Sendschreiben eines Russen aus St. Petersburg an den Russen aus Deutschland der Dänische Anecdoten zum Gebrauch der Gewürzkrämer sammlet.

Sendschreiben

eines

Russen aus St. Petersburg

an den

Russen aus Deutschland der Dänische Anecdoten zum Gebrauch der Gewürzkrämer sammlet.

1771.

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Sie konten sich mit mehreren: Recht für einen Yaho, a) als für einen Russen ausgeben, denn als ein Unterthan der unsterblichen Kayserin, deren Geist unsern Seelen hohe Gesinnungen einflößt, hatten Sie ein edler Herz verrathen müssen. Wir geben uns nicht mit Vergiftungen ab, wir sind nicht gewohnt mit dem treulosen Dolch in der Hand, Opfer einer unrühmlichen Wuth im finstern aufzusuchen; nein, lange gieng unser Volk seinen Feinden mit offener Stirne und redlichen Waffen entgegen. Nur in einer Beziehung gehören Sie unter die Gesetze der Russen, für ihre Bosheit ist die gewöhnliche Geissel des Satyrs zu gelinde; er muß sie. Ihnen zur Besserung und Zucht, mit einer Knutpeitsche vertauschen.

a) Siehe Gullivers Reise.

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Sie mögen gerne durch die Thränen werthe Geschichte von den Raubvögeln auf der Zollbude und dem Fuß-Sack, das weiche Gemüth ihrer Wäscherinn rühren, nur folgen Sie künftig, wie es einem bescheidenen Reisenden gebührt, Ihrem Lastträger sittsam in Krug nach, und streuen Sie nicht gleich, so wie Sie eine fremde Erde berühren, Staats-Maximen wie Schnee-Flocken aus, die wie solche frostig, vergänglich und ein Spiel der Winde sind.

Die tiefsinnige und mit einem sapienti sat gebrandmarkte Anmerkung ihres zweiten Briefes,

Daß der König und der Staat eins und dasselbe sind, und nie von einander getrennet werden können.

trit wohlanständig nach ihrer Schneider-Anecdote einher. Begreiffen Sie doch, daß es Gelegenheiten giebt, wo man den König und den Staat nothwendig von einander unterscheiden muß. Z.B. wenn Sie der König, um die Zucker-Pflantzungen näher kennen zu lernen, nach West-Indien

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schickte, damit der Staat durch Ihr elendes Gewäsche nicht weiter geärgert werden möge.

So lange indessen die Strafe noch zaudert, entscheiden Sie immer, wie unnütz und schädlich ein Commerz-Collegium sey, wie übel das Magazin verwaltet werde? das ist durch die Freyheit der Presse jedem armen Teufel erlaubt, und Sie scheinen der Sache kundig und gewachsen zu seyn, nur glauben Sie nicht auf das Wort Ihres Hausknechts, der, wie es mir vorkömmt. Sie muthwilliger Weise zum Besten haben will, daß Männer, deren Character längst bestimmt und erkannt ist, die Wohlthaten des Königs an fremde Fabrikanten, für gute Prisen erklärt und unter sich getheilt haben.

Vom Mönch hat sich St. 6. zum General ausgedient? Welcher Türken-Calender beurkundet diese seltene Entdeckuug? oder wollten Sie es durch ein erdichtetes Beyspiel einer ungeheuren Stuffen-Folge begreiflicher machen, wie sie vom mütterlichen Sumpf an, sich auf einwahl zum Staats-Lehrer empor geschwungen haben?

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Jeder Knabe, der seinen Nepos bezahlt, darf ungestraft den Epaminondas beurtheilen, die Feldherrn der älteren Zeit gehören nun einmahl unter den Gerichtszwang der Schulen, aber wenn ein Mann, der noch in seinem Vaterland, das er misvergnügt verließ, verehret und geliebt wird, welchen die Helden aus Preussen und Braunschweig mit Hochachtung nennen, wenn ein solcher Mann das Unglück hat, Ihnen zu mißfallen, wenn sie Ihn unterrichten, wie er Peter den Dritten hätte schlagen sollen, so fällt mir aus Garriks Pantomime b) Harlequin ein, der sich muthig brüstet, die Britten aussodert, und die Küste von Engelland gegen die Landung der Franzosen vertheidigen will.

Und eben so dreiste wenden Sie'sich, mit der Pritsche in der Hand, nach den Wissenschaften hin, und schwingen fürchterlich ihr, kleines hölzernes Gewehr über Männer und Bücher, wenn die bunte Jacke nicht wäre, so würden Sie mir mit der schwarzen Larve unter den neun Musen, wie der Kisler Aga unter den Sultaninnen,

b) Harlequins Invasion.

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vorkommen, untröstlich über den traurigen Beruf, neidisch gegen vollkommnere Geschöpffe, ein armseliger Knecht fremder Eifersucht.

Qui ne fait rien & empêche de faire.

Ob der Mann, dessen Sie in ihrem siebenden Brief mit so vieler Menschenliebe gedenken, nach Dännemark geflüchtet oder berufen ist, ob er die Landereyen in West-Indien mühsam an sich zu bringen gesucht oder auf Zureden gekauft hat? ob er bis jetzo Vortheil daraus zieht? ob er nicht vielmehr grosse Summen hingesandt hat, und alle Einkünfte anwendet, neue Pflanzungen anzulegen? ob er in einer mißlichen Epoche nicht sein Vermögen freywillig aufs Spiel setzte? ob nicht noch seine Casse dem Staat diene? ob er seinen Credit anwende, den Cours zu erhalten oder fallen zu lassen?

