem Urteile des Etatsrathes, und Leibmedici von Berger, ein langsam würkendes Gift enthielten. In den ersten Tagen seiner Gefangenschaft bekam er, zu seinem Unterhalte, täglich nur zwölf Groschen; welche aber hernach, bis auf einen Thaler, vermehret wurden. Hiervon verzehrete er nur die Hälfte; und lebete überhaupt, in seinem Gefängniße sehr mäßig. — Als er zum ersten Male vor der Inquisitionscommission, welche aus den berühmtesten Rechtgelehrten bestand, und sich täglich einige Stunden mit der Untersuchung der ihm, und den übrigen Staatsgefangenen weggenommenen Papiere beschäftiget, erscheinen muste, schien er im Anfange, etwas von seiner Fassung zu verliehren; er zwang sich aber zu einer gewissen Standhaftigkeit, und gab der Commission sogleich zu verstehen, daß er alle ihm vorgelegete Fragen, mit der ihm natürlichen Offenherzigkeit, beantworten würde: welches er auch so genau erfüllete, daß es der Commission wenig Mühe kostete, das Bekäntnis seines Verbrechens von ihm herauszubringen. Bey währender Untersuchung legete der berühmte Gottesgelehrte in Copenhagen, Doctor Münter, öftere Besuche bey ihm ab. Er unterredete sich mit ihm von der

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Religion; er gab ihm gute moralische Bücher, und besonders Gellerts moralische Vorlesungen zu lesen: und Struensee wurde durch die Bemühungen dieses Geistlichen, und durch die mitwürkende Gnade eines höheren Wesens, aus einem sogenannten Freygeiste, wieder ein Christ. Er arbeitete an seiner eigenen, und an seiner Mitgefangenen, des Grafen Brand, und seines älteren Bruders Bekehrung, mit einem aufrichtigen Ernste. An beyde schrieb er öfters Briefe; und ließ sie auch mündlich an die Sorge für ihre Seele erinneren.

Der Graf Brand unterschied sich, von ihm, durch eine Munterkeit, welche seinem Zustande gar nicht angemessen zu seyn schien. Er sang italienische Arien. Er spielete auf der Flöte, und erzählete denen Officiers, welche bey ihm die Wache hatten, seine gehabten Liebeshändel. Dennoch verlangete er den Zuspruch des Probstes Hee, welcher auch fleißig zu ihm gieng, und ihn beständig sehr ernsthaft fand; obgleich Brand zuweilen noch kurz vorher, mit vieler Laune gescherzet, und unter andern einst zu einem Officier gesaget hatte: „Wenn ich den schwarzen Mann kommen sehe: so deucht mir immer, als wenn mir der Kopf wackelte. Indessen merken Sie Sich, wo wir aufgehöret haben. Wenn er weg seyn wird, will

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ich weiter fortfahren." — Vor der Inquisitionscommission hat er sich ebenfalls sehr freymütig bezeiget; und in der lezten Zeit seiner Gefangenschaft soll sich auch sein aufgeräumtes Wesen ziemlich verrohren haben.

So lebeten diese beyden Staatsverbrecher, und erwarteten ihr Urteil, dem äusseren Scheine nach, ganz ruhig, bis sie den entscheidenden Tag erlebeten, an welchem ihnen dasselbe bekant gemacht wurde. Der 25ste des Aprilmonats war der, für sie, höchstschreckiiche Tag, an welchem sie, aus den Händen ihrer Advocaten, ihr. Todesurteil empfiengen. — Nachdem die Inquisitionscommißion selbiges, am bemeldeten Tage, vor Mittage, gesprochen hatte, wurde es dem außerordentlich versommeleten Etatsrathe (in welchem aber der König nicht gegenwärtig war) vorgeleget. Nach Mittage war der Etatsrath abermals versammelet: und als Se. Majestät von Charlottenlund, wohin Sie, um daselbst das Mittagsmal einzunehmen, gegen 3 Uhr nach Mittage von Copenhagen weggefahren waren, gegen 7 Uhr wieder zurück kamen, verfügeren Sie Sich in den Etatsrath, bestätigeten daselbst das gefällete Urteil, und erhoden Sich hierauf in die italienische Oper. Dieses Urteil wurde, bey offenen Thüren, so laut vorgelesen, daß es jeder von den herbeygerufenen Einwohnern von Copenhagen deutlich hören konte. Den beyden Gefangeren wurde es schon des Mittages um 12 Uhr bekannt gemacht. — „Ich habe Ihnen (sagete der Procurator Uldall zu dem Grafen Struensee) eine sehr unangeneme Nachricht zu bringen." — „Sie kommt mir (erwiederete dieser) nicht unerwartet." — Er nahm ihm hierauf das Urteil aus der Hand; las es

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mit vieler Gelassenheit, und ohne eine Mine zu veränderen, ganz durch; gab es ihm wieder zurück, und sagete: „Das ist noch gnädig genug! „Ich glaubete, ich würde lebendig gerädert werden." — Er erkundigete sich nach dem über den Grafen Brand gefälleten Urteile; und als er erfuhr, daß es mit dem seinigen ganz gleichlautend sey, schien dieses ihn mehr, als sein eigenes Schicksal zu rühren. Einer von den Umstehenden bezeigete seine Verwunderung über die Gelassenheit, mit welcher er sein Todesurteil gelesen hatte; und Struensee antwortete: „Ich habe mir schon längst einen solchen Ausgang der Sache vorgestellet, und mich bey Zeiten auf denselben vorbereitet." — Brand empfieng sein Urteil ebenfalls noch mit ziemlicher Gemütsfassung. Als er aber am folgenden Morgen hörete, daß er nicht, wie sonst gewöhnlich des Sonntages geschah, rasiret werden sollte, (welches auch bey dem Struensee unterblieb) ließ er auf einmal den Muth sinken. Zu dem Officier, welcher bey ihm die Wache gehabt hatte, sagete er, als derselbe von ihm gieng: „Leben Sie wohl! mein Lieber! Grüßen Sie alle Ihre Kameraden vom Regiment, die ich in meinem Gefängnisse habe kennen gelernet, und sagen Sie ihnen, daß ich ihnen allen von Hertzen recht viel Gutes wünsche." — Der Probst Hee war, von dem 25sten April an, fast beständig bey ihm: und der Doctor Münter verließ den Struensee ebenfalls nicht. Am 27sten Aprill, vor Mittage, empsiengen beyde, aus den Händen ihrer Seelensorger, das heilige Abendmal mit vieler Rührung. Das Urteil über den Struensee war fünf Bogen starck. Es wurde ihm in demselben folgendes zur Last geleget: Die Amnaaßung einer allzugroßen Gewalt; die Vervorteilung der königlichen Cassen um mehr,

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aIs 15 Tonnen Goldes; die Verfälschung einer Aßignation; die Abdankung beyder Garden; die verdächtigen Anstalten, welche er in Copenhagen machen lassen u. a. m. — Brand wird in seinem Urteile beschuldiget: daß er um dieses alles gewußt, und noch uberdem unmittelbar ein Verbrechen gegen die geheiligte Person des Königes begangen habe. Die Urteile selbst lauten also: „Graf Johann Friederich Struensee, hat nach des dänischen Gesetzes 6 B. 4 C. A. 1. (welches im Leutschen also lautet: Wer den König, oder die Königin, lästert, oder auch ihnen, oder ihren Kindern nach dem Leben trachtet, soll Ehre, Leben, und Guter verlustig seyn; feine rechte Hand soll ihm beym Leben abgehauen werden, und hernach der Kopf; sein Körper gevierteilet und aufs Rad gepflochten, Kopf und Hand auf einen Pfahl gesteckt werden) sich selbst zur wohlverdienten Strafe, und anderen Gleichgesinneten zum Exempel und Abscheu Ehre, Leben, und Gut verbrochen, u. verdient, seiner Gräflichen u. andere ihm verliehenen Wurden entsetzt zu werden, auch sein Gräfliches Wapen vom Scharfrichter zerbrechen zu sehen. So soll auch dem Johann Friedrich Struensee, weil er noch lebet, zuerst die rechte Hand, und dann der Kopf abgehauen, hierauf aber sein Leib geviertheilet, und die Stucke aufs Rad geflochten, Hand und Kopf aber auf einen Pfahl gestecket werden." Eben diese Strafe wurde auch dem Brand zuerkant.

Diesem Urteile zu folgen wurden beyde Delinquenten, nachdem sie in der lezten Nacht noch ganz ruhig einige Stunden geschlafen hatten, am allsten April des Morgens gegen 9 Uhr, ein jeder besonders in einer Wethskutsche, in welcher ein Officier, und zwey Unterofficiers saßen, aus der Citadelle, nach dem vor dem Osterthore errichteten Schafot, welches

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9 Ellen Hoch, und 8 Luen breit und lang war, gefahren, DiesesGerüst ruhete auf vier bekleidetenPfeilern. Der Generalfiscal Vivet, des Königes Voigt, der Etarsrath Ortved, welcher mit einem, bey solcher Gelegenheit gebräuchlichen großen Degen von Messing umgürtet war, und dessen Gevollmachtigter, welcher die beenden zu zerbrechenden Wapen hatte, fuhren von vielen Polyceybedienten begleitet, vor ihnen her. Hinter diesen folgere der Wagen, in welchem der Graf Brand saß, und in einem Buche las. In dem dritten Wagen saß der Graf Struensee. Die Seitenfenster an den Wagen waren niedergelaßen, damit die Delinquenten von jedem gesehen werden konten. Die Heyden Geistlichen hatten sich vorher bey dem Richtplatze eingefunden. Der Probst Hee empfieng den Grafen Lrano, gieng mit ihm auf das Schafot, und redete etwan eine Viertelstunde mit ihm, worauf der Scharfrichter das gräfliche Brandsche Wapen zerbrach, und auf die Erde warf. Brand ließ seinen Belz zurück fallen, gab feinen mit einer goldenen Treske besetzten Huth von sich; zog sich selbst sein grünes Kleid, weiches ebenfalls mit goldenen Tressen versehen war, selbst ab; band sich die Halsbinde loos; zog sich selbst das Hemde aus; legete seine rechte Hand auf den einen, und seinen Kopf auf den anderen Klotz, und ließ sich beyde mit zwey verschiedenen Beilen ganz gelassen abhauen. Der Kopf wurde den Zuschauer gezeigt. Die Henkersknechte zogen dem Leichnam die Kleider ab, nahmen die Gedärme, und alles Inwendige ans dein Körper, und zerhieben denselben in vier Stücken, welche sie nachher, jedes Stuck besonders, an einem Seile auf einen Wagen niederliefsen, welcher dazu gemacht war, den zerstümmà Körper nach dem ordentlichen Galgenberge zu fah-

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ren. Das Eingewerde wurde m ein besonderes Gefäß geleget, und ebenfalls auf den Wagen hinabgelaßen; der Kopf aber wurde auf denselben geworfen. — Den Wagen des Grafen Struensee hatte man so gedrehet, daß er die ganze Execution mit ansehen tonte. Als selbige vorben war, wurde das Blutgerüste gereiniget, und mit frischem Sande bestreuet. Hierauf stieg der Doctor Münter mit dem Grafen Struensee aus das Schafott; und es wurden eben dieselben Cerimonien, wie vorher, mit der Zerbrechung des Gräflich- Grruensecschen Wapens vorgenommen. Struensee hatte ebenfalls einen Peltz um, und ein blaues lammetens Kleid mit weissen Knöpfen an. Sobald er auf das Schafot kam, nahm er seinen Huth ab, und setzete ihn nicht wieder auf. Er wolle dem Scharfrichter ein weißes Luch geben, um ihm die Augen zu verbinden, welcher ihm aber zu verstehen gab, daß solches nicht nötig fen. Hierauf legete er seine Wildschur von sich; zog sein Kleid ab, und zwei) Hemden aus; legete sich hin, und wurde gerichtet. Mit seinem Körper und Eingeweide wurde eben so, wie mit des Grafen Brand Körper verfahren. Bepde zerstückele Körper wurden nach dem Galgenberge gebracht; die vier Teile jedes Körpers auf vier Räder geleget; die beyden Köpfe auf zwey Stangen, und an denselben die Hände genagelt; die Gefäße mit den Eingeweide» aber in die Erde gegraben.

Ein so trauriges, unglückliches Ende nahmen zwey Männer, weiche ehemals Günstlinge des Glücks zu sein schienen. Ihre Hinrichtung fvlte erst am zosteu April geschehen; weil aber unter dem Volke ein Gerücht entstand, daß der König ihnen das Leben geschencket, und sie zu einer ewigen Gefängnisstrafe verurteilet habe: so wolte das Volk einen Aufruhr erregen. Um denselben zu stillen, muste die Execution beschleuniget werden.

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Versuch einer Lebensbeschreibung der beyben Hingerichteten Grafen

Struensee und Brandt

aus

Zuverläßigen Nachrichten

ausgezogen.

Mit Ihren Abbildungen.

1773.

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Vorbericht.

Die beyden unglücklichen Grafen Struensee und Brandt, haben so wohl während ihrer Gefangenschaft als nach ihrem Tode unendlich viele Federn und Pressen in Bewegung gesetzt. Hungrige Schriftsteller und begierige Buchdrucker, haben sich um die Wette bemühet, sich der Neugierde der Menschen zu Nutze zu machen, um eine ungeheure Menge fliegender Blätter, in die Welt zu schicken, die ihren Verfassern und Herausgebern wahre Schande machen. Unter der unzähligen Anzahl von Schriften, die der Fall bemelder beyden Grafen veranlasset hat, zeichnen sich gar wenige als erträglich und vernünftig aus. Und gleichwohl sind sie alle ohne Unterschied begierig gekauft und gelesen worden. Unter die erträglichen Schriften der Art, rechne ich eine allererst zu Flensburg ans Licht getretene historische Nachricht von diesen beyden Män-

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Vorbericht. nern. Wenn ihr Verfasser nicht zu weitschweifend geworden wäre, sondern sich mehr concentriret hatte: so würde sie sich unter allen den meisten Beyfall erworben haben; weil sie würklich hie und da unterhaltend ist und viel Gutes enthalt. Da es aber dem Verfasser nicht gefallen hat, sich hierinnen nach dem Geschmack des Publicums, das nicht gerne ohne Noch weit ausgedehnte Schriften liefet, zu richten: so habe es für nützlich erachtet, diese Mühe der Einfchrenkung über mich zu nehmen. Ich liefere also hiemit dem geneigten Leser das Wesentliche aus obiger Schrift. Alles Unnütze, Ueberfiüßige und Seichte habe gänzlich weggelasi sen und nur das Reelle ausgezogen.

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Unser Jahrhundert wird das philosophische genannt. Es ist reich an grossen und ausserordentlichen Begebenheiten. Diese sind aber einer solchen Mischung unterworfen, daß man zwar die Handlungen der Sterblichen stehet, die Ursachen aber, die Verbindungen und die Würkungen derselben, dennoch in eine Hülle eingekleidet findet, welche die unpartheyische Richteritt, die Zeit, und zwar erst nach langen Jahren an den Tag bringen wird. Staatskundige des vorigen Jahrhunderts, sahen es voraus, daß

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6 Europa in diesem Jahrhundert in eine neue Welt verwandelt werden würde. Ein großer Zufall folgt immer auf den andern. Selbst die Natur har die stärksten Bewegungen in diesem Jahrhundert zu ertragen gehabt. Der Untergang von Lima, der Umsturz von Lissabon und die Gewalt eines Erdbebens vom àordbis zum Südpol, ist eine ausserordentliche Begebenheit der Natur. Der Philosoph bemerket alle Zufälle der Welt; er bewundert die Gottheit, durch welche alle diese wunderbare Verwickelungen geleitet werden.

So groß auch unser Jahrhundert unter den Göttern der Erden geworden, eben so fruchtbar ist es an andern Begebenheiten, welche, wenn sie schon nicht den Umsturz ganzer Reiche verursachet haben, dennoch in diese grosse Kette der Begebenheiten solchergestalt eingeflochten sind, daß ihre Wirklichkeit, Wirkungen zu den grössern Zufällen hervorgebracht hat. Die Geschichte kennet einen Ravaillac und verabscheuet den Bösewicht, der den besten König har ermorden können, und wir bemerken diese Schande des 16ten Jahrhunderts.

In einem philosophischen Jahrhundert und in welchem der menschliche Verstand durch Ge-

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nies, durch Erfindungen und durch den lebhaftesien Fleiß, sich zu einer Höhe geschwungen hat, welche ihm Ehre macht, sollte man kaum glauben, daß dennoch Dinge geschehen sind, welche man in diesen erleuchteten Zeiten eben nicht hätte vermuthen können. In keinem Jahrhundert werden nemlich so viele Bösewichrer, welche sich au der Majestät vergriffen haben, als in dem unsrigen, gefunden werden. Und zwar in dem Jahrhundert, in welchem der Philosoph den Verstand der Sterblichen erleuchtet, und der vernünftige Geistliche, zum Trost der Christen, das alte wahre Christenthum wieder herzustellen,den Aberglauben zu verscheuchen und die Keßcrsucht zu vertilgen, auf das rühmlichste bemühet ist. Den 5ten Jan. 1757. versuchte Franz d' Amsens, den König von Frankreich, den feine Unterchanen den Vielgeliebten nennen, mit einem ganz gefährlich und künstlich verfertigten Messer zu ermorden. Der Stoß gelang nicht, der König wurde verwundet, bald wieder hergestellett und d' Amiens seinen Verdiensten gemäß bestraffet. Den gten Sept. 1758. wurde der in porrugall noch glorwürdig regierende König Joseph der erste, durch zwey Schuß an den rächten Arm auf einer Spaßierfarch ge-

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8 fährlich verwundet. Die Verschwörung wurde entdeckt und die vornehmen Verräther nach den Gesehen bestrafet. Gleichwohl war der König nicht sicher, sondern wurde den zken December eben dieses Jahres, als er auf die Jagd reiten wollte, noch einmal mörderisch von einem Rasenden angefallen.

Die Nachstellungen des von Warkotsch in Schlesien gegen die geheiligte Person eines grossen Monarchen, wurden vereitelt und weil sie wie eine Wasserblase zersprangen: so hat man auch von der ganzen Unternehmung nichts mehr erfahren, als daß Warkotsch ein Verräther seines Herrn gewesen und daß er der rechtmäßigen Strafe durch eine schleunige Flucht ausgewichen sen. Die gegen die geheiligte Person des Königs von potyhn den zten Novemb. 1771. ausgeführte schändliche That wird den rechtschaffenen Pohlen allezeit eine unangenehme Geschichte Heissen.

Ploßlich ereignet sich eine Begebenheit in Norden, welche ausserordentlich wird. Sie ereignet sich in einem Reiche, dessen Unterthanen ihren König ausserordentlich und zärtlich lieben. Seit der Regierung Friedrich IM. sind drey Personen nemlich der Graf Corfitz Uhlefeld,

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Peter Schumacher, nachher Graf Greifènfeld, Paul Jusl ein Normann, als Beleidiger der Majestät jedoch verschieden vernrtheilet; an letztem ist aber nur das Uriheil, dem Gesetz nach, würklich und pünctlich vollstrecket worden. Und in unfern Tagen werden den 28 April 1772. zwey solcher Verbrecher eben so buchstäblich nach dem Gesetz des Königes hingerichtet.

Die Geschichte solcher Personen will das neugierige Publicum wissen. Johann Friedrich Struensee und Enevold Brandt, bende Günstlinge ihres Monarchens, beyde auf einmal zu einer ausserordentlichen Höhe gestiegen, fallen so plötzlich als ein Luftzeichen, welches ganze Gegenden schrecket, und indem es Schrekken erreget, verschwindet. Von diesen Personen will ich sagen, was ich weiß und was ich seit dem 17ten Jan. als dein Tag ihres Falles, in Schriften, welche mir in die Hände gefallen, gelesen habe. Der gewesene und sehr bald gefallene Graf Srruenfee hat die Neugierig keit der Welt bishero auf sich gezogen. Ich habe mir bey einiger Muse ein Vergnügen gemacht, alles, was etwa von ihm gefagct und schon geschrieben worden, zu sammlen, um es in einiger Ordnung dem Leser darlegen zu können.

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In Halle hat man hievon sogleich eine übereylte Schrift auögegeben. Sie führet folgenden Titel: Zuverlässige Nachricht von der in Dannenrark den 17ten Jan. 1772. vorgefallenen grossen Staatsoveränderung rc. Sie saget von dem gewesenen Grafen Struensee folgendes: Johann Friederich Graf von Struensee gewesener königl. dänischer Cabinets Minister, des Mathilden Ordens Ritter ist zu Halle 1757. den 5ten August geboren und hatte sich der Arzneygelahrheit gewidmet. Nachdem er zu Halle den Wissenschaften ans der Schule des Waysenhauses, und der Friedrichs Universität einige Jahre obgelcgen, nahm er die Würde eines Doctors der Arzneygelahrheit an und ging 1757. mit dem Vater von Halle nach Altona, wo er bald Physikus in der Herrschaft Pinneberg und der Herrschaft Ranzow ward und durch Ausübung seiner Kunst, sich reichlichen Unterhalt verschaftc. Im Jahr 1768. ward er den 5ten April zum Leibmedicus des Königs und zugleich ernennet, denselben auf der Reise nach Deutschland, England und Frankreich zu begleiten. Hiedurch legte er den Grund zu seinem Glück. Der junge Monarch lernte ihn genau kennen, er war beständig um densel-

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den und erwarb sich dessen Gnade auf eine ganz vorzügliche Art. So weit die oben,angeführte Scheif. Seit dem ich mich um die Geschichte der Menschen etwas bekümmert habe: so sinde ich an denen Schriften kein sonderliches Vergnüge!;^ welche eben wie diese sagen: da ist er geboren, das ist er geworden, so ist er gestorben. Wird es nicht nothwendig, wenn wir ein so sonderbares Ende eines Mannes als desjenigen, welches wir vor uns haben, anzeigen, wenigstens darauf zu sehen, wie er seine Jugend zugebracht, wie und unter welchen Menschen er erzogen und in welcher Schule er zum Denken angewöhnet worden? Alsdann wird man dem beser etwas nützliches sagen können, wenn man die moralische Seite eines solchen Mannes, welcher durch die Art seines Todes wenigstens viele Aufmerksamkeit bey der Welt erreget hat, so viel möglich zu erforschen suchet.

Ich habe mir viele Mühe gegeben, von der ersten Erziehung dieses unglücklichen, von dem der Herr Pastor zu Serode, Johann Hoffmann, in seiner chronographischen Inscription saget: Johann Frid. Struensee reverendi patris ac piæ matris erat filius lætæ spei juverisi 1735. natus, felix Doctor, infortunatus

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cornes 1772. decoll. einige Nachricht einzuziehen. Ich habe aber ohngeachtet aller meiner Bemühungen sehr wenig von den ersten Jahren seines Daseyns erfahren können.

Eine Nachricht ist mir zu Gesicht gekommen welche folgendes saget: die Bigotterie ist der Anfang seiner freyen Denkungsart gewesen. Wenn er ein wenig gute Manchetten und gepuderte Haare tragen wollte, so hat man ihm eingebildet, daß eine solche Kleidung eine grosse Sünde wäre. Sein Verstand war feuriger, er sah es ein, daß dergleichen Maximen mehr ein Geplauder, ein Vornrtheil, ein Kunsigrif oder sine einfältige Meynnng wären; und wie weit er der wahren Weltweisheit, und unter welchen Lehren er ihr nachgefpüret oder als ein Weltbürger hätte nachspüren sollen, ist mir nicht bekannt — — daher that er etwas, was nur mäßigen Genies beyfällt — er stieß auf einmal ohne weiter darüber zu denken, alle Principia der Religion um, und nun war er Held.

Eine andere Erzählung hat mir folgendes bekannt gemacht: daß er zwar in seiner Jugend guten Lehrern mag untergeben gewesen feyn, allein nach der erst angeführten Wahrheit, hat man so wenig seine jugendlichen Neigungen, als

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noch weniger seine Gesinnungen untersuchet, und daher har er vermuthlich schon mehr als zu früh sich einer VerstellnngSkttnst unterworfen, von welcher er bey reifem Jahren, da ihm alles glücklich gieng, das Joch abzuschütteln, für Recht und für eine Schuldigkeit hielt. Sie auözuüben, hielt er nunmehr für unnöthig, und schweifte aus.

Die bestell Väter vergessen ihre höchste pflicht, wenn sie in der zärtlichsten Jugend die Neigungen ihrer Kinder nicht selbst studiren, sondern dieses wichtige Geschäfte andern, mehrentheils in Sprachen, geschickter aber in Absicht der Erforschung menschlicher Gesinnungen und der Weltklugheit unerfahrnen jungen Leuten, welche ihre Pflicht darin sehen, ihnen gefällig zu seyn, ihrer Denkungsart schmeichelnd zu folgen, übertragen. Ein unvcrgeblicher Fehler der Eltern bleibet es immer, die Bildung ihrer Pflanzen, den Character der Seele, der Beurtheilung schwächerer Menschen als sie selbst sind, ohne alle Sorge und mit einem blinden Zutrauen zu überlassen und ihren Nachrichten völligen Glam den beyzumessen.

Die meisten sogenannten Informators warten ihre Stunden treulich ab, sagen dem jungen

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14 Menschen die Lehrsätze ganz stränge vor, welche der Vater zu Lieblingsfähen aus guten Gründen angenommen hat. Denket nun der junge Mensch feuriger, oder, wie leicht kan dies geschehen, er wird in andern Gesellschaften mit andern Meinungen angefüllet und würklich verführt, so denket er plötzlich anders als der Informator, er dünket sich klüger als jener, und verachtet das würkliche gute, was er sonst lieben würde, wenn ihm die Tugend unter einem liebreichem Bilde wäre vorgestellet worden. Auf die geistige Bildung der Seele, auf den Eindruck der Tugend kommt das Glück des Menschen an, nicht auf Enthaltung gleichgültiger Dinge. Das völlige Glück des künftigen Weltbürgers lieget allein in einer vernünftigen Entwickelung seiner Neigungen und seiner Seelenkräfte. Daher kann eine übertriebene Demuth, die gewaltsahme und vielleicht strenge Beobachtung derselben, würklich dem nachdenkenden und eitlen jungen Struensee die Grundsätze der Religion erstlich schwach, und zuletzt, wie er aus den Zwang der niedrigen Schule in die Freyheit der hohem gelanget, als unnütz vorgestellet haben. Würde man aber feinem Feuer etwas nachgegeben, oder ihm nur billige Regeln vorgeschrieben, und ihn so auf

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15 den rechten Weg geleitet haben, so würde man bey seinem an sich nicht bösen Herzen den Sieg über seine schwache Gegengründe haben behaupten können. Da man aber aller Muthmassung nach, sein verstecktes Feuer nicht wahrnahm, so befestigte er sich in seinen Jrthümern, sie schmeichelten ihn, wurden angenehmer und gewisser, und seinem Temperament waren sie um so angemessener, weil er die Wollust zu seinem höchsten Gut machte, und darnach das Sistem seines ganzen Lebens einzurichten, für gut hielt. Hat vielleicht dieser unglückliche solche Lehrmeister gehabt, wie sie der königliche Schriftsteller mahlet? Genug ich verstehe es; dieser andächtige Hofmeister, der auf eine grobe Art gelehrt, aber ohne Lebensart, ohne Sitten ist, in die Welt sich nicht schickt, und keine Einsichten besitzt, hätte selbst, ehe er auszustehen ist, eines Lehrmeisters nötig, der sich die Mühe nehme, seinen Geist abzufeilen. S. 4ten Brief an Rothenburg.

Man sollte bcynahe glauben, daß in der ersten Erziehung unsers unglücklichen Ministers der Grund zu feinem Verderben geleget worden.

Vernünftige Männer, welche, als er die Schule des Waysenhaufes mit der Universita-

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verwechselt, wenigstens einige Lehrstunden mit ihm abgewartet haben, wollen nichts Hervorstechendes oder sich Unterscheidendes in den Zeiten seiner akademischen Jahre an diesem jungen Menschen bemerket haben. Jedoch soll einer von seinen Comilitonen, als er zum Conferenz-Rath ernennet worden, in einer kleinen Landstadt, in welcher er als Informator gelebet, sich haben merken lassen: Man würde es sehen, Grruensee würde ein grosses Spiel spielen, er wäre ein Kopf, der alles wagen, versuchen und das äußerste durchzurreiben sich würde angelegen seyn lassen. Dieser Mitgenosse seines Studirens mußte ihn also vor vielen andern entweder genauer beobachtet, oder seiner Gesinnungen und Denkungsart mehr als andere versichert gewesen seyn.

Wie denn eben diesen Gedanken mit einiger Aenderung bey dem schleunigen Fortgang seines Glückes, dein Gerüchte nach, sein eigener Gottesfürchriger Vater in verschiedenen hohen Gesellschaften zu erkennen gegeben, und sich mit dem Ausdruck: Sein Sohn würde die Gnade seines LsIonarchens nicht ertragen können, also gar nichts gutes von seiner Erhebung vorgestellet haben soll. Indessen muß der

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jungen Struensee dennoch seine Studia nicht bey Seite gesetzt, sondern im Gegentheil mit vielem Fleiße getrieben haben, weil die Folge zeigen wird, daß er feine Euren in Altona und den dortigen Gegenden gemacht, und eben dadurch bey seinem nicht unangenehmen Umgang, bey den grosser Familien bekannt und schäßbahr geworden. Ja, ich kenne noch viele, welche ihm ihr Leben zu verdanken haben, und es zu rühmen sich gar nicht entlegen werden.

Gewöhnlichermassen endiget, besonders der Arzncygelehrte auf den deutschen hohen Schulen, den Lauf seines academischen Fleißes damit, daß er die Doctorwürde, welche in dem deutschen Reiche, besonders in den Reichsstädten, mit einem vorzüglichen Rang und Ansehen begleitet ist, zu erlangen sich rühmlich bestrebet. Diese Pflicht setzte unser junger Gelehrte nicht aus den Augen. Er wurde Doctor in Halle und kam also mit seinem Herrn Vater als Doctor nach Altona. So sehr ich mich bemühet habe, von seinem Lebensumständen dieser Zeiten etwas gründliches zu erforschen, so habe ich dennoch nichts weiter als folgende Züge von ihm in Erfahrung bringen können:

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18 Daß er, vermuthlich von der Zeit an, wie sein Hert Vater nach Rendsburg als General-Superintendent der Herzogthümer berufen worden, eine Art von eigener Haushaltung, und zwar sehr ordentlich, geführer, so daß sie einem jeden unverheyrateten Wirth zum Muster dienen konnte.

In den Jahren 1760. 1761 und 1762. hielt sich der gewesene Hert Cabinets-Secretaire Panning bey demselben auf. Sein Mittags-Tisch war auf einige, der Abendtisch täglich auf zwey gute Freunde zubereitet, und vollständig, doch nicht überstußig, aber sehr schmackhaft beseht. Die Speisen waren außerordentlich gut, leicht und doch nahrhaft. Die Mahlzeit wurde jederzeit unter Scherzen und Lachen, ohne jemals einer Unanständigkeit Plaß zugeben, Trotz den jovialischen Mahlzeiten der lustigen Pariser, zugebracht und vergnügt beschlossen.

Von allen denen Gelehrten, Soldaten, und ändern ansehnlichen Leuten, welche in diesen Jahren den Herrn Doctor besuchten, wird keiner sagen können, daß jemals, wenn der Schcrtz auch feurig wurde, derselbige bis zu dem Grad einer Ausschweifung gekommen wäre. Man aß, man trank, man scherhte und lachte, und

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19 Gott Comus hat wohl sellten vergnügtere Gesellschaften, als jene gewesen sind, gesehen.

Keiner von denen noch lebenden Zengen seines Umganges wird indessen sagen können, daß der Doctor Grruensêc etwas entscheidendes in seinen Reden, Gebärden oder Anstand gehabt habe. Seine Miene konnte bey einem heissen Einsall sehr in das fatyrifche fallen, und sein Lächeln reihte die Satyre zu vermehren. Der vor einigen Jahren verstorbene gelehrte Hert Professor prose war fast eine tägliche Gesellschaft desselben.

Ein Zug mag wohl zum Beweist dienen, daß dieser wohllebende Physieus einen Hang zu einer launigten Satyre gehabt haben mag. Es fiel ihm einmahl ein, vier Personen, die sich alle vier und wider einer gegen den andern nicht gerne in Gesellschaft sehen mögken, ohne daß sie das geringste wüsten, daß sein Gegner gebeten war, zur Mittagsmahlzeit zu bitten. Er kitzelte sich bey dem ersten sauren Gesichte eines jeden ankommenden Gastes, wenn er seinen Antipoden erblickte, suchte die Gesellschaft so viel an ihm war zur Freude zu führen, welches ihm aber wegen der eingewurtzelten gegenseitigen Meinung, welche ein jeder von diesen Gästen gegen den andern

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gefaßt Hatte, nicht wohl gelingen konnte. Er belachte den unruhigen Geist eines jeden, und nahm ihrem Abschied ganz gleichgültig an. Ein jeder von diesen Gästen raunte ihm in das Ohr: warum haben Sie mir es nicht gesagt, daß Sie jenen mit bitten wollten. — Er lächelte und spottete mit guten Fug und Recht über einem Haß, welchen die Pedanten so gerne ernähren und ausüben. Noch neulich erzählte ein geschickter Chi: rurguö, daß er in diesen Jahren bey demselben ein frohes Mittagsmal eingenommen habe. Nach der Mahlzeit hätte ihm der Hert Doctor seine schöne Instrumente, zum Accouchement nöthig, gewiesen. Er, der Chirurguö, hätte gesagt, da Sie, mein Hert Doctor, diese in unfern Ger genden noch ziemlich unbekannte und vernachläßigte Kunst treiben wollen, so können Sie sehr berühmt, reich und nützlich werden. Er hätte aber die treriherzige Antwort hören müssen: ich habe, wenn ich Ihnen die Wahrheit gestehen soll, weder Trieb, Gedult oder Lust zu diesem mir durchaus unangenehmen Handwerk.

In seiner Schlafkammer standen vor seinem Bette zwey mäßige Skelete, welche Leuchter mit angebrannt gewesenen Lichtern in den Händen hielten. Ob er nun in dieser nicht sonderlich an-

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genehmen Gesellschaft, würklich des Machts gelesen, um sich bey Zeiten mit dem Tode bekannt zu machen, kann ich nicht als eine Gewißheit behaupten. Die Sache hat aber ihre Richtigkeit, und schien es überhaupt, daß er sich die Physik gründlich zu studiren, besonders vorgenommen hatte.

Er war in den besten Familien in Altona, deren man verschiedene anzugeben vermögte, sehr wohl gelitten; man scherzte wohl mit ihm, und er gestand, jedoch allezeit auf eine feine Weise zu, daß er ein Verehrer des schönen Geschlechts sey. Wenn man ihn auch mit einer oder der andern kleinen Geschichte, welche lose Leute von ihm ausgebracht hatten, roch zu machen suchte, so lehnte er dennoch allen Scherz auf eine solche Art von sich ab, daß er die genauste Discrétion beobachtete, und überhaupt haben die, welche vielen Umgang und in verschiedenen Jahren mit ihm gehabt, diese Tugend an ihm bemerken wollen, daß ec von keinem Menschen übel gesprochen habe. Ein feiner Scherz war immer das Gewürz bey seinen Mahlzeiten, von welchen würklich die Schwelgerey und eine jede Auschweifung verbannet war.

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Es lebte Doctor Struensee also wohl in diesen Zeiten in einem sehr glücklichen Mittelmasse und sind allem Anschein nach diese Jahre, wenn er sein Leben in seinen letzten Tagen ernsthaft überdacht haben mag, vor ihn die glücklichsten gewesen. Er ernährte keine Schmeichler, man aß bey ihm, weil die Frende nicht aus seinem Hause wich, man war ihm dankbar, weil man glaubte, daß er nur den Gästen seinen Ueberfluß miktheilte, und man widmete ihm seine Freundschaft von Herzen, weil in seinen ganzen Umgang kein Intresse zufinden war.

In dem Jahr 1763. wagte er sich auf die schlüpfrige Bahn der Schriftsteller. Vielleicht wissen wenige Leser, daß er auf dieser Laufbahn zu glänzen gesuchet hat. Es ist aber eine Wahrheit. Er und der Hert Manning schrieben ein Journal. Diese Schrift nahm ihren Anfang und ihr Ende im Jahr 1763. Ihr Titel ist — Monatsschrift zum Nutzen und Vergnügen. Erstes Stück in Heumonath. Hamburg gedruckt und verlegt von Mich. Christ. Bock. 1763.

Man wird in mancher Abhandlung sehr viele Laune und gute Einsichten finden und man känn auch gewisse Dinge, die dem Rath und dem

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Angehen Struensees, daß sie in diesen Jahren geschehen sind, beygemesien werden, also bemerken, daß man sichet, er hübe um die Zeit schon das gedacht, was, er den. der Zunahme seiner Gewalt als nützlich angesehen har. Ich will hier nur ein Beyspiel anführen, und meine Leser werden mir Gerechtigkeit wiederfahren lassen. In dem ersten Stück endiget dasselbe p. 94. folgendes Epigramma.

An die Fürsten.

Ihr Heist mit recht die Götter unsrer Erde,

Denn ihr erschask — — O schöne That!

Ihr sprecht nur ein allmächtig: Fürsten Fürsten Werde,

Schnell wird aus dem Laquay — ein Rath.

Es hat also der Autor schon 1763. so gedacht als nachher der Minister vermöge der Cabinetsordre vom raten Febr. 1771. dem Stand der Bedienten hart zu fallensich bemühet hat. Man wird indessen ans denen Abhandlungen, welche glaublich von Grruenfte selbst aufgesetzt sind, sehen, daß es ihm nicht an Einsichten und an einem Hang zu der Satyre gefthlet habe. Daß ihm aber, den gelehrten Lorbeer zu verdien nen, kein rechter Ernst gewesen sey, oder er auch schon damalen der Arbeit müde geworden, käme das geschwinde Ende dieser Schrift, in welcher

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dennoch ganz artige und der Welt nicht unnütze Abhandlungen Vorkommen, zeigen.

Als ihn ein Freund fragte, warum er die Schrift nicht forschen wollte, gab er kurz und gut zur Antwort: Es käme nichts bey dem Handwerk der Schriftsteller heraus. Und er hatte nicht unrecht. Erbeharte also bey der Ausübung seiner Kunst, und vermittelst derselben erhielt er den Zutritt in dem Haufe Sr. Exellence des Herren Grafen von Ranzow Asch Der, dessen Gemahlin er bey ihren Blattern bediente, des Herrn Geheimtenraths von Berkenrhien zu Pinneberg und auch von Sslenrhal, ehemaligen Oberhofmeister des König Feiederichs V. und nunmehr Administrator der Grafschaft Ranzow, wo er vermuthlich feinen unglücklichen Mitgesellen und Freund, den von Brandt hat kennen lernen, und in diesen Zeiten muß Vas unauflößliche Band der Freundschaft, welches mit dem Tode aller beyden besiegelt ist, geknüpft worden seyn.

Hier entstehet aber ein moralischer Contrast. Doctor Struensee mix sammt seinem Freund dem von Brandt hatten, wie die Folge ihres Lebens zeiget, in Absicht der Religion verdorbene und vielleicht ausgelassene freye Grundsätze.

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Man kann ta der Geschichte ihrer letzten Tage nicht recht sehen, ob la Mettrie aller beyder Lehrer oder der Zeitung nach, nur des erstem Abgott gewesen. Es scheint, daß der von Brandt verschieden im Denken von Struensee gewesen und vielleicht viele der reinen Religion entgegenstehende Sähe ans dem Busen des geliebten Frankreichs, der Sirene unsers Nordischen und Deutschen Adels mitgebrache habe.

Bekanntermassen ist Sr. Exellence der Herr Administrator Baron von Gölenrchal das Muster einer exemplarischen Gottesfurcht gewesen, und wie man nicht anders weiß, hat die ungehenchelte Frömmigkeit der Frau von Brandt, derselben auch sein Herz zugewendet, und sie ihm zu einer teuren Gehülfin gegeben.

Wie nun diese junge sreydenkende Freunde die Scharfsichtigkeit zweyer so würdigen und Welterfahrnen Personen bey einem beynahe täglichen Umgang haben hinter das Licht führen können, bleibet wohl ein moralisches Problem, das der, welcher den Umgang auf Ranzow dazumal nicht genau beobachtet und mit Augen gesehen hat, schwerlich wird beurtheilen können. Und wem hätten die schrecklichen Folgen dieser Freundschaft bcyfallen sollen? Nach dem Abster-

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den Sr. Excellence des Herrn Geheimtenraths von Berkenthin wurde Sr. Excellence der Hert Geheimte Confercnzrath von Ahlefeld Amtmann zu pitincbetg, und auch diesem Hause wurde der Doctor Struensee angenehm.

Ich muß mich wieder mit dem Wörtlein: Soll zu behelfen suchen. Um diese Zeit soll, das hat mir eine glaubhafte Person erzählet, unser Gtruenste, den sein schwarzer Dämon vermurhlich reihte, den Abscheu, die Pflichten eines Artzteö getreulich auszuüben, bey mehr als einer Gelegenheit und in vielen Gesellschaften sehr deutlich geäußert, auch würklich die AusÜbung seiner Kunst in Altona gewißermaßen vernachläßiget, und seine meiste Zeit und Sorge diesen hohen Familien in Pinneberg und auf Ranzow allein gewidmet haben.

In Pinneberg brachte ihm auch seine sehr glückliche angewandte Arzneykunst die Hochachtung der Frau von Berkemm zu wege, so wie ihm auch wegen seines freyen, witzigen und belebten Umganges, die Frau von Bülow Gemahlin des Herrn Stallmeisters von Bülow, der dennoch in etwas mit in feinen Fall verwickelt worden, ihre Gnade zuwandte.

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Diesen Damen soll er öfters sein Verlangen, in Copenhagen angebracht zu werden, wenigstens schertzhast mit den Worten zu erkennen gegeben haben: Machen sie nur meine Damen und Gönnerinnen, daß ich erst nach Copenhagen komme, so will ich meine Sache schon machen. Hatte der gute Doctor bey diesem so ausserordentt lichen Verlangen, (da er den v. Voltaire als Lehrer angenommen haben soll, welches mir aber aus verschiedenen wichtigen Gründen gar nicht wahrscheinlich geworden,) nach Copenhagen zu kommen, doch an schwarz und weiß gedacht.

Er war also in drey vornehmen, reichen und beträchtlichen Familien, welches auch seine lehre Briefe bezeugen, würklich nicht allein beliebt, hochgeschätzt, sondern auch wegen der glückliche!» Ausübung seiner Kunst, so wie bey vielen angesehenen Familien in Altona, in Betracht gezogen. Und wie glücklich würde dieser Ball der menschlichen Zufalle gewesen seyn, wenn er diese selige Mittelmäßigkeit eines sanften Privatlebens, Anschlägen vorgezogen hätte, welche man zwar nur durch den Flor der Ungewißheit bemerken kann, sie aber als eine tadelswürdige und unmögliche Chimäre betrachten muß. Diese Lieb-

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28 lingschimäre auszuführen, war nicht einmal ein anscheinender Grund, so weit das gar nicht unterrichtete und völlig ungewisse Publicum etwas zu schließen fähig ist, da. Alles was man liefet ist dunkel.

Die Frau von Berkemm, gebohrue Gräfin von Callenberg, wurde in diesen Jahren als Oberhosmeisterin von des Eronprinzens Königlicher Hoheit nach Copenhagen berufen. Wer diese erhabene Dame kennet, wird nicht leugnen können, daß ihr edier Character ihrem Geschlechte Ehre macht, und sie jedem redlichem Mann als ein Muster desselben darstellet. Sie ist es würdig weit besser geschildert zu werden. Vielleicht aus Ueberzeugung der geprüften Geschicklichkeiten in der Ausübung der Arzneykunss hat die Bekräftigung durch ihre Zeugnisse mit gewirket, daß unser Doctor seinem Schicksal und seinem Entzweck naher kam.

Genug, erwürbe Leibmedicus den 5ten April 1768. und verwaltete dieses Amt auf der ganzen Reift allem Vermuthen nach, mit einer aufmerksamen Geschicklichkeit und Treue, welche ihm des Monarchen Gnade vorzüglich zuwege gebracht har. Er wurde zu Oxford Doctor, und bleibet also in dem Verzeichnisse der Docto-

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29 ven dieser Universität ein sich sehr unterscheidender Gelehrte, da er nur mit dem Königlichen Sardinischen Leibmedicus Graf von Catbury, der 14 Jahre in Oxford siudiret har, der zwey Ausländer ift, welchem diese Würde geworden.

Ehe ich das was eine in Lopenharzen herausgekommene Schrift, betietelr: Lebensbeschreibuncz des Grafen Srruenste rc. rc. ausserordentliches saget, anführe, will ich das, was uns von dem Vater und den Brüdern dieses Unglücklichen, bekannt geworden, mit Nachrichten, welche noch nicht allen bekannt sind, ein: schalten. Von dem Vater schreibet der reisende Deutsche dieses: Adam Srruenste, der Gottesgelahrheit Doctor, Königlich Dänischer Oberconsiftorialrath und Generalsuperintendenten der Herzogtümer Schleswig und Hollsrein, ist der Varer des Grafen von Grruenfte, dessen Nahmen die dänischen Geschichtschreiber künftiger Zeiten vorzüglich bemerken werden. Er ist 1708. den 8ten Sept, zu Neuruppin gebohren, folglich er so wohl als seine zu Halle im Magdeburgischen gebohrne Söhne, ein Untertan des Königs von Preussen. Nachdem er auf der Schule zu Ruppin und auf der Salz dernshenSchulezu Schule zu Brandenburg den Grund

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30 zu den Wissenschaften geleget, so widmete er sich der GotteSgelahrheit, bezog im Jahr 1727. die Universität Halle, und 1728. die zu Jena. An beyden Orten besuchte er die Lehrstunden der berühmtesten Männer, und erwarb sie durch Fleiß und Uebung diejenige Geschicklichkeit, welche er in der folgenden Zeit durch Schriften und im Predigtamte so vorzüglich an den Tag geleger hat. 1750. gieng er von Jena ab, nachdem er daselbst den Ruf an zwey Orten als Prediger, und einen andern ein Schullehrer zu werden erhalten hatte. Nachdem er sich sorgfältig geprüfte hatte, entschloß er sich denjenigen Vorschlag anzunehmen der ihm die Stelle als Hofdiaconus bey der regierenden Reichsgräftn von Sayn und Wirczenstem zu Berleburg gewährte. Er trat dieses Ammt zu Lerlehurst im Jahr 1730. an, blieb aber nur kurze Zeit daselbst, indem er 1731. statt des verstorbenen Pastors John als Prediger bey der Gemeine des Neumarkts zu Halle im Magdeburgifchen berufen ward. Er nahm diese Stelle an, und hielt am Sonntage Eraudi 1732. zu Halle seine Anzugspredigt. Diese Gemeine behielt ihn nur einige Monathe, allermassen er noch in eben dem Jahre zum Pastor der Morizkirche in Halle berufen ward.

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31 1739. bekam er das Pastorat den der Ulrichs kirche in Halle, und den dieser seiner drittem hallischm Gemeine blieb er bis 1757. da er Königlich dänischer Consisiorialrach, Probst des' Altonaischen und pinnebergischen Consistorii, und Hauptpastor der Evattgelischlutherischen Gemeine nach Altona berufen ward. 1760. gieng mit ihm eine neue Veränderung vor, denn er ward wegen seiner vorzüglichen Verdienste zum Oberconsistorialrath, Generalsuperinteudenren in den Herzogthümern Schleswig und Hollstein, auch Probst in den Aemtern Sottorf, Rendsburg, Husum und Schwab stedt, wie auch in dem Domcapirelsdistrickten ernennet, und bekam nunmehr seinen beständigen Aufenthalt zu Rendsburg. Er ist ein Mann von einer ansehnlichen Grösse und ernsthaften Ansehen, ein guter Canzelrcdner, der mehr die Erbauung seiner Zuhörer, als durch einen gekünstelten Vortrag zu glänzen, zum Augenmerk hat, und ein Beförderer des thatigen Christenrhums. Mit feiner Ehegenoßin, Maria Dorothea Earlin, einziger Tochter des Königl. dänischen Justitzraths und ersten Leibmedici Doctor Johann Samuel Earl, welche er sich 1732. noch zu Berleburg, wo sein Schwieger-

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32 vater damals als Gräflich Sayn- und Mitgensteinischer Leibmedicus stand, beygeleget, und 1771. durch den Tod *) verloren, hat er folgende Kinder erzeugt:

1, Sophia Elisabeth, gebohrenden 14ten April 1733. eine Ehegenoßin des Superintendenten zu Brandenburg, Samuel Struensee,

2. Carl August, Königl. dänischer Justitzrath.

3. Johann Friederich Graf von Struensee, gewesener Königl. dänischer Cabinetsminister.

4. Samuel Adam, gebohren zu Halle den 1sten Octobre 1739.

5. Maria Dorothea, gebohren den 12ten Merz 1744. eine Ehegenoßin des Königl. dänifchen Consistorialraths und Pastoris zu Schleswig, Theophilus Christ. Schwallmann.

6. Johanna Henrietta, gebohren zu Halle den 3ten Sept. 1745. starb jung.

7. Gotthilf Christian, gebohren zu Halleden 12ten Decemb. 1746. starb jung.

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33 8. Gotthilf Christian, gebohren zü Halle den 7ten May 1752. Königl, dänischer Second-Lieutenand des Leibregiments.

Unter diesen Geschwistern sind nun in den Fall des Bruders verwickelt worden:

Carl August Struensee, Königl. dänischer Justißrath und Deputirter des Generalfinanzcollegii bey der deutschen Cammer, ist der älteste Sohn des Generalsuperintendenten, und 1735. den 8ten August zu Halle gebohren. Er hat zu Halle sich der Gottesgelahrheit gewidmet, ward hernach Professor der Matematick auf der Rikteracademie zu Liegniz, in welcher Stadt er auch des Hofraths Müllers Tochter heyrathete, die noch daselbst wohnet, 1769. aber ans Veranlassung seines Bruders des Cabinetsministers nach Dannemark berufen, zum Justißrath ernennet, und als statt der aufgehobenen Renteund Zollkammer, auch des Commerzcollegii, am 8ten Junius 1771. das Generalfinanzcollegium errichtet war, bey der deutschen Cammer zum Deputaten erkläret wurde. Seine in Druck gegebenen Schriften zeigen seine Geschicklichkeit, wie er denn auch 1771. Anfangsgründen der Befestigunczskunst, herauögegeben hat, welche allgemeinen Beyfall gefunden. Der Fall feines

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Brukers zog dm seinigen nach sich. Die Fünf tige Zeit wird enttvicklcn, wie weit die gegen ihn angebrachten Beschuldigungen gegründet sind.

Weil Samuel Adam Scrumfee gar nicht in diese Begebenheiten verwickelt gewesen, lind auch überdem in der Stille bey dem Vater lebet, so ist nur noch übrig (Botthilf Christian Struensee, Königl. dänischer Secondlieutenant der dänischen Leibregiements zu Fuß, ist der jüngste Bruder des Cabinetsministers, und den 7ten May 1752. zu Halle gebohren. Er hatte gleichfalls den Wissenschaften zu Göttingen obgelegen,

*) ward aber den 27sten unit 1771. auf Empfelung seines Bruders zum Secondlieurenant des dänischen Leibregiements zu Fuße ernennet. Bey der durch den Fall feines Bruders veruhrsachten grossen Veränderung ward er zwar gefänglich eingezogen, erhielt aber bald seine Freyheit mir dem Befehl, die dänischen Staaten zu verlassen.

Um nun diese Nachrichten aus dieser in Halle ausgegangenen Schrift vollends herzusehen, so saget dieselbe p. 103. von dem Minister Grru-

*) Die Widerlegung dieser Nachricht fiye in folgenden.

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35 enste annoch dieses: Er ward Königl. Lecteur, 1769. den 12ten May ernannte der Monarch denselben zum würklichen Staaiörath, und am 14ten May 1770. zum Conferentzrath; im December 1770. zum Maitre des requettes, und 1771. im Julius zum geheimten Cabinetsminister. 1771. den 15ten Julius erhob ihn der König in den dänischen Grafenstand, und in eben dem Jahre ertheilte ihm der König den neugestifteten Mathildenorden am 29sten Jenner, als am Stiftungstage 1771. fiel dieser vielgeltende Minister in Ungnade, und die künftige Zeit wird über die Ursachen derselben, so wie über den Grund oder Ungrund aller ihm beygsmessenen Verbrechen, ein mehreres Licht verbreiten. Er ist groß von Person, mehr langsahm als feurig, folglich zu Ausführung grosser Unternehmungen brauchbar, keiner Verstellung fähig, uneigennützig, barmharzig und überhaupt von einem guten moralischen Character, allein von der Seite der StaatSkunst, der nötigen Vorsicht und Klugheit, um weder fremde Mächte gerade vor dem Kopf zu flössen, noch die Feindschaft der angesehensten Häuser des Landes fich auf den Hals zu ziehen, mögten sich ihm Fehler vorwerfen lassen.

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36 In einem unterm 4ten März 1772. von Rendsburg aus an diesem unglücklichen Sohn, abgelaßenen Schreiben, benennet der Vater drey große Krankheiten desselben. Da dieses Schreiben schon zum öftern auch in D. Münters Bekehrungsgeschichte abgedruckt erschienen: so Halle es für überflüßig, es abermals hier einzurucken.

Es ist mir indessen besonders vorgekommen, daß in diesem Brief einer so schweren Krankheit, welche dieser unglückliche Minister in Gedern ausgestanden habe, gedacht wird. Man findet in allen Nachrichten keine Spur, um welche Zeit und in welchen Umstanden er in Gedern oder Gedern, einem Flecken, ResidenzscShloß und Herrschaft am Vogelberge gewesen seyn mag.

Die schwere Krankheit in Altona muß er in den ersten Jahren seines Dafeyns ausgestanden Haben, und ist es freylich zu bewundern, daß er sich durch diese Anmahnungen, welche sonst viele Menschen zu einer stillen Lebensart zu führen vermögend sind, nicht hat abwenden lassen, ausserordentliche Dinge zu begehren. So viel ich Habe erfahren können, und wie man auch, wann der Vater saget: „Dein Herz wird es dir sagen, wie, ob und in wie ferne du meinen väterlichen

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Vermahmungen nachgekommen bist," schliessen kann, so mögen vielleicht ein und andere bey der etwas freyen, aber wirklich nicht asotischen Lebensart des jungen Physicus, wenn der Vater ihn in Altona besuchte, geschehen seyn. Dennoch sind aber wohl, wie es immer geschieht, mehr üble Gerüchte von dem etwas zu freydenkendcn Sohn durch die allerliebste Schmähsucht der heuchlerischen Welt ausgebreitet worden, als es jemals die Wahrheit gewesen ist. Da man weiß, daß er überhaupt kein Vergnügen daran gesunden, von andern Personen übel zu reden, so ist es um so viel warscheinlicher, daß er feinen frommen Vater noch weniger durch eine beleidi? gende Wiederspenstigkeir schon in diesen Zeiten gereißet und gleichsam, wie ein elendes Gerüchte es auszubreiten gefuchet hat, seinen Ungehorsam zu verfluchen gezwungen, und noch weniger ist es mit der Warheit zu'verbinden, daß er ungeziemende Ausdrücke von seinem Vater und seiner Denkungsart in öffentlichen Gesellschaften als ein Wißling der Mode, gebrauchet habe. Wenigstens ist bis zu einer stehenden Warheit von einem solchen Vergehen nichts bekannt geworden, und mag alles, was davon in der Welt ausgestreuet ist, als ein Geschenke der geißelnden

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Schmähsucht, welche Unglückliche zu beschimpsen bemühet ist, angesehen werden.

So viel stehet man indessen anoden Briefen des betrübten Vaters so wohl, als aus seinem eigenen Geständnisse an die Frau von Berkemm, daß er so, wie er an Würden und Glück stieg, seine ehemalige Beförderer, Freunde, Verwandte und Bekannte, von seinem Fluge zu sehr berauschet, vernachläßigte, und da er seine Erhöhungen nicht einmal seinem Vater bekannt machte, wie leicht war es ihm, die Freundschaft bey Seite zu sehen. Eben diese Warheit ist durch die Nachrichten einiger feiner ehemaligen Freunde, die in dem Fall waren, als er Maitre ries Requetes gewesen, den Thron anzuflehen, bekräftiget worden. Er hat diesen ehemaligen Freunden wirklich stolh lind hart begegnet, und eben diese streuten es aus, daß er die Wörter: Tugend, Menschenliebe und Freundschaft, als einem grossen Geiste unanständige Begriske, völlig verkennte, und wie leicht glaubet die übrige Welt das, was erst wahrscheinlich wird, als eine Wahrheit?

Daß aber einige seiner nächsten Verwandten, als er wirklich seinem Untergang sich näherte, gesaget haben sollen, er hätte sie in seinem Glück

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39 verkannt, sie verkennten ihn in seinem Unglück, kömmt mir unglaublich vor. Es sind Erzähr lungen und Gerüchte. Lieblos zu feyn, ist indessen ein nicht unbekanntes Laster, welches man häufig antrift.

Daß Struensee aber in seinem Glück der Freundschaft nicht völlig abgefaget hatte, zeiget sein Verhalten gegen seinen unglücklichen Freund dm von Brandt, und scheinet es daher, daß sein Anstrengen, die Freundschaft nicht zu fühlen, mehr eine Verblendung als ein wirkliches Vorsatz, alle Tugend und diese sanfte Leidenschaft aus seinem Herzen völlig zu verbannen, gewei sin fey.

Daß übrigens sein würdiger Vater seine Fähigkeit oder Neigung, sich verblenden zu lassengekannt haben muss, und ihn davor gewarnt haben mag, kann man wohl ziemlich gewis aus einigen sehr deutlichen Perioden dieses Briefes wahrnehmen.

Der Inhalt dieses Briefes ftlbsten stimmet Übrigens mit der dogmatischen Lehrart des Herrn Superintendenten völlig überein. Er macht dem an sich schon genug gekränkten und tun diese Zeiten dem Christenchum sich nähernden Gefangenem keine Vorwürfe. Er weiser ihn als ein zärtli-

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cher Vater auf die Heilsmittel seiner Seele, und gehet bey dem, was in der Welt geschehen war, um die wallende Seele nicht mehr zu kränken, sanft vorüber. Die Predigt der Strafe und der Verdammniß war hier unnütz, der Trost konnte dem unglücklichen und von den Lehren des Christenthums gerührten Sohn allein angenehm werden.

Da der Brief dieses unglücklichen Sohnes relativifch auf den vorher erwehnten seines Vaters ist, so verweist ich dem geneigten Leser gleichfalls auf D. Münters Bekehrungsgeschichte dieses unglücklichen Grafens, wo derselbe mit der der Beyschrift des Herrn D. Münters abgedruckt zu finden ist.

Sonsten muß man auch zum besondern Lobe des Herrn Generalsuperintendcnten anzuführen nicht vergessen, daß er sich die dänische Sprache so zu eigen gemacht, daß er in den Districten des Herzogthums Schleswig, in welchen schon Dänisch gesprochen wird, auf den Visitationen, und gewiß in einem zierlichen Ausdruck, in dänischer Sprache seine Amtspflichten auf das erbaulichste auszuüben gewöhnet ist. Hätte doch der Sohn dem Fleiß und der Emsigkeit des Vaters, seinem Amte wohl vorzustehen, nachgeahmet!

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Das Unglück hat dieser gute Vater christlich und gedultig ertragen. Rendsburg har seine Gelassenheit an dem unglücklichsten Tage, als der Sohn der Gerechtigkeit aufgeopfert wurde, zu bewundern Gelegenheit gehabt. Er soll sich mitten in der zweifelhaften Betrübniß gegen einen Freund haben verlauten lassen, daß, wie auch das Schicksal seines Sohnes ausfallen würde, es immer zu der Verherrlichung des Reiches Gottes dienen müßte. Vielleicht hat der Triumph der Religion in dem Herzen des Sohnes auch diese Verherrlichung zu ihrer Wirklichkeit gebracht.

Daß die Frau Mutter des unglücklichen Grafens noch dem 4ten Merz 1772. am Leben gewesen, beweiset der Inhalt des oben angeführten Briefes, und noch mehr der Ausdruck des Herrn Doctor Münrers, wenn er schreibet: „Ich gebe Ihnen und seiner frommeu betrübten Mutter die heilichste Versicherung rc. warum die Hällische Nachricht sie 1771. hat sterben lassen, kann ich nicht errakhcn.

In dem Briefe des dem Tode sich nahenden Grruenjees findet man, so wie in den andern, ungemein viel sanftes. Sie bewegen nicht, aber sie reihen, von ihm das Gute, was in ihm verborgen war, als eine Wahrheit anzunehmen, und

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daher sicher zu schliessen, daß, wenn er mehr Philosoph gewesen, er auch weit eher als ein rechtschaffener Mann, der sich von der Tugend leiten ließ, würde seine Chimäre verlassen und als ein Christ die Nochwendigkeit, seine grosse Pflichten in Obacht zu nehmen, für seine erhabenste Schuldigkeit angesehen haben.

Ausser diesem durch die Bekchrungsgcschichte autorisirren Brief sind anstoch zwey andere untergeschobene Briefe unter folgenden Titeln dem Publico in der Geschwindigkeit mitgetheilet und ans dem Dänischen übersehet worden:

Ein merkwürdiger Brief an den Grafen J. F. Struensee, von seinem Vater. Flensburg 8vo.

Ein merkwürdiger Brif an den Grafen J. F. Struensee, von seiner Mutter, nach dem Copenhagischen Exemplar, Hadersleben 1772.

In wie weit die geschwinden Verfasser dieser Briefe, die Gesinnungen äuserst betrübter Eltern anögedrucket haben, muß ich den Critikern überlassen. Mich haben sie nicht sonderlich erbauet.

Ueberhaupt werden die, seit dem die Presse freygegeben worden, auögegangenen Schriften zeigen, daß ein Schwarm von Scribcnten es allein ihr Hauptwerk seyn lassen, eben den Mann,

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durch dessen Angebcn vielleicht eine so nützliche Freyheit der Nation geschenkct worden, auf allen Seiten altzufallen, und allen seinen Handlungen eine üble Wendung zu geben. Grruensee machte der menschlichen Freyheit in Dännemark ein grosses Geschenke, seine Belohnung war aber von der Seite der Schriftsteller die allgemeine Belohnung der Welt. Die Anzeige der in den Jahren 71. und 72. ausgegangenen Stachelschriften, welche den jedem Jahre folgen soll, wird das, was ich hier voraussetze, in eine Wahrheit verwandeln.

Warum aber har man den Brief einer betrübten und gottesfürchtigen Mutter eines unglücklichen Sohnes dem Publico vorenthalten? Die Tochter eines Carls hat viel zu viel Borurtheil vor sich, als daß ein jeder, dem dieses Mannes Verdienste bekannt sind, nicht glauben könnte, daß seine Tochter einen derjenigen Briefe würde geschrieben haben, welche durch das traurige Gefühl einer sich der Allmacht übergebenen Seele, ihr ganzes ficht verbreiten. Es fehlet von den Briefen Struensees ausser dem noch ein anderer, welcher dem Publico nicht bekannt gemacht worden, und der vieler Aufmerksamkeit werth seyn soll.

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Die Geschicklichkeit des Herrn, Justitzraths Carl August Struensees, besonders in mathematischen Wissenschaften, ist bekannt; die gute Aufnahme seiner der Welt mitgetheilten Schriften, ist der klare Beweist dieser Warheit, *) Er wurde den 17ten Jenner natürlicher Weise im Anfang als Bruder des verbrecherischen Grafens schuldiger angesehen, als es die Folge der Zeit uns gelehrer hat. Daher war sein Gesangniß hart. Es wurde bald gemildert, und man sähe sehr bald an ihm die gütige Regierung der dänischen Monarchen ausgeübet. Gegen den ten Fehr. wurden seine Schriften von der nieder: gefebten Commißion untersuchet. Im Merzmonath wurde er verhöret, seine Gefangenschaft noch mehr erleichtert, und endlich haben wir von seinem Schicksal und dessen Ende in den Hamburger Zerrungen folgendes gelesen:

*) Die bisher bekannten Schriften, deren Fortsetzung die wissensbegierige Welt ohne meine Anerinnerungen gewis wünschte, sind, soviel mir bekannt geworden:

1) Anfangsgründe der Artillerie. 1760. gr. 8vo.

2) Anfangsgründe der Kriegesbaukunsi. 1771. gr. 8vo,

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Der Justikrath Struensee ist am Sonnabend nach Lübeck abgereiset (den 20sten Jun.) wenige Tage vorher hatte er an den Geheimten-Rath Freyherrn Juel von Wind, als erstes Mitglied der Inquisitionscommißion geschrieben, und ihn gebeten, daß er ihm die Erlaubniß auswirken mögte, in die Stadt zu kommen, um seine Sache selbst zu berichtigen, oder daß auch denen, mit welchen er es zu thun habe, erlaubt würde, zu ihm in die Citadelle zu kommen. In dem Antwortsschreiben erhielt er die Nachricht, daß ihm letzteres verstanei werde. Der König hat ihm auch eine Obligation auf 2000 Thaler, die er kurz vor dm 17ten Jan. von seinem Bruder geliehen, geschenkt, und vom tzten Jul. schreibet die Zeitung:

„Der Justitzrarh Struensee ist gleich nach seiner Ankunft zu Lübeck nach Rendsburg gereiset, um daselbst seinen Vater den General-Superintendenten zu besuchen." Hier muß ich ihn verlassen, vermuthlich wird er wieder nach Liegnitz gehen. Welch eine Unterhaltung!

Seine Verantwortung soll nur drey Bogen enthalten haben, aber bündig, treffend und männlich geschrieben seyn. So viel ist gewiß, daß seine Gelehrsamkeit und Verdienste nicht ge-

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46 mein gewesen seyn sollen. Ja sie sind von hohen Personen im Reiche erhoben worden. Man hat ihn wegen der Verwicklung mit dein Verbrechen seines Bruders bedauert. Die Folgen haben gezeiget, daß diese Verwicklung dennoch nicht in einer zu genauen Verbindung bestanden haben muß. Man hat geglaubet, daß er in der Verwaltung der Finanzen seinen Nutzen, wenn er erst von dem Reiche sich eine sichere Erkenntniß würde erworben haben. Hätte stiften können. Er hat auch als Deputirter der Rentekammer einen und andern wohl verdienten und bey diesen unruhigen Zeiten hintan gesetzten Unterthanen Gerechtigkeit wiederfahren lassen.

Kurz vor Weynachten 1771. reiste der Herr Lieutenant von Seiner, ein Sohn des berühmten und verdienstvollen Geheirntenraths und Professors in Halle, mir seiner Gehülfin und noch einen Begleiter nach Copenhagen. Den Umständen und den Verbindungen unter ihnen nach, war ihm wohl von dem Herrn Justitzrach Struensee diese Reise angerahten worden. Allein die Zeiten änderten sich zu bald, und der Herr Lieutenant von Gegner reiste nach den Nachrichten des Adreßcomtoirs sehr bald wieder nach Lübeck, Und vermuhtlich von da, sich bey seinen grossen

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Monarchen ferner verdient zu machen, nach Schlesien, wo er im der Gegend von Liegniz Besitze hat, und werden also die Verbindungen der Freundschaft, welche unter ihnen sind, da ferner fortgesetzet werden können, wo sie ihren Anfang genommen haben.

Des Herrn Lieutenant Struensee, der nicht in (Göttingen, sondern in Kiel den Studien obgelegen, Unschuld, und daß er keinen Antheil an denen Verbrechen, welche seinem gräflichen Bruder zur Last geleget worden sind, genommen hatte, muß sehr bald bekannt geworden seyn. Man verabschiedete ihn als einen auf hohen Schulen lebenden jungen Menschen, mit einem Geschenke von 200 Thaler und einen Reisepaß. Er besuchte seinen betrübten Herrn Vater in Rendsdurg, gieng nach Hamburg, von da ihm die gar zu grosse Neubegierde der Börse, welche bey seinem Anblick ausserordentlich gewesen seyn soll, und diese Erzählung sicher auch einer Stadt Hamburg ist, ähnlich, seinen Aufenthalt in der Nähe und zwar in Kiel zu nehmen, wohl angerahten haben mag; von seinem weitern Glück, welches ich, da ich dieses schreibe, an seinen Ort gestellet seyn lasse, ist bekannt geworden, was ich in der Note mit

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48 meinem Gewährtsmann anführe. *) Ich verlasse die angeführte gallische Schrift, und werde zu meinem GeleitSmann besonders diese dänische sehr unpartheyisch und mit vieler Behutsamkeit geschribene Schrift, deren Titel ich bereits angezeiget habe --- erwählen. Diese Schrift, welcher ich nunmehr als einer autoristrten und sehr unpartheyischen Nachricht Fuß für Fuß folgen werde, machet uns ebenfals wenig von den erstern Jahren des unglücklichen Ministers kund. Sie saget von dem Vater desselben, daß er alle väterliche Führsorge, das zeitliche und ewige Wohl dieses Sohnes zu befördern, angewendet. habe. Daß der Sohn ein gutes Gedächmiß,

*) On apprend que Lieutenant Struensee, qui peu de tems avant la detention du Comte fon firere, a obtenu fion eongè à Conenhaguen eft arrivé à Berlin, et que fêtant rendu à Potzdam auprès du S. M. l’a pris à fon Service en lui accordant une pension et un rang parmi les officiers, qu’on nomme de la fuite du Roi. Journ. Encyclop. Avril 1772. p. 323. Mercure historique le Mois de Juin 1772. p. 673

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Gelehrsamkeit und BmrtheilungSkraft besessen. Daß freylich ein Gerücht gegangen, er halte nicht viel von der Religion, und auch dieserwegen habe ihm sein Vater stets sein Mißvergnügen bezeuget. Indessen wären unter seiner kurzen Ministerschast dennoch viele nützliche Veränderungen geschehen, und manche gute Verordnung ausgegangen.

Meine mich leitende Schrift sagt ferner: der König liebte Srmeirsee, und daß die Königin Carolina Mathilda ihn ebenfalls liebte und viele Gnade vor ihn hatte, daran durfte keiner zweifeln. Da ihn nun bende Majestäten schätzten, so war es desto leichter alles das zu werden, was er wurde, aber so gefährlich war es auch, das zu bleiben, was er war, und sich in den eingenommenen Posten zu erhalten, wann nicht die Gottesfurcht und die Religion feine Handlungen segneten und begleiteten.

Von dem Guten, was man von ihm weiß, kann man freylich nicht viel in Absicht der Eigenschaften seiner Seele und seines Geistes sagen. Von seinen innerlichen Character mehr der Welt mitzutheilen, ist nur der vermögend, der einen.

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50 nähern Umgang, welchen Der Verfasser nicht gehabt hat, mir demselben gehabt haben mag.

Der dänische Verfasser ist also wohl von der genauen Kennlniß des innerlichen Characters dieses Unglücklichen eben so wenig unterrichtet, als alle die, welche von ihm schreiben, seyn. werden, und ich habe Ursache zu glauben, ja viele Umstände seines Verhaltens machen mich noch gewisser, daß ich mir beynahe zu behaupten getraue, daß ausser seinem bedaurenö wehrten Freund, dem Herrn von Brandt, vielleicht nicht drey Personen sagen können, ihn recht genau gekannt zu Haben. Ich will nur dies zu fernem moralischen Character noch hinzuseken, daß ich nicht unrecht Haben werde, wenn ich behaupte, er fen, wenn er auch Moral besessen hat. Vermöge seiner gar nicht gezähmten Leidenschaften nicht vermögend gewesen, dieselben zu mäßigen oder zu bändigen. Er war ein Feuer, das auf einmahl ausbrach, und immer mehrere Nahrung haben wollte. Man stehet an ihm einen Fehler, welcher andern in Leydenschasten vergrabenen zum Beyspiel dienen mag.

Hätte er diese Grundsätze, die ich mir einsmals aus einem Wochenblatt, welches ich nicht mehr be-

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nennen kann, ausgeschrieben habe, von der Tugend inne gehabt, vielleicht würbe er seine ehrgeißige Chimären gedämpfet haben, und kein polirischer Phaeton des dänischen Reichs geworden seyn.

Denen zum besten, welche so viel von diesem gefallenen Minister hören, und ihn dennoch nicht gesehen haben, machet der Verfasser die Beschreibung seiner Person also:

Er war ein starker und sehr breirschulrerigrer Kerl, beynahe von gardemäßiger Höhe, sah nicht übel aus, hatte eine zimlich lange nase, ein munteres Ansehen, spielende und durchdringende Attgen, einen freyen Gang, und er führte sein Pferd sehr aur. Die Sreyheir folgte stimm ganzen Wesen, bey dem Konig und unter den Hofleuten fochte ihn, gleich als wenn er ein gebohrner Edelmann gewesen, und bey Hof wäre auferzogen worden, gar nichts an.

Mir kurzen, bey den Eigenschaften seiner Seele und seines Leibes hätte er ein liebenswürdiger Hof- und ein tüchtiger

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52 Der Verfasser beschreibet die Person unsers Helden naif genug. Ich habe mich bestmöglichst erkundiget, ob er einen richtigen Umriß gemacht, und Personen, die ihn mehr als einmal gesehen haben, versichern, daß das Gemählde richtig getroffen fey. Ob er in Halle oder Altona die Kunst sein Pferd wohl zu führen gelernt habe, habe ich nicht in Erfahrung bringen können.

Daß sein Umgang nichts furchtsames zeigte, kann sehr wohl angenommen werden. Er hat mit den angesehensten Personen in Altona und den dortigen Gegenden so viele Jahre einen vertraulichen Umgang gepflogen; ungeschickt war er nicht, und dies Bewust seyn war ihm vielleicht natürlich, warum sollte er sich am Hofe, da er zumal einen Schritt nach dem andern in die Höhe that, einer Furcht haben merken lassen. Die Furcht würde ihn gleich gedemühtiget haben, und das war, aller Wahrscheinlichkeit nach, seiner Art zu denken, und den Endzwecken, welche er ansführen wollte, im Diameter entgegen. Er muste sich also weil eher Kühn zu seyn zwingen,

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53 Der Verfasser, welchen ich also zu meiner Leitung, etwas ordentliches, vollständiges und zusammenhängendes von diesen Vorfällen zusamt men zu bringen, gebrauchen will, sänget nach diesen Beschreibungen den 6ten Jun. 1768. seine Geschichte an, und will mit der Ausreise des Königs den fernern Schicksalen des nunmehrigen Königl. Leidmedicus bis zu dem 17ten Jan. 1772. Schritt vor Schritt folgen, und einen Zeitraum von 4. und einen halbenJahre genau beschreiben.

Der König reifte als Prinz von Travendahl delt 5ten Jun. von Altona ab, und Struensee folglich als Königl. Leibmedius mit.

Erhalte also das Glück viele gelehrte Männer

und besondere Merkwürdigkeiten zu sehen.

Er betrug sich auf der ganzen Reise mit der Freyheit und dem kühnen Muth, welche ihm stets folgten.