Alle diese Fragen untersuchen und beantworten sie nicht, und wer begehrt es von Ihnen? wer hat jemahls auf der neuen Brücke zu Paris von dem Verfertiger eines Gassenliedes

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gefedert, daß er die Geschichte seiner Zeit wissen soll?

Nur fodern sie auch nicht von mir, daß ich Ihnen in ihrem labirinthischen Gemische von Papier-Geld, von Manufacturen und Hamburg von Republiquen und Privilegien, Chicanen und Teufelaustreiben, oeconomischen Gesellschaften, Spinneweben aus China, und dem neu entdeckten scharfsinnigen Unterschied, zwischen einem ausgebreiteten Handel, und dem Handel nach fernen Ländern, mühsam nachfolgen soll. Wer mag diese Polter-Cammer aufräumen? und welche Belohnung für die unfruchtbare Mühe, Sie die ersten Begriske der Handlung und der Staats-Geschäfte zu lehren? in dem todten Aschenhauffen einige Funken gesunden Menschen-Verstands aufzuspühren.

Ihr eilster Brief verdienet noch eine kleine Beleuchtung. Die Amazonen-Tracht der Dänischen Damen beleidiget Ihr männliches geschmack-volles Auge? Sieht das einem Russen ähnlich, der unsere siegreiche Kayserin je an der Spitze

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Ihrer Leib-Wache, zu Pferde und im Officiers-Kleide sah?

Aber was sind das vor eine Gattung Damen, mein Herr, die sich in dem nehmlichen Brief mit ihrem Peter und ihrem Eheherrn in dem Ton der besten Gesellschaft unterhalten? die ihren Dialogue mit den feinsten Blumen der weiblichen Beredsamkeit bestreuen? Die das Teufelsmensch, das Raben-Aas, die Schurken und die Schlüngels alle in wenige Perioden zusammen drängen? Gestehen Sie es nur, die Dänen sind gütig und Gastfrey, wie wären Sie sonst als ein Fremder gleich in den Cirkel der feinem Welt eingeführet worden? und daß dies ihre feinere Welt sey, können sie nicht leugnen, denn Sie sprechen in dem nehmlichen Brief noch ein Wort von den Frauenzimmern der niedern Classe.

Wenn man diesen Brief gelesen hat, so fällt es einer mittelmäßigen Einbildungskraft leicht, Sich ihre Werkstätte, und die ganze

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Gruppe Ihrer Freunde und Nathgeber lebhaft vorzustellen, nehmlich eine niedrige, mit Zierrathen nicht überladene Stube, unter dem Horizont, mit langen hölzernen Tischen und Bänken besetzt, auf solchen Räuchfässer und Flaschen des besten Rocken-Geistes voll, in der Ordnung die in ihrer Schrift herrscht. Sie am Ende des Tisches mein Herr Autor! Witz aus der unfruchtbaren Feder mit den Zähnen zu locken bemüht, Köpfe auf abgezehrte Ellenbogen gestützt, und alle zum lachen gewidmete Muskeln in convulsivischer Arbeit. Eine Zusammensetzung im Geschmack von Ostade, braun und kräftig, und durch ein schief einfallendes sparsames Licht von oben herab erleuchtet.

Verlohnt es sich nun wohl noch der Mühe, Ihren Aberwitz zu rügen, mit welchem Sie die ganze Nation der Danen mißhandeln und ihr allen Character absprechen? Sind Sie er werth, daß ich mich gegen Sie, als ein wohldenkender Russe, entrüste, der sich dankbar erinnert, daß noch jetzt Dänen für unsere gute Sache kämpffen daß ihr Blut mit dem unsri-

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gen floß, daß unsere Kayserinn Ihre Tapfferkeit schätzet und belohnt, und eine ihrer Flotten einem Dänen anvertraut.

Es ist freylich kühn, die Verdienste der Völker abzuwägen, und hinter seinem Rauchfang hervor einer ganzen Nation das Urtheil zu sprechen. Aber der Reisende aus dem Planeten des Sirius sogar, c) der Gebürge zum Morgenbrod speiste, betrog sich zuweilen, o hätten Sie mit ihm gefrühstückt; denn Sie berufen sich vermuthlich um ihre Schreibsucht zu rechtfertigen, auf eine dringende Empfindung im Magen, die man nicht unrecht die Geburtswehen schöner Geister genannt hat, auf den ungleichen Kampf zwischen dem Hunger und Ihnen, der zur Nothwehre auffodert? Sie führen vielleicht zu ihrer Entschuldigung das Beyspiel des Staatsklugen aus dem Hogarth an, der im Schuld-Thurm Vorschläge brütet, um die National-Schulden zu bezahlen, und Sie glauben, daß nichts natürlicher sey, als aus Nahrungs-Sorge

e) Siche Voltairens Micromegas.

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Rathschläge zur Ausbreitung des Ueberflusses im Staate zu geben, nur überlegen Sie nicht, daß man ans blosser Eß-Begierde seinen Nächsten nicht lästern darf, und daß es Mittel genug giebt, wenn uns auch die stiefmütterliche Natur nicht zum Minister bestimmt hätte, sich mit der Arbeit unserer Hände zu nähren.

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