Die Reift ging über Herrnhausen nach Hanau, von dar nach Frankfurt, Maynz

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54 und Cöln. In Amsterdam besuchte er den botanischen Garten und die Anatomie. In Leyden, Harlem, Haag und in mehreren Städten, durch welche der König ging, besah er, so wie er Zeit und Gelegenheit hatte, die medicinischen (vermuhtlich botanischen) Garten, Naturalien- Cabinetter, Akademien, öffentliche Bibliotheguen, Anatomiekammern. Er versäumte gar nicht alle Stiftungen und Einrichtungen, welche nur einen Einfluß in seine Wissenschaften hatten oder zu der Vermehrung seiner Einsichten in andern Theilen dienen konnten, zu besuchen. Das Vergnügen den dänischen Monarchen bey der Tafel zu sehen, hatte viele Zuschauer herbeygezogen, und diese Zufälle hatte er mit denen, welche dem König folgten, gemein. Vermuhtlich hat er sich aber alle dergleichen Gelegenheiten auf eine ganz andere Art, als die übrigen, zu Nutze zu machen gewußt, um endlich den Grund zu dem nachher gefolgten Umgang mit dem König zu legen.

Diese Reflexion meines dänischen Verfassers ist durchaus dunkel. Man könnte verschiedene Muhtmassungen, wie unser Leibmedicus Gelegenheit, wenn der König auf seinen Reisen, öffent-

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lich gefpeifet hat, gefunden hätte, desselben Gnade durch einen oder den andern Weg zu gewinnenbekommen, beybringen. Ich überlasse diese Muthmassungen den Scharfsichtigen, in welche Classe der Menschen aber ich mich.nicht habe ein? schreiben lassen.

Er kam mit dem König nach England, und die Freude des englischen Volkes bezeugte das Vergnügen desselben. Er sah die Ehrerbier tung eines fremden Volkes gegen diesen jungen König, ließ sich aber zu keiner Erinnerung dienen, sondern er vergaß die Ehrerbietung, welche er seinem Monarchen schuldig, war, sehr hald.

Jede Gelegenheit diente seinen Ehrgeih zu vergnügen. Er wurde den 14ten Sept. 1768. Doctor und Ehrenmitglied der medicinischen Facultät in Oxford, als der zweyte Ausländer, welcher diese Ehre genossen hat.

Den 14ten Oct. reiste Struensee mit Sr. Majestät von Dower aus England ab, kam den Nachmittag um 6. Uhr nach Calais. In Paris traf Ihro Majestät den 21sten Oct. ein. Er sah Paris, Versailles, Fontenebleon

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56 und den prächtigen französischen Hof, und kam den 6ten Jun. 1769. wieder mit dein König, welcher ausser einer kleinen Verkalkung beständig munter und wohl gewesen, als ein wohl verdienter Doctor, glücklich zurück.

Den 14ten eben dieses Jahren hielt der König seinen erfreulichen Einzug in Copenhagen. Hier hätte bey der Frende der Unierthanen cs sich Grruenfee eine Warnung seyn lassen sollen, seines Königs heilige Person unterrhänig zu verehren.

Der König kheilte um diese Zeit vielen Rang und Ehrentitels aus. Und diese Gnade legte derselbe auch gegen Struensee an den Tag. Er wurde den raten May 1769. wirklicher Etatsrath. Dieser Rang gab ihm die Freyheit bey allen Feyerlichkeiten des Hofes zu erscheinen. Er nutzte diesen Zugang, und befestigte fein Glück bey Ihro Majestät ie mehr und mehr. Vieler Augen wendeten sich auf ihn, und man fing an zu glauben, daß er Einfluß habe; man fing an ihm aufzuwarten.

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57 Die Dänen sind Menschen, wie andere Menschen, und der grosse Haufe ist eben so gesinnt, wie der grosse Haufe anderer und aller Nationen. Eine ausgehende Sonne ist immer ein Phanomenon welches sich der Adoration nähert, man gaffet sie an, wie die müßigen Pariser iho die Venus angaffen, so wie einer untergehenden Sonne Staub nachgeschmissen wird. Das Gerüchte har so gar haben wollen, daß seinem Bruder dem Lieutenant bey seinem kurzen Aufenthalt in Copeuhagen, vermuthlich von kurzsichtigen Menschen, schon vielbedeutende Aufwartungen gemacht worden sind. Eine Schwachheit derer Menschen, welche ihr Glück bey den ihnen so ähnlichen Sterblichen suchen, indem sie nicht Kräfte genug haben, ihr Glück selbst zu bilden, und nicht wissen, was man der alles bestimmenden Vorsicht schuldig ist.

Fünf Monarh darnach, als er Etatöraht geworden, wurde sein Bruder Carl August Struensee, Professor Matheseos zu Liegnitz, den 13ten Oct. 1769. Königl, dänischer Justißrarh. Man hat Ursache zu glauben, daß er von dieser Zeit an den Plan, welchen er nach-

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her auszuführen getrachtet, nachgegrübelt und entworfen habe.

Der Plan selbst, welchen Grruenste hat ausführen wollen, ist weder von diesem oder einem andern Schriftsteller nur in etwas bekannt gemacht worden.

Dieser Tietel gab dem Bruder Gelegenheit auch wirklich in Dienste zu kommen, und man stehet, daß die Schwachheit, welche die meisten Günstlinge grosser Herren, ihre Angehörige zu befördern, haben, ebuermaffen auch ihm ange hänget habe. Sind doch die Päbste von dieser Seuche angestecket!

Es ist unmöglich alle Canäle, durch welche er seinen Plan auszuführen, mag gewaget haben, zu beschreiben. So viel kann man merken, daß er seine einzige Bemühung, daß ganz Europa von ihm wissen und reden sollte, hat seyn lassen. Er sah aber noch immer, daß ec an dem Hofe nur eine kleine Creatur vorstelle, und deswegen suchte er eine bequeme Gelegenheit sich ferner weit zu zeigen. Er war auch nicht müßig. Er suchte sich den Nahmen eines däni-

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schen Patrioten zu verschaffen. In seinem jetzigen Cirkel konnte er keinen bessern Weg finden, als den Monarchen den Ruhen und die Roth-Wendigkeit des Blattereinpeltzens anzupreisen, und bey einer Königl. Stiftung ein Directeur mit zu werden. Sein Wunsch wurde auch er; füller, Sr. Majestät befahl den istcn Decemb. 1769. daß die Eratörähte von Berger, Struensee und Linde mit dem Justitzrath Jensenius eine Stiftung nach einem von ihm abgefahren Plan vor der Stadt anlegen sollten, in welcher die armen Kinder frey, vermögende vor Bezahlung unter der Direction dieser Herren inoculiret werden sollten. Die Sache wurde Jhro Majestät so vorgestellet, daß allerhöchst Dieselben in 5 Jahren jährlich 4000 Thaler dazu schenkten, und alle andere Inoculation in der Stadt wurde verboten. Diese Stiftung daurer noch, und das Gebäude stehet vor dem Norderthor, bey der sogenannten Solitude, und der Ruhen derselben ist verschiedenemal in den Zeitungen bekannt geworden.

Unterdessen erhielt er wichtigere Aemter bey dem Hof. Er wurde Lecteur du Roi, doch weiß man nicht einmahl, um welche Zeit er die-

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sen Posten zu bekleiden angefangen hat. Nunmehr hatte er schon mehreren Zugang zu Ihro Majestät. Er war also einen ansehnlichen Schritt weiter gekommen.

Und so hoch war Grrueniee mit dem Ende 1769. gestiegen. Mir dem Jahr 1769. will ich den Lauf meines Heldens also endigen. Das unparkhcyische Publicum mag nun urtheilen, ob ich diejenigen Schriften, welche das Leben desselben schon so frühzeitig, als es nur möglich gewesen, der Welt dargelegct haben, vorbey gegangen, und ob ich etwas mehreres, als sie alle gefaget habe. Es ist schwer von einem Manne viel sagen zu wollen, dessen erste einge: schrenkte Lebensart sich in einer glänzenden Laufbahn zu zeigen, nicht gleich Gelegenheit gab. Hipomenes lief nur in der Zeit der Fabel nach dem Ziel und wo sinder man ibo goldene Aepfel, da die Königlichen Garten der Gesperiden nicht mehr da sind? Am Ende dieses Jahres war also die Grundlage zu derjenigen Höhe, zu welcher Grruenjee nicht stieg, sondern gleich: sabm flog, noch immer wenigstens durch anscheinende Verdienste geleget, und hätte er nicht ein so göspannetes Seegel, das Schisk feines

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Glückes immer \ würde er offenba geschickter Arzt,

Königs zu heissen, würde ihn geschähet.

Beförderer der Gesundheit des besten Königs, geliebet und verehret haben. Hier hatte er mit dem schlauen August denken sollen: Eile mit Weile. Allein das Herz des Menschen ist ein ungründlicheS Meer, das Glück verblendet den Doctor, er kletterte einen Felsen hinan, dessen Höhe zu gewinnen, er niemals zu erreichen im Stande war.

Ende des ersiert Stücks.

• ' EN dA LEs - -

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1

Graf

WS fruensee

am Rande seiner irdischen

Zernichtung;

von

As C. Vv. OG.

17 7 2.

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Der Hülle Vorhang fällt, des Schicksals Scene schüttert,

Graf Struensee! dir winkt ein schmälig herber Tod!

Du, der bisher für nichts auf diesem Rund gezittert,

Bebt jetzt vielleicht dein Muth, da Beil und henker droht?

4

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Nein, wafnet die Natur vor schrbckenden Gedanken,

Zerstäubt die Phantasie der feilen Furchtsamkeit,

Ihr Geister, die selbst nie am dustern Abgrund wanken,

Wenn hier ein Aeol stürmt, und dort die Hölle dräut!

Ha! lohnt der falsche Pracht der Ehre nur mit Schweizern?

Lockt uns der Wollust Gift blos zur Zernichtung hin?

Auch nicht die weite Welt schützt uns fur grausen Mördern,

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Wer sind wir? Menschen! ja, zu einem Glück gebohren,

Doch nur ein Traum des Glücks, der schnell vorüber fährt,

Nur einzle, die zum Thron, zu Königen erkohren!

Nur wenige, der Last der schwehren Krone werth!

Erst reizt ihr schimmernd Gold und drängt uns in Palläste,

Und der Bestimmung Ruf verfliegt schnell wie ein Dampf,

Der Hochmuth mischet sich im Pomp der Fürsten Feste,

Und dann zertritt er schon der reinen Tugend Kampf,

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Ein Höfling schmeichelt uns, wir schmeicheln unsern Kräften,

Und Eigenliebe dämmt stets den verwegnen Lauf,

Kühn rauschen wir dahin in blendenden Geschäften,

Und sie blühn allzufrüh in unfern Händen auf!

Ein lauter Ruf durchströhmt die glanzenden Gemächer,

Nom Günstling dringt er bald bis zu des Königs Ohr,

Dann breitet sich sein Flug auf niedrer Härden Dächer,

Und eine Rose steigt aus Staub und Sand empor!

7

Die Knospe dfnet sich, und goldne Purpurstrahlen,

Verschönern ihren Reiß und ihres Frühlings Pracht,

Doch schnell entblättert sie, sinkt hin und ist gefallen,

Verwüstend decket sie des Todes kalte Nacht!

So schaut des Landmanns Blick die voll gedrängten Felder,

Und rechnet unbesorgt der Garben Fruchtbarkeit,

Ein Augenblick, so droht auf Gipfeln dunk ler Wälder,

Zerstörung, Fluth und Sturm schon der Zufriedenheit!

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Kurzsichtig ist bek Mensch, und strauchelnd seine Pfade,

Beschließt erst die Vernunft blos seines Laufes Bahn,

Nicht länger dreist gestützt auf jener Vorsicht Gnade,

Umhüllt sein schwaches Aug erfindungsreicher Wahn!

Ein falscher Glanz betäubt die schnell gereihten Sinnen,

Ein rauschend Flittergold umstrahlt das schwächte Herz,

GOTT und Religion anbethungsvoll zu dienen,

Wird bald dem Sterblichen nur Thor heit, Spott und Scherz.

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So riß auch mich ein Strohm von wilden Leidenschaften,

Ehrgeitz und Lüsternheit, zum ofnen Abgrund hin,

Sie, die der Tugendkeim aus meiner Seele rasten,

Bereiten mir nun jetzt den sthröcklichsten Gewinn!

Erst ganz von GOTT getrennt, beschlossen Missethaten

Mit unbegranztem Flug des Lebens jeden Tag,

Und wenn ich auch noch einst zum Wohl des Staats gerathen,

So war es doch nur List, die aus dem Busen sprach!

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Und endlich, Himmeln! deckt mein frechestes Verbrechen

Mit undurchdringlichen, mit düstern Wolken zu!

GOTT muß den Frevel selbst mit allen Donnern rächen,

Und keine Ewigkeit verspricht dem Geiste Ruh!

Wer den Gesalbten äst der Reich und Volk beglücket,

Ja die verdammte Faust nach seinen Kronen streckt,

Ist würdig, daß ihn schnell ein Feuerkeil zerstücket,

Und aller Welt Gebürg mit eisern Lasten deckt.

11

Mein König! dessen Huld mein schwarzes Herz entehret,

Ja, die mich sterbend jetzt noch zur Erkenntniß ruft,

Sieh dieses rohe Herz von Martern ganz verzehret,

Voll Danks und Reue hier an meiner Todeskluft!

Dein Urtheil ist zu mild, zu gnädig meine Strafen,

Nachdem auch Christian für diesen Geist gewacht,

Ha! sollt ich ewig noch im Sundentaumel schlafen?

Da nun ein hohers Licht in meiner Seele tagt!

12

Mathilde! darf ich Dich auch noch zu nennen wagen?

Dich, Die ich zügellos von Deinem König riß!

Darf ich Dir noch ein Wort vor meinem Scheiden sagen?

Nie stirbt mein Kram mit mir und des Gewissens Biß!

Dich Julianen wird ein Seraph stets begleiten,

Und Friedrich tugendvoll Dir stolz zur Seite stehn.

Durch Euren weisen Arm wird sich. diß Reich verbreiten,

Und die Provinzen je ein holder Flor erhöhn!

13

Noch bindet eine Pflicht die letzten Augenblicke,

Mein Vater, Mutter, ach! welch schockend marternd Bild!

300 doch mein Tod nur euch aus Sarg und Grab zurücke,

Aus dem für mich ein Strohm gesalzner Thränen quillt!

Ihr, die ihr mich schon früh der Tugend Pfad geführet,

Euch spricht GOTT und die Welt von allen Schulden loß,

Ich, ich Hab mich allein von diesem Weg verirret,

Und Leichtsinn schuf in mir den Missethäter groß.

14

O! wenn GOTT je das Hert gebeugter Menschen stärket, Ja HERR, so tröste jetzt diß tiefgeschlagne Paar, JEHOVA! wenn dein Ohr der Unschuld Flehen merket, So sey dein segnend Wort auch glorreich an ihm wahr! Beflügle Engeln hin, die ihre Häupter stützen, Die die Verzweiflung dort auf welke Arme stämmt, Sieh! wie sie ganz zerstreut auf harter Erde sitzen, Und nicht Vernunft und Freund der Schwehrmuth Fluten zamt!

15

Noch nicht genug, daß ich als ein Verruchter sterbe,

Nein, auch des Bruders Hand legt ich die Fesseln an,

Damit auch mein Geschlecht mit mir zugleich verderbe,

Und keine Hofnung wehr die Qualen lindern kan!

Graf Brand! mitschuldiger Freund der uns betrognen Lüste,

Betrette muthig nur zuerst die Dornenbahn!

Schon trieft dein heißes Blut von diesem Schaugerüste,

Ha! steige standhaft nun zur Ewigkeit hinan.

16

Sie, diese Ewigkeit wird uns nun bald vereinen,

Und dort erwarten wir noch ein entscheidend Looß!

Vielleicht zählt GOttes Huld uns doch zu denen Seinen,

Dann sein Erbarmen bleibt für alle Sünder groß!

Nun hier ist diese Faust, diß Haupt voll Lasterschulden,

Der Leib, der bald zerstückt, der Raa den Speise wird.

Kein banges Zaudern mehr, kein ängstliches Gedulten,

Ihr Henker! sättigt auch an mir die Blutbegierd!

1

Gespräch im Gefängniß zwischen Brand und Struensee, worinn letzterer einen merkwürdigen Traum erzählt.

2

Brans.

Wie thuts, mein lieber Struensee, wiegefallt dir deine neue Wohnung?

Struensee. Ich weiß nicht, was man mit mir vornehmen wird! und warum man mich hier so en Canaille tra ctiret, da ich doch des ganzen Reichs Wohl zu befördern getrachtet habe.

Brand. Und du solltest das nicht wissen, was beynahe die ganze Welt weiß? Das wundert mich. Eben wollte ich mich bey dir erkundigen, was denn eigentlich mein Verbrechen seyn soll, weil man noch wenig von mir spricht.

Struensee. Ich dachte, das könntest du aus der Gefangenschaft meines Bruders, der gleiches Schicksal mit dir hat, leicht errathen.

Brand. Also deswegen, weil ich dein Freund, und an deinen Angelegenheiten Theil genommen habe. Nun kann ich unser künftiges Schicksal auch leicht proyhezeihen. Und du willst noch an deinem Verbrechen zweifeln, oder es so gering ansehen? Lies nur, was wider dich in kurzer Zeit allenthalben ausgestreuet worden, und womit mancher Buchdrucker sein Glück gemacht, und ein Ansehnliches erworben hat.

3

Struensee. Wie ich höre, so glaubst du auch das abgeschmackte Zeug, was wider mich, aus Eigennutz, zum Verkauf herumgetragen wird. Vortrefliche Freundschaft.

Brand. Es ist viel Wahres darunter, doch auch viel Erdichtetes. Doch, wenn du einige Augenblicke mich anhören wolltest, so will ich dich an verschiedenes erinnern? vielleicht hast du es vergessen, was in unfern geheimen Zusammenkünften abgehandelt wurde. Es könnte sich wohl etwas darunter finden, woraus wir urtheilen können, ob uns eine gerechte Handlung oder eine ungerechte in diese Fesseln gebracht.

Struensee. Wenn doch die fatalen Papiere aus der Welt verbannetgewefen waren! so — Doch schweig vor jetzo,ich bitte dich,beunruhige mich nicht noch mehr! — Daß der verdammte Kerl, mein Bedienter, den Pelz vergessen. Ich zittre am ganzen Leibe. Wenn sich doch eine treue Menschenseele finden möchte, die sich meiner mit Nachdruck annahme, und meine Sache vertheidigte!

Brand. Eine solche Unmöglichkeit beunruhiget dich? Wer sollte sich wohl dieses unterstehen, da die ganze Welt dich verdammt? Doch ich erinnere mich, eine Vertheidigung von einem gewissen Orte gelesen zu haben,die gewiß so vortheilhaft für dich ist, daß du sie nicht besser verlangen kannst. Was nützt dir aber eine solche Verteidigung, die in weiter Entfernung geschieht, wo man vielleicht von dem ganzen Verlauf der Sachen nicht besser unterrichtet ist? Weg also mit den Possen! — Geschwind,

bringt mir meine Flöte ! ich will die Grillen verspielen. Mit Großmuth muß man sein Unglück ertragen, und nie kleinmüthig werden.

Struensee Wenn du wüßtest, was mich unruhig macht, gewiß, du würdest mitleidig mit mir weinen.

Brand. Das wäre in der That zu Élein für mich, und für dich zu schimpflich.

Struensee. Im Ernst, mein lieber Brand, ich will dir mein ganzes Herz entdecken, und dir den nachtlichen Traum,

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der mich unruhig macht, umständlich erzchlen. Du Mußt aber nicht darüber spotten.

Brand. Des Lachens kann ich Mich doch kaum enthalten, daß du nun auf Träumereyen verfällst. Erst glaubtest du nichts, und nun auf einmal alles. Welche Veränderung! Doch bin ich begierig, deinen Traum zu hören.

Struensee. Ich lag eines Abends in tiefen Gedanken, überdachte mein ganzes Leben, und schliefohnvermerkt darüber ein Es kam mir vor, als wenn ich im Begrisk einer Reise wäre; unterwegens fand ich eine sehr angenehme Gegend, wo verschiedene anmuthige Rasenhügel sich befanden. Es überfiel mich eine so große Müdigkeit, daß ich gezwungen wurde, auf einen dev angenehmsten Hügel mich niederzusetzen, lim ein wenig auszuruhen. Kaum hatte ich mich niedergelassen, so sähe ich ans einem nahe gelegenen Lust-Waldgen ein Frauenzimmer von majestätischen Ansehen, so wie Fortuna gebildet zu werden pflegt, auf mich zukommen. Sie ergrisk mich fanstdrückend Hey der Hand, und sagte: Folge mir, ich will dich zu deiner Bestimmung führen. Ich gehorsame, und ging mit langsamen Schritten an ihrer linken Hand. Wir gelangten in kurzer Zeit an einen grossen Wald, darinnen Fruchtbaume voir verschiedenen Gattungen und Alter anzutressen waren. Hier, sprach sie, aste diese Bäume sollen unter deiner Aufsicht stehen; laß keinen derselben einigen Schaden zufügen. Wirst du nun diesem Walde treulich vorstehen, und den darinnen befindlichen Bäumen nach Möglichkeit von asten Gebrechen abhelfen; so wird man dir in kurzem den Lustwald des Eigenkhumsherrn anweifen, wozu ein Baum, daran du Hein Vergnügen finden wirst, Gelegenheit geben wird. Sie wollte hier weiter reden, bedachte sich aber kurz, und verschwand vor meinen Augen. Ich fing nun im Trau-

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me an in den Wald zu spatzieren, um die Baume zu betrachten. Ich fand deren viele von einem vortreffliche« Ansehen und den herrlichsten Früchten, die ich, ans Neugierde getrieben, zurpeilen vor her Zeit abbrach, und aus Mukhwillen derstragbarsten Zweige beraubete. Nach vollbrachter Arbeit war ich gewohnt, unter einer ohn langst entdeckten Birke, welche den schönsten Wuchs hatte, und noch ziemlich jung war, meiner Ruhe etwas zu pflegen. Ich wandte alle meine Bemühung und Sorgfalt an Lies ft Birke, Ich band sie, wo es nöthig that, und zu weilen labte ich mich an ihrem mystarstgen Safte Weil mir nun dieser Baum über die Massen wohlgefiel; so schnitt ich zum ewigen Andenken meinen Namen mit deutlichen Buchstaben in dessen zarte Rinde- In kurzem tragt sichs zu, daß in des Eigenthumsherrn Lust-Walde ein Baum, der zu dessen Zierde nicht wenig heygetragen, durch einen gewissen Zufall verdorben war. Nach kurzem Bedenken war man einig, aus meinem mir anvertrauten Walds den besten zu suchen. In meinem Verdruß erwahlete man darzu meine mir so liebe Birke Ich mußte es wider meinen Willen geschehen lassen. Von ehngefahr kommt der Eigenthumshert an den Ort, wo dieser neue Baum versetzt war; erbetrachtete denselben mit solcher: Aufmerksamkeit, daß seinen Augen nichts entwischen konnte, was der Bewunderung würdig schien. Er batte kaum meinen so zierlich erngeschnittenen Namen erblicket, als er sogleich Befehl gab, mich hieher zu berufen Hier erschien mir das vorige Frauenzimmer mit verdrüßlichert Gebehrden, und sprach: Du hast meine Ermahnungen schlecht beobachtet. Doch will es noch einmal versuchen, und meine Vermahnungen wiederholen. Wirstdu allen genau nachleben, und nichts wider deine Pflichten unternehmen, so kannst du deine ganze Lebenszeit so glücklich seyn, als ein Mensch zu werden möglich ist. Du wirst mit al-

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ler Freundlichkeit ausgenommen werden, und man wird deine Geschicklichkeit bewundern. Laß dich aber durchaus nicht dadurch den Hochmuth verblenden. Siehe, hier sind Baume, woran viel gelegen ist, besonders die Lieblingsbaume des Eis genthums-Herrn, welche ich deiner unermüdeten Sorgfalt bestens empfehle. Unter andern führte sie mich zu meiner liebsten Birke, und sprach: Dis ist der Baum, von dem ich dir vorher sagte, daß er dich hieher bringen würde. Dieser hat verursacht, daß der Eigenrhums - Hert von deiner Geschicklichkeit sich so vieles verspricht, Wirst du nun deiner Bestimmung zuwider handeln, und mehr unternehmen, als ich dir anweise; so wirst du dich der größten Gefahr aussehen. Sodann wird alles Ungemach und Elend deiner erwarten, dein voriges Andenken schrecklich foltern, und niemand wird Mitleiden und Erbarmen mit dir haben. Pfui, welche Schande! — Hier verließ sie mich Mit einem höchst zornigen Gesichte. Voll von Traurigkeit und tiefem Nachdenken übernahm ich anfänglich das mir anvertraute Amt, und verrichtete alles, was mir befohlen par, so getreulich, daß der Hert sowohl als andere, so diesen Lufl-Waldzuweilen besuchten, mir ihre größte Zuftiedenheit darüber zu erkennen gaben, und meine Geschicklichkeit mit vielen Lobeserhebungen herausstrichen. Dieses erregte in mir einen solchen Stolz, daß ich darüber die treuen Warnungen sowohl, als meine Pflichten aus den Augen setzte. Ich trieb meinen Muthwillen mit den mir anvertrauten Baumen, versetzte sie nach eigenem Gefallen, beschnitt sie, wo es nicht nöthig war, und machte sie zum Theil ganz unförmlich. Ichgieng in meiner Thorheit noch weiter, und vergriffmich an des Eigenchumsherm

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einzigen liebsten Bäumgen, verunstaltete dasselbe so heßlich, daß es niemand mehr achtete, sondern darüber spotteten. Alles dieses war noch nicht genug, der unersättliche Hochmuth verleitete mich so gar, daß ich, um nicht mehr ein blosser Wärter der Baume zu seyn, die ganze Form dieses so viele Jahre berühmten Lustwaldes zu verändern mir vornahm; ich rottete Baume aus,und setzte wieder neue an andere Orte, wo sonst nichts gestanden. Damit nun die Form desto besser könnte verändert werden, so mußte ich vorher die größten Bäume, welche um diesen Wald herum stunden, und für den wüthenden Sturmwinden beschützten, umhauen lassen, weil ich glaubte, sie verursachten zu viel Schatten, verhinderten das Wachsthum, und wären der freyen Aussicht hinderlich. Damit dieses desto besser und geschwinder von statten gehen möchte, so nahm einige zu Gehülfen an, die mir diese schwere Arbeit erleichtern foltert. Als dieses wichtige Werk beynah vollendet, und nur noch wenige Baume zu fällen waren, so geschähe es, daß ein Baum, welcher schon zu tief eingehauen war, plötzlich umstürzte, die zarte Rinde meines geliebten Birkenbaums so zerschcllerte, daß kein Merkmal von meinem Namen mehr zu sehe» war, und mich und meine Gehülfen beynahe zerquetschet hatte. — Von diesem Schrecken betäubt, erwachte ich augenblicklich, und alle Glieder zittern mir noch. Sollte nun wohl ein solcher Traum nicht die größte Unruhe und Nachdenken verursachen?

Brand. Es ist so etwas, deucht mir, sehe nachdenkliches darinnen. Ich sehe daraus ein, baß du besser gethan hättest, du wärest mit deinen Neuerungen und andern Verordnungen, die du vielleicht, doch ich weiß es nicht, aus guter Absicht zu des Reiches Beßten unternommen, zu Hause geblieben. Bepspiele hätten dich klug machen können.

Struensee. Ich weiß sehr wohl, daskrankt mich eben,worinn ich gefehlet; und was ich nun thun würde, wenn ich frep wäre.

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Brand. Es gehet dir, wie allen Menschen, die zu viet Eigenliebe besitzen, die erst dann andern wollen, wo es nicht mehr zu andern ist. Es ist nun alles zu spat. Du konntest ia wohl, als ein vernünftiger Mensch vorher leicht einsehen, daß es ganz unmöglich war, durchzukomtnen. du möchtest es auch anfangen wie du wolltest.

S-ruenfte. Warum hast du mich aber, als ein Freund nicht gewarnet, da du es vorher wußtest?

Brand. Was würdest du mir wohl darauf geantwortet haben, wenn ich es treumeinend gethan hakte? Genug, ich verließ mich bloß auf dich, und dachte, weil du in solchem Anseben stündest, so würde dieses auch wohl gehen. An die Folgen habe ich nie gedacht. Dein Traum aber giebt mir vielen Unterricht, und macht mich in etwas liachdenkend, was ich vorher Nicht gedacht hatte.

Struensee. Ich höre nun wohl aus deinen Reden, Laß dich sowohl als mich der Hochmuch so verblendet, Laß wir die ttUnmehro traurigen Folgen einzusehen, nicht im Stande gewesen find. Also wüsten wir nun billig erwarten, wozu man uns bestimmen wird. Vielleicht werden wir bald ein erbauliches Gespräch im Reich der Lodten halten können. — Jetzt gleich werde ich zum Verhör geführet werden.

1

Anmerkungen

zur Brandtischen Bekehrungsgeschichte.

(Zu der auf 3 Bogen gedruckten alten Edition.)

S. 5. Nach Len Worten da ist die Gnade

viel mächtiger worden. 1)

1) Der Hert Probst zeigt sich in dieser ganzen Heilungsgeschichte seines moralischen Patienten, als ein gründlicher Theologe, der die Natur der Heilsordnung mit der Schwär che des Sünders, mit mehr als gewöhnlichem Fleiße verglichen hat. Er findet einen Theil des Nachdrucks geistlicher Beredsamkeit, in der Anführung der kernreichen biblischen Vorstellungsarten: und irret sich nicht. — Wie oft schwächt eine menschliche Paraphrase, oder eine Erklärung den starken Ton und die Ueberzeugung eines bibl.schen Ausspruchs; unter welchem der Geist Gottes seine Erklärbaren Wirkungen führt.

S. 7. Nach den Worten: und mein Amt

Weines Gottes. Jes. 49, 4. 2)

2) Wir können uns nicht enthalten, zu sagen, mit welchem süßen Vergnügen wir den edlen Charakter, die kluge, redliche und murhige Aufführung des Herrn Probsts, in diesem mühsamen und doch ewig fruchtbringendem Geschäfte, und mit uns ein großer heil des christlichen Publikums, bemerkt haben. Der ungekünstelte und zuversichtliche Gang seiner Unternehmungen, und sein gedankenreicher und abgemefiner Ausdruck, verdient alle Aufmerk samkeit und allen Beyfall. — Er ist ein Arzt, der seinen Kranken, so wie sonst als Redner der Kanzel fernen Text, studieret: — ein Arzt, der (ih nicht auf die Kräfte einer Umversalmedicin mit allzu kühner Seele verlaßt! — oder bloß über seine Simplicia philosophirt, und mir angemaßter Wissenschaft durch alle Vorfälle und Kräfte des Kranken, und der Heilungsmittel hindurch schauer. — Er pflanzt, und begießt, und überlaßt dem Herrn des Gartens das Gedeyen, mit beruhigender Zuversicht.

S. 10. Nach den Worten: aus freyer für sie veranstaltet habe. 3)

3) Zu dieser Abhandlung des Erbübels des sündigen Menschen könnte freylich zur näheren Aufklärung und Bestimm-

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mutig mehreren hinzugedacht werden: Osch hat der Hert Verfasser wohlgethan, darin, daß er bey den biblischen Begriffen geblieben ist! als welche, in Absicht ihrer intensiven Und ertenuven Beschaffenheit für unfern Unterricht von Gott, ausgewählt sind. Gort wollte um der Menschenhänden willen, die Gesetze seiner Welt und der Natur des Menschen nicht andern. Der Einfluß der Sünde auf dieselbe rechtfertiget den Richter, und macht den, der die Welt mit sich selbst versöhnte, recht groß, den Sünder aber recht klein, en den Augen einer christlichen Vernunft. Um deswillen würden wir einen Lehrer es nicht verzeihen können, wenn er diese zur göttlichen Demüthigung und Prüfung eines zu belehrenden Misserharers gehörige und recht wirksame Lehre beyftit lassen, oder nur obenhin berühren wollte. Doch sep Die Ausführung davon rührend und auffallend in den Vorstellungen, und stark in ihrem Einflüsse auf das vorige und nachfolgende Leben des Zühörers.

S. 12. Nach den Worten: ohne sich mit Fleisch und Blut zu besprechen. 4)

4) So groß und unermeßlich vortheilhaft wegen seiner Folgen in wichtigen irrdischen Dingen ein guter, schneller und murhiger Entschluß werden kann: so und noch unendlich mehr muß er es dein Streiter Jesu Christi werden, und ihm diese Regel daher zu empfehlen seyn.

S. 13. Nach den Worten: und Standhaft tigkeit verspräche. 5)

5) Bey einem durch Leichtsinn fehlerhaften Gemüth ist mehrenrheils und wahrscheinlicher Werft mehr Hoffnung der Besserung und weniger Gefahr, als bey einem stolzen Herzen,welches von Widersetzlichkeit und Zurückhaltung pfleget begleitet zu seyn. Das Urtheil des Herrn V. über diesen Fall verdient die Aufmerksamkeit der Leser.

S. 16. Nach den Worten: wie ein Sünder erscheine. 6)

6) Diese dem zurückkehrenden Sünder so fruchtvolle Wahrheit wird ihm von selbst einleuchtend durch den Ausspruch seines Gewissens, dem deutlichenBewußtseyn seiner unglücklichen Erfahrung, und durch den Blick, den er auf die Forderungen der Heiligkeit Gottes wirft. Gott legitimirt fein Wort an jedem Herzen, wenn der Mensch fühlen will.

S. 19. Nach den Worten: und zu bekennen lehret. 7)

7) Der heilsbegierige Graf hatte hierin vollkommen Recht, und es ist gewiß ein unglücklicher Einfall, wenn man mir Ab-

3

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Meichung von diesem Beweise, aus den Weissagungen das A. von dem N. T. in seiner Lehrart zu sehr entfernen wollte.

S, 36. Nach den Worten: ihm zum voraus zubereitet habe.

8) Diese Vorstellung des Hintritts in jene Welt, nebst dem dabey gebrauchten Gleichnisse vom Abendmal, ist wohl gewählt. ES ist sehr sichtbar, mit welcher edlen Warme der Lehrer hier seinen Zuhörer unterrichtet, und wie stark dieselbe in die Seele des Letztern übergeht und sie begeistert.

S. 37. Nach den Worten: von Zerstreuungen freyer seyn würde. *)

*) Auch diese Erinnerung des Herrn Probst Hee ist sehr vernünftig. Wer kann sich selb fúr seine künftige Fassung Bürge seyn? — Ihr, die ihr eure Buße verschiebet, und in der Einbildung stehet, ein ernstliches Gefühl von Reue können in eueren letzten Augenblicken den Zorn des Richters besänftigen, und seine zum Strafen schon erhobene Hand zurück halten: ich kann nicht umhin, euch bey dieser Gelegenheit zu fragen, wer euch Bürge seyn könne, daß ihr in euren letzten Augenblicken dieser ernstliche Gefühl von Reue haben werdet? —

S. 39. Nach den Worten: der Gnade in seiner Seele war. 9)

9) So gewiß und so sehr unser Gefühl den stärksten Ausdruck einer beredten Zunge übertrift: so gewiß wollen diese göttlichen Empfindungen mehr gefühlt, als beschriebe segn. Die Starke und Lebhaftigkeit des heiligen Gefühls, die mächtigen Ueberzeugungen der sie begleitenden und sie gerechtfertigenden Wahrheit, und der siegende Muth des geheilten Gewissens, drucken diesen Empfindungen ein unverwerstiches Siegel auf.

S. 40. Nach den Worten: der soll erhöhet werden. 10)

10) Dieser gegründete Gedanke des Herrn V. und der damit verknüpfte Ausspruch der Schrift, erinnert uns mit Vergnügen an die unter sich gewiß sehr verschiedenen Grade der Seeligkeit, welche der Richter der Welt, bekehrten Missetätern anweisen wird; wir wünschten, diesen Gedanken ausgebreiteter zu finden, um die Aussicht, die er verschaft, weiter eröfnet zu sehen. Nicht allein die Reinigkeit, und Starke aller Butzhandlungen, sondern auch die erhöhete Sorgfalt und der geschäftigste und treuste Fleiß in der Heiligung und neuem Gehorsam; so kurz auch Zeit und Gele-

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52 genheit zu wirklichen Ausübungen sind, lassen dies erwarten. Nicht weniger kömmt hier die größte von dem Ge,fühl seiner Armuth und Unwürdigkeit des Geistes, nebst der die Seele zerschmelzenden Demmhigung vordem unend,!ich heiligen und zugleich so gnädigen Gott, in Betrachtung. Die ganze plötzliche Veränderung des Sünders, der Anblick des Todes und die Freude der Begnadigung pflegt diese letztere Situation der Seele mächtig zu unterstützen.

S. 47. nach den Worten: stund er seine Strafe aus. 11)

11) Wir bedauren sehr, daß der fließende und ungekünstelte Dortrag des Hrn. P. durch manche gar zu niedrige, und Lurch Gebrauch oder Nebenideen verächtlich gewordene Wörter, entstellt worden ist. Z. E. der Paß zur Himmels,reise. Es ist wohl nicht wahrscheinlich, daß sich dergleichen im Original sehr viel besser, als in der Übersetzung wird lesen lassen. Die Vergleichung der Lage Christi am Oelberg mit der Ausstreckung des Verurteilten, aus dem Blocke, hätten wir auch, gern weggewünscht.Doch wie Leicht vergießt man dies, über der Dortreflichkeit des Werks!

Es war einmal ein stolzer Mann, Mit Namen Struensee,

Der streg von einem Doktor an Zum Grafen in die Höh'.

Fortuna hatt' sich sehr geirrt Bey dieser Gaukeley:

Denn, wenn ein Artzt Minister wirb, Ist auch ein Nart dabey.

1

Sämtliche Anmerkungen zu den

Bekehrungs-Geschichten

der beyden Grafen

Struensee und Brandt.

Hamburg und Leipzig, zu bekommen den dem Commercien-Rath Hechtel. 1773.

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3

Vorbericht Der Verleger hält die wenigsten dieser Anmerkungen für sehr wichtig oder nützlich; deswegen hält er sich verbunden, von diesem besonder« Abdruck derselben einige Nachricht zu geben. Er fand, daß die mit Anmerkungen begleiteten Ausgaben die Neugier das Publikum reizten; daß viele in der Erwartung standen, solche Sachen zu finden, die über verschiedne dunkle Umstände in dem Struensee- und Brandtischen Vorfälle mehr Licht verbreiteren; und daß deshalben viele Personen, die bereits eine der ersten Ausgaben befassen, bloß um der Anmerkungen willen auf feine im Februar angekündigte neue Auflage theils Unterzeichneten, theils sogar sich mit dem Nachdruck eines gewissen Lauenburgischen Buchdruckers beluden. Um demnach denen,

4

Vorbericht.

welche mit einer von den alten Auflagen versehen sind, die unnöthigen Kosten zu ersparen, erscheinen die sämtlichen Anmerkungen hier besonders; und zwar sind die alten mitZahlen, die neu hinzugefügten aber mit einem Sternchen bezeichnet. Die Pagina, welche jeder Anmerkung

vorgedruckt ist, beziehet sich auf die vorhergehenden Ausgaben, mit welchen der Berenbergsthe erste Nachdruck Seite für Seite bis auf die Druckfehler übereinstimmk

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Sämtliche Anmerkungen zur Struensee-

und

Brandtischen Bekehrungs-Geschichte.

Seite 11. Nach den Worten: guter Sitten bewiesen. 1)

i) Das BekehrungSgeschafte de» Grafen Struensee, so weit es Menschen betreiben konnten, war mühsam und bedenklich ; desto nölhiger war die Geschicklichkeit und der Fleiß des würdigen Verfassers dieser Geschichte. Es wird uns erlaubt feyn, unsere Bedenklichkeiten zu äussern, derer die erste Liese ist ; daß man mit vielen Freunden der Religion zu viel menschliche, und zu wenig göttliche Weisheit in dieser Bekehrungsart anzutressen glaubt. Freylich war die natürliche Erkenntniß Gotte« eine Vorbereitungs - Wissenschaft, um diesen mit Zweifeln und Vorurtheilen erfüllten Geist zu den geoffenbarten. Wahrheiten zu führen: allein vielleicht hielt er sich zu lang auf diesem Wege auf, und versäumte Zeit und Fleiß, auf dem Wege des Glaubens weit genug zu kommen. Zwar nicht so philosophisch, aber desto theologischer ist die Lehrart des Herrn Probst Hee, in der Bekehrung des Grafen Brandt. Hier spricht die Schrift, und wert starker als mathematische Beweise ; die Wahrheit schleicht sich selbst in das Herz des Lesers, mit ihrer ihr eigenen göttlichen Kraft und Einfalt.— Wie unglücklich wurde bey manchem Leser die Wirkung dieser sonst brauchbaren Nachrichten seyn, wenn er dadurch einen Geschmack an einer philosophischen Zubereitung zum Lode gewinnen sollte ! die Gewißheit durch den Glauben ist unserer Natur nier mal« so willkommen, als die Ueberzeugung durch Gründe der Vernunft.

Erste Unterredung.

S. 12. Nach den Worten: Nachricht — erhalten. 2)

a) Es ist der Pastoral-Klugheit völlig gemäß, was der Herr Doctor Münter hier mit so vieler Einsicht als Geschick-

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lichkeit ausgeführt hat. Der gerstlrche sowol als her leibliche Arzt, soll seinen Patienten studieren; und sich das Vertrauen desselben vor allen andern Geschäften, zu Erwerben, angelegen seyn. lassen. Wie unzeitig und unbillig ist es, seinen Unterricht sogleich mit aller Harte gesetzlicher Vorwürfe, oder wol gar mit stürmischer Hitze, zu eröfnen.

S. 13. Nach den Worten: und dankte mir — Schicksale. 3)

3) Ein Beweis, daß das Herz dieses bedaurenswurdigen Mannes

mehr verirret, als unedel gewesen, und nun vom Schwindel und den Vorurtheilen menschlicher Glückseligkeit nüchtern geworden ist. Wie stark war sonst sein Wider wille

gegen die Geistlichen.

S. 15. Nach den Worten: mit Empfindung

— gehen mögte. 4)

4) Der Herr Doctor hatte hier ohne Zweifel kernen andern Trost, als den, der aus der Versöhnung des Gottmenschen fließt, in Gedanken; daher hatten wir denselben hier zu lesen geglaubt. Vielleicht kann sich mancher Leser, wie vielleicht Struenser gethan haben kann, sich unrichtige Gedanken machen; obgleich Hert Münter diese christliche Standhasngkeit jenem philosophischen Heldenmuth entgegensetzt.

Ebendaselbst. Nach den Worten: Sie wissen ihr Ziel — bestimmen. 5)

5) Wenn Krankheit und Armuch lange genug als Züchtigungen eines in seinen Lüsten ertrunkenen Herzens, als soviel Besserungsmtttel von der weisen Vorsehung angewandt worden sind: so erhalt oft der unbiegsame Sünder seinen verkehrten Endzweck, und Reichthum und Ansehn wird ihm im Zorn gegeben, und Gottes Gerechtigkeit verherrlicht sich Im Zorn an ihn. Der Tod scheint selbst ihm noch nicht schrocklich zu seyn; aber es ist etwas anders, ihn in der Ferne, oder ihn in der Nahe zu erblicken.

S. 17. Nach den Worten: sie gefunden hätten. 6)

6) Nach unserer Einsicht hatte hier der Leitfaden zum Uebergangz, auf die Lehre vom Gewissen, vom Daseyn eines allmächtigen Richters, der Erwartung einer Ewigkeit u. s. w. schicklich angeknüpft werden können. Wenn Struensees Mitgenossen der Freydenkerey, den Gedanken von der eingebildeten Vernichtung, mit merklicher Schröcklichkeit verknüpft fanden, so war dey St. — sehr wahrscheinlich eine unermeßliche Zerstreuung und moralische Trunkenheit die

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Ursach von dem unterdrückten ahndungsvollem Gefühl feiner Seele. Wie elend versteckt er vor sich selbst die wahre Regung der Natur seiner verirrten Geistes unter den feigen Wunsch, bey vermindertem Wohlstände lieber fortjuleben, als sein ganzes Daseyn geendigt zu sehen.

Ebendaselbst. Nach den Worten: es zu verbessern — abzuwenden. 7)

7) Da es dem gelehrten.Herrn Verfasser beliebt hat, dreien philosophischen Weg einzuschlagen, so konnte sein Unterricht unmöglich anders, als weitlauftig werden. Da man doch von verschiedenen Seiten her den Wunsch geäußert hat, einige Abschnitte der geoffenbarten Religion, z. E. von der Rechtfertigung, dem Glauben, dem Abendmal rc. mehr ausgesührt zu finden. — Wichtiger Dortheil! daß dieser Eingang von Struensee so folgsam betreten wurde.

S. 19. Nach den Worten: ins Unglück gezogen habe. 8)

8) Wir können hier die Anmerkung von Num. 6, mit einiger Veränderung wiederholt, hersetzen; und in dieserStelle des Struenseeischen Bekanntnisses ein neues oder wenigstens verstärktes Zerrqniß dazu finden.

Ebendaselbst. Nach den Worten: der Mensch würde genug gestraft. 9)

9) Die moralischen Unordnungen der denkenden Welt möglichst zu verbessern, muß sich allerdings die strafende Gerechtigkeit Gottes äußern; und wenns möglich ist, daß GOtt uns hievon eine schriftliche Offenbarung gegeben haben kann: so würde es uns aufferst wichtig und pflichtmaßrg styn, sie zu lesen, wie es in Absicht unsers Lebens und Todes damit bewandt sey. Sollte der Hert Doctor nicht auf diese oder eine ähnliche Weise einen nähern Uebergang zur Offenbarung haben finden können, um Zeit zu gewinnen, und sich über die Erkenntnisse und Pflichtendes Christen mehr ausaebreicht zu habend

S. 20. Nach den Worten: Ich sagte diektt mal wenig die Religion. 10)

10) Wie sehr würde der berühmte Hert Doctor seine Leser

verpflichtet haben, wenn es ihm gefallen hatte, das wenige auf Struensees Einwürfe, die nicht die unerheblichsten sind, herzusttzen, und den unbelesenen Leser, der hierbey mit zurückbehaltener Bedenklichkeit stehn bleibt, zu einem ergiebigen Nachdenken durch einen kleinen und gründlichen Auszug der Widerlegungsgründe anzuleiten. Auch bey Jerusalems Betrachtungen nehme man wol einen Auszug vorlieb.

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S. 20. Rach den Worten: denn er erröthete.

11)

11) Dieser rednerische Erschütterungs-Ton, nebst den aus Erfahrung genommenen Gründen, macht durch die Aus, wähl der Zeit und des Inhalts, der Einsicht unsers Verfassers Ehre.

Zmote Unterredung.

S. 23. Rach den Worten: mit andern erwiesenen Wahrheiten. 12) 12) Wie viele verdächtige Dunkelheiten müssen hier die Überzeugung eines von Furcht und Zweifeln erschütterten Gemüths zurück halten, wenn es entweder aus Mangel der Zeit, oder Uebung im Nachdenken, oder der Fähigkeit, Klarheit und ungezweifelten Zusammenhang in diesen metaphysischen Betrachtungen hier oder dort vergeblich sucht. Nur ein Beyspiel: Der Mensch kann ohne körperliche Bewegung wirken, ist nicht so ganz unwidersprechlich, weil es den Aerzten höchst wahrscheinlich ist, daß mit jedem Gedanken des Menschen Verhältnißmäßige Bewegungen im Gehirne verknüpft sind.

S. 28. Nach den Worten: desto unbegreiflicher aufzugeben. *)

*) In der That sehen wir nicht, wie dem Herrn Doctor dieses Verfahren des Grafen unbegreiflich seyn konnte. Es lebt schwerlich ein Mensch, der nicht seine vorgefaßten Meynungen, seine Lieblingsvorurtheile haben sollte. Diese angefochten zu sehen, krankt ihn nicht, so lange er: Hoffnung hat, sich den Gegner überwinden zu können; aber überwunden, sich einer ungegründeten und falschen Meynung überführet zu sehen, dies ist um desto krankender, je langer und fester man seinem unrichtigen Dorurtheile angehangen hat, und je einleuchtender die Widerlegung ist. Man schämt sich des Geständnisses, geitret zu haben; und immer wird sich der Stolz, so lange er nur noch den schwächsten Scheinsrund aufbringen kann, in den Weg stellen, wenn man diese Schaam überwinden will. Erinnert man sich nun, daß philosophischer Stolz und philosophische Vorurtheile allemal tiefere Wurzeln schlagen: so wird die Wegerung des Grafen Struensee sehr begreiflich seyn. Eben dieses erkennet Der Hert Doctor in her Folge, und setzt es sehr gut und mit tiefer Einsicht in das Herz, das er vor sich hatte, aus einander.

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S. 29. Nach Len Worten : nachgeben wollte

er nicht. 13)

13). Diese Unterredung scheint uns in mehr als einer Absicht vorrreflich zu seyn; und verdient, wegen ihrer starken Ueberzeugungsgründe, nebst ioren gründlichen und klaren Einsichten, und wegen ihres eindringlichen Vortrags mehrmal gelesen zu werden. Sie sieht dem Redner vollkommen Ähnlich, den wir ehemals in der Person des Herrn Doctor Münter kennen zu lernen, Gelegenheit gehabt haben.

Dritte Unterredung.

S. 33. Nach den Worten: keine Illusion zu befürchten. *)

*) Zumal bey einem so zulänglichen und überzeugenden, als der Beweis für das Daftyn der Seele. Die übrigen Worte dieses Absatzes beziehen sich auf das Argumentum a tuto: ein Argument,dem ich nur auch, wenn HerrLeßing seine bekannteErzählung nicht geschrieben hatte, bey sehr schwachen oder eigennützigen Seelen einige Wirksamkeit zutrauen mögte.

S. 35. Nach den Worten: erretten Sie Ihre Seele. *)

*) Sollte nicht der Hert Doctor wirklich mehr gewonnen haben, wenn er den Grafen mit der Erinnerung seines nahen Todes nicht erschüttert hatte? —

S .41. Nach den Worten: Ihre Pflicht von Ihnen fodert. 14)

14) Sollte nicht der Herr Verfasser, wie überhaupt, also hier auch besonders, ein wenig zu viel Weitläufigkeit in der Einkleidung seines Unterrichts beweisen; und zugleich hier Len menschlichen Kräften in Struensee zu viel wirkende Kraft beygelegt, oder ihn auch zu stark auf das Vertrauen auf Gott gewiesen habend Da doch die Fähigkeit dazu, die gänzliche vorhanden war. Zerknirschung seiner Seele noch nicht vorhanden war.

Vierte Unterredung.

S. 47. Nach den Worten: nach sich ziehen kann, ist böse. 15)

15) Jedes Menschen moralisches Gefühl, eben so wenig, als das moralische Gefühl, wie es bey dem Sünder anzutreffen ist, in einem abgezogenem Begriffe genommen, kann wol nicht gerade zu ohne weitere Einschränkung der Wille Gottes genannt, oder anstatt desselben gesetzt werden; weil

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es gleich andern Kräften der Seele durch moralische und phystcalische Unordnungen der menschlichen Natur mit zerrüttet ist. Der Verstand ist voller Unwissenheit und Irrthümer; daher entstehtauch bey dem Redlichsten ein irrendes Gewissen.

S. 48. Nach den Worten: zu nochmaliger Untersuchung. l6)

16) Einem Unglücklichen, der seiner Freyheit und, aller gegründeten ORE zu einer irrdischeu Glückseligkeit beraubt ist, pflegt dieser schmerzliche Verlust gar zu leicht wieder einzusallen, auch unter den ernsthaftesten Betrachtungen; und eine durch Gewohnheit fast unüberwindlich gewordene Anhängigkeit des Herzens an feine alte Herrschaft und Wollüste preßt bey so großer Aenderung der Umstande leicht Thränen aus, die die Erwartung eines fürchterlichen Schicksals vermehrt. Hier können die scharfsichtigsten Augen betrogen werben. — Selbst dey den Thränen einer “philosophischen Reue!

S» 50. Nach den Worten: Vor Gott ist — und spät. 17)

17) Vor Gott ist kein Unterschied zwischen früh und spät dieser Ausdruck laßt etwas zweydeutig, und daher zu irrigen Gedanken beförderlich zu seyn. Zwischen einer zeitigen oder durch sanfte Reizungen entstandenen Rückkehr, und einer spaten, oder aus einem verhärteten Herzen durch Donnerschlage gleichsam erpreßten Besserung, die freylich mit Einsicht und freyerEntschliessung begleitet seynkann, findet, in Absicht ihrer Quelle und ihrer Folgen, ein deutlicher Unterscheid statt. Der Hert Verfasser hat aber ohne Zweifel damit die gleichmäßige Bereitwilligkeit Gottes, den Sünder aufzunehmen, ausdrucken wollen.

S. 52. Nach den Worten: wie unwiderstehlich — Seele auf! 18)

18) Sollte die christliche Religion sich nicht auch an Seiten des Glaubens und ihrer göttlichen Ueberzeugungen unwiderstehlich in die menschliche Seele dringen? — nicht dadurch ihre Sittenlehren mit der rechten, einnehmenden, und himmlischen Gestalt vor unfern Augen verklären, den Grund zur Moral im Verstände und Herzen legend? — uns von dem Vertrauen auf eigene gute Handlungen, ehe dies reizende Dorurtheil in uns Fuß faßt, zeitig genug ablenken können? — Wer wird dies sogleich von der Hand werfen können! Glaube an den Herrn Jesum: so wirst du & c. Und was nicht aus dem Glauben geht, das ist Sünde.

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Fünfte Unterredung.

S. 57. Nach den Worten: die er mir nannte. *)

*) Wie sehr muß man es billigen und loben, daß Hert Doctor Münter diese Bücher seinen Lesern nicht wieder nennt!

S. 60. Nach den Worten: das Sinnliche ist, herabgeseht. 19)

19) Wir können es nicht bergen, daß wir in dieser ganzen Untersuchung über die Sünden der Wollust vieles vermissen, und andere, die mehr Aufmerksamkeit dazu anwenden werden, und aus unserm Gesichtspuncte sehen, werden vielleicht noch mehr hinzu setzen können. Wir finden überhaupt das Verhaltniß des Sünders gegen Gott, seinen Schöpfer, nicht aber gegen Gott, als seinen Erretter vom Sündenfall durch Christum, und durch Wirkungen des erleuchtenden und heiligendenGerstes bemerket. Hiedurch würde die Sünde erst recht sündig werden. — Dies kömmt in der Folge! Hier gehörte es doch aber, der Vollständigkeit wegen,

(nac) des Heils hm; und in der Folge wird es weniger nutzen können; und vielleicht auch nicht genugsam angetroffen; wo bleibt z. E. die Lehre von der Rechtfertigung in ihrem Umfange, und wie wenig sagt der Herr Voltaire von dem heiligen Abendmale.

S. 63. Nach den Worten: ungestört gelassen hätten? *)

*) Diese Betrachtung allein mußte schon hinreichen, die Heiligkeit der Ehe unverletzt zu erhalten, und sie würde gewiß bey manchen nicht ohne Wirkung styn, wenn sie denen eingescharft würde, die von selbst nicht darauf fallen. Zwar mögte sie wol nur selten den Verführer abhalten; aber einer Ehefrau, zumal wenn sie schon Mutter ist, könnte diese Vorstellung schwerlich über das Herz weggleiten.

S. 66. Nach den Worten: seiner Väter größr tenrheils verloren. 20)

20) Wir glauben überhaupt, daß es klar sey, in der Geschichte Israels und den Lehren Moses, daß dieses Volk die Gewißheit von der Unsterblichkeit der Seele niemals ganz verloren, sondern unter die Grundwahrheiten, seines Glaubens gezahlt habe; daß der Ausdruck: deiner Pater diese Lehre unter andern genugsam bestätige, so wie die Aussicht auf den künftigen Erlöser, der vielleicht nach ihrem Tode kommen würde; nebst dem Unterschied zwischen der Vergebung der Sünden, und den doch erfolgenden leiblichen Strafen, z. E. im Leben Davids. Der leibliche

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reiche Segen benahm den ewigen Belohnungen, die sich in der Hinwegnahme Heuochs blicken ließen, Nichts und wußte die sinnlichen Beschwerlichkeiten des jüdischen Gott Lesdienftes versüßen. Doch wozu so viel Weitläufigkeit!

S. 67. Nach den Worten: in ihnen selbst nicht vorhanden wären. 21)

21) In der menschlichen Art zu denken, die sich nicht auf unendliche Gegenstände paßt, werden wir allzeit die Widerspräche hausen, die wir vermindern wollen, wenn wir über Geheimnisse der Religion philosophiren. Der Glaube allein schützt vor dieser Gefahr, und wirkt doch mehr Gutes, als die Spitzfindigkeiten menschlicher Vorstellungsarten. In der unendlichen Natur der Geheimnisse selbst, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist, ist sreylich ewig kein Widerspruch. In der richtigen Art, den wahren Sinn göttlicher Worte aufzusuchen, sollte unsere Philosophie wolihre billigen Grenzen finden.

Sechste Unterredung.

S. 69. Nach den Weorten: zu erlangen suchet.

*) Strengere Moralisten mogten vielleicht hier dem Herrn Münter nicht beypsiichten. Die wahre Tugend, sagen diese, wird niemals nach ausserlicher Ehre trachten. Wer ausserliche Ehre, auch nur in soferne sie eine Folge der Tugend ist, zu erlangen suchet: dessen Tugend ist eigennützig, folglich nicht lauter; er bedienet sich der Tugend, wozu andre die Laster gebrauchen — zur Sättigung seines Ehrgeizes — Indessen scheinen die, welche auf eine so gelauterte Tugend dringen, etwas von dem Menschen zu fordern, wozu vielleicht kaum Engel sich erheben können.

S. 74. Nach den Worten: ich nicht unterrichtet war. *)

*) Obwohl der Hert Doctor sich auf die Entschuldigung des Grafen nicht einlassen konnte: so würde er doch seinen Set fern einen Gefallen, und der Wahrheit einen Dienst gerhan haben, wenn er auch dieses wenige, welches Struensee zu seiner Entschuldigung mit oder ohne Grund sager, dem Publikum hatte mittheilen können.

S. 76. Nach den Worten: für die Wahrheit — aufopferte. 22)

22) und noch mehr zur Absicht hatte, und that: der sein Leiden und seinen Tod zum Errettungsmittel von göttlichen, ewigen Strafen, für alle, die diese gepredigte Wahrheit am nahmen, machte; welches noch kein Lehrer gethan hatte. — Wehr, als ein göttlicher Mann; Gott selbst!

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S. 77. Nach den Worten; würden irre machen lassen. 23)

23) Hier in der Lehre von Jesu erscheinen die Empfindungen eines Wiedergebornen, wenn dies Wort nicht zu alt/ oder scholastisch und mystisch ist; und vorher gieng die Buße? sie sollte billig hier ihren Ort und ihre wahre Gestalt finden, unchristlich zu styn.

Achte Unterredung.

S. 93. Nach den Worten: an den Tag zu legen. 24)

24) Warum wollen wir denn jetzo den Glauben, der die Quelle guter Werke nach unserer Heilsordnung seyn soll, auf diesen folgen lassen; wie sonderbayr möchte dieser Gang werden, wenn man von der Besserung des äußerem Menschen zum inneren fortgehen wollte. Sollte dies christliche Sinnesänderung seyn? oder sollte die Verziehung meiner Mienen vor einem Spiegel die Aenderung meiner Gesinnungen bewürken, oder mich iw Guten wahrhaftig befestigen können; Und was für ein Ueberzeugungsgrund für mich und andere!

Neunte Unterredung.

S. 102. Nach den Worten: keinen Anspruch machen. 25)

25) So vortreftîch der Herr Doctor Münter viele theologische Wahrheiten auseinander gesetzt und erläutert hat: so glauben wir doch, daß wir bey dieser gründlichen Vertheidigung der guten Sache der geoffenbarten Religion, zu dem Urtheil über einen muthwilligen Verächter derselben, hinzusetzen müssen: daß derselbige nicht allein keinen Anspruch auf die ewigen Vortheile der Christen machen könne, sondern auch das Schicksal eines tugendhaften Heyden nicht erwarten könne, statt dessen eine strafenvolle Ewigkeit zu befürchten Ursach habe. Wie groß ist der Unterscheid zwischen einer schuldlosen Beraubung dieser Erkenntniß und einer vorsetzlichen Verachtung derselben!

S. 104. Nach den Worten: wieder ausgelöscht werden können. 26)

26) Daher ifi Witte und Entschließung zu guten Handlungen vor Gott genug, und dem Christen von seiner Bekehrung Beweis genug, wenn ihn der Tod, oder ein anderer Zufall, Zeit und Gelegenheit zu thatigen Früchten seiner Besserung und seines aufkeimenden Glaubens raubt.

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S. 105. Nach den Worten: wird sie niche wegnehmen. 27)

27) Sollten alle diese Folgen ganz und allemal richtig da segn i Wie manches Christen Einsicht und Gefühl möchte Per wieder etwas einzuwenden haben. Der Hofnungsvolle große Gedanke einer herantretenden Ewigkeit, einer neuen Welt und ihrer höheren und unendlichen Aussichten; sollte der nicht, nebst den Empfindungen einer übernatürlichen Religion, die Macht der Furcht vor dem Tode herabsetzen können. Auch hier spricht die Erfahrung, daß ein großes Licht das kleine neben sich verdunkele. Es ist ein Vorzug der gläubigen Beruhigung, Ueberzeugung durch die biblische Wahrheit/Ergebung des Herzens an Gott, von den Ueberzeugungen der Vernunft, daß jene ersteren die Seele mmhrger und standhafter machen. Bey dieser letztem regt sich der natürliche Stolz und Unglaube faß immerfort, und wirft den bangen Geist zwischen Furcht und Hofnung herum.

Zehnte Unterredung.

S. 109. Nach den Worten: für das Vorzüglichste erkläret hatte. *)

*) Es wäre zu wünschen, daß jeder Seelsorger sichs angelegen seyn ließe, den Charakter, die Denkart und Grund-Satze

derer zu studiren, die dereinst von ferner Hand gefordert werden. Das Beyspie! Struensees rechtfertiget diesen Wunsch. Sollte wol ein Geistlicher, der nicht so wie Hert Münter beflissen gewesen, rief in seine Gesinnungen zu bringen, sollte der wol bey dem Grafen seinen Zweck so glücklich erreicht haben?

S. 111. Nach den Worten: daß Sie noch so

viel Gutes — können. 28)

28) Wir missen hier, nicht ohne Befremdung, die wichtigen dogmatischen Puncte: die Lehre von dem eigentlichen versöhnenden Leiden und Tode Jesu des Gottmenschen, und der Verdienstlichkeit seines vollkommenen Gehorsams für den bußfertigen Sünder; um ihn die Wahrheiten von der Rechtfertigung dieses vorzüglichen Kleinodes unserer evangelischen Religion desto nothwendiger und einleuchtender zu machen. Viele unserer Mitleser werden diese Bemerkung vielleicht noch öfter machen.

S. 113. Nach den Worten: ihren Lüsten schmeichelt, 29)

29) Diese so nützliche Bemerkung macht dem Scharfsinn, und her Treue des Herrn V. in seinem Lehramte, gleichen Ruhm.

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Gleich dem zartesten Uhrwerke, welches durch die kleinste darzwischen kommende Hinderniß stecken, oder durch die kleinste Nachläßigkeit in seiner Richtigkeit behindert werden kann: wird der Verstand einer durch Laster entkräftete Seele in seinen Uederzeugungen, das Gewissen in seinen Urtheilen, der Wille in einer unglücklichen Unschlüßigkeit, und wer kann die Falle zählen, worin der ganze Geist aufgehalten, und seine Wirksamkeit in Fesseln gelegt wird. — Solche kurze aus der Natur des Menschen, welche in seltenen Situationen sich zu entdecken gezwungen ist, und aufmerksam beobachtet wurde, richtig abstrahirte Regeln sind praktisch besser, als viele lange gelehrte theologische Deduktionen.

Zwölfte Unterredung.

S. 126. Nach den Worten: welche in ihr enthalten sind. 30)

30) Diese Methode mag hier ihre Dortheile gehabt haben, die aber noch nicht ohne allen Widerspruch bleiben, und vielleicht unter der heiligen Lecrüc immer zu erhalten gewesen seyn würden: sie hat auch ihre Unbequemlichkeiten, vielleicht unter mehreren, den Zeitverlust für einige, eigentlich biblische Lehren, Zerstreuung in Nebcnideen, und einige unnöthige Bekanntschaft mit Einwürfen und Zweifeln. Das Verhalten dieses moralischen Patienten möchte dies erhärten. — Die Schrift rechtfertiget ihre mit aufrichtigem Gemüthe bezweifelte Wahrheiten, selbst auf eine ihr eigenthümliche Art. Ein Theil der Zweifel verliert sich ganz mit zunehmender Einsicht, und durch das Gefühl der Wahrheit in allen Kräften des Geistes. Ein anderer Theil wird unerheblich bey dem alles überwiegenden Reichthum der göttlichen Erkrnntniß und Gnade. — In jedem Falle wird auch der Hert Doctor Münter seine Methode wol nicht angewandt wissen wollen.

S. 127. Nach den Worten: fast alle stumpf werden. 31)

31) Wie richtig und gut ist diese Forderung! man möchte eine andere hinzusetzen, die mit jener parallel läuft, und für den Wachsthum der christlichen Weisheit und Tugend nicht weniger als jene gemeinnützig ist: "wenn man nur alles das, was Menschen aus der biblischen Religion Hert ausgetragen haben, oder noch als unvorsichtige Winzer abschneiden wollen, auf den Kanzeln und in den Lehrbüchern anzeigete, so würden die Waffen der Neuerungssucht

fast alle stumpf werden." — Beyderley Ausschweifungen

kennen aus einem von Vorurteilen durchdrungenen Ver-

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stande, oder einem von Lüsten bezauberten Herzen entspringen. Auch Predigten von dieser letzten Art können den Unglauben starken: wenn der unvorsichtige Zweifler von des Verwerflichkeit des Einem den Schluß auf alle macht. Dem H * * * möchte ein B * * * entgegenstehn.

Vierzehnte Unterredung.

S. 133. Nach den Worten: Unser Berger — ist er nicht. *)

*) Me diese Männer, welche Hert Münter anfuhrer, gehören Zu den Christen; dennoch finden wir hier nicht die Beantwortung der Struenseeischen Frage. Wer, wie Hert Struensee in der folgenden Unterredung von seiner eignen Erziehung erzählet, keinen vernünftigen Unterricht in der Religion erhalt, der kann sehr leicht, wenn er sich in der Folge der Arzneygelartheit widmet, als Anatomiker und Physiologe auf eben die Irrthümer gerathen, auf welche Struensee gerieth, ohne den la Mettrie gelesen zu haben.

Ebendaselbst. Nach den Worten: hinlänglich

ttriberfeqt wird. 32)

32) Wenn die Fruchte eines Baumes sich nachtheiliger Weise zu verändern anfangen: so ist es wol Zeugnis genug, daß der Baum seine gute Art verlasse. — Wie intolerant schimpft oft ein Herold der Toleranz.

Fünfzehnte Unterredung.

S. 136. Nach denWorten: eine bloße dee, *)

*) Hert Toussaint, dessen Schriftsreylich das Schicksal hatte, durch den Scharfrichter verbrannt zu werden, har schon langst behauptet, daß Liebe ohne Eigennutz ein Unding sey, Er geflehtes; daß er Gott nicht eben um seiner Weisheit, um seiner Allmacht willen u. s. w. liebe: sondern ich liebe ihn, sagt er, weil er gut ist, und weil er mich liebet.

Achtzehnte Unterredung.

S. 152. Nach den Worten: alles Ünvollkommne davon absondern. 33)

33) Diese, bey einer vernünftigen Auslegunaskunst so umentbehrliche, und hier so paßlich, angebrachte, und mit vielem philosophischen Scharfsinn bestimmte Regel, kann den nachforschenden Leser der Schrift nicht genug angepriesen werden. Sie kann bey der Bilder prache des alten, und bey den Gleichnißreden des neuen Testaments, und andern, auch vom Hrn. V. angeführten Fallen nicht entbehret werden.

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Neunzehnte Unterredung.

S. 161. Nach den Worten: Ich kann Ihnen — befriedigt ist. 34)

34) In manchen Stellen der Reden St... scheint sein Dem? peramentssehler, der Leichtsinn, noch mit einiger Herrschaft durchzublicken. Wir wollen itzt hieraus eben nicht einen Grund, an der Aufrichtigkeit seiner Bekehrung zu zweifeln, hernehmen; ob wir Mich auch nicht anders Stellen werden als daß Spötter der Religion solche Stellen werden anzunehmen suchen. Wie bedenklich ist z. E. auf tigre seine Rede: ich thue da er am besten, das hatte, das Chri: Autorität annehme; da er doch eben gehört hatte, daß Christi Auferstehung unter seinen Wundern das größte sey. Da er bey allen sich angewöhnten Unglauben, auch scheint, Sachen der Gottseligkeit, sich bald zu überreden scheint, so bald sein Herz nur eingenommen war: so ist der Eyfer des Hrn D. M. dieses verwickelten Characters bewiesen, Untersuchungen dieses verwickelten Character- bewiesen, und mit Aufmerksamkeit und Scharfe verbunden hat.

Zwanzigste Unterredung.

S. 167. Nach den Worten: zu sagen für nöthig

hielt. 35)

35) Hier wogten wir wol, wenn uns diese Freyheit erlaubt wäre, fragen, warum der Hr. D. hier nicht, zur practischen Erweiterung der Lehre vom Heil. Geist, von dessen Gnadenwürkungen, und Beschäftigungen für das moralische Glück des Sünders, und des Kindes Gottes, geredet habe? Es würde dies unsere Erwartung befriediget haben, die Abhandlung vom heil. Geist weniger speculativ und trocken geblieben, und dem unglücklichen Lehrlinge wohl: thatig, und besonders trostvoll geworden styn.

Zwey und zwanzigste Unterredung.

S. 179. Nach den Worten: und der Liebe zu ihm wir haben müssen, 36)

36) Weil hier keine mathematische Bestimmung möglich und brauchbar ist; sondern es heißt: so viel man bemerken kann; so ist es um nicht des pflichtmaßigen Ernstes in seiner Heiligung, nach der klugen christlichen Besorgniß zu verfehlen, wol rathsam, nach den ersteren Graden der Reue und des kindlichen Gehorsams zu streben: weil mit diesen unsre Gewißheit wüchset von dem Schaffen unsrer Seligkeit mir Furcht und Zittern.

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S. 191. Nach den Worten: für begnadigt von Gott halten können. 37

37) Man kann den wohleingerichteten Fragen, bey dieser Gewissensprüfung, weiche der Herr D. an diesen wieder zurückkehrenden Flüchtling der Religion gethan hat; so wie auch größtentheils den aufrichtigen Antworten, und dem Bezeigen

des Letzteren seinen Beyfall nicht versagen. Die Aten des Grafen bey dieser Unterredung baden ohne Zweifel Berichtigung und Dortrag von dem würdigen Herrn Day doch, wie es nöthig war, mit Genehmigung des Grafen erhalten. Styl und Denkungsart scheinen dies zu verrathen.

Drey und zwanzigste Unterredung.

S. 193. Nach den Worten: mehr als ich sagen kann. *)

*) Die zärtliche Empfindung des Grafen fur seine Freunde muß uns gewissermaßen mir ihm aussöhnen. Sie kündigt ein Herz an, das für jede Tugend geschaffen war. Wie sehr ist es zu bedauren, daß dieser unglückliche Mann nicht vor seinem Fall in der christlichen Religion gründlich unterrichtet, und von ihrem göttlichen Ursprünge überzeuget worden!

Fünf und zwanzigste Unterredung.

S. 208. Nach den Worten: zerrissen worden

ist. 38)

38) Ohne Zweifel ist hier eine derjenigen überflüßigen Vollständigkeiten, oder solcher Wiederholungen anzutressen, welche, nach dem Urtheile vieler Leser dieser Bekehrungsgeschichte, diese Schrift unnörhigrt Weise vergrößern, und der Aufmerksamkeit kenie neue oder hinlängliche Nahrung geben. Kleine Auszüge aus den Unterredungen würden hier willkommen gewesen seyn. Auch dieser Vorwurf möchte nicht ganz leer von Wahrheit seyn, daß der Styl des Herrn Doctor Münter, und der, den der Gras führt, zu einstimmig und gleichmäßig, oft weitschweifig, und manchmal gedehnt sey.

Sieben und zwanzigste Unterredung. S. 222. Nach den Worten: der Ausspruch des Richters seyn, 39)

39) Dieser Rath muste dem reuigen und zur Gottseligkeit zurückkehrenden Grafen aus mehr als einer Absicht schätzbar styn. Wachsamkeit über alle seine innerlichen und aus serlichen und standhafte Treue im ange-

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fangenen Werke ferner Besserung, waren unentbehrliche Wächter und Stützen seines Heils. Gegen die mannichfaltigen und gewaltsamen Zerstreuungen seiner Gedanken, gegen eine betäubende Todesfurcht, gegen eine bis zur Zaghaftigkeit treibende Empfindsamkeit des Herzens, gegen die natürliche Biegsamkeit und den Wankelmuth eine» Temperaments, dessen gefährlichste Reihung von der Wollust hergekommen sind, und dar sich bald schrecken und bald beruhigen läßt, muste dieser berühmte Unglücklich» verwahr ret und ausgerüstet werden.

Acht und zwanzigste Unterredung.

S. 231. Nach den Worten: bald im Predigten. 40)

40) Freylich hat der Graf hierin sehr recht! Was wäre praktischer und wohlgewählrer, als seinen Feinden mit gleichem Geschosse zu begegnen, und seine DefensivnSwerke nach der zur Mode gewordnen Attaque umzubauen. Wenn es wahr, daß ein feiner, anhaltender Regen fruchtbarer, und tiefer ins Land dringt, als der Platzregen und Wolkenbruch: so ist es wahrscheinlich, und nach der Aehnlichkeit der Natur und Erfahrung gewiß, daß kleine lehrreiche Blätter mehr intellcktualische und moralische Besserung bewürken, als dicke Bände, die wenig gelesen, und noch weniger durchgedacht werden. — Der Staubregen ist oft zu schwach, und mit schädlichen Mehlthau vermischt. — Mit Sanftmuth und Menschenliebe allein wird oft nicht viel ausaerichtet. —

Neun und zwanzigste Unterredung.

S. 238. Nach den Worten: veranlassen würde. 41)

41) Wir hätten hier gewünscht, was mancher Leser hier zu seiner Erbauung hoffen kann, diesen Wanderer zur Ewigkeit, der ihren Pforten so nahe gekommen war, mit Mehrern Trostgründen der biblischen Religion, und mehr noch, als er es mit einigen war, bekannt zu sehen. Ein größerer Zufluß solcher Nahrung des Geistes würde ihn noch mu-

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thiger und freudiger als er zu seyn scheint, gemacht haben. Je mehr unser Blick geschärft und angewiesen wird, desto besser lernen wir Gott und uns, Ewigkeit und Zeit, unterscheiden; und hierauf beruhet doch wol ein großer Theil des Wachsthums im Glauben, der die Seligkeit erkämpft, unwandelbahr ist, und die vollkommene Erlösung ausharret; oder der vorbereitete Schritt in die Ewigkeit. — Auch die Fülle des zeitlichen Unterrichts und Trostes in der Schrift, zu unserer Bereicherung zu gebrauchen, ist Pflicht; wer übersieht alten möglichen künftigen Gebrauch davon; und wie hülfreich ist dieser Vorrath von Rüstung in der Stunde der Verlegenheit. Oft sagt die Schrift zu dieser Anwendung ohne Zweifel mit eincrley Hauptwahrheit, mit verschiedenen Worten, unter manchen fruchtbaren verschiedenen Nebenideen. — Doch der Hert Verfasser hat. außer dem Inhalt dieser Schrift, noch manches zum Unterricht dieses heilsbegierigen Sünders gesagt. —

Dreyßigste Unterredung.

S. 241. Nach den Worten: Etwas Wesentliches gewesen. 42)

42) Dieser Zweck war aber wo! mehr, als allein der bequemere und eindringlichere Unterricht; wenn es gegründet ist, daß Christi niedriges und mühseliges Leben zu seinem gesammten Leiden und Verdienst für uns gehört. Unser Philosophierender Verstand pfleget leicht eine andere Richtung zu nehmen, als der Zusammenhang des Vortrages und der biblischen Geschichte aufstellt, wenn wir einen Ausspruch betrachten, und die Verbindung nicht mir einre, dm lassen.

S. 243. Nach den Worten; Setten durchzudenken. 43)

43) Tue Empfindungen einer ehemaligen, oder vollendeten Reue, wenn man diese in aller Absicht als vollendet an-Zusehen befugt ist, in erneuertem lebhaften Andenken zu erhalten, ist wenigstens ein wirksames Gegenmittel wider eine Sicherheit, die auch das beste Herz in einem schadli-

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chm Schlummer wiegen kann. Und was kann wehr, als diese lebhafte Erinnerung seines Falls und seiner Schwäche, die natürlichen Aufwallungen des Stolzes und geistlicher Erhebung unterdrücken î Wie viel Vorsicht gehört dazu, die reuige Demüthigung des Herzens vor Gott, diese zarte Pflanze zu erhalten; auch unter den Geschäften des stetigen Vertrauens, auf dm versöhnten Vater der Menschen;

Zwey und dreyßigste Unterredung.

S. 250. Nach den Worten: von der Wahrheit der Religion kennet. 44)

44) Wegen der Einsicht in die größere oder geringere Ueber- einstimmung der Meynung des Herrn Doctors, mit andern Theologen unserer Kirche, hatten wir hier sehr gern eine kurze Anzeige der exegetischen Gründe, über die hierher) gebrauchten Worte der Schrift, gelesen.

Ebendaselbst. Nach Len Worten: an diesem Tage zu begehen. *)

*) Auch dieser Wunsch ist ein Beweis, daß der Graf zu einer wahren Aerrderung seiner Gesinnungen gelanget war. Er wollte mir ruhigem Gemüthe, und zu einer Zeit, da er sich noch Fassung zutrauen durfte, das heilige Abendmal gemessen. Er wußte besser, wie sein Gefährte im Unglück, der Graf Brandt, wie wenig der. Mensch seinen Kräften trauen kann, und wie gewaltig die Gewißheit eures nahen und schmählichen Todes die Seele erschüttern kann; deswegen setzte er ein vernünftiges Mißtrauen in sich selbst.

Vier und dreyßigste Unterredung. S. 264. Nach den Worten: Durch den

45) Man kann dies Glaubensbekenntniß in mancher Absicht etwas unvollständig, wo nicht von anderweitiger Beschaft fenheit finden, — Das Abendmahl ist, geradezu gesagt, nach unserm Lehrbegrrf ferne blosse Gedachtnißcsremonie, Indern ein Mittel zue Gnade und Vereinigung mit Gott

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durch Christi Kraft und Tod. — Kann die Taufe ein Bild der Reinigung, und nicht mehr seyn, wie etwa die Taufe jüdischer Profelyten? So gehört der nachfolgende Glaube des Getauften eigentlich nicht zum InLrgrif der Taufe. Wirkt sie aber den Glauben, und macht das Herz des Unmündigen selbst auf unbegreifliche Art dazu geneigt: so ist sie mehr als ein Bild der Reinigung.

S. 265. Nach den Worten: der Menschenliebe erfüllte. 46)

46) Und wir mochten hinzusetzen, ohne Umschweife und unnöthige Bekümmernisse zur einzigen wahren Quelle führt. Man kann sich hier an das Gleichniß von dem Soldaten in der dreyßigsten Unterredung zurück erinnern.

Sieben und dwyßigste Unterredung.

S. 273. Nach den Worten: immer ehrwürdiger ward. 47)

47) Ern reizender Gedanke des Herrn Verfassers. — Was für Bilder: die göttliche Macht der Religion, der grausenvolle Anblick der bestimmten Todesart, die majestätische Aussicht in die Ewigkeit! — Was wirkt dies auf eine empfindungsvolle Seele, die auf dieses unverstellten Mannes Gewissenhaftigkeit in kleineren Pflichten zurück fleht!

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Anmerkungen

zu

des Herrn Probst I. Hee

zuverlaßigen Nachricht

von des Hingerichteten

Enevold Brandt

Betragen und Denkungsart

in

feiner Gefangenschaft bis zu seinem Tode.

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S. 6. Nach den Worten: da ist die Gnade Viel mächtiger worden. 1)

1) Der Hert Probst zeigt sich in dieser ganzen Hetlungsgeschichte seines moralischen Patienten, als ein gründlicher Theologe, der die Natur der Heilsordnung mit der Schwache des Sünders, mit mehr als gewöhnlichem Fleiße verglichen hat. Er findet einen Theil des Nachdrucks geistlicher Beredsamkeit, in der Anführung der kernreichen biblischen Vorstellungsarten: und irret sich nicht. — Wie oft schwächt eine menschliche Paraphrase, oder eine Erklärung Len starken Ton und die Ueberzeugung eines biblischen Ausspruchs; unter welchem der Geist Gottes seine unert kläbaren Wirkungen führt.

S. 8. Nach den Worten: und mein Amt meines Gottes. Jes. 49,4. 2)

2) Wir können uns nicht enthalten, zu sagen, mit welchen süßen Vergnügen wir den edlen Charakter, die kluge, redliche und murhige Aufführung des Herrn ProbstS,.in dier sein mühsamen und doch ewig fruchtbringendem Geschäfte, und mit uns ein großer Theil des christlichen Publikum, bemerkt haben. Der ungekünstelte und zuversichtliche Gans seiner Unternehmungen, und sein gedankenreicher und allen gemeßner Ausdruck, verdient alle Aufmerksamkett und allen als Redner Er ist ein Arzt, der seinen Kranken, so wie sonst als Redner der Kanzel seinen Text, studieret: — ein Arzt, der sich nicht auf dre Kràfte einer bloß über feine Simplicia philosophirt, kühner Seele verlaßt! — oder bloß überfeine durch alle philosophirt, und mit angemaßter Wissenschaft durch alle Vorfälle und Kräfte des Kranken, und derHeilungsmittel hindurch schauet. — Er pflanzt- und begießt, und überlaßt dem Herrn des Gartens das Gedeyen, mit beruhigender Zuversicht.

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S. 13. Nach den Worten: aus freyer Gnade für sie veranstaltet habe. 3)

3) Zu dieser Abhandlung des Erbübels des sündigen Menschen könnre freylich zur näheren Aufklärung und Bestimmung mehreres hinzugedacht werden: Doch hat der Herr Verfasser wvhlgethan, darin, das er bey den biblischen Begriffen geblieben ist! als welche, in Absicht ihrer intensiven und extensiven Beschaffenheit für unfern Unterricht von Gott, ausgewahlt sind. Gott wollte um der Menschen Sünden willen, die Gesetze seiner Welt und der Natur des Menschen nicht andern. Der Einfluß der Sünde auf dieselbe rechtfertiget den Richter, und macht den, der die Welt mit sich selbst versöhnte, recht groß, den Sünder aber recht klein, in den Augen einer christlichen Vernunft. Um deswillen würden wir einen Lehrer es nicht verzeihen können, wenn er diese zur göttlichen Demüthigung und Prüfung eines zu belehrenden Missethäters gehörige und recht wirksame Lehre beyseit lassen, oder nur obenhin berühren wollte, Doch sey die Ausführung davon rührend und auffallend inden Vorstellungen, und stark in ihrem Einflüsse auf das vorige und nachfolgende Leben des Zuhörers,

S. 15. Nach den Worten: ohne sich mit Fleisch und Blut zu besprechen. 4)

4) So groß und unermeßlich vortheilhast wegen sciner Folgen in wichtigen irrdischen Dingen ein guter, schneller und muthiger Entschluß werden kann: so und noch unendlich mehr muß er es dem Streiter Jesu Christi werden, und ihm diese Regel daher zu empfehlen seyn.

S. 17. Nach den Worten: und Standhaft tigkeit verspräche. 5)

5) Bey einem durch Leichtsinn fehlerhaften Gemüth ist mehrentheils und wahrscheinlicher Weise mehr Hoffnung der Besserung und weniger Gefahr, als bey einem stolzen Herzen, welches von Widersetzlichkeit und Zurückhaltung pfleget begleitet zu seyn, Das Urtheil des Herrn V. über diesen Fall verdient die Aufmerksamkeit der Leser.

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S Diese dem zurückkehrenden Sünder so fruchtvolle Wahrheit wird ihm von selbst einleuchtend durch den Ausspruch seinesGewiffens, dem deutlichen Bewußtseyn seiner unglücklichen Erfahrung, und durch den Blick, den er auf die Forderungen der Heiligkeit Gottes wirst. Gott legirimirt sein Wort an jedem Herzen, wenn der Mensch fühlen will.

S. 25. Nach den Worten: und zu bekennen lehret. he

7) Der heilsbegierige Graf hatte hierin vollkommen Recht, und es ist gewiß ein unglücklicher Einfall, wenn man mit Abweichung von diesem Beweise, aus den Weissagungen das A. von dem N. J. in seiner Lehrart zu sehr entfernen wollre.

S. 49. Nach den Worten: ihm zum voraus zubereitet habe. 8)

8) Diese Vorstellung des Hintritts in jene Welt, nebst dem dabey gebrauchten Gleichnisse vom Abendmal, ist wohl gewählt. Es ist sehr sichtbar, mit welcher edlen Warme der Lehrer hier seinen Zuhörer unterrichtet, und wie stark dieselbe in die Seele des Letztem übergeht und sie begeistert.

Ebendaselbst. Nach den Worten: von Zerstreuungen freyer seyn würde. *)

*) Auch diese Erinnerung des Herrn Probst Hee ist sehr vernünftig. Wer kann sich selbst für seine künftige Fassung Bürge seyn? — Ihr, die ihr eure Buße verschiebet, und in der Einbildung stehet, ein ernstliches Gefühl von Reue können in eueren letzten Augenblicken den Zorn des Richters besänftigen, und seine zum Strafen schon erhobene Hand zurück halten: ich kann nicht umhin, euch bey dieser Gelegenheit zu fragen, wer euch Bürge seyn könne, daß thr in euren letzten Augenblicken dieses ernstliche Gefühl von Reue haben werdet?

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S. 52. Nach den Worten: der Gnade in feiner Seele war. 9)

9) So gewiß und so sehr unser Gefühl den stärksten Ausdruck einer beredten Zunge überrrist: so gewiß wollen diese göttlichen Empfindungen mehr gefühlt, als beschrieben segn, Die Stärke und Lebhaftigkeit des heiligen Gefühls, die mächtigen Ueberzeugungen der sie begleitenden und sie gerechtfertigenden Wahrheit, und der siegende Muth des geheilten Gewissen«, drucken diesen Empfindungen ein unverwerfliches Siegel auf.

S. 54. Nach den Worten: der soll erhöhet werden. 10)

10) Dieser gegründete Gedanke des Herrn V. und der damit verknüpfte Ausspruch der Schrift, erinnert uns mit Vereinigen an die unter sich gewiß sehr verschiedenen Grade der Seeligkcit, welche der Richter der Welt, bekehrten Misfethätern anweisen wird; wir wünschten, diesen Gedanken weiter eröfnet zu finden, um die Aussicht, die er verschaft, weiter aller Bußhandlungen, allein die Reinigkeit, und Starke aller Bußhandlungen, sondern auch die der Heiligung und der geschäftigste und treuste Fleiß in der Heiligung und neuem Gehorsam; so kurz auch Zeit und Gele<enheit zu wirklichen Ausübungen sind, lassen die« «rwart

S. Nicht weniger kömmt hier die größte von dem Gel seiner Armuty und Unwürdigkeit des Geistes, nebst fühl seiner Armuth und Unwürdigkeit des Geistes, nebst

Sl seiner Armuty und Unwürdigkeit des Geistes, nebst fühl seiner Armuth und Unwürdigkeit des Geistes, nebst der die Seele zerschmelzenden Dcmüthiguna vor dem unendlich heiligen und zugleich fo gnädigen Gott, in Betrachtung. Die ganze plötzliche Veränderung des Sünders, der Anblick des Todes und die Freude der Begnadigung pflegt diese letztere Situation der Seele mächtig zu unterstützen.

S. 62. nach den Worten: stund er seine Strafe aus. 11)

11) Wir btdamen sehr, daß der fließende und ungekünstelte Vortrag de« Hrn. P. durch manche gar zu niedrige, und durch Gebrauch oder Nebenideen verächtlich gewordene Wörter, entstellt worden ist. Z. E. der Paß zur Himmels-

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reise, Es ist wohl nicht wahrscheinlich, daß Ich dergleichen im Original sehr viel besser, als in der Uebersetzunwird lesen lassen. Die Vergleichung der Lage Christi am Oelberg mit der Ausstrcckung des Derurchrttten, auf dem Blocke, håtten wir auch gern weggewünscht wie leicht Aeraießt man dies, über der Vortrestichkelt des Werks!

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Druckfehler. S. 49, Z. 24, nach den Worten: überlasse wolle. ist hinzu zu sehen: was dieser gegen sein Endemie ihm thun wolle.

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Weissagung

von der

gewiß zu erwartenden

Erfüllung

des alten Sprichworts: Tandem bona cauffa triumphat.

1773.

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In unseren aufgeklärten Zeiten sollte ich mich billig nicht unter die Propheten wagen. Es ist eine schon vor vielen hundert Jahren bekannt gewesene, ich weiß nicht, alte Wahrheit oder Vorurtheil, daß alles, was junge Propheten sagen, Unwahrheiten fern sollen: Was wird man ietzt über mich, da ich weissagen will, sagen, in Zeiten, wo man denen alten Propheten, deren Weissagung schon vor 18 Saeculis in Erfüllung gegangen, nicht mehr glaubet?

Doch Martin Zadeck hat ja noch Anno 1770 prophezeyet, und so wunderliches Zeug er auch in der gewöhnlichen Propheten-Sprache hervorgebracht, so hat er doch,

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noch ehe seine Prophezeyungen in Erfullung gegangen, wer weiß in welchem Winkel der Welt, einen Beschützer gefunden, der durch eine Vertheidigung dargethan, wie gewiß die Erfüllung seiner Weissagung zu erwarten fey, Das muß mir Muth machen.

Ich bin zwar ein neuer Prophet, ich habe aber alle Eigenschaften, welche die Theologen von einem alten Propheten fordern. Ich habe einigen Höfen redlich gedienet, die Hofleute nennten meine rechtschaffene Absichten, verderbten Geschmack. Ich wurde also, damit ich die Biblische Worte aus dem zweyten Buche der Könige Cap. 9. v. 11. gebrauche, als rasend betrachtet, von dem Hofe entfernet, und wohne als ein wahrer Prophet von dem Geräusche der großen Welt abgesondert. Die Propheten haben gewandert, ich wandere schon seit drey Jahren, und suche Dienste. Die Propheten haben

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gefastet, ich bin leider von großen Herren In die traurige Verfassung gesetzt, daß ick öfters, als mir lieb ist, fasten muß. Die Propheten gingen entweder in besonderer, oder wenigstens zerlumpter Kleidung; bald wird es mir nicht besser gehen. Wenigstens sind meine Kleider gestickt genug, und wenn sie erst ganz zerrissen seyn werden; so wird mein Aufzug, mit öffentlichen Ehrenzeichen auf einem zerlumpten Rock drollig, und also besonders genug aussehen.

Demohngeachtet schreibe ich nicht vor Geld, noch um Belohnung, sonst würde ich meinen Namen bekannt machen. Ich bin kein Pänkelsanger, sondern ein Prophet aus Liebe zur Wahrheit. Ich weissage über das bekannte und schon ohnehin wahre Sprichwort: Die Unschuld bleckt am

Ende doch oben. Ich habe also kernen Vertheidiger nöthig. Ich verbitte vielmehr, meiner Weissagung eine gezwungene Wen-

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düng zu geben, sondern alles nach dem Buchstaben zu glauben.

Ich prophezeye hiemit:

Dännemark wird bald so glücklich seyn, seine liebe, unschuldige, Anbetungswürdige äöm tu Caroline Machtldis wieder zu sehen.

Diese meine Prophezeyung grundet sich auf keine Catharina Senensische Erscheinungen. Mein Geist ist nicht so gereiniget, als der des Schwedenburgs, daß er sich vom Cörper los machen, und durch eine Unterredung mit Geistern aus anderen Planeten eine Kenntnis vergangener, geheimer und zukünftiger, zufälliger Dinge erlangen könnte. Ich habe dieser würdigen Königin weder aus denen Carten, noch aus dem Coffé-Satz wahrgesagt, niemals habe ich Ihr in die Hand gesehen, noch weniger für Sie ein Ey

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ins Wasser geschlagen. Allein Ihr Gesicht habe ich öfters betrachtet, ich habe meine Blicke in ihrem Glück und Unglück einigemal auf dasselbe geheftet, ich habe alle Lineamenten so genau gefasst, daß ich mich unterstünde, die Königin in Abwesenheit, mit Gleichheit abzuzeichnen. Ein Gleiches kann ich von dem besten und liebreichsten König, Ihrem Gemahl sagen. Von meiner Jugend an habe ich mich daraufgelegt, aus denen Gesichts - Zügen den moralischen Carackter des Menschen kennen zu lernen. Ich habe mir auf meinen großen und vielfältigen Reisen, unter verschiedenen Nationen, eine solche Erfahrung in dieser Kunst erworben, daß ich mich niemals geirret, wenn ich aus denen Lineamenten das Herz des Menschen als redlich oder falsch, sanft oder grausam, mitleidig oder wild, freygebig, großmüthig und edel, oder neidisch, geitzig und niederträchtig, angegeben habe. Selten hat es mir gefehlet, wenn ich, nachdem ich den inneren Carackter des Menschen gekennt habe, ihm ein und das andere von dessen künftigen Schicksal voraus gesagt habe. Ich will hier der Kunst,

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aus denen Lineamenten zu prophezeyen, nicht das Wort reden. Wer von der Möglichkeit und dem Grund dieser Wissenschaft überzeugt seyn will, darf nur die überaus gelehrte und gründliche Abhandlung lesen, welche von dieser Materie im vorigen Jahre, in dem Hannoverischen Magazin heraus gekommen, und bald darauf in denen Frankfurther Handlungs - Avis - Comtoir - Nachrichten von Wort zu Wort nachgedruckt worden ist. Ich will zur Sache schreiten. Ich wollte zehen Zeugen anfstellen, die alle bekräftigen würden, daß ich von einem gewissen König hundertmal gesagt, er habe zwar eine schöne Bildung, aber einige unglückliche Lineamenten, es stünde Ihm ein Unglück bevor. Ich glaube meine Weissagung ist erfüllet worden: denn, wenn ich auch die seiner allerhöchsten Person von rebellischen Unterthanen angethane Beleidigungen und Mißhandlungen nicht rechnen wollte, so ist gewiß vor einen patriotisch und väterlich denkenden König, kein größeres Unglück, als seine Länder unter seiner Regierung getheilet und keine Hofnung vor sich zu sehen.

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solche jemals wieder zu bekommen. Der bloße Gedanke, daß es Historien-Schreiber giebt, die solche in einem Reiche vorgegangene Merkwürdigkeiten der Nachwelt aufbewahren, und daß solche vielleicht nach tausend Jahren ein Patriot lesen, auch alsdenn noch die von seinen Vorfahren unter dessen Regierung verlohrneFreyheit betraurenwird, muß schon ein Königliches Herz martern. Als der unglückliche Struensee Conferenz-Rath ward, glaubte ich, so oft ich ihn erblickte, ein Beul an seinem Halse zu sehen, und ich meynte immer, ich mußte es ihm sagen, um ihn zu warnen. Ein vornehmer und allen Glauben verdienender Zeuge würde mir dieses ohne Anstand bezeugen. Ich komme nun meinem Zwecke naher. Der Königin Gesicht war in Ihrem Glücke zu frey und zu redlich, als daß ich glauben sollte, Ihr Herz wäre einer Untreue gegen Ihren Königlichen Gemahl, oder gegen den Staat, dessen Mutter Sie war, einer Grausamkeit und schlechten Handlung fähig gewesen. In Ihrem Unglücke zeigen Ihre Lineamenten zwar Ihren Kummer, Ihr niedergeschlagenes und gebeugtes Gemüthe an: allein man

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liest dabey aus Ihren Augen bestandiges Wewustseyn edler Handlungen, und wenn mail Sie noch so start und durchdringend ansieht, so färbet keine Schaam Ihre Wangen, die alsdenn nach dem innerlichen Vorwurf schwarzer Handlungen, auch bey dem verruchtesten Menschen nicht zurückbleibt. Das überführt mich Ihrer Unschuld.

Der König hat eine Gesichts - Bildung, welche Witz und Klugheit vorzüglich anzeiget. Bey alle dem ist sein Ansehen Majestätisch. Es sagt, daß er Gerecht sey, und die strengste Gerechtigkeit ausüben könne, ohne sich durch eine Weichlichkeit von ihrer Vollstreckung abhalten zu lassen. Das erwecket in jedem Ehrfurcht, und erweckte Sie auch in mir. Das ist mir Bürge, daß Seine Majestät den Schritt, welchen Sie gegen Ihre Königliche Gemahlin gethan, darum gemacht, weilen allerhöchst dieselbe geglaubt haben, es müsse solches nach der Gerechtig: keit geschehen. Das überzeugt mich, daß Seine Majestät, alles nicht geschehen zu seyn, wünschen werden, so bald Sie von

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der Unschuld Ihrer Königlichen Gemahlin überführt seyn werden. Das letztere geschieht gewiß, sonsten wäre ich kein Prophet, sonsten wäre das Sprichwort falsch:

Tandem bona cauna triumphat.

Die alten Propheten verknüpften mit ihrem Weissagungs-Handwerk öfters das Amt eines Staats-Ministers. Das Exempel des Josephs bey dem Putifar, des Samuels beym David, des Johannis beym Herodes wird wohl Niemand laugnen. Ich will nun auf einen Augenblick aufhören ein Prophet zu seyn, und will versuchen, ob ich noch als Rechtsgelehrter und Staatsmann schreiben, und meiner Wahrsagung einige Kraft geben kann. Die im vorigen Jahre zu Copenhagen vorgefallene Begebenheit ist so bekannt, daß ich unnöthig finde, solche hier zu wiederholen. Denen Zeitungs-Schreibern war sie ein Stosk: ihre leere Blatter ein bald es Jahr lang auszufüllen. Durch diese ist sie in ganz Europa lautbar worden, rind durch fremde, so gar schwarze Gesand-

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te ist sie auch denen übrigen Welttheilen nicht unverheelet geblieben. Der spätesten Nachwelt wird solche unvergessen bleiben, und wenn einst in Dännemark ein sanftmüthiger Christian oder Friederich L regieren wird, so wird ihm die Haut schauderen, wenn er eins derer verschiedenen Bücher, welche diese Vorfälle dem grauen Alterthum anfbehalten haben, in die Hand nehmen wird. Vielleicht gabe solcher denn Millionen darum, diese Sache aus denen Geschichts-Büchern auskratzen zu können: allein es wird zu spät seyn.

Staatsmänner haben diese Historie beschrieben. Der Autor der besonderen Nachrichten von den Opfern der Staaten des achtzehenden Jahrhunderts. Pelim 1772 kann gewiß darunter gezählet werden. Ein Paradis hat sich in seinem Iournal Hiftorique lustig darüber gemacht. Ein Chevalier de Fagat hat sein Royaume de Dannemarc heuresement fauve an allen Europäischen Höfen, so gar an denen, welche man ehender Rittersitze als Hofhaltun-

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gen nennen kann, vor einen Ducaten ausgetheilet. Der Pänkelsänger hat solche auf denen Jahr-Markten in einem groben Holzschnitt vor zwey Heller herumgetragen, und auf denen öffentlichen Plätzen abgesungen. Der Arlequin, welchen er bey sich hatte, vergaß nicht, wenn sein Hert mit dem Stock auf eine gewisse vor der Verviertheilung vorgenommene, der Natur abscheuliche Verstümmelung deutete, manche schöne Jungfer durch seine Anmerkungen roth zu machen. Der Bauer hat dergleichen Holzschnitte; neben seinem in Form eines Spanischen Kreutzes mit Hexenmeisterisch unter einander gesetzten Buchstaben abgedruckten Haussegen, oder wohl gar neben denen heiligen drey Königen auf seine Thüre gekleistert, und danket bey einem Glaß Bier seinem Gott, daß er ein Bauer, und kein Civil, oder wie er es nennet, Zuviel-Bedienter worden ist. Der Doctor Munter hat ja so gar anderen zum Exempel, sich aber zu nicht geringem Nutzen die Struenseeische Bekehrung drucken lassen; und es ist wohl kein Dorf-Caplan, der solche nicht gekauft, um sie gegen seinen Junker zu ge-

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brauchen, wenn er einstmals Freygeisterische Gedanken bekommen sollte.

Alle meine Leser, sie seyn nun Staats-Männer, oder Liebhabere von Prophezeyungen, sind in einer Sache, von der ich schreibe, schon unterrichtet. Ich frage die erstem selbst, was ich zum Grunde legen muß, um die vorgegangene Sache zu beurrheilen. Nicht wahr, des General - Fiscals Wivet Klagschristwider den Grafen J. F. Struensee, die Verantwortung des Grafen Struensee an die Königliche Commiffion, und das Urtheil in Sachen des General-Fifcals, als befehligten Anklägers an einem, wider den Grafen Johann Friederich Struensee am anderen Theil? Ich kann gegen das Urtheil nichts sagen, ich muß es selbst für gerechund denen Gesetzen gemäß halten; denn eine aus zehen Rechts-Gelehrten und Patrit vten bestandene Commiffion eines Rechtst und Pflichts-widrigen Urtheils wegen beschuldigen wollen, wäre zu dreist. Aber die Commiffion kann doch auch selbst durch falsche Beweise getauschet worden seyn. Ist das denn in Dannemark allein unmöglich?

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Haben wir nicht in neueren Zeiten Beyspiele von denen berühmtesten Französischen Gerichtshöfen, daß sie Bluturtheile gesprochen, die vollzogen, nachhero aber, wenn dem Unschuldigen der Kopf nicht mehr aufgesetzt werden konnte, widerrufen und ungültiggemacht worden? Wer weiß, ob nicht noch in Dännemark dem Struensee statt des Pfahls, auf welchem dessen Kopf denen Raben zur Speise worden ist, eine Ehren-Saule gefetzt wird, wenn vielleicht nach etlichen Jahren in dessen Proceß eine Revilions - Commision medergesetzt werden sollte? Struensee ist beklagt, und soll dessen seyn überführet worden, daß er gegen die Legem regiam die Souverainitaet des Königs untergraben wollen: wer weiß, ob es nicht alsdenn an Tag kommt, daß nicht er, sondern feine Feinde, das gethan, daß aber die Cabale der letzteren feiner als die des Struensee angesponnen gewesen? Struensee ist faul, er kann sich also nicht mehr vertheidigen. Wir, die wir die Acten und Beylagen, aus welchen dessen Anklage entworfen, und nach welchen geurtheilet worden, nicht gelesen, wollen also annehmen.

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daß er als ein Verrather seines Königs mit Recht vom Leben zum Tode gebracht worden; Aber nur das sey mir erlaubt zu sagen: Die gegen ihn gemachte Anklage ist kindisch, läppisch und schlecht gemacht:

die Struenseeische Vertheidigung hingegen

ist schön, bündig und überzeugend geschrieben. Man lege diese zwo Schriften tausend Rechts-Gelehrten und hundert juristischen Facultäten vor, alle würden ein anderes Urtheil sprechen, als die Commission gesprochen hat. Der Styl des Herrn Wivets ist so schlecht, daß er sicher noch ein paar Jahre, ich will nicht sagen die Grammatick, doch wenigstens die Rethorick studiren könnte, ehe er wieder einen Antrag und Deduction entwürske. Das sage ich ihm, ohngeachtet ihm bey seiner im Hospital zu Copenhagen gehaltenen Rede so sehr in die Hände geklatschct worden, als er die Kleidungen der Bettler unseres Herrn Gotts Garde robe nennte, ins Gesicht. Von Logik weiß er gar nichts, schwerlich wür-

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An Sprichwörtern muß - der Hert Wivet zwar reich seyn, weilen er seine so genannte Déduction, Beweis und Antrag sogleich mit dem: Strenge Herrn regieren nicht Lange, an fangt. Wäre ihm doch dieses Sprichwort bey dem Schluß seiner Schrift wieder eingefallen!

Unter dem StrucrEee soll mit Gott und mit seinem Worte Spott getrieben, Tugend und Ehrbarkeit offenbar verbannet worden seyn. Struensee machte Dannemark das größte Geschenke, so er demselben je machen konnte. Er verschaske ihm die Preßfreyheit. Dieser bedienten sich gelehrte Männer zur philosophischen Prüfung verjährter Vorurthcile. Daß man gegen solche mit dem Gottes-Lästerer Titel um sich wirst, ist der gewöhnliche Gegenbeweis der verstumr wenden Theologen. So ging es dem Struensee. Der Wrvetische Vorwurf war sein Dank. In einem Consistorio würde der Herr Wivet vielleicht besser seyn, als in dem Amte eines General-Fiscals.

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Struensee schäfte die aus dem Vabstthum übrig gebliebene Festtage ab, er hielt dadurch in denen Dänischen Staaten viele tausend geschäftige hände vom Müssigang ad, und svarte dem Staat, ans welchem ohnehin jährlich eine unproportionirlich grössere Summe Geldes hinausgehet, als vor dessen eigene Produckte von Fremden wieder hineinkommt, doch wenigstens die Summe von beynahe einer Million. Der Doctor Münter mußte aber dadurch des Jahres 50 Predigen weniger an der Kirchthüre verkauffen lassen, das war diesem, wenn er jeden Festtag nur 1200 Stück, das Stück à 1 ß. verkaufte, ein Schaden von 7520 Mark dänisch. Struensee mußte also ein Spötter Gottes heissen.

Auf denen Reisen, so er mit dem Könige gethan, soll er frey von der Religion gesprochen haben. Konnte Struensee davor, daß sein Hert nicht lieber einen Hofprcdiger, als einen Medicum mitgenommen? Vielleicht hat der König zu viel Mitleiden gehabt, es so zu machen, wie es ein an-

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derer grosser Herr gemacht hat, der den Beichtvater, welchen ihm seine Frau Mutter auf eine Reise mitgab, so lange auf Postpferden beym Wagen hertraben ließ, bis solcher unterwegens liegen bleiben, und sich an dem Ort, wo ihn der Bischof nicht gesalbet, von einem Feldschecrer die Salbung geben lassen mußte. Wer weiß, was auch selbst der Hofprediger gesprochen hätte? Es wird in Dännemark so gut als anderwärts unter denen Herrn Geistlichen Philosophen und Tartüske geben.

An allen grossen Oertcrn sehen auch die strengste, doch vernünftige Obrigkeiten einer gewissen Art Frauenzimmer durch die Finger, welche vor ein geringes Geld mitleidig genug sind, Soldaten, Kaufmannsdienern, Matrosen und dergleichen Leuten, deren Umstände das Heyrathen nicht erlauben, einen gewissen Ueberfluß der Natur abzunehmen, den sie nicht in einen hohlen Baum tragen können.

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Selbst Christi Stadthalter auf Erden privilegiret in Rom die Lupanaria, damit durch kleine Sünden grössere Laster verbiudert werden sollen. Seine Heiligkeit ertheilet unter dem Vorwand, Leute von einem angewöhnten Laster abzuziehen, deneujenigen, welche ein Frauenzimmer aus einem dergleichen Hanse heyrathen, einen Ablaß, und erhält dadurch beständig frische Waare, die einen desto grösseren Tribut einbriuget. Noch ehe man an den Struensee gedacht, waren in Copenhagen die Jungfern-Comtoirs bekannt. Er machte nur solche Anstalten, daß junge Leute mit mehrerer Sicherheit ihrer Börse und Gesundheit hinein gehen könnten. Ist das denn aller Schande Thur und Thore geöfnet? Wie wäre es, wenn man den Herrn Wivet auf seinem 6eneral-Italischen Eid fragen dürfte, ob er niemals in einem dergleichen Hause gewesen?

Die Frechheit des Struensee soll so weit gegangen seyn, daß er die Gewalt, welche die Unterthanen dem König Friederich 111 über-

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tragen, als selbst Unterthan ausüben wollen. Kann denn ein König alle Arbeit selbst und allein verrichten? liebt er nicht die Gewalt selbst aus, wenn er solche durch einen Mi: nister auf seinen Befehl und in seinem Namenausubeu laßt? UebteinKöuig von Dännemark seine ganz unumschränkte despotische Macht, die Er als Souverainer Erb-König hat, nicht besser durch einen Mann aus, dessen Treue Er versichert ist, und den Er unter seinen Augen hat, als durch einen Staats-Rath, der aus altem dänischen Adel bestehet, welcher noch immer stolz auf die Rechte seineralten Vorfahren zurück denkt, noch immer die alte Tücke im Herzen hegt, und der, wenn er nicht mehr öffentlich als Landsstand bandlen darf, unter dem Vorwand des Confeills die Monarchie in eine Aristocratie zu verwandeln sucht?

Struensee soll die Sprache mit der Nation verachtet haben. Er hat freyli'ch einen Fehler gemacht, daß er sich nicht auf die dänische Sprache gelegt; allein er hat zu viel andere Sachen zu thun gehabt, und vielleicht

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gedacht, daß er solche mik der Zeit aus dem Gebrauch erlernen würde, ohne besondere Zeit darauf zu verwenden. Legen wir uns den allemal auf das, worauf wir uns legen sollen? Der Hert Wivet hatte sich gewiß auch besser, als er gethan, auf das Fifcalische Handwerk legen müssen. Hatte er das gethan, er würde in einer Klage auf Ehre und Leben gewiß solche Sachen, die höchstens ein Schulbube dem anderen vorwirft, nicht angebracht haben. Bon solchen muß der Hert Wivet das Schimpfen und Schelten trefflich gelernet haben; denn einen unglücklichen Minister einen Würg-Engel, einen Virum unius Saeculi, einen Quacksalber, einen Schelmen, einen Marktschreyer nennen, ist doch artig gescholten. Struensee war der Würg-Engel der adelichen Familien, wie es dem Herrn Wivet thn zu nennen beliebt. In denen ersten Regierungen nach eingeführter Souverenitaet, wo man den Adel, so viel möglich von denen Geschäften ausgeschlossen hielte, sollte das gewiß kein General gesagt haben. Ich möchte nur wissen, warum der Hert Wis vet die Geburts-und Lebens-Umstande des Struensee so genau erzehlet. Doch er hat

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vielleicht seine Déduction gerne groß und lange machen wollen, und da es ihm an Facfcis et delictis, die er hatte erzehlen und beweisen sollen, befehlet, so hat er seine Anflucht freylich zu solchen Sachen nehmen müssen.

Als Medicus soll Struensee Veniam occidendi per totam urbem erhalten, als Minister per utrumqiie regnum sich zu gewendet haben. Ein Wort Latein zieret doch den Mann. Ich habe oben gesagt, der Herr Wivet sey kein Meter, und doch mag er sich selbst vor einen recht großen gehalten haben, als er diese schöne rhetorische Figur fertig gehabt hat. Ich besinne mich, daß ich als Student auf der Universität einmal einem Peruckenmacher, der mir, als er mich srisiren sollte, zu lange ansgeblieben, und mich ein Collegium versäumen machte, eine Ohrfeige gab. Das ganze Handwerk nahm sich seiner an. Kein Meister und Gesell wollte mir meine Haare mehr anrühren, und ich mußte ein halbes Jahr lang mein eigener Friseur seyn. Wenn doch die ganze Medi-

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einer-Zunft so Handwerks - Brüderlich denken, und dem Herrn Wivet, wenn er mit der Zeit, wie th esthm prophezeye, am Miserere sterben wird, keine Arzeney geben wollte, würde er es nicht bereuen, seinen Spottuber eine so edle Kunst getrieben zu haben? Ich wollte beynahe wetten, der Herr Mivet müsse die schöne Svrichwörter des P. Odilo Schreger in dessen Studioso Ioviali gelesen haben; denn er spielet recht fein auf das Sprichwort an: Ein junger Medicus muß einen neuen Kirchhof, ein junger Jurist einen neuen Galgen, und ein junger Theologe eine neue Hölle haben. Ich wette aber, der Doctor Münter bekommt geschwinder seine Hölle, und der Hert Wivet ehender seinen Galgen voll, als der Struensee seinen Kirchhof voll bekommen haben würde, wenn er noch so lange Medicus geblieben wäre; denn dieser, ohngeachtet er im 21ten Jahre Physicus ward, hatte doch bey Jedermann den Ruf eines guten Medici. Den Doctor Münter aber nennet die ganze Welt mit Recht einen Schwärmer, weilen er sich mit seiner gehaltenen Danksests - Predigt, und mit seiner Vortheils halber gedruckten

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Struenseeischen Bekehrung selbst darzu gemacht hat. Und dem Herrn Wider kann es nicht fehlen, daß er als der Generaliimmus aller General-Fifcaelen berühmt werden muß, wenn er alle Delinquenten so gut und geschwind an den Galgen bringen kann, als er den Struensee auf das Rad gebracht hat.

Der Struensee soll frech und verwegen gewesen seyn, weilen er sich unterfangen, aus einem Mediciner em Arzt des Staats zu werden. Wie viele dergleichen Exempel zeigt die Geschichte nicht auf? Wieviele Canzler, Präsidenten und Geheime Räthe leben noch ietzt, die entweder selbst Laqeyen, Schulmeister, Köche, Jäger oder sonsten, ich weiß nicht was, gewesê sind, oder doch von dergleichen Vätern abstammen, und dennoch geschickte Leute sind. Daß Struensee Principia gehabt, einen Staat zu regieren, beweiset seine Anno 1763 in Hamburg heraus gekommene Monaths-Schrift zum Nutzen und Vergnügen; besonders die Gedanken von der Eutvölke-

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rung emes Landes. Es beweisen solches seine gemachte Einrichtungen, die man noch nach seinem Unglücke zum Theil beybehält. Es beweiset solches seine von ihm im Kerker und in Todes - Aengsten gemachte Vertheidignnq. Daß aber der Hert Wrvet ein ungeschickter General-Fiscal ist, daß er sich besser Zn einem Mitglied eines Spanischen Inquisitions - Gerichts, als zu einem Genend - Fiscal geschickt hatte, beweiset seine Deduction.

Struensee war ein schlechter Arzt des Staats, ergo war er ein eben so schlechte: Medicus in der Stadt, ergo war die Anzahl der Gestorbenen in Altona grösser als der Gebohrnen, wenn Struensee die letztern nicht gar auf eine andere Art vermehret hat. Das ist ein sehr bündiger Filcalischer Schluß! Quae, qualis, quanta Hert Wivet! Darf ich Sie fragen, ob Sie, da Sie zwey Menschen wurklrch ums Leben gebracht, auch noch die Welt vermehren können? Wohl dem, der cs noch kann! Wären Sie doch der Liebe fähig gewesen, so würden

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Sie die Vermehrung des menschlichen Geschlechts nicht zum Laster gemacht haben. Hatte ich Sie gekannt, ich wollte den Gott der Liebe vor Sie angerufen haben:

Fifcaele mach Liebe minder streng,

Sie reissen Memchen nieder.

Du Liebe schaffst Lie wieder.

Fifcaelc mach Liede minder streng.

Struenjec hat mit dein Frauenzimmer einen freyen Umgang gehabt. Ist das ein Vorwurf, wenn man Jemand auf Tod und Leben anklagt? Ein Zeichen/daß er liebenswürdiger war, als der Hert Wivct. Haben Sie Hert General-Fifcal, mit Erlaubniß zu fragen, niemals Lust gehabt, mit schönen Frauen-Zimmer umzugehen? Ich frage Sie auf Ihr Filäslisches Gewissen? An Lust hat es Ihnen wohl nicht gefehlet: vielleicht sind Sic aber in ihrer Jugend in der Schule des Onani as gewesen, und daher jetzo zum lieben untüchtig; vielleicht hat ihnen das schöne Geschlecht nicht. liebenswürdig gefunden, vielleicht hat es sich

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auch vor ihrem Carackter General - Fifcal gefürchtet; denn man hat beyuahein der ganzen Welt das Vorurtheil, daß die Fifcaele nicht verschwiegen sind, daß Sie alles in ihrer Schreibtafel notirten, um mit der Zeit einen Manschen Gebrauch davon zu machen, wie man im Gegentheil Medicinern und Ministern zutrauer, daß Sie schon von Amts wegen verschwiegen sind.Die Verschwiegenheit ist aber eine dem Frauenzimmer besonders angenehme Tugend. Wenn eines von Obigen wahr ist, so ist es Neid von dem Herrn Wivet, daß er Sachen gegen den Struensee in seine Deduktion eingeflochten, die nicht hinein gehören Gehöret es in diese Anklage, daß Struensee sich den Unwillen seines Vaters zugezogen, welches vielleicht darum geschehen, well er in seiner Jugend Manchetten getragen, und sich gepudert hat?

Der Neid muß eine der Haupt-Passionen des Herrn Wivets seyn, denn er gehet so weit, den Struensee einen Fremden zu nennen, und ihm so gar den Vorzug streitig machen zu wollen, daß er ein Dane sen.

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Ist Struensee gleich in Halle geboren, so ist doch dessen Vater nachher in Königlich dänische Dienste getreten. Schon darum wäre Struensee als ein Dane zu betrachten gewesen. Ueberdem ist seine Mutter eine wnrkliche Dänin, da Sie die Tochter des Königlich dänischen Justiz - Raths und ersten Leib-Medici, des Doctors Johann Samuel Carls ist.Schon die Römer machten das Gesetz: Partus fequitur Yen trem, und liessen die Kinder einer freyen Mutter, wenn schon der Vater ein Sclave war, freye Römer seyn, warum wollte denn der Hert Wivet dem

Struensee nicht den Genuß dieses Rechts gönnen?

Wenn nun Struensee ein Dane war, war es ihm zu verdenken, daß er seinem Monarchen dienen wollte, und um es desto besser zu können, sich bey dessen Allerhöchster und Liebenswürdigster Person aufhalten zu können, wünschte? War er straft bar, daß er diesen Zweck durch Vorsprache seines Freundes, des Herrn von Brandts und einiger Damen, die ihm ihre Gnade zu gewandt hatten, zu erreichen: suchte? War

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er Löbens-oder Verachtungs - würdig, daß er, da er in sich mehr Fähigkeiten fand, alsein Recept zu schreiben, auch seine andere Talente für seinen Herrn anzuwenden, und in Staats - Affairen gebraucht zu werden trachtete? War er nicht aus Dankbarkeit schuldig zu machen, da er es thun konnte, daß sein durch eine Cabale vom Hofe entfernter Freund der Hert von Brandt zurück berufen worden? War er zu radeln, daß er sich diesem seinem Freund anvertraute, und wäre er nicht unvorsichtig gewesen, wenn er sich seinen Feinden, die täglich Cadalen gegen ihn machten, und allerhand Schriften gegen ihn'ausstreuten, um so gar den Pöbel gegen ihn aufzubringen, anvertraut hatte? Ward er dessentwegen Schwerdt-undRadmässig, daß er des Königs Gnade und Vertrauen zu erhalten suchte?

Handelte er nach der lege regia, oder gegen dieses Gesetz, als er den Willen seines foüveraineu Herrns unterstützte, einen Staatsrath abzuschaffen', der aus solchen alten Adel bestand, welcher eine Ariftocratie

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Hat er frech und verwegen gehandelt, da er die ihm von seinem Herrn angetragene Stelle eines Naître des requêtes am nahm? Welcher Soldat, der Ambition hat, denkt nicht General zu werden? Wurde nicht jeder andrer, selbst diese Stelle mit Freuden angenommen haben?

Wenn der König sein Hert befohlen hat, man sollte die Unterschrift des Struensees so gut als seiner Majestät eigene Hand refpéctirctt, warum sollte Struensee nicht das unterschreiben, was er zu verfügen, mit dem König, vorhero verabredet hatte? Hat nicht Struensee selbst eine Ordre gegeben, wenn ein Befehl unter seiner Hand heraus käme, welcher wider die Landes-Gesetze und Verfassung wäre, so sollten die Collegia stellung thun, damit es remediret werden könnte? Wo sind die Falle, in denen er die ihm genebene Gewalt gemißbrauchet? Wo ist der Schaden, den die. von ihm unters

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schriebene Verordnung angerichtet hüben sollen? Welcher Minister sieht nicht gerne sein Ansehen und seine Gewalt erweitert? Man gehe alle Beyspiele derer Staats-Minister von einem Egyptischen Joseph bis auf unsere Zeiten durch.

Ist das ein Verbrechen, daß er seinen Bruder aus Liegnitz kommen, und solchen erstlich zum Justitzrath, hernach zum Deputaten im Finanz-Collegio erheben lassen? Diesen Carl August Struensee will der Hert Wivet zu einem Dumm-Kopf machen, dessen in Druck gegebene Schriften die ganze Welt mit Lob erhebet? Wahrhaftig es gehöret ein wenig mehr Hirn dazu, ein Buch wie die Anno 1771 von diesem Struensee herausgegebenen Anfangs-Gründe der Befenigungs-Kunst zu schreiben, als eine solche schlechte Déduction zu machen, als wie die Wivetische ist. Daß Struensee seine Brüder nicht zum Tort anderer avanciret, erhel: let daraus, daß sein Bruder Gotthilf Christian nur Lieutenant unter dem Königlichen Leib-Regiment zu Fuß gewesen. Ich wette.

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wenn der Hert Wivet Staats-Minister wäre, und einen Bruder hätte, so müste dieser wenigstens General-Major seyn.

Nichts ist lächerlicher, als in die Anklage eines Ministers die Worte bringen, welche solcher mit seinen ungezogenen Bedienten gesprochen hat. Hatte doch der Hert Wivet seine Satze gegen seinen Beklagten lieber aus denen Acten und denen Gesetzen, als aus denen Erzchlungen der Bedienten und alten Weiber genommen!

Der Hert Wivet legt es dem Struensee als eine grosse Verwegenheit aus, daß er sich zum dänischen Grafen machen lassen, und so gar darnach getrachtet hätte, mit dem Elephanten - Orden beehret zu werden.

Hier finde ich würklich einen wahren Fehler des Struensee: Mit dem Namen der Verwegenheit kann ich solchen aber nicht benennen, noch weniger einsehen, wie Strur ensee dessentwegen mit der Lebensstrafe belegt werden konnte? Wie viele Ministers

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lassen sich heutiges Tages zu höheren Standes-Würden erheben, und mit etlichen Ellen Bandes zieren, die noch von weit geringerer Herkunft sind, als Struensee gewesen? Ich glaube gewiß, der Hert Wivet trüge selbst gerne einen Orden, es ist aber gut, daß man die Fifcaelc nicht zeichnet, sonsten könnten sich die Leute vor ihnen in acht nehmen. Es war von dem Struensee eine Narrheit, daß er sich zum Grafen machen lassen, aber keine strafbare Bosheit. Da er, wie es nach der dänischen Verfassung geschehen muste, gegen die Einführung der Aristocratie geeyfert, und folglich gegen die Cabale des alten Adels arbeiten mußte, so war es albern gehandelt, daß er selbst Grafwurde. Er hatte Bürger bleiben, und dadurch dem bürgerlichen Stande zeigen sollen, daß auch diesem die Ehre Vorbehalten sey, des Königs Vertrauen zu geniessen, wenn er sich die Verdienste dazu erwürbe. Das Vertrauen des ihm feindlichen Adels konnte er nicht'erlangen, wenigstens hatte er sich also die Liebe des Volks erhalten, oder erwerben sollen. Das Exempel eines Uhlefelds und Greiffenfelds häte er sollen besser vor Augen haben.

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So stark der Herr Wivet in Sprich-und Scheck-Wörtern ist, so künstlich ist er auch in Gleichnissen. Der Vergleich der Miuisterial-Berdiensten mit denen Fliegen in der Apotecker-Krücke, der Flüchen des aufgehetzt und darzu erkauft gewesenen Pöbels mit der nen Brillianten in der Eoldplatte auf dem Hute des Struenseeifchen Läufers ist gewiß recht artig. Nur hätte ich solche ehender von einem Hanswurst indem Puppenspiel, als von einem General-Fifcal in einer so ernsthaften Klage erwartet.

Nichts ist lächerlicher, abgeschmackter und frecher in der Wivetischen Schrift, als daß er selbst erinnert: Man mußte es ihm nicht zur Last legen, daß er den Struensee in einer Klage, welche die größte Ernsthaftigkeit erfordere, dessentwegen lächerlich zu machen gesucht, weil ein Unterschied zwischen einem Minister sey, welcher einen Fehltritt begangen, und zwischen einem Marktschreyer, derein Minister seyn will. War dem Herrn Wivet denn aufgetragen, gegen den Struensee Satyren zu schreiben, oder soll-

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te er einen wörtlichen Minister auf die härteste Todes-Strafe anklagen? Das dünkt mich, ist zu ernsthaft, als daß man Spaß treiben sollte. Das Blut des Marktichrcyers ist so kostbar, als das Blut des Grafens. Der Schöpfer und Erhalter des ganzen Menschlichen Geschlechts weiß keinen Unterschied. Die Erhaltung des einen Geschöpfes ist ihm so lieb, als die Erhaltung des andern.

Nichts wundert mich mehr, und die ganze Welt muß darüber erstaunen, daß man dem Herrn Wivct seine Schmähschrift sowohl belohnet, und ihn nicht vielmehr beym Kopfgenommen, und ihm selbst den Proceß de Crimine laefäe Maieftatis gemacht hat: denn seinem König öffentlich, vor den Augen der ganzen Welt sagen, sein Minister sey ein Schelm und Marktschreyer gewesen, ist eben so viel, als behaupten, der König habe nicht Klugheit genug gehabt, die Ehrlichkeit und Fähigkeit seines Ministers zu beurtheilen, oder er habe einen solchen Mann um sich haben wollen. Kann man ein aröft seres Crimen laelae Maieftatis erdenken?

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Ich habe mich serther dey denen lappischen und lächerlichen Punckten der Wivetir schon Anklage aufgehalten. Man verzeihe mir diese Ausschweiffung. Die Propheten Halten sich immer lieber bey Kleinigkeiten, als bey großen Dingen auf.

Diese Anklage enthalt auch wichtige Beschuldigungen, Z. E. die von dem Struensee geschehene üble Verwaltung der Königlichen Geld-Casse, die Verfälschung einer' Königlichen Assignation, die harte Erziehung des Kron - Prinzen, den Verkauf des kostbaren Bouquets der Königin, die Bedrückung der Stadt Copenhagen, die Theilnehmung an der sträflichen Aufführung des Grafen Brandts gegen den König, die Abschaffung der Garde, die von ihm in Copenhagen gemachte anfrührische Defeniions- Anstalten, und dergleichen. Diese muß ich und das Publicum für wahr annehmen, denn Niemand hat die Beylagen, auf welche sich der Hert Wivet beziehet gesehen. In diesen muß der Grund, daß man so hart gegen den Struensee ver-

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fahren, gesucht werden. Allein Struensee hat.sich doch auch verteidiget. Man lese dessen Schriftsatz, und man wird finden, daß alles darinn gesagt ist, was ein Mann von seinem Verstand und Fähigkeit, in dem critischen Zeitpunkt, da er voraus sähe wie er in kurzem das Schlacht-Opfer seiner Feinde werden würde, zu seiner Rechtfertigung sagen konnte. Viele tausend gelehrte Leute, die solche und vorhero die Wir vetische Anklage gelesen, würden ihn frey gesprochen und viele würden vielleicht gar behauptet haben, Struensee habe das Project gemacht, die souveraine Autorität seines Königs zu behaupten, es sey aber darum zu seinem Unglück ausgeschlagen, weil seine Feinde mächtiger und verschlagener als er gewesen waren, und weilen Struensee selbst nicht genung auf seiner Hut gewesen. Hätte er nicht die Vorsicht haben sollen, diejenige Schriften, welche man gegen ihn im Publico ausgestreuer, wiederlegen zu lassen? Dieses war ihm aber zu klein, und dennoch hat es ihm geschadet. Als der Staatsrath abgeschaft wurde, laß man aller Orten die härteste Schmähschriften

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gegen ihn. Eine dergleichen schickte man so gar zum Abdruck in die öffentliche Zeit tung. Der Verleger derselben schickte solche dem Grafen Struensee mir der Anfrage, wie er sich dabey verhalten sollte? Dieser antwortete: Wegen seiner Person könnte es sicher eingerückt werden: der Styl wäre aber so schlecht, daß die Piece der Zeitung wenig Ehre machen würde; der Verleger könne nun thun, was er wolle.

So unbesorgt war Struensee. Allein ein Punkt hat ihm, wie es scheint, den Hals gebrochen. Der erstlich vertrante, hernach unerlaubte Umgang mit der Königin ist die Ursach seines Todes. Er ist die Ursach der harten Begegnung, welcher man diese Dame ausgesetzet. Er ist die Ursach der Trennung von Ihrem Königlichen Gemahl, und Ihrer Verbannung aus dem Königreich.

Dieser Königin habe ich die Entwickelung Ihrer Unschuld geweiffaget: Ich muß

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also doch wenigstens die Möglichkeit Ihrer Unschuld darthun, wenn ich nicht für einen Narren gehalten werden will. Das ist ohnehin das gemeinigliche Schicksal der Propheten, dem ich doch, wo es möglich wäre, gerne entgehen wollte. Ich würde mich nicht erdreisten, von dieser Sache zu reden, noch weniger zu schreiben, wenn sie nicht in der ganzen Welk bekannt wäre. Schon darum wäre die niedergesetzt gewesene Commiiïion strafbar, weilen sie den Proceß so instruiret, daß alles in der ganzen Welt lautbar worden. Man kann und muß Delinquenten strafen, es muß aber allemal so geschehen, daß der Ehre Königlicher Personen und eines ganzen Reichs geschonet wird. Man har ja in diesem Saeculo in andern Reichen ähnliche Fälle erlebt, wer weiß aber die nähere Umstände? Ist nicht alles so behandelt worden, daß dem Publico ein Flor vor den Augen geblieben, und daß ihm nur das Rathen erlaubt ist, ohne jemals eine Gewißheit zu haben? Die Wivetische Anklage, die Struenseeische Vertheidigung, das Urtheil der Commission ist in aller Menschen Händen,

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Ist dieser Umstand darum gleich nur kurz und mit Anstand berühret, so weis doch ein jeder, der diese Schriften liest, was es seyn soll. Ich glaube, es wäre besser, man hätte ausführlich als verblümt davon geschrieben. Wenn Jemand einem ehrlichen Madgen nachsaget, sie sey von diesem oder jenem schwanger, so halte ich es nicht vor so nachtheilig, als wenn er in einer grossen Gesellschaft mit einem Geheimnißvollen Ton sagt: daß Mädgen har den Ruf, daß sie tugendhaft ist, aber, — aber, — ich mag nicht sagen, was man von ihr höret. Im ersteren Falle kann sich ihre Unschuld nach 9 Monaten zeigen, im anderen aber bleibt nach dem verfluchten Machiavellischen Lehrsatz: Lemper detrahe, lemper aliquid haeret, ihre Ehre immer gekränket. Wenn ich annehme, daß alle Beschuldigungen, die man gegen den Struensee in Puncto eines Hochverraths gegen die allerheiligste Person des Königes gemacht, war und erwiesen sind; wenn ich, da es doch möglich ist, daß der König nnd die Richter durch falsche Zeugnisse und durch ein ans Angst gethanes unwahres eigenes Gestanduiß getauschet

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worden, gelten lassen will, daß die gegen den Struensee geführte Beweise alle ihre völlige Richtigkeit, Legalitaet und Gewißheit haben; so ist es doch klar, daß die Königin an allen diesen Handeln und Cabalen niemals den geringsten Antheil gehabt hat. Der Königin Unschuld in diesem Stück ist Sonnenklar. Denn würde man sich wol entschlossen haben, derselben in einer öffentlichen Acte ein Vergehen vorzuwerfen, welches zugleich den König und das ganze Reich beleidigen muß, wenn man anderen Stosk gehabt hätte, Ihre Entfernung aus dem Reiche zu rechtfertigen?

Die Königin ist eine Dame, dievon Anfang an Ihres Aufenthalts in Dannemarksich in nichts meliret hat, die sich einen ruhigen und vergnügten Tag zu machen suchte, und sich in keine Geschäfte, in keine Cabalen, in keine Intriguen der Favoriten und Hvfparthien hinein mischte. Sie lebte mit Ihrem Königlichen Gemahlin der zärtlichen Liebe, in engsten Vertrauen, und in der größten Einigkeit. Sie ist aber eine klnge, Einsichtsvolle, und

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dabey mit männlicher Entschlossenheit begabte Daine. Das war genug, daß Sie Feinde bekam.

Die Aristocratsiche Parthie fürchtete sich vor Ihr, Sie möchte ihre Cabalen einsehen, und dem König eröffnen. Nachdem diese Cabalenmacher einen Favoriten nach dem andern, ja so gar die würdigste Generals, welche Ihnen im Wege gestanden, weggeschast hatten, so wagten sie sich endlich an die Person der Königin. Es wurde Uneinigkeit zwischen dem König und Ihr angezettelt. Man gebrauchte Personen darzu, gegen welche der König Achtung und Vertrauen hatte, die Ihm vor seinen Reisen allerhand widrige Ideen gegen seine Königliche Gemahlin beybringen mußten. Die Uneinigkeit war fertig. Der König reiste, und kam von seinen Reisen zurück.

Ein Gesandter eines gewissen Hoses, der die Königin entweder seinen Absichten entgegen zu seyn glaubte, oder wenigstens die

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Freunde der Aristocratischen Parthie, auch für die Beförderer seines Projects ansah, und also auch diesen beystehen wollte, legte zur Zwietracht zwischen dem König und der Königin immer neuen Zunder an. Er trieb seine Dreistigkeit so weit, daß er der Königin durch Ihren eigenen Oberhofmeister die empfindlichste Grobheiten sagen ließ Die Aristocratische Parthie war dabey nicht weniger geschaftigt, da Sie unter der Hand im Pöbel allerhand widrige Gerüchte gegen die Königin ausbreiten ließ, um solchen gegen diese Dame aufzubringen Man streuete unter andern folgende Fabel aus. Ein gewisser Geistlicher hatte in der Hof-Capelle etwas hart aeprediget, und sich der Worte des Johannis bedienet, welche dieser am Hofe des Herodis gebrauchet. Die Königin sey darüber zum König gegangen, und habe darauf bestanden, daß man diesem Hohenpriester den Kopf vor die Füsse legen solle. Der König habe darauf geantwortet, daß dieses nicht anginge, und die Königin dagegen erwiedert: Wenn Sie nicht Hert über die Köpfe Ihrer Unterthanen sind, wovor sind Sie jouveràer Könige und worzu hilft Ih-

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nen alsdenn Ihre Souverainitaet? Ist es bey solchen Umstanden ein Wunder, wenn die beste Dame verhaßt wird? Die gute Königin, welche nichts sehnlicher als die Herstellung der Einigkeit mit Ihrem Königlichen Gemahl wünschte, und sähe, daß der Struensee, das Herz des Königs wenden und lenken konnte, wie er wollte, auch erfuhr, daß er schon auf denen Reisen des Königs Gemüth gegen Sie besänftiget hatte, wandt sich an diesen. Es dauerte nicht lang, so stellteer den der Königin so süssen ehelichen Frieden wieder her. Dieses, und daß er zugleich der Königin Arzt war, erweckte in Ihr Vertrauen und Dankbarkeit gegen ihn. Es konnte nicht fehlen, daß die Königin dem Struensee Ihre Vertraulichkeit, und er Derselben seinen Diensteyfer bey öffentlichen Gelegenheiten und in Gegenwart anderer an Tag legte. Der Königin und des Struensees Feinde legten dieser Vertraulichkeit einen Grad bey, der die Grenzen überschritte, welche zwischen Personen beyderley Geschlechts, die mit einander nicht verbunden werden müssen, oder können, gesetzt sind. Er ging als ein Ber-

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trauter, als ein Friedensstifter eines Königlichen Ehepaares und als Arzt nngemeldet zu der Königin, er verweilte sich zuweilen bey Ihr, er fuhr und rittemit Ihr aus, er nahm von Ihr Geschenke, und brachte Ihr zuweilen ein oder die andere rare Sache als den Tribut seiner Verehrung. Aus diesen Handlungen, in welchen kein billig denkender Mensch etwas verdächtiges oder unanständiges finden wird, schloß man, der Umgang müsse verdächtig seyn. Als Struensees Untergang beschlossen war, ließ man über diese Umstände Protocolle machen, und Zeugen-Verhöre anstellen; der Hert Wivet führt solche zum Beweis in seiner Déduction an, und erprobet daraus die entsetzlichste Missethat, die je geschehen können. Nun will ich einen jeden Rechts-Gelehrten fragen, ob in diesem allen, ein hinlänglicher Beweis des jenigen Delicti stecke, welches der Hert Wivet seiner Königin, und dem Struensee angesehuldiget hat? Ein freyer Umgang, ja so gar die verdächtigste Stellung, in welcher Personen beyderley Geschlechts angetroffen werden, ist noch kein Beweis einer fleischlichen Vermischung. Wenn ich darzu nehme, daß eine

En-

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Engellanderin nach der ihr angevornen Freiheit den gezwungenen Anstand einer deutschen oder dänischen Dame nicht annehmen kann, daß sie in ihren Sitten und Geberden viel freyer, in der Hauptsache aber doch eben so tugendhaft als diese seyn kann, so redet schon das vor die Königin, daß Sie eine Engelländerin ist. Ich könnte hier den Beweis anführen, den die Rechte erfordern, wenn man die geringste Frau vom Pöbel einer Verletzung der ehelichen Treue beschuldigen will, weil aber vielleicht ein und andere Personen des schönen Geschlechts, die viel vom Wahrsagen halten, meine Prophezeiung lesen werden, so verbietet es mir die Ehrbarkeit. Ein jeder Rechtsgelehrter weiß solchen; Da nun diejenige Damen, welche solchen gerne wissen möchten, ihre Männer oder gute Freunde darnach fragen können, so will ich solchen hier mit Stillschweigen übergehen, und den Herrn Wix vet nur hier fragen, ob eine Königin nicht wenigstens ein gleiches Recht mit dem geringsten Ehe-Weib eines Bauren haben soll, wenn es auf die Rettung ihrer Ehre ankommt? Ich hätte hier ein weites Feld gegen

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gm die der Königin geschehene Arretierung und Behandlung ex iure Gentium die schönsten Gründe beyzubringen, allein ich würde nur wiederholen, was der verdienstvolle Ritter Keith schon gethan hat, und was aus denen Zeitungen schon sattsam bekannt ist.

Jetzt dünkt wich, höre ich den Herrn General-Fifcal Wivet fragen, ob ich denn nicht in seiner Deduftion gelesen hätte, daß er des Struensees und der Königin eigenes Gesiandniß angezogen habe? Allein, liebster Hert Wivet, so bald Sie dem Publico gesagt haben, beyde haben dieses Deliftum eingestanden, so hätten Sie auch immer schreiben können, mit was für Worten und Fonnalien das Geständnis abgefaßt ist. Hätte das Publicum dieses gesehen, so wäre es im Stande zu urtheilen, ob der Beweis hinlänglich und überzeugend geführet, oder ob das Bekenntniß sich nur auf einen allzufreien Umgang einschränke, ob ihm das feh: le, was der Jurist zum Beweis dieses Delicti erfordert, und ob es vielleicht nicht sv zwey

delt;

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deutig ausgestellet,ey, daß ihm zweyerley Deutungen gegeben werden können. Der Hert Wivet sagt selbst in seiner Déduction, daß der Struensee in seinem Verhör und auf die an ihn gethane Fragen seinem Umgang mit dem Vertrauen und Befehl der Königin, und mit seinem Amte als Medien« entschuldiget. Konnte bey diesen Umständen sein nachheriges Geständniß anderst als zweydeutig und zweifelhaft seyn? Wie kann man sich auf das Geständniß eines Mannes verlassen, der entweder das erste oder letztem«! gelogen? Struensee wollte ein Philosoph seyn, er hatte eine Kenntniß, die tausend andere nicht haben, er hatte sich von gewissen Vorurtheilen mit dem größten Grund und Ueberzeugung loßgerissen: gestand er dem ohngeachtet dem Doctor Munter nicht Sachen zu, die er unmöglich geglaubet, oder für wahr gehalten habenkann? Wie kann man nun in einer andern so wichtigen Sache dem Geständniß eines Mannes glauben, der durch innerlichen Chagrin, durch das beständige Anreden eines Charletanischen Theologen, durchseinen harten Arrest, durch die schimpfllichste Bes i a eg-

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gegnungen, ja durch die Todes - Angst schon närrisch und verrückt im Kopf war, oder doch wenigstens in einer ihn seiner Vernunft und Sinnen beraubenden Gemüths-Krankheit lag? Einem solchen Mann soll man ein Gestandniß glauben, das vor denen Augen der ganzen ehrbaren Welt denjenigen, der es thut, wenn er es auch mit Wahrheit thate, zum niederträchtigsten Menschen macht?

Ist nun, wie ich hoske das Struenseeische Bekänntniß umgeworfen, was will der Hert Wivet mit dem Gestandniß der Königin beweisen? Ich setzte den Fall, ich gestehe aber solchen nicht ein, die Königin hatte das Ihr angcschnldigte factum so klar und rein eingestanden, daß Ihrem Geständniß kein zweydeutiger Sinn, und keine Verdrehung gegeben werden könnte: Haben denn nicht die Rechte verordnet, dem Gestandniß einer Ehefrau, welches Sic zu ihrer eigenen Schande gethan, nicht zu glauben? Soll denn dem Herrn Wivet allein ein Juristisches, aus denen Römischen Gesetzen gezogenes Axioma unbekannt seyn;

el

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welches jeder Anfänger in der Rechts-Ge- lahrtheit weiß?

Mulieri propriam turpitudinem aîleganti non créditer heißt es. Ergo ist keiner Frau, sie sey so vornehm, oder so gering als sie will, zu glauben^ wenn sie'eine Sache gestehet, die ihrer Ehre nachtheilig ist. Wollte doch der Hert Wivetübcr diesen Punkt den ersten besten Commentarium aufschlagen, wie geschwinde würde er die Illegalitaet seines Beweises einsehen lernen? Wenn ich dem Herrn Wivet nun noch eine Anr necdote erzehle, die er nicht zu längnen im Stande ist, wie wird es denn um seinen aus dem Gestandniß der Königin genommenen Beweist aussehen?

Als die Königin zu Crvnenburg gefangen saß, wurde eine Königliche Untersuchungs-Eommillion an Sie abgeschickt. Drese fragte die Königin, ob das Delictum wahr seye, dessen man Sie mit dem Skrnensee beschuldigte. Die Königin gab Ihren

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gerechten Zorn und Unwillen zu erkennen, daß man sich unterstehen könnte, Ihr eine solche Frage zu thun, und leugnete es gänzlich. Wie Ew. Majestät wollen leugnen, was Struensee schon eingestanden hat? antwortete man der Königin. Was, erwiederte diese, der Struensee soll das gesagt haben, so hat er es wie der niederträchtigste Mensch gelogen. Gut, versetzte die Commiffion, wenn das wahr ist, das er in diesem Stück die Unwahrheit geredet, so hat er ein Leimen laefae Maieftatis begangen, und verdienet allein darum gerädert zu werben. Das war die Königin auf die Mitte der Fall-Brücke gestellt. Einen Schritt sollte Sie thun, dieser mochte nun vor- oder rückwerts geschehen, so mußte Sie fallen. Man that Ihr eine solche auf Schrauben gestellte Frage, dergleichen man, wenn ein Verhör seine Rechts-Gültigkeit behalten soll, nicht einmal dem größten Delinquenten thun darf. Nun stelle man sich der Königin Herz in diesem Augenblick vor, wie in demselben der gerechte Zorn, erstlich Ihre Unschuld angegriffen zu sehen, zweyteus von einem Unterthanen befragt und zur Rede gestellt

zu

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zu werden, und die Wehmuth Ihren treuen Diener, welcher Ihr seine Ergebenheit durch Herstellung der Ruhe in Ihrer Königlichen Ehe so oft bewiesen, das Schlacht-, Opfer einer Cabale werden zu lassen, mit einander gekämpft haben. Hier muß kurze Entschließung gefaßt werden, dachte die Kö-. mgin. Entweder muß meine Ehre, oder dev Kopf eines Mannes, dem ich Dank schuldig bin, aufs Spiel gesetzt seyn. Meine Ehre, dachte Sie, kann ich wieder retten, wenn ich nur Zeit und Gelegenheit habe;, seinen Kopf kann ich ihm aber nicht wieder aufsetzen, wenn er ihn einmal verloren hat. Mit einer mehr als. männlichen, und nur einer Englischen Prinzessin möglichen Standhaftigkeit und Großmuth fragte Sie also Ihre zudringliche Richter: Werde ich denn, dem Struensee das Leben retten, wenn ich ja sage? Man machte der Königin eine bejahende Verbeugung, und Sie sagte: Ey nun, so will ich ja sagen. Man legte Ihr eine Schrift zur Unterzeichnung vor. Diese unterschrieb Sie, wie der Graf Münch Ao. 1742 das gegen ihn gehaltene Protokoll unterschrieben hat. Man bes > schul-

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'

schuldigte diesen Grafen einer Sache, in welcher ihn sein Gewissen frey sprach. Er hatte sich leicht verantworten können: man gebrauchte aber statt seiner bey dem Vorfall gegenwärtig gewesenen General-Adiutanten und Officiers gemeine Soldaten zu Zeugen, welche nach Art des gemeinen Russischen Mannes für die allerge.' ringste Belohnung alles sagen, und thun was man verlangt. Als der Graf Münch sähe, wie widerrechtlich und ungereimt man den der Untersuchung verfuhr, sagte er zu dein General-Procureur, er möchte anstatt seiner nur selbst die Antworten aufsetzen, wie er sie gut finde, er wollte sie unterschreiben. Der General-Procureur nahm dieses buchstäblich an, und der Graf Münch unterschrieb das Protocoll ohne Schwierigkeit. Man lese die Lebens - Geschichte des Grafen Christophs von Münch im Bnschingschen Magazin Tom. Il p. 507 nach. Wenn das ein Held gethan, was kann eine Dame thun? Was hat man in Copenhagen vor Zeugen abgehöret? Nicht wahr, Bediente, Mohren, die über den Struensee, weil er

DE

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A 55

ihnen die Degen, über welche die Fremde gefallen, abnehmen, kaffen, und die Einrichtung machte, daß Sie die von des Königs Tafel unvvrgelegt abgenommene Pasteten nicht mehr in der Stadt verkaufen konnten, erbittert waren? Und eine Fraulein, von der in Copenhagen ein Rufgin: ge, daß, wenn solcher wahr ist, ihr Zeuguiß schwerlich gut für den Struensee ausfallen konnte, und eben darum keinen Glauben verdienet. Hatte man doch gut gefunden, der Königin und dein Struensee die sonsten Rechts-gewöhnliche ; Exceptiones contra personas et dicta teftium zu gestatten.

Was man sonsten an dem Verfahren gegen den Struensee und an der Instruction seines Processes getadelt, willjich hier nicht wiederholen, da ein jeder die seither dessentwegen herausgekommene Schriften selbst Nachlesen kann. Bey einer solchen Pflege der Gerechtigkeit kann man seines Lebens und Ehre bald verlustig werden. Kein Mensch wird die vorgegange-

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ne Illégalitaetcn weder denen Richtern, noch denenjenigen hohen Personen bey messen, welche sich in dieser Sache aus denen besten Absichten verwendet haben. Aber der Aristokratischen Parthie legt man solche zur Last, welche den König, andere hohe Personen, und selbst die rechtschaffenste Richter getauschet haben. Von diesen sagte Struensee, als er auf das Chaffot ginge: Ich habe Feinde gehabt, aber so weit hatte ist) nicht geglaubet, daß Sie ihre Feindschaft treiben würden.

Ich will, ehe ich schliesse, nur noch «ins zur Vertheidigung der Königin sagen. Wenn diese Dame eine Neigung zu dergleichen Ausschweifungen hatte, würde Sie solcher nicht lieber in Celle, wo sie frey und unbeobachtet lebt, jetzo da sie beleidigt, ohne Gemahl und Pflichten ist, Platz geben, als in Copenhagen, wo Sie unter denen Augen Ihres Königlichen Gemahls lebte, und wo Ihre Feinde Jbre Aufseher gewesen? Allein trete auf o Celle! Laß deine

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Einwohner reden! Vornehme, Mittlere und Geringe, Reich und Arme, Alt und Junge, Jederman giebt Ihr das Zeugniß, daß man in Ihrem ganzen Betragen nicht einmal einen Verdacht, viel weniger eine Spur schon vergangener Ausschweiffungen findet. Das macht, daß Sie Jederman liebet und ehret.

Man fangt schon an, diese Wahrheiten in Dännemark einzusehen. Die, welche sich in dieser Sache am berühmtesten gemacht haben, sind entfernet, alte treue Diener werden zurück berufen, und ich glaube, die Königin Caroline Mathildis wäre schon wieder in den Armen Ihres von Ihr dieseStunde noch geliebten Königlichen Gemahls, wenn man sich hatte überwinden können, einen Schritt eben so geschwinde rückwärts zu thun, als man solchen in der größten Uebereilung vorwärts gethan hat. Es geschieht aber gewiß noch, und vielleicht ist Dännemark bald so glücklich, diesen Tag zu erleben, den es mit golde-

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tien Buchstaben in seine Geschichts - Bücher eintragen muß. Denn, kann Christian VIL eine edlere, eine schönere und unvergeßlichere Handlung thun, als die Unschuldseiner Gemahlin retten?

Ich, der ich nicht den Vorzug besitze, ein Däne zu seyn, und vielleicht auch niemals geschickt und glücklich genug seyn werde, dem dänischen Monarchen meine Dienste weihen zu können, wünsche in einem prophetischen Geiste Dannemark im voraus Glück zu diesem frohen Tage.

Weise Vorsehung! Ich, der ich dich in meinem Staube und Nichts demüthigst verehre, ich flehe dich so oft vor meinen Nächsten an, weil du das Gesetz in mein Herze geschrieben, was du willst, daß dir geschicht, das thu auch andern. Vor dir ist meine Stimme, die zu dir dringet, so vernehmlich, als die Stimme eines Monarchen. Erhöre sie, wenn ich dich o Schöpfer und Erhalter unzähliger Welten hier¬

durch

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durch bitte, den dänischen Monarchen, Seine Königliche Gemahlin, Seinen Kron-Prinzen und das ganze Königliche Haus in deinen allmächtigen und sichersten Schutz zu nehmen. Vereinige zwey edle, einander würdige Herzen, die schon durch ein beyderseitiges, vor deinem allsehenden Auge gethanes Versprechen verbunden gewesen, der Neid und die Bosheit aber gctrcnnct hat. Alles was du machst, das ist wohl gemacht. Du thust nichts ohne Absichten. Diese sind aber Göttlich, und ebendarum uns armen Erdwürmern verhüllt und unbegreiflich. Oft entwickelt uns solche die Folge der Zeit: und wir müssen alsdenn sagen: HErt! wie weise und wie gerecht bist du! Auch du hast die Vorgänge in Dännemark geschehen lassen; deine Weisheit war dabey nicht ohne Zweck. Vielleicht sehen wir solchen bald, und alsdenn wird die Welt deine Allmacht preisen.

Ich selbst bin an einem ganz kleinen Hofe ein weit unglücklicheres Opfer der Cabalen und Intriguen geworden, als es Strur en-

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da

ensee an einem der größten Hofen Europens ward. Denn er war wenigstens seines Elends durch den Tod in etlichen Wochen überhoben. Werweiß, wie lange ich noch im Elend wandern muß, indem ich noch keinen Erretter sehe. Ich halte aber geduldig bei; ner Hand stille. Du mein Vater, du mein bester Freund, dem die Redlichkeit meines Herzens, und die Rechtschaffenheit meiner Handlungen besser als meinen Feinden bekannt ist, du wirst mir solche schon reichen, wenn es Aeitist,damit auch ich einer der Geringsten deiner Creaturen dich loben und verherrlichen möge.

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1
2

Spielende P e r sonen.

ven Stern bein. ein Edeunannn fixas, Lottchcns Varer Lottchcn, ein' Baurenmâdgen Martin Velten , ein lustiger Schuhflicker Jost Mayer sein Eevatmmann Niklas, ein Schnhknccht Michel, Lottchens Liebhaber Peter, Stemhcimv Bedienter ein Matrose ein Courier

3

Erster Auszug

Erster Auftritt.

(Die Dehaußrmg Marlin veircns — er und Niklas arbeiten — Velten see —)

Velten.

C|| ch ! da Mögt einem der Buckel auf. springen — daß mich doch mein Vater kein ander Handwerk hak lernen lassen — — da sagte er mir allzeit: Mein Sohn — das Schussickerhandwerk ist eine rechte Goldgrube -— Pech.

grube hatte er sagen wollen —- — ich

muß nur ein wenig ausruhen (er wirft A 2 alles

J

4

Martin Velten¬

alles auf die Seire) sonst flick ich mich noch krum und lahm, hör Niklas — gelt es ist ein verdammtes fchmuziges Handwerk ums Schuhflicker Hand« werk? —

Niklas.

So viel Köpfe fo viel Sinnen — Närrin 'Decken.

Da seht doch den Propheten auf feinen Dreyfuß wie er mit Sprüchwörkern um sich wirft — nun Hert Prophet Appell», was halt er denn davon? — Niklas.

Ich weiß selbst nicht — es ist wahr, es ist ein fchmuziges Handwerk, aber Meister Velten, nicht alles was glänzt ist Gold — aber es kann doch zu Gold gemacht werden — zum Exempel: Leder und Pech ist kein Gold, aber —

Velten.

5

Aber die Schuhe %

Velten.

Die mögen auch ein bißgen ausruhen, oder, wenn ihnen die Zeit zu rang wird, — sich selber flicken

Meinst du nicht Niklas, unsere Vater hätten gescheiter gethan, wenn Sie uns das Iunkerhandwerk hätten lernen lasten? das ist noch ein Handwerk, Niklas, aber das Schuhflicker-Handwerk — cs will mir gar nicht in den Kopf, daß er mir eine so schmuzige Erziehung gegeben hat.

A 3 1, Mein

6

6 Martin Velken,

ï

Mein Vater war eur beîer Mann, Der mich zum Schuster machte,

Ihn selbsten sah kaum enter au Wenn er sich noch so plagte.

2,

Zwar gicng's bey rhme rmmerzu, Da laß ich dir's noch gelten;

Dock roch er dir nach Pech, wie'du, Wie du und Martin Delten.

3-

Ein Schneider wohnte in der Nah' Der wußte recht zu stehlen,

Sein Kleid war schon —- es glanzete, Dem Schurken konru's nicht fehlen.

A,

Ich sah vor dem Wohl Vesten Mann Die Leute tief sich bücken.

Sie sahn ihn vor was rechtes an. Gleich krümmten sie den Rücken.

5. Zwar

7

5-

Zwar hatte er im Angesicht

Kein Pech, drum könnt es gelten.

Benin Canc Krispinus war doch nicht

Ein Schuster, Martin Velken.

Niklas,

Meister Velken! habt ihr noch nicht in der Chronik vom Chursürst Spasianus gelesen? der hakte einen Wahlspruch, den Hab ich auch: der Gewinst riecht von allem gut — und mögket ihr wohl ein Schneider feyn, Velten? Pfui doch.

Martin.

Freylich Niklas, ist das Schuhflickerhandwerk ein weit ehrsameres Handwerk, drum hat es auch, nach allen göttlichen und weltlichen Gesehen den Rang vor jenem; aber ich fagre ja A 4 nur

eine Operette.

8

r

Martin Velken,

nur so, Junker mögt ich seyn Niklas! Junker!

i.

Recht gute Tage haben fie,

Sie schlafen Lang; sie fressen,

(Lie saufen, arger als das Vieh,

Und halten sich Maitressen.

Dann jagen sie eins nach den Susk,

Und schießen, schreyend: - piff-paff-pusk, Sich Schweine und Maitressen.

Kommt dann ein Dauer in den Wald, Vergißt recht auszuscharren,

So kriegt er Schlage, daß es schallt, fm — PUM —> die Felsen schnarren. Dann zieht man ihn zum Wald heraus Und fahret ihn halb tod nach Hanß Auf einem Ochsenkarren —

Aber beym Sanct Krisprnus, so rasend wollte ich drum nicht seyn, nein, hurtig, Niklas, es pocht — ich will

mich

AR

9

eine Operette.

mich indessen hurtig an meine Arbeit sehen, daß die Leute nicht sagen, Meister Martin Velten ist ein rechter Faul« lenzer —

(er fingt!)

es

Gewiß ich Martin Velten, bin Von adlichem Geblüts,

Drum se) im Traum ich immerhin Rohr, Degen, Federhutc.

Wie «Mich nur zwey Herrn von Stand

Aus Amsterdamm erzählten.

So giebt es gar in ihren Land An6) Grasen von der Velten —

Wie leicht, daß ich aus der Familie hin, wahrhaftig —

(Jost und Nitlar kommen herein.)

A 5 LUD)

1

10

jo Martin Velten,

weer Äu fivm.

Marti» Veiten. Meister Jost.

LE

Martin Oclten.

(y

y, guten Tag Meister Jost — wie stehts ums åben? ihr kommt eben recht, da Hab ich —

Isst Mayer.

Nun Martin, da Hab ich Martin.

Pfui doch Soft — so grob — Martin ist nur mein Vorname, Hert von der Velten, ist mein rechter Name, gebürtig von Amsterdam!» — .auS gräflichem Geblüte — hast du noch nichts von den Grafen von der Velten gehöret, von meinen Herrn Vettern Jost! von meinen Herrn Vettern!

Isst.

11

eine Operette.

i -

^ Isst.

Das muß mir eine feine Freundschaft feyn — Martin, der luftige Schuhflicker sollte -

Martin.

Gemach, (oft, gemach — es wäre das erste Exempel nicht, daß Schuhflicker oder Kutscher Verwandten von manchem adelichen Hauße sind — wahrhaftig nicht.

Ich kenn dir manchen Edelmann Im deutschen'Reich, —

Gad du der Mamma Kutscher an Er sil) ihm gleich,

Er flucht, er schwört, wie jener dort Und denkt auch so —

Drum Jost, mit eurem Zweifel fort — Das macht mich froh.

Hab ich doch so was übliches in den Minen, nicht wahr Niklas?

Niklas.

II

eL ■ E 1 i

Ad

l

12

Martin Velten

Es

i

Niklas.

Ja, so em bißgen etwas ihr seht so liederlich aus wie mancher Junker. Martin.

Daß dich die Pest Schurke, Hab' Respekt, oder —

J0%

Aber was Henkers wollt ihr denn mit euren narrischen Grillen?

Martin.

Das will ich euch gleich sagen;

È. >

Ich sollte euer Junker seyn,

Das war ein herrlich Leben.

Bon Schatzung wollt ich euch befrcyn, Nicht Steuern sollt ihr geben.

D,

Nicht stöhnen dürftet ihr dann mehr Und keine Wege machen,

Ich druckte nicht das Land so sehr

Und schenkt' euch taufend Sachen,

3 Im

13

Im Jahre einmal mußtet ihr Au mir ins Schlößgen kommen,. Da trankt ihr a Ke eins mit mir Die Weiher mitgenommen.

rv

Ich ließ, wie bey der Kayftrs Wahl» Euch einen Ochsen braten,

Wein mußte springen auf einmal,

Wie sie zu Frankfurt chsten.

5-

Es mußte Bier und Branudtewei», Im Land wie Ströme fließen,

Ihr durftet in den Wald hinein Und selbst euch Hasen schießen.

6.

Den Amtmann ließ ich euch zur Freud* An lichten Galgen hangen.

Denn konnte er euch gute Leut,

Nicht mehr, wie sonsten, drangen.

Nicht

14

YA

Martin Velten,

Nicht wahr Jost, ich würde ein braver Junker geworden styn — aber — leyder Gott! so bin ich nichts als Meister Velten —

Isst.

Der Schuhflicker; aber was will dann Peter ?

(Peter kommt.)

Dritter Austritt.

Die Vorigen, perer.

Peter.

gehorsamer Diener Hert Graf van ! der Velten — wie stehts € hat er AB

die Grillen noch nicht verschlafen? doch Gedult, vielleicht ändert sichs bald, wir haben der Exempel gnug — f

Ulartin.

Was sagt er Hert Peter? Glaubt er wohl daß —

Peter.

15

r.

eine LO pereffte,

Peter.

C'y, warum denn niait — alles ist heut zu Tag möglich, und im Vertrauen , es ist ein Schisk von Amsterdamm angekommen. Wer weist, Hert Veiten, wer weiß — ich habe so schon etwas murmeln hören — aber —

Martin,

€, um Gottes willen, Hert Pi', fer — was ist es dann? sage er mir es doch — Niklas soll ihm ein Paar spanfunkelnagelneue Schuhe machen.

Derer.

Gnug Hert Martin, er wird wohl keine Schuhe mehr machen —

(doch wer kommt da?)

16

Martin Velten,

Vierter Auftritt.

Die Vorigen und der Matrose.

Matrose.

Uk sal uw wat alleen seggen myn Heer Martin —

Martin.

Peter, was sagt er ?

Derer.

Er mußte euch etwas alleine sagen. Martin.

Niklas tritt ab — mein Hert Matrose- vor diesen Herrn habe ich kein Geheimniß.

Matrose.

18 uwe Naam niet van der Velten. Martin.

Zu dienen mein Hert Matrose. Matrose.

So sall ick uw' glück wunschen, myn Heer Graaf.

Martin.

17

Martin. Was? ich ein Graf?

Matrose.

Leezt naar deezen Brief.

Ij

Martin.

Geschwind gebt her! Peker hat er nicht einen Groschen, gebe er ihn ihm doch, ich will ihn aus Dankbarkeit zu meinem ersten Staatsminister machen.

Peter.

Ich danke Ew. Hochgräflichen Excellenz — wünsche— fernere — Continuation —

Martin.

Schon gut Peter! ich will seine Gratulation vor empfangen annehmen ; (liest den Brief.) Jost! Peter! hört zu — doch ich muß auch

18

Martin Belten,

erst die Aufschrift lesen An Ihro

Hochgrafliche Excellenz, Herrn Herrn Martin Velten, hochbestalten Schuhflicker in. Sternhein — — — — Hochwohlgebohrner Hert Graf, un. überwindlicher Schuhflicker! Kraft alter Dokumenten erhellet, daß Ew. H. G. Ex. Hert Schuhflicker, Martin Velten, in linea C.jllaterali aus dem uralten Hause van der Velten abstammen , diese habe auf gnädigsten Befehl der Herrn General-Staaten Ew. H. G. Ex. zu melden, damit Hochdieselbe Dero Collateralgüker beziehen können.

Ex mandato Bens,

mpria.

Nun

19

eine Operette.

EO

Nun Peter! Jost! was sagt ihr dazu! jehk muß mich Lottchen Heurächen, und wann sie auf Steltzen Zieng

Isst.

Ew. Epcellenz verzeihen, wann ich mich bis dato wider den Hochdenselben gebührenden' Respekt ungeziemend ausgeführet habe — protestier dargegen von Herzen, und verbleibe —

Martin.

Ach verzeihe euch, Und zun Zeichen meiner Gnade laß ich euch zum Handkuß, (er reicht ihm die Hand) und er, Peter, gehe er zum gnädigen Herrn, und vermelde er ihm meine Gnade, und er sollte so gut seyn, mir den rechten Flügel seines Schlosses bis zu meiner Abreise nach van Velten zu leihen —

B 2 Peter.

»

Sk

20

Martin Velten,

Peter.

Wie Ero. Gnaden befehlen. Matrose.

Ik lief ook nok eene Kürte an iwe Gnaden.

Martin.

Was? eine Küste? gleich tragt sie her —

( der Matrose geht ab. )

| F

Mehr bin ich jetzt als Edelmann Und reicher noch, —

Nun Jost, {eh doch den Grafen an.

Du glaubst es doch.

Mit sechsen fahr ich jetzt herum Im Gallakleid,

Da stehn die Bauern start und stumm, Vor lauter Neid.

Z. Und

21

Und wann ich so im Dorfe fahr,

Roth im Gesicht,

So kennen sie, der Schuster war Graf Velten nicht.

Hör Jost, gehe mit und hilf mir ioktchen suchen, — doch — nein — gehe du in etliche Bierschenken, und sage es allen, daß Sie wissen, was aus mir geworden ist

Io st.

Wie Eure Gnaden befehlen —

(gehn beyde ab.)

Fünfter Auftritt.

(Die Scene verwandelt sich in eine ländliche Gegend mit Eichenbäumen, nicht weit vom Schlosse.)

B z Lort-

22

22 Martin Velten, Lottchen. (Sie kommt — ein Körbschen mit Blumen am Arm — setz sich nieder, und windet einen Strauss.) Ach der liebste Michel! da binde ich ihn einen Strauss — sie blühen, ach so schön wie seine Wangen — den muß er mir auf seinen Hut strechen und dann ein Liedgen singen — der gute Michel! kvann ihm nur mein Vater nicht so böse wär! der wüste Schuflicker der liegt ihm immer in den Ohren — aber ich Habs ihm einmal rund heraus gesagt, ich will ihn nicht —

Da kam er jüngst zu mir und sagte:

Ich — schönes Lottchen! liebe dich — Ich sah ihn schalkhaft ach und lachte, Und sprach: die Rühe spahr er sich.

2. Drauf

23

Drauf wollte er mich einmal küssen,

Da rief ich ihm, Hert Schuster weg!

Von ihm werd' ichs nicht leiden müssen,

Denn Martin Pfui! er stinckt nach Pech —

Und da wollte er sich dort an der Silberquells waschen — aber ich sagte ihm: Meister Velten mach er doch den Bach nicht schmutzig -— und da wurde er böse, und gierig fort. Ha! da kommt ja mein Michel.

Sechster Auftritt.

Lottchen. Michel.

Michel, (im Hereingchen.)

Ty steh doch, da ist ja mein Lotkchen— guten Tag Lottchen !

Lorrchen.

Guten Tag Michel!

B 4 Michel.

24

Martin Velten,

Michel.

Wem sind dann die Blumen da im

Körbchen?

Lottchen.

Was mir das für eine Frage ist! für wen sonst als für dich Michel ! Aber hör, du must mir auch ein Lied singen. Michel.

Das will ick), Lottchen! aber — hast du mich dann noch lieb?

Lottchen.

Ja gewiß Michel! warum fragst du aber so artig?

Michel.

Ich höre es eben so gerne Lottchen, wann du mir es sagst —

Lottchen.

25

eine Operette. 25

2.

Die Veilchen duften holder hier Im Blumenthal —

Ist nur mein schöner Hirt bey mir, Und singt einmal.

Michel,

Ost pflegt ich an der Silberquell' Allein zu gehn,

Er floß auf Kießlen still und hell. Doch nicht so schön,

Als da an seinen'. Ufer ich,

Mein Lottchen fand, —

Wo sie den Blumenkranz vor mich. Von Rosen wand ....

Lauchen.

».

Da, wo der Wald voll Veilchen blüht, Da sang einmal

Vom stillen Busch ihr zärtlich Lied,

Die Nachtigall. —

Bz NE Da

26

D)

Martin Vekten,

2

Da sang ihr bald mein Hirte nach Am Thale hie,

Er-fange kaum fein Liedchen, ach?

Da schwiege sie.

Michel.

Wahr ists, es schwieg die Nachtigall, Es schwieg der Wald,

Um Felsen schwieg der Wiederhall, Der sonsten schallt.

Und alle Busche horchten stumm Das Lied von mir,

Es lauschte still der Dach, warum? Ich sang von dir. —

A. Orten,

omm geschwind her Michel, daß )ir den Strauß gebe, du singst so liebst! aber Michel, wenn dir doch wem Vater gut wäre! was wollen

FULL

27

Michel.

Wenn du es nicht verrakhen willst, so will ich dir etwas sagen: du kennst doch Detern, der dort im schloß mit dem gnädigen Herrn wohnt, der sagte mir heute, er wollte es schon dahin bringen, daß wir einander heyrathcn dürsten.

Lottchen.

D?! geh doch Miches, ich will dich ja nicht Heyrathen!

Michel.

Was? du wille mich nicht heyratheu Lottchen?

Lottchen.

Nein! lieben will ich dich Michel!

Michel.

O Lottchen ! wenn man erst geheyrathet ist, da liebt inan sich recht, mehr als jeßf.

Lottchen

28

28 Martin Velten,

Lottchen. , Das ist unmöglich Michel, aber wenn du nicht anders willst, ja nun so herathe ich dich auch. Aber Michel, Lu hast mich ja heute noch nicht geküßt! Michel. Du hast recht iottchen, komm ich muß dich küßen, Totten. Kein Gold bezahlt den Michel mir, Mein ist er, ich bin sein. Die Blumen in dem Thale hier Die sollen Zeuge styn. Des Veltens Liebe sprech ich Hohn, Ja käme heut noch ein Edelmann Ich sähe ihn über die Achsel an. Und sagt: ich liebe schon. Aber da kommt ja der Edelmann. Wann er nur nicht gehört hak, was ich gesungen habe! Sieben-

29

eine Operette.

Siebenter Auftritt.

Die Vorigen. Von Srernhci'.n, (Mm einem Iagdkleide und einer Flinte, er stellt sie an einen Baum.)

Von Sternheim.

„Jun ihr guten Kinder, was macht ihr da ?

SD ottMen.

Ihre Dicnerinn gnädiger Hert, ich wand ein Blumenstrauß vor meinen

Michel.

Und ich, gnädiger Hert, ich sang ihr ein6 — und küßte sie.

Von Sternheim.

Ihr habt einander also recht lieb? Heyde. Ja gewiß gnädiger Hert, gewiß. Von

30

Von Sternheim.

Was sagt aber dein Vater dazu, Lottchen?

Y atten.

SD! der böse Martin Velken heht meinen guten Vater immer gegen uns auf.

Michel.

Ja gnädiger Hert, er will sie selbst heyrathen.

Von Sternheim.

Das soll er nicht Michel. Peter hat mir es schon gesagt; ich verspreche es euch.

Dede,

O! vergüte Peter! der liebe gnädige Hert!

Von Sternheim.

Aber wie habt ihr es denn gemacht Kinder,daß ihr einander so lieb habt?

Michel.

31

eine Operette

Michel.

Das will ich Ihnen erzählen. oe,

Und ich auch.

Michel.

fr

Ich sah mein Lottchen in dem May, Schön war sie, wie wenn Rosen Im Lenz bey stillem Abendroch Die Weste sanft liebkosen.

Wie Zephirs in dem -Blumèn Thal Um blaue Veilchen spielen,

So sah ich sie; da mußt mein Herz Ach plötzlich mußt es fühlen.

Lorrchcn.

So sah ich ihn, da mußt dieß Herz Ach plötzlich mußt cs fühlen.

Michel.

Da wünscht ich Sie zur Rasenbank Dort zwischen stillen Bachen —

Da dacht ich, könnest du doch einmal Von Liebe mit ihr sprechen.

Lottchen.

32

Er doch zum stillen Layne;

Und liebte mich! wir waren ja Da unbelauscht, alleine.

Michel.

Doch lächelnd kam sie einst zu mir, Noch kann mein Aua' sie sehen,

An ihrem Arm zur Silberquell,

Am Myrrthen Hayn zu gehen.

Lottchen.

Wir giengen. Oftmals seufzt er tief. Ich könnt ihn seufzen hören!

Da fragt ich ihn: was fehlet dir?

Kann ich dein Leid zerstören?

Michel.

Das kannst du Madgen, jagt ich ihr: Willst du mich zärtlich lieben?

Lorrchen.

Da wurd ch roch und fragte ihn: Was Freund! nennst du dann lieben?

Michel.

33

Michel.

' Ein Kuß auf deinen Rosenmund O! Lottchen soll dirs sagen!

gotten.

Da küßt' er mich, und ach! da wollt Ich ihn nicht mehr so fragen!

Michel.

Und schamhaft fiel ein holder Blick Auf ihren Busen nieder.

Lottchen.

Da nahm er mich in seinen Arm Und küßte schnell mich wieder.

Michel.

Da uberzog ihr Angesicht Die allersanftste Rothe;

So glüht auf Rosen an dem Hayn Die holde Morgenrothe.

Und zärtlich uberließ sie sich Des Herzens sanften Spielen.

Doch gnad'ger Hert, das lastet sich

Nicht sage», nur sich fühlen.

C Don

34

34 Martin Berten,

Pou Sternheim.

Das war schon Michel, recht schön Lottchen! ihr sollt auch einander heyra» then und wenn tausend Velten in der Welt waren. Lottchen! würdest du mir wohl auch einen Blumenstrauß winden und mich küßen, wann ich dir eins sange?

gotten.

Ja wohl, wann Sie es erlaubten.

Von Sternheim,

Nun;o hört mir dann zu:

X.

Nur in den Schatten stiller Wälder-Nur auf den Blumen, grüner Felder Liebt bk Natur.

Da wo die Bache sanft durch Wiesen-Mit lisplendem Betone- fließen.

Da liebt man nur. —

IM, Hayne wo in dunklen Hecken

Sich holde Mdgen schlau verstecken,

Der

35

Der Hirt dann klagt —

Wo, wann er sucht, sie sti le lauschet, Doch endlich in den Blattern rauschet Und schalkhaft lacht. —

3.

Geführt von Unschuld stießt ihr Lehen,

Der Liede Freuden nur ergehen,

Still, wie der Bach.

Der Thor' in glanzenden Pallasten Erkennt ihr Glück, — seufzt unter Aesten Ein Grciß, ihr nach.

Lottchen.

Nun gewiß, das war recht schön! den Blumenstrauß will ich Ihnen bringen, aber — wann Sie es erlauben — Sie — gleich küssen.

Von Sternheim.

Komm her gutes Lottchen! (er küßt sie) und du Michel, komm auch her, ich verspreche euch, ihr sollt glücklich werden.

36

Michel.

O! Sie werden uns glücklich machen!

Von Stern bein

Wer kommt da Lotkchen? es ist der Schuhflicker Velten; stelle dich, als wenn du ihn nicht kenntest. Mi. chel, da verstecke dich hinter dem Baum ; ich komme bald wieder zu euch. Adieu Lotkchen!

Ff ottchcn.

Adieu gnädiger Hert!

(von Sternheim geht ab.)

Achter Auftritt.

Martin Delrcn, (in einem Mantel Und einen Huth auf feiner Mühe) Lort. chcn. (siht und windet einen Strauß) Michel, (hinter demBaume.) Martin.

N him Element da ist Lotkchen. Ich muß sehen obste mich kennt: guten Tag Mädgen!

L ottchcn.

37

eine Operette.

Zotten.

Ihre Dienerjnn , Mein Hert!

Martin.

Sie ist ein artiges Jüngfergen!

Lottcyen.

Das sagt mir Michel alle Tage. Ich habe ihn auch recht lieb.

Martin.

Wer ist dieser Michels mein Schah?

Lottchen.

O! der allerbeste, der allerschom ste Hirt auf der ganzen Flur, er war eben bey mir, ich küßte ihn und er küßte mich so zärtlich, und das im Vertrauen gesagt: (sie steht auf und stellt sich als sagte sie es ihm heimlich) .alles dem Schuhflicker Martin zum Possen.

Martin.

Was? dem Schuhflicker Martin

zum Possen? das ist drum gottlos.

C 3 Lottchen.

38

Martin Velten,

Lsktchen.

O! wenn sie den garstigen Mann kennten! sie würden gewiß sagen, wir hätten recht.

Martin.

Nicht doch! ich renne den Mann, er ist ein recht artiger, braver Mann. Aber einen Hirten zu lieben! Pfui, Pfui, sag ich.

Lottchen.

Ô gehen sie! sie kennen ihn ja nicht, wann sie nur wüßten wie lieh wir einander hätten!

Martin.

Mein! wie könnt ihr Leute auf nn Dorfe doch einander so lieb ha« ni! geh! was versteht ihr von der

39

Zotten.

Gewiß verstehen wir es;. ich will es ihnen nur erzählen wie mein Michel und ich ansiengen uns lieb- zu haben. ,

Martin. (Hey Seite.)

Das mag mir eine feine Geschichte seyn!

AZ Otten.

Sehen sie' da trafen wir uns bey einem Reyhentanz an; der liebe Michel kammeben mir zu stehen, ersähe mich recht zärtlich an, und da schlupfte mir so etwas durch den Busen, ich weiß es nicht recht zu nennen — nun so etwas, daß ich bis ins Herz empfand.

Narrin..

Ja ja f

Lenchen.

Nun so hören'sie doch! hernach drück, te er mir dis Hand> und — da fühlte C 4 ich

40

Nartin Velten,

ich es wieder , und noch so etwas das mich zwang ihm die Hand wieder zu drücken — und ich weiß nicht wie es kam — ich mußte seufzen.

Martin.

Die Hexe !

Lottchen.

Und dann sah ich ihn an, grad wie er mich ansah, und da fiel plöhlich mein Blick auf den Strauß nieder, und ich wurde so roth — so roth '—

Martin.

Blutroth!

Lsttchcn.

Nein so nicht! so wie diese Rose; und ich weiß nicht wie es kam, ich konnte nicht mehr ohne den Hirten seyn. Gien g ich schlafen so sah ich den Michel; stand ich auf, so sah ich den Mi¬

ch«;

41

dief ; gieng ich mit der Heerde, so sah ich den Michel;

Martin.

Mit dem verwünschten Michel! that ich ein Hemd an, so sah ich den Mich

— (sie halt ihn den Mund zu) den Mich OSH

— den Michel.

Lottchen.

Wenn sie auch so wollen so red ich kein Wort mehr.

Martin.

Nun so mach nur fort.

Zotten.

Ueberall—überall war Michel. Ich wünschte recht den. schönen Michel zu se. hen! und endlich —

Martin.

Fandst du ihn. (bey Seite) der vers wünschte Michel!

Cs

Lottchen.

42

Martin Venen,

Lsttchcri.

Ja! ich saß eben am Bache und wand einen Blumenkranz; da kam er wie ein Pfeil zu mir geflogen, und denn stand er still, und fragte mich schüchtern: darf ich mich zu dir sehen Lottchen? ja guter Wichel sagte ich! aber wollen wir nicht lieber dort in die Schatten am- Myrrthenwald gehen? wie du willst Lottchen! es ist überall schön wo du bist — und da grenzen wir mit einander — -

Närrin.

In den Wald?

A Otte,

Ja in den Wald! und da sagte er mir: Lottchen wenn du wüßtest wie lieh ich dich habe! ja wenn du es wüßtest— da fragte ich ihn schaamhaft: ey Wichel

43

chel wie liebt man denn: ich will gar gerne auch lieben, und da küßte er mich recht auf den Mund, und — Martin.

Und— was — was — und — Lottchen.

Und ich druckte ihn recht zärtlich an mein Herz, und — küßte ihn auch. Martin.

Das ist drum abscheulich!

Zotten.

OD! gehen fie doch! ssust hatte ich den Martin Velten auch ein bißgen gern, aber — zum Glücke kam mein lieber Michel und — fischte mich ihm vor dem Maul weg.

Martin.

Das ist nicht auszustehen. Und du liebtest zuvor den Velten? und Michel —

Lottchen.

f

ER

»

44

Lorrcyen.

Ja, und Michel war die Ursach, daß ich ihn jetzt gar nicht mehr leiden kann.

Martin.

Lottchen sieh mid) einmal recht an' wolltest du mich nicht dem Michel vorziehen? beym heiligen Krifpinus!

Lottchen.

Pfui doch! Pfui! — so fluchte als der garstige Velten, und wann ich sie jetzt nicht mögte, so wäre es blos weil sie so garstig fluchen wie der stinkende Velten.

Martin.

(bey Seite.)

Daß ich auch meinen Stand so verse — (zu Lottchen) höre Lottchen wann mich lieb haben willst, so sollst du einer Kutsche mit sechs Pferden

Lottchen.

45

Ich mag nicht! ja wenn sie nicht so garstig geflucht hätten wie der schmuzige Velten!

Martin.

(bey Seite.).

Ich wollte ich hätte was anders im Maul gehabt! (zu Lottchen.) aber lokt. d)cn ft y nicht narrisch! komm her und küsse mich doch einmal!

Fg otien.

Ich? sie küssen?

Za wan» der Hert mein Michel war

So ließ ichs immer gelten.

Allein den küß ich nimmermehr Der flucht wie Martin Velten.

2. Und

46

46 Martin Velten,

2. Und in der That so haben sie Von Velten in best Minen, So was; ersparen sic die Müh! Sonst — wollt ich gerne dienen. 3. Wer bey dem Sankt Krispmns flucht And war er Graf und König, Wann er bey mir ein Küßgen sucht Erhielte allzeit wenig. 4. Ja wann der Hert mein Michel war So ließ ich es noch gelten. Allein den küß ich nimmermehr Der aussieht als wie Velten. Ich empfehle mich Ihnen Ihro Gna. den! (sie will fortlaufen — er hascht Sie, sie schreyt.) Neun-

47

Die Vorigen und Michel. Michel.

<A Jas gr'evks da? wasgiebts? Hey Hey gnädiger Hert! laßen sie mir mein Löckchen in Ruhe , oder — Martin.

Respeckt Kerl ! kennst du mich nicht? ich bin ein Graf!

Michel.

Das ist mir eins, Hert Graf ! lassen sie mein Mädgen in Ruhe, komm her Lottchen! was bekümmern wir uns um den Grafen!

Martin.

Was ! was! fo mit den Grafen van der Velten, gebürtig aus Amsterdamm, Lateralerbe von den Fürstenchum van der Velken, Hert von und zu — somit ihm

zu

48

I

zu reden! hangen sollst du Michel! hangen! heute noch.

(er geht drehend ab.)

Lottchcn.

Hast du gehört Michel was er gesagt hat? er will dich aufhängen lassen, lieber Michel! du hattest auch höflicher seyn sollen lieber Michel! geh.durch — oder verstecke dich beym gnädigen Herrn, das ist so ein guter Hert —

Michel.

Ich fürchte mich nicht Lottchen! aber du must bey mir. -bleiben; wir wollen mit einander zum gnädigen Herrn gehen, und ihm alles erzählen, und ihn auf den Knien bitten, daß er uns in Schuh nimmt.

Sg dttchen.

49

Aber —^ ich mögte doch wissen wie der garstige Schuhflicker so geschwind Graf worden ist, Michel!

Michel.

Das mögt ich drum auch wissen!

CT òttchen.

Komm fori Michel! eh die Soldaten kommen und dich einsperren!

Michel.

Du hast recht Loktchen! komm.

die sehen ab.)

Zehnter Aufrrilr.

Derer»

^4eberall such ich meinen Herrn, und nirgends kann ich ihn finden« Der Hert Graf van der Velten verführt

einen abfcheuligen LerMen im Schloße. Er will den Michel aufgehenkt wissen, D Und

50

Martin Velten,

und das de iure. Ich bin drum selbsten begierig, was mein Hert mit dieser Komedie will! er ist so geheimnißvoll! doch was gehtS mich an. Meinen Spaß werde ich dabey haben, und den Herrn Velten mit Vergnügen entgrafiren helfen.

Ende des ersten Aufzugs.

51

Erster Auftritt.

Velren. Jost. Peter, Niklas. Velten.

(noch als Schuhflicker gekleidet und ohne Mantel und Hut. )

Seht Niklas sollst du noch wenige Augenblicke Bedienter, und hernach .Minister der einheimischen Geschafften seyn. Hole einen Tisch und Stühle! es ist billig meine Herrn, daß man dem armen Sünder aus dem Platze seiner

Uebelchat das Urtheil spreche!

(Niklas bringt Tisch und Stuhle, sie setzen sich.)

Sie Hert Jost mache ich zum Staats, minister, und schlage sie Zugleich zum Nit» ter des Krispinusordenö, (er zieht Josten eine Ohrfeige.) NEN

52

Martin Velten,

Isst.

Unterthänigster Diener „Ss Excellenz.

VclteN.

Sie Petern mache ich hiemit zum er. sten Minister, zum Canzler des Ors dens. (giebt ihm auch eine Ohrfeige.^ und zum Criminalreferendarius in Sachen, die den Galgen und das Rad betressen, (zu Niklas.) und dich Niklas! (zu Jost und Petern, die sprechen.) nun so Halts Maul ihr Herrn geheimen Rache! und dich Niklas mache ich gleichfalls zum geheimen Rach und Sekretär. Aber da du aus niedriger Abkunft bist, so mußt du den Ritterschlag aus eine an» dere Art erhalten! hier lege dich über den Stuhl. (Niklas legt sich über den Stuhl , und Velten giebt chm dre» Schlage

vor

53

vor die Hosen.) nun Niklas bist du nos bilitirt, baron isirk, und, zum Ritter ge» schlagen.

Niklas.

Ich danke Ew. Excellenz!

Velten.

(pathetisch.) Nun meine Herrn Ministers! (zieht die-Mütze ab.) geheime Räthe ! Criminalreierendarii ! Ritter des heiligen Krispinuöordenö! und Sekretairs! (set seine Mütze auf.) hören fie , was ich Ihnen vorzukragen habe; es hat sich Michel gröblich erfrechet, sich an meiner heiligen Person zu vergesten, und ein Crimen laefae Majeflatis zu begehen, kraft dessen begehren wir zu Hören, was Euer Rath ist, und wie zu verfahren wäre?

Isst.

Man muß ihn henken!

D z Niklas.

I

Vf: \

54

Martin Velten,

Niklas.

Ich hielte davor, man beschmiereihn mit Pech, binde ihn an einen Pfahl, und stecke ihn bey lebendigem Leibe in Brand.

Velten.

Nichts! Nichts ihr Herrn! ich habe einmal in der alten Geschichte gelesen, daß der große Mogol — — Niklas, wie hat des Pfarrers Hund geheißen?

Niklas.

Tamerlan!

Velten.

Recht! Tamerlan — Tamerlan — ja — daß der große Mogol den Mufti Baiazet in einen großen eisernen Keßg eingesperret, und den Keßg an einen eisernen 50 Schuh hohen Galgen ge« hängt habe.

Jost.

55

Um Verzeihung Ihro Excellenz, das war der Jud Süs gewesen.

Velten.

Was, ihr wollt als gescheuter seyn als ich! ich Hab doch recht! Bajazet heißt in der teutschen Sprache: Jud Süß! da habt ihr euren Zweifel gehoben.

Peter.

Aber da Michel ein Unterchan des Herrn von Sternheim ist, so müssen wir ihn doch erst deswegen requiriren.

Peter.

(zu Josten.) Hör Jost, was heißt das requiriren?

Isst. ,

Ich weiß, meiner Seele nicht!

Velten.

(zu Niklas.) Weist du nicht Jost, was requiriren heißt?

D 4 Niklas.

56

Martin Velten,

Niklas.

Ja! es heißt jemand ins Loch storken !

Velten,

Aber mit Erlaubniß, Hert Canzlep-Peter, warum sollen wir dann erst den Edelmann ins Loch stecken?

Derer.

Was? Loch stecken! requiriren sage ich ja. Aber (ernsthaft) noch eins ihr Herrn, bey mir henkt man den Misse« hâter nicht ehe bis man ihn hat!

Velten.

Beym dlitz, Peter hat recht! Aber gestraft muß er seyn, (er sinnt nach.) Wißt ihr ryas ihr Herrn; wir wollen ihn in effigie aufhenken, und a US besonderer gräflicher Gnad an einen hol. zernen Galgen,

Jost.

57

eine Operette.

Mt.

Aber wo wollen wir sein Bildniß herpehmen?

Niklas.

Zu Haus über unserer Werkstatt hangt das Bild des Herrn Vaters von Ew. Ercellen; ; die Mäuß haben ihm ohnehin die Nase etwas zerfressen, wie wäre es, wann wir es in Michels Namen aufhiengen ?

Velten.

Niklas du bist ein wackrer Sekretär! auf den Einfall wäre ich mein Tage nicht gefallen.

Peter.

Aber wo kriegen wir jetzt geschwind einen Nachrichter her?

58

veken.

Ja Hert geheimer Rath. Sie müssen ihn aufhenken. -— Niklas! hole doch das Bild geschwind her, und laß hier auf der Stelle der Frevelthaten den Galgen aufrichten. Da habe ich in der Zeitung die Historie vom Graf Skruenste gelesen', es soll alles eben so traetirt werden. —

(Niklas gehr ab.)

^ Es lebe die Gerechtigkeit And Loßheit die vergehe,

Man henke Michels Eildniß henk,

Das jedermann es sehe.

2.

Es spiegle sich dann jedermann Am Tod vom armen Sünder,

Und nehme ein Exempel dran Und warne seine Kinder.

(Niklas kommt mir dem DDR.)

Um

59

eine Operette.

Um damit alles in forma gehe, so stelle den armen Sünder gegen uns über. Erst muß er verhört werden. Höre Michel! hast du dich nicht erste, chet, des Herrn Grafen van der Vel. len liebste zu verführen? Hert Serre» karlus die Aussage getreulich niedergeschrieben.

Niklas (schreibt.)

Antwortet — nichts.

E D N |

f4

W

WM n

M n > al

Velten.

Du stummer Bößwicht Michel! hast du nicht das Crimen laefae M.ijelimi« begangen?

Niklas schreibt.)

Qui tacet sKrrnat — er gestehts zu.

Velten.

Hast du nicht sogar schon, Sie, die unsere Gemahlinn werden sollte, heim»

Lich)

60

GO

Martin Velten,

(ich oder öffentlich, mit oder wider ihren Willen beschlafen?

Niklas.

Wieder still geschwiegen, so gut als ja!

Velten..

Wann du unsere Kasse hättest be» stehlen können, würdest du es nicht ge: than haben?

Niklas.

Noch hält er'S Maul — ja.

Velten.

Wann wir überflüßige Soldaten oder Obrigkeiten gehabt hätten, würdest du Sie nicht abgeschafft haben ?

Niklas.

Ja!

Velten.

Wann du gekonnt hättest, würdest hu nicht unsrer geheiligten Person in den Daumen gebissen haben?

Niklas.

61

Ja!

Velren.

Bekennst du dieses alles ohne Widerrede?

MklaS.

Ja!

Velren.

1 VA

•i

Meine Herrn wie ich sehe- so hat der Spihbub mehr gethan als wir glaubten; wir müssen ihm sein Urtheil sprechen.

Peter.

Aber er Horts ja nicht Hert Graf!

Velten.

Das schadet nichts , es muß in forma gehen, informa Peter! ich willeS abfassen, (er schreibt.) Aber Jost! Peter! Niklas! wie müssen ihn geschwind zum Grafen machen, wann er schon von

bürgcrli«

?

62

52

Martin Velten,

bürgerlichem Geblüts ist, daß wir ihn auch seines Rangs und Würden entsetzen können.

Alle drey.

brat!

Velten.

Da Peter lese eres ab, er ist Kanzler.

Peter (ließt.)

Nachdeme Graf Michael sich freventlich unterstanden , die geheiligte Person unseres Grafens zu beleidigen, die überflüßige Soldaten und Obrigkeilen abzusetzen, der geheiligten Per. son des Herrn Grafens in den Daumen zu beißen, und also einen Anschlag auf das Leben des Herrn Gras fens geäußert, die Kasse bestohlen, als erkennen wir denselben des crimen iseiae Majeftatis schuldig, entsetzen denselben Kraft den Gesetzen unserer Graf¬

schaft

63

eine Operette.

sch a ft aller seiner Würden und Aemter, wollen , daß demselben auf einem hiezu erbauten Schaffotte sein Wappen zerbrochen, und vor die Füße geworfen werden soll, ihm selbst aber Hand und Kopf abgehauen, beyde auf einen Pfahl gestecket, der leib aber geviertheilet und auf das Rad geleget werden soll. Da aber derselbe gottloser Weise sich erfrechet uns durchzulauftn, und feine Hände, Füße und Kopf mitzunehmen, so foll aus besondrer Gnade sein Bildniß, NB. weil solches des Herrn Grafens Vaters Brustbild ist, und keine Bei» ne hat, auch folglich nicht kann gebiet theilet-werden, werden, an einen Galgen gehänget werden —

(graf von der Velren inpria. Jost Minister. Peter Criminel-Refereàkius und Niklaê Sekretär.

Velten.

l X

64

Mattin Velten,

Veiten.

Potz Blitz, Niklas lauf Und hole mir ein Skabgen aus dem Wellenbüschel draus, daß ich ihm auch den Stab brechen kann.

(Nrklas laust und bringts.)

Nun so breche ich dir den Stab, und werfe dir ihn vor die Füße !

Alle.

Fiât juflitia! Vivat der Graf van de? Velten!

Velten.

Niklas thuè geschwind,deU Michel weg, dá kommt jemand.

(Lvttchen kommt.

CAR HL N PEN ‘ ^

tOnU

65

Dritter Auftritt

Die Vorigen und àtchrn» velten:

kamst zu spat Lotkchen, sonst hat. test du der Execution deywohntzn können-.

Lsttchen.

Was mir das vor ein Äork ist! ich

versteh euch nicht Velten:

Isst.

(zu Loktchen.) Er ist ja Graf Mvkr den, Hab doch Respekt.

Velten.

Nun so will ich dir es auf deutsch sagen: eben jetzt ist Michel hingerichtet worden:

Loitchen.

66

66 Martin Velten,

LN ottcen,

Sag!

Deltà

Der Kopf!

SA ttc Ns

Still Velten, ihr lügt, ich seh ja kein Blut.

Delten.

Hand und Kopf auf Pfahle gestà N,

O geh er Velken, er scherzt,

Velten.

Verviertheilek.

Y ottche.

its währ Peter?

Velten.

And endlich ex gratia aufgeknüpft worden.

(Lottchen läuft weinend fort/ Velten läuft ihr nach-)

Vier-

67

eine Operette.

Vierter Auftritt.

Die Vorigen. Niklas. Niklas.

So sterbe wer dem Staate drohte

Den Tod den Michel starb,

Er sey voll Schand wie Michels Tod, Der auch den Staat verdarb — Peter.

Des Fürsten Krone zieret Huld — Doch wo Kabale schleicht,

Hat selbst ein armer Michel Schuld, Der stirbt — blos, Weiler schweigt. — Jost.

Weh deine, der in Hände fallt Wie Schuhster Veltens sind.

“Er dünkt sich König, dünkt sich Held — Und doch ist er ein Kind.

Peter.

Nun ist der arme Michel hin,

Allein auf unser Wort.

Er liebte nur, drum schickt ex ihn

Zum Rad und Galgen fort.

68

Martin Velten,

CUOTAS.

Wer beym Blitz kommt da?

( Niklas und Jost laufen fort.)

Funfrer Auftrirt.

Von Sternheim. Håns.Nnct-el. Peter. Hans.

ber — gnädiger Hert! Velten ist eine Parthie, die man nicht alle Tage hat, wissen Síe, daß er in Holland adliche Verwandten har?

Von Grcrichcim.

Was Verwandte!

Und daß er selbst Hoffnung hat noch Edelmann zu werden?

Don Stcrndcim.

Glaubt ihr dann dem Narren alles? er ist Schuhsticker und wird es ewig bleiben.

Hans.

69

eine Operette,

Hans.

Dann könnte er auch noch etwas aus mir machen«.

Von Sternheim..

Seyd kein Kind Hans! Göttchen und Michel lieben sich , gebt sie einander. Michel ist brav.

Hans.

Das ist wohl wahr, wann er mit auch Hoffnung hatte ein Edelmann zu werden!

Peter.

Wißt ihr, Hans, daß ihr zu spat kommt; Delten ist Graf geworden, aber euch hat er vergessen, er hat schon alle Ehrenämter ausgetheilet; ich bin erster Minister«.

Hans.

Was l Velten ist Graf? ich muß zu ihm! ihr Diener, gnädiger Hert! ich muß fort.

E Z Von

70

Von Sternheim.

Einen Augenblick noch Hans! wann Schuster Velten kein Graf ist, wollt ihr eure Tochter Micheln geben ?

Hans,

Ja ja, gnädiger Hert! aber ich muß fork! gewiß ist er Graf!

(lauft fort,)

Sechster Auftritt.

Die Vorigen. Hernach Lottchen, Von Sternheim,

Was das nicht ein wunderlicher Mann ist! aber Peter, wo wart ihr so lange?

Vcter,

Ich habe die Rolle als Minister, Kanzler, und Ritter des hohen Kristi, nusordens spielen müssen.

71

Michel. Ach wann doch Velten kein Graf wäre! Von Sternheim.

Beruhige dich Michel! du mußt Lottchen haben.

Michel.

Ja Hans giebt mir sie nicht; und wann sie Velten lieben muß, so —

sterbe ich.

Von Sternheim.

Nein Michel sey nur ruhig, ich stehe dir davor.

Michel.

Ja Velten ist aber ein Graf, und Sie sind ja nur ein Edelmann,

Pott Sternheim.

(bey Seite.) Dieß ist die Stimme der Natur. Sieh Michel! Lottchen kommt. (Lottchen kommt, sie sieht Micheln nicht gleich, und fällt dem Baron zu

Füssen.)

72

Lottchen.

Ach sie haben ihn umgebracht , gnä« higer Hert! den besten den liebsten Michel — schaffen Sie mir meinen. Miches wieder — sie haben ihn mitgenommen — und der (sie zeigt auf Peter») hat auch geholfen — (sie erblickt Micheln, springt auf und wirft sich in die Arme des Barons.) Ach sein Geest. ~ ich sterbe —

Von Sternheim.

Sey> ruhig Lottchen! er ist es. selbsien.

Michel.

Ja Lottchen, Michel ist ja da, er lebt ja. (sie sieht sich schüchtern um.)

Lottchen.

Michel! bist du es selbst? (sie laust ihm entgegen. ) Ach liebster Michel Hab. ich dich wieder ~ (sie küßt ihn.) Die

Hosen

73

eine Operette.

Hosen Leute haben mir gesagt, sie hakten dir Kopf und Hände abgehauen, gevier¬

theilt und dann an den Galgen gehenkt. P-n Sternheim.

Was ist das Peter? du must es

is

Helten hat Micheln als einem Befleis higer der Magistat in effigie alle die Martern ankhun lassen, wovon Löckchen spricht, weil er sein Nebenbuhler ist. Von Sternheim.

Gut! jetzt Hab ich ihn wo ich ihn hahen wollte. Michel in einer Stunde ist totechen Hein, so gewiß ich Sternheim heiße».

Bexhe.

(Sie kuffen ihm die Hände). Ach gnädiger Hert! sollte es möglich seyn ?

E 5 Peter.

à

74

Peter. ;

.Gehe hin und protestire in-meinem Namen gegen sein Betragen ? , du bist klug gnug Peter (er spricht heimlich mit ihm ) adieu ihr Kinder.

(er geht ah und Peter auch).

Siebenter Auftritt.

Lottchen und Michel. Ten

(Oo bist du bann wieder mein Michel ! du glaubst nicht, was ich ausgestanden habe! dort saß ich lange und weinte um dich.

i.

wo dar Moos auf Felsen liegt, ort weint ich in die Quelle! schlich sie hin und rauschte nicht ie. kleine Silberwelle.

75

eine Operette, 75

‘D

Und ängstlich rief der Wiedechall Mir meine Wagen wieder,

Und drückte dort am Wasserfall Die Ulmen - 'Blätter nieder.

3-

Kein Vogel in dem ganzen Hayn Wollt mehr sein Liedgen singen. Nur einer sang auf einem Stein,

Doch schien er sich zu zwingen. Michel.

Ach Lottchen! wenn ich dir nur sagen könnte was mein Herze fühlt, da ich dich' so singen höre! komm her und fühle wie es klopft — fühlst du nicht, daß es deinen Namen klopft — o! ich muß dich küssen mein Lottchen —

».

Du liebst mich — Lottchen! welche Wonne Du liebst mich — schöner blüht die Flur, Ach schöner glanzte noch die Sonne,

War diese Stunde — ewig mir.

2. Mit

76

Martin Velten, 2. Mit allen seinen Blumen sinket Der Frühling in das stille Thal.

Sieh wie der Hayn uns froher winket, Wo ich so oft dir Küße stahl —

3.

Bard zieht dort an dem blauen Hügel Der Silbermond sich Mener auf.

Die Nacht voll Sternen halt den Angel Und zögert, mild, in ihrem Lauf.

4.

Und über blühende Gefilde,

Dort auf die bunte Frühlingsan

Fallt in dem stillen Schein voll Milde, Umglanzt, ein holder Perlentbau.

5.

In deiner stillen noch das Mondenlicht. Glanzt sanfter noch das Mondenlicht.

Da girret zärtlicher die Taube Und flicht den fausten Gatten nicht.

Lotkchcn.

77

eine Operette. ft

LottcheN.

O ! «ch glàubke schön zu singen ; ober du singst schöner! jo Michel wenn du nur schon ganz mein wärest! wie oft wollten wir uns des Abends in die Loube sehen — den Mund Und die Skee« ne ins Thal hinab glänzen sehen — oder die Nachtigall singen hören —öder zärtliche Tauben zu einänder stottern sehen, und sie nicht stören — denn ich sehe gor nicht gerne wenn mon uns störet»

Michel»

Löttchen! ich glaube der Himmel wäre mir nicht schön wenn ich oh. ne dich da wäre — gewiß würde ich dann im Mondschein mich hin weg stehlen Und wie ein Vögelchen um deine Laube herumstattern

ivan und

78

! R

Martin Velten,

«— und fände ich dich> auf deine Ach» sel Hüpfen und dir ein Liedgen singen; und dann durch die Strahlen der Mors genrothe wieder — betrübt, zurück» fliehen -à

Lottchen.

O wie wollte ich dich dann reichten

und dich küssen ! ja -— aber denn ließ ich dich nicht mehr fort Michel!

Michel»

Ja wenn ich aber heimlich forkgegan» gen wäre so müßte ich ja Lottchen!

Lottchen,

Aber Michel wie würde ich da in der Felfenhöle weinen — wann du fortfiö» gest: o! da kommt der böse Velten wieder. Komm Michel wir wollen fort» gehen».

Achter

79

erne Operette» 79

Achter Auftritt.

Velten, Gans, Jost. tTtiklas. Harrs»

CW

das ist mir ein schöner Velten, er wird Graf und sagt mir kein Work davon und theilt noch dazu Aemter aus und vergißt mich ! das ist schön! Welten;

Nun ihr seyd auch gar zu eilend; ich bin erst eine Stunde Graf und die ganze Welt sollte es schon wissen können! und was das zweyke betrift, Hans, so habe ich grad meine Ministers in der Stunde so nöthrg gehabt, baß sonst das Todesurtheil an dem Michel nicht hätte können vollzogen werden.

Hans»

Was! was! Michel ist tod! o ihr gottlosen Schurken! der ehrliche Mi-

80

80 Martin Velten,

chel! und das habt ihr können über euer Herz bringen! jetzt Velten kriegt ihr meine Tochter nicht.

Jost.

Nun redet doch mit mehr Respekt vor dein Herrn Grafen.

Hans.

Was Respekt!

Volten.

Nun so seyd doch nicht so hitzig Hans! er ist nur in effigie aufgehenkt worden.

Was Henkers heißt dann das lateinisch?

Niklas.

Er ist nur im Bilde aufgehenkt worden?

Hans.

Seyd ihr aber nicht rechte Narren?

81

Niklas.

Das ist respektive gelogen.

I EE:

Velte.

Halts Maul Niklas! Hans wenn du mir deine Tochter geben willst so sollst du mein erster Minister werden.

Isst.

Ew. Excelle»; vergessen ja, daß sie diese Charge Herrn Peter gnädigst eom ferirt haben.

VelreN. 1

Beym Henker ja! aber höre Hans ich will dich zum Generalstaaten bey Mir machen! o Hans das ist dir ein Mann!

Hans.

Ja Velten du sollst sie haben. Aber nicht eher bis du aufziehst. Du hast mich »

82

Martin Velten,

warten lassen, jetzt kannst du auch ein biögen warten«

Velten«

Nu Hans denkt doch ein klein bi'sgcch wer ich bin« Ihr dutzt mich grad, als wenn wir die respective Schweine mit einander gehütet hätten»

Bin ich dein Schwiegervater Vel. len! oder bin ich es nicht ?

Velten«

Wohl! aver deßwegèn müßt ihr doch Respekt vor mir haben —

Hans.

Mehr als Dü von mir?

Jost«

GewißHans! du must dir es ja noch für eine Gnade schätzen, daß er sich mit dir alliiren will»

Hans-

83

eine Operette. 83

Wenn die Kühe so im Stall stehenso kriegt Velten Meine Tochter nicht.

Delten.

Sepd doch nicht närrisch Hans! darüber wollen wir uns noch vergleichen, ich habe noch wichtige Geschäfte abzn» khun Hans! ich muß jetzt in die Wers sammlung; es haben sich schon über vierzig gemeldet, die derSternheimischett Sklaverey mstde sind und mit mir nach meiner Grafschaft ziehen wollen» Gott behüt euch indessen Hans!

(sie gehen ab bis auf Hans.)

F 2 Neun-

84

Martin Velten,

Neunter Auftritt.

Hans allein.

Hans.

W

I,

ann Velten viel von Ehre spricht Die ich ihm geben soll,

So kneget er wem Lottchen nicht; Der Kerl ist glaub' ich toll.

2

Der Schwiegervater sollte da Entblößt vor Velten stehn!

Das gieng noch an — wahrhaftig ja! Viel lieber mag er gehn.

(geht ab.)

Ende des zweyteu Aufzuges.

Dritter

85

Erster Auftritt.

Velrcn. Hans. Jost. Niklas, Peter. Velten.

Y! Gi Jost ist alles richtig morgen l/V reiften wir ab. Ich habe Be. fehl gegeben alles einzupacken. Ich will drum mein Schuhflickerwerzeug mitnehmen um mit dem großen Cäsar mich zu erinnern, daß ich ein Mensch bin. Hans.

Das ist doch ein schöner Gedanke den ich dir nicht zugetraut hätte.

86

g6 Martin Velten,

es kommt vom Churfürst WilligiK zu Maynz her —

Willigis, Willigis nicht vergiß,

Daß du eines Wagners Sohn hist. Velten.

^ Ochsen köpf weißt du dann nicht, daß Willigis mit dem Vornamen Cäsar, oder der Hauer geheißen har?

Niklas.

Site um Verzeihung Hert Graf!

( Peter kommt, j

Velten.

Da kommt ja mein Premierminister, Guten Tag Peter!

Derer,

Jetzt bin ich kein Minister mehr, sondern außerordentlicher Gesandter des Herrn Barons von Sternheim an den Herrn Grafen von der Vesten.

Velten.

87

Velten.

. Was ist ihr Anbringen Hert Gesandter?

Deter,

Ich soll im Namen meines gnädigen Herrns gegen die an einem seiner Unter» thanen verübten Gewaltthätigkeit pro» kestiren, und die geziemende Gang: thuung fodero

Velten, (erschrickt.)

Was Peter! ist es Ernst? Peter.

Ja Hert Gras! Sie und Dero hohes Ministerium werden wohl wissen, daß es in allen weltlichen Gesehen verboten ist aus fremdem Grund und Boden Galgen aufzurichten^. zu pfählen und zu ver: viertheiln

F 4

Velten.

»!

ß

à

*

i

à

88

88 Martin Velten,

Delten.

Ihr verfluchte Ochsenköpfe von Mi» nisters! habt ihr mich dann nicht dran erinnern können, daß wir auf einen fremden Territorio sind?

Isst.

Wir haben nicht gleich dran gedacht Ihre Excellenz!

Niklas.

Nein ich weiß bester, wir waren all zu dumm dazu! Ew. Excellenz ausgenommen die zuviel zu denken haben.

Peter.

Was befehlen Ew. Excellenz, daß ich zurückmelden soll?

Velten.

So) weiß meiner Seel nicht! Minister Jost euren Rath!

-st.

89

Jost.

Wann ich was mehr als ein paar Schuhe zu flicken weiß, so bin ich gleich des Henkers.

Velten.

Ja du bist mir ein geheimer Rath! Niklas die Reihe ist an dir.

Niklas.

Mein Rath ist wir müssen ihm den Krieg ankündigen.

Velten.

Dummer Teufel, wo die Soldaten hernehmen?

Niklas.

Ey da machen wir einen Waffenstillstand auf achtzig Jahr; die künftigen Grafen können es hernach ausfechten.

Velten.

Das ist doch noch ein rechter Minister der Schuhknecht Niklas! (zu Petern)

90

ii

i

sage er seinen Herrn, daß wir ihm hie» mit den Krieg auf das feyerlichste ankündigen, aber auch zugleich um einen Waffenstillstand auf achtzig Fahre anhalten,

Derer.

Dero Diener unüberwindlicher Hert Graf! (Peter geht ab)

Zweytev Auftritt. Hans. Jost. Niklas. Veiten. Velten.

Miklas du hast'ö hinter den Ohren sißen! meiner Seel fausten dick! wenn du nicht gewesen wärest wo wären wir jetzt?

i.

O sagts o sagts den spaten Söhnen Me Sternheim ward bekriegt ' Schon hör ich Lrommlen! Panckcn tönen! Und Martin Velten siegt.

-i ' 2. Schon

91

2.

Schon sehe ich den Graf von Velten.

Durch Sternheims Straßen ziehn; Den Feind mit Pferden und mit Zelten So, wie Hey Rosbach, flichn.

3.

Haut zu! haut zu! dem Manu und Weibe

Zerspaltet das Gesicht,

Schont selbst das Kind in Mutterleibe Selbst keinen Greißen nicht.

Hans.

Nicht so grausam Velten es kann leicht zum Kriege kommen und dann — Jost.

Ich bleib neutral.

Niklas.

Und ich werd ein Confederirter.

Velten.

Was, ihr wolltet nicht unter meiner Fahne fechten?

92

Martin Velten,

Jost.

Ich kann nicht schießen sehen Hert Graf.

Niklas.

Und ich kann meine Hände nicht in Christenblut tauchen.

Zaus.

Da steh Velten wie weit es kommen kann.

Isst.

Wenn nur das vermaledeyke Schiessen und Hauen nicht wäre!

Niklas.

Wenns noch gegen die Türken gieng.

Velten.

Schurken geht zum Henker! wann nur der Waffenstillstand angenommen wird —

(Peter kommt.)

Dritter

93

Dritter Auftritt.

Die Vorigen und Peter. Peter (mit einer Trompete, er bläßt)

= er Krieg wird angenommen und der Waffenstillstand abgeschlagen, Ew. Ex. cellenz sollen sich so gleich aus FemdeS Land machen, sonst würde man sie gefangen nehmen.

Velten (seufzend.)

Js gewiß Peter! oder macht er Spaß?

Deter.

Es ist Ernst! ich bin Rittmeister. Dich Jost werde ich in der Schlacht aufsuchen und dich bis an den Hosen, knöpf entzwey spalten.

Isst.

Ich danke für die Ehre Hert Peter! ich werde wohl neutral bleiben.

De Ler,

94

ACCU:

Und dit Niklas fty der Himmel gnädig! dir will ich eine eiserne Bombe in die Hosen nähen und dann anzünden lassen ; die Muß dir mit solchen Krachen zerspringen, daß man dein Gebein nicht mehr finden ft!!.

Velten.

Da hieß es: wie einer sündigt wird er auch gestraft» Wie manche Bombe Niklas hast du — — — —

aber Spaß apart wie helfen wir uns jetzt? Niklas rede:

Niklas (stotternd.)

Ich bin noch so voll Schrecken über die Bombe, daß ich keine Silbe reden kann»

öl;

SE Ich wüßte wohl noch etwas ; ich denk wir schieben die Schuld auf Niklafeti, ■ der

95

der hat den Krieg am ersten dé AN

Velten»

Dey meiner Treu du hast recht Jost l Deter.

Dann muß aber Niklas ausgeliefert werden! und morgen soll die Bombe springen»

Niklas»

Um Gottes Willen Hert Peter das kann nicht feyn! o ! hakte ich doch an was anders gedacht als den Krieg» — era

fertigen sie mich ab Hert Graf! ich muß fort die Canonen müssen heute noch probirt werden» St

Hans.

Und bey euch die Feuerspritzen Velken?

Velten»

! Mi

96

96 Martin Velten,

Velten.

Geht spaßt doch in Kriegszeiten nicht — aber Niklas wolltest du denn nicht vor das Wohl deines Vaterlandes sterben?

Niklas (ängstlich.)

Hert Graf ich bin ja ein Danziger! aber Jost --

oft.

Jost ist neutral. Der sicherste Weg, ich schlage mich auf die Sternheimische Seite (stellt sich zu Petern.)

Niklas.

Und ich auch (stellt sich auch neben Peter».)

Velten.

Und ich auch, (stellt sich auch zu Peter») Jetzt schießt meinetwegen!

Hans.

97

Hans.

Schon sehe ich den Graf von Velten Durch Stenchcims Straßen ziehn. Den Feind mit Pferden rind mit Zelten So wie bey Roßbach lien.

Ihr Helden!

Derer.

Ich gehe die Nachricht zu Überbein, gen.

Osk,

Und ich gehe meinen Weg.

(seht ab.)

PET a

98

US

Martin Velken,

t

Vierter Auftritt.

Von Grernyeim. Peter.

Von Sternheim,

Doter.

Zum Krepiren gnädiger Hert! da kam ich; Velten, Jost, Niklas, die Ministers Hofften auf den Stillstand. Wie ich den Krieg ankündigte, so war Hosk neutral; Niklas wollte kein Christenblut vergießen, und Velken wußte nicht mehr was er anfangen sollte. Es kam soweit, daß sie Niklasenausliefern wollten, weil er zum Krieg gerathen hatte» Um sich zu retten, schlug er

sich

99

sich auf unsere Seite ; Fest auch. Hans war vor keine Partie

Von Sternheim,

And Velten?

Weiter.

Schlug sich auch auf die Sternheimische Seite.

Von Sternheim.

Mit wem fangen wir nun den Krieg an? die Sachen stehen gut , Peter ! du hast deine Rolle gut gespielt. Gehe rufe mir jet Hansen, und den Consederirten sage — daß ich mich in Friedenspräliminarien einlassen wollte, sie sollten nur kommen. —

(Peter geht ab.)

- l E,

100

100 Martin Vekten,

Fünfter Austritt.

Von Srernbeim alleine.

Von Sternheim.

Vi. selig ists das Glück empfinden Wenn man Verlaßne glücklich macht. Wann wir der Wonne Züge finden Und Dank der von der Stirne lacht — 2.

Euch beyde, die der Unschuld Triebe Und nichts als die Natur verstehn — Euch kröne bepde eure Liebe

Euch will ich heul noch glücklich sehn.

101

Sechster Auftritt.

Von Sternheim. Hans.

Von Sternheim. du noch auf deinen Entschluß

Hans?

Hans.

Nicht ganz mehr gnädiger Hert! Sie müssen es mir nicht verdenken, wenn ich auf die Ehre meiner Familie sehe. Von Sternheim.

Gar nicht Hans! aber was hältst du von Velten?

Hans.

Mich dünkt, er wäre nicht ganz richtig im Kopfe.

Von Sternheim.

Recht Hans! alle seine Grafschaften sind Hirngespinster. Michel ist ein or-

102

192

Martin Velten,

deutlicher Bursch; sagt mir: habt ihr wohl etwas an ihm auszusetzen?

Hans.

Das eben nicht, gnädiger Hert! aber er ist nicht reich.

Von Sternheim.

Ist denn Velten reicher als Michel?

Hans.

Der hat aber doch fern Handwerk, und alle Tage sein gewisses Einkommen und jetzt gar eine Grafschaft, wenn ich nur klug draus werden könnte!

Von Sternheim.

Michel hat mehr Vorzüge. Er ist still, er trinkt nicht wie Velken, er kann seinen Acker gut bauen, und wie wäre es, wann ich ihm dann zwölf Hu¬

fen

103

eine Operette. 103

fen von meinem Gute schenkte, und ihn zu meinen Pachter machte?

Hans.

Das wollten Sie thun gnädiger Hert? aber eine Grafschaft! eine Graf» schüft!

Von Sternheim.

D! glaubt doch die Possen nicht Hans! Velten eine Grafschaft! hat er euch denn schon Beweise vorgelegt?

Hans.

Das eben nicht! doch Ihro Gnadenwann er keine Grafschaft hat so haben Sie mein Wort.

Von Sternheim.

Eure Hand drauf Hans !

-Hans.

(schlagt ein) Hert Baron! ein Mann ein Mann, ein Wort ein Wort!

G 4 Von

104

!

Von Sternycim.

So recht Hans'! und ihr sollt Mor. gen Schulze werden. Doch da kommen ja die Ministers mit dem Grafen.

Siebenter Auftritt.

Von fetcrnbeim. Veiten. Jost. Niklas. Derer. Hans.

Meter,

ier sind der Hert Graf und feine Bevollmächtigte.

Von Sternheim.

Hert Graf ich kann nicht begreifen, daß Sie so wenig Kenntniß vom Völkerrecht haben sollten, daß sie einen Schritt wagten wie dieser; und darauf gar mir einen Krieg ankündigen ließen, den sie nicht Much gnug haben anfangen zu sehen?

Velten.

105

Velten.

Was die erste Praliminari anlangt, Hert Baron! so waren meine Minister so dumm, daß sie mich nicht daran erinnerten , daß wir auf fremden Grund, und Boden wären.

Anlangend die zweyte, so hat mein geheimer Rath und Sekretär Niklas der Schurke, Ihnen den Krieg angekündiget und ich nicht. Ich übergebe Ihnen denselben, daß sie ihn zum Beyspiele aller Aufrührer/strafen können, wie es Ihnen beliebt.

*

Niklas.

D! gnädiger Hert! glauben Sie ihm kein Wort, der Hert Graf lügt wie ein Schelm.

106

io6 Martin Velten,

Velten.

Was? was? der Hert Graf ein Schelm! (zum Baron.) Hert Bruder lassen Sie ihm zwey Bomben vor eine in die Hosen nahen.

Von Gternheim.

Aber hiemit Hert Graf ist die erste Frage noch nicht gründlich gnug beant» wertet!

Velten.

Das hat Jost gethan. Kurz, ich nehme mich der Sache nicht an, und es soll mir ein Vergnügen seyn gnadiger Hert! die beyden Schurken hangen zu sehen.

Jost und Niklas.

O der Spitzbube!

Von

107

eine Operette.

Von Srernheim.

Aber sie wissen doch Hert Graf, daß man sich in solchen Fällen an den regierenden Herrn, und nicht an seine Minister hält?

Velten.

(bey Seite) Ich muß mich nur aufs Bitten legen, (zum Baron.) Haben Sie! Mitleiden mit mir Hert Baron! ich als ihr gewesener Unterthan! als ein Graf, der noch keine Praxis im Regieren hat; und Michel lebt ja noch!

Von Sternheim.

Tiber Sie haben ihn doch in effigie aufhenken lassen.

Veiten.

(bey Seite.) Gott Lob und Dank, jeßt besinne ich mich! (zum Baron.)

Hert

108

i

Hert Baron man hat sie erschrecklich belogen! es war meines Vaters Vei Veltens Bild, dem die Ratten die Naß abgefressen hatten. Und zndeme ist vie Execution ja nicht einmal vorge» gangen.

Von Sternyeim.

Sie waren doch willens es zu thun ! sie müssen sich zu einer Guugthuung verstehen, sonst geht der Krieg vor sich.

Velten.

Du lieber Gott, ist dann kein Mit. tel mehr in der Welt! (Ein Courier langt an.) Was ist das —

109

Achter Austritt.

Die Vorigen. Der Courier.

Der Courier.

ist ein Brief an einen gewissen Velten, Man sagte mir, daß er hier anzutressen wäre. Er kommt aus Holland.

Velten.

Ich bin der Graf van der Veiten! gebt her!

Da kommt gewiß die Nachricht an, Daß man daselbst vernommen,

was Graf van Velten schon gethan,

Und daß Soldaten kommen.

3. Sie

CE

110

Sie rucken alle schon ins Feld,

And warten auf Befehle:

Und daueren mir schon ein Zelt Von Sammt, bey meiner Seele!

3.

Jetzt Herr von Sternheim! pum —

pum — pum

Hört er die Morser krachen?

Ganz Sternheim will ich um und um, Der Erde ähnlich machen.

4.

Und Jost und Niklas soll mir dann Aus einem Mörser stiegen!

Den Michel hau ich in die Pfann,

Laß ihn den Raken liegen.

111

Da lerne dann die ganze Welk,

Den Graf van Velten kennen;

Und einst noch wird man ihn den Held In unsrer Chronik nennen.

, y

f m\

Hans.

(er liest. )

Seyd doch klug Velten! der Hoch, muth kommt vor dem Fall.

Niklas.

Ja! und der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.

*

Peter.

Was sieht denn im Brief, Velten ?

112

t

12 Martin Velten,

auf den Grund abgebrennt, und hat Sengeßelen aufs Feld faen laffen — der Schurke !

(der Cenrier geht ab.)

Von Sternheim.

‚Yun Velten wie stehen wir jchk? soll ich dich aufhängen lassen, weil du mir den ganzen Ort aufgewiegelt hast?

Velten.

Ach gnädiger Hert, ich will allmein Lebtag kein Graf mehr werden?

Jost.

Ja hangen muß man den Schurken, der ehrlichen Leuten Ohrfeigen Liebt.

Niklas.

Ich bitte vor ihn gnädiger Hert! wann ex schon ein Nart ist, jo ist er doch gut.

Hans.

113

Und ich auch, gnädiger Hert !

Peter«

Und weil er mich zu seinen ersten êkaatsminister gemacht hat, so bitte ich auch vor ihn!

Yon SterNheirN.

Da kommt Michel und Loktchen; sie sollen entscheiden.

Neunter Auftritt.

, Die Vorigen, Michel. Lskkchtn.

' often: ■

(im Hereingehen stößt sie Michelin, )

Sieh Michel, da sind sie alle. Wol. len wir uns nicht wieder fortschleichen?

H Michel«

114

114 Martin Velten,

Michel.

Der gnädige Hert ist ja da Lott. chen!

Von Sternheim.

Seyd nicht schüchtern Kinder! Kommt her, seht da steht Velten; er hat verdient aufgeknüpft zu werden, was soll ich thun Michel?

Velten.

Auweh Velten!

Michel.

O lassen sie ihn laufen, 'gnädiger Hert! den guten Tropf —

Lottchen.

Ja gnädiger Hert, sonst möchte er uns als des Nachts die Heerde ängst> gen, wann sie auf dem Felde schlafen.

van

115

Von Sternheim.

Was sagst du dazu, Velten?

Venen.

Daß ich gar nicht weiß, was ich vom Michel denken soll — Höre Michel, weil du so gut bist, so trete ich dir freywillig dein Lottchen ab. Komm her, schlag ein.

Hans.

Gnädiger Hert, ich gebe Micheln mein Lottchen! aber —

Von Sternyeim.

Es bleibt dabey, was ich dir versprochen habe.

Lottchen.

Ach das hat der gnädige Hert ge than Michel!

H 2 Michel.

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116

1106

Martin Velten,

Michel.

Ja tottchen! Komm, wir müssen ihme die Hand küssen?

Von Stevnyeim.

Gehe nach Haus Velten, und sey fernerhin ruhig. Du hast jährlich etwas von mir zu erwarten. Nun habe ich meinen Zweck erreicht; Velten wird klug werden, und Lottchen und Michel glücklich ftyn.

(geht ab.)

Lottchen.

i.

So bist du endlich einmal mein,

Ach Michel! du mein Leben!

O! sahst du in dieß Herz hinein,

!

Was wollt ich nicht drum geben.

2. Ich

117

Ich fühle — wie mein Herze bebt, Es zittert recht vor Freude —

O sieh — wie sich mein Busen hebt.

Heut bist du mein -- noch heule ! Michel.

I.

Und ich — die Worte fehlen mir,

Dir was ich fühl' zu sagen —

Den schönsten Lottchen ! feyern mir

Heut, von den Frühlingstagen —

2. So müsse auf der holden Flur.

Uns jeder Tag vergehen —

Die Morgenroche musse nur.

Uns froher lachlend sehen. —

118

114 Martin Velten,

Velten.

1.

Nun hört ihr Herren mich noch an. Was ich euch will erzehlen:

Es kam einsmal ein Edelmann,

bin Mädgen uns zu stehlen.

2.

Er kam zum Fest in unsern Hayn, Man jauchzte da vor Freude;

Und um uns unbekannt zu seyn,

Gieng er im Schäferkleide.

3.

Ein Madgen hold, so wie der May-, Schon wie die Rosenblüche,

Die Augen Glut — der Busen frey — Und Mienen voller Güte.

119

eine Operette. 119

4.

Die liebte er — er winkle oft,

Sie zu den Myrrthen Büschen;

Md dacht das Madgen unverhoft,

Von unsrer Flur zu fischen.

Allein sie kam nicht, sondern lief So schüchtern wie die Taube,

Indem sie ihrem Hirten rief,

In eine Rosen Laube.

6.

Sie sah' den Hirten ängstlich an.

Und sagt' ihm was geschehen;

Und schwur nicht mehr den Edelmann, Beym Reyhentanz zu sehen.

120

120 Martin Velten, eine Operette.

Zwar suchte sie der junge Herr, Mit seinem großen Strauße.

Doch weg war sie — da wischte er, Als wie der Blitz nach Hause.

So giengs dem Graf von Belten auch,

Der wollt im Trüben fischen —

Weg war's — er kennt der Herrn Gebrauch —

Lenkst fort — warum? sie zischen